BGE 109 IV 5 - Messerstecherei |
2. Auszug aus dem Urteil des Kassationshofes |
vom 9. Februar 1983 |
i.S. M. gegen Staatsanwaltschaft des Kantons Zürich |
(Nichtigkeitsbeschwerde) |
Regeste |
Regeste |
Voraussehbarkeit der Todesfolge bei Messerstichen in die Brust- und Bauchgegend bejaht (E. 2). |
2. Art. 33 Abs. 2 StGB. |
Wer durch deliktisches Verhalten selber schuldhaft den Angriff verursacht, kann sich für seine unangemessene Abwehr nicht auf entschuldbare Aufregung berufen (E. 3). |
Sachverhalt |
A. |
In der Nacht vom 15./16. Juli 1981 liess sich M. zusammen mit einem Kollegen in der Stadt Zürich durch ein Taxi zur Liegenschaft In der Wässeri 6 führen. Am Bestimmungsort rannten die beiden Taxibenützer gemäss getroffener Abmachung davon, ohne den Fahrpreis zu bezahlen. Der Taxichauffeur B. verfolgte M. und schlug mit einem Kabelstück auf ihn ein. M. griff darauf zu seinem Klappmesser und versetzte dem Angreifer drei Stiche in Bauch und Brust. B. brach zusammen. Er starb infolge der Messerstiche auf dem Transport ins Spital.
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B. |
Das Obergericht des Kantons Zürich sprach M. wegen dieser Tat mit Urteil vom 10. Mai 1982 der schweren Körperverletzung im Sinne von Art. 122 Ziff. 1 Abs. 1 und Ziff. 2 StGB (voraussehbare Todesfolge) schuldig und bestrafte ihn dafür sowie wegen weiterer Verfehlungen mit siebeneinhalb Jahren Zuchthaus.
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C. |
Gegen die Verurteilung wegen schwerer Körperverletzung hat M. kantonale und eidgenössische Nichtigkeitsbeschwerde eingereicht. Am 2. November 1982 wies das Kassationsgericht des Kantons Zürich die kantonale Kassationsbeschwerde ab. Ein hiegegen erhobener staatsrechtlicher Rekurs wurde vom Kassationshof des Bundesgerichts am 9. Februar 1983 abgewiesen.
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Mit der eidgenössischen Nichtigkeitsbeschwerde wird beantragt, das Urteil des Obergerichts vom 10. Mai 1982 sei aufzuheben und die Sache sei zur Neubeurteilung an die Vorinstanz zurückzuweisen.
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Auszug aus den Erwägungen: |
Aus den Erwägungen:
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Erwägung 2 |
Die qualifizierte Begehungsform von Ziff. 2 stellt die Verbindung zwischen der vorsätzlichen Haupttat - schwere Körperverletzung - mit der dadurch fahrlässig verursachten, nicht gewollten, aber voraussehbaren Todesfolge dar (BGE 97 IV 89 ff.). Der Täter muss den Tod nicht als sehr wahrscheinliche oder sichere Folge vorausgesehen haben, sonst würde sich ja die Frage des Tötungsvorsatzes stellen. Nach der hier nicht zu überprüfenden Beweiswürdigung der Vorinstanz fehlt im vorliegenden Fall der Nachweis, dass der Beschwerdeführer den Tod des Verletzten zumindest in Kauf nahm. Ziff. 2 von Art. 122 StGB ist anwendbar, wenn der Täter die Möglichkeit des Todes als Folge seiner Handlungen bei pflichtgemässer Überlegung hätte erkennen können. Ob er tatsächlich an das Risiko tödlicher Folgen gedacht hat, wird sich oft nicht feststellen lassen. Das Tatbestandsmerkmal der Voraussehbarkeit ist jedoch erfüllt, sobald der Täter nach den gesamten Umständen und den persönlichen Verhältnissen die Möglichkeit der Todesfolge bei pflichtgemässer Vorsicht erkennen musste.
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Diese objektivierte Voraussehbarkeit der Todesfolge hat das Obergericht in richtiger Anwendung der bundesrechtlichen Bestimmungen bejaht. Ein junger Mann bedarf keiner besonderen Intelligenz, um zu erkennen, dass ungezielte Messerstiche in Brust und Bauch eines Menschen den Tod zur Folge haben können. Weder Mängel des Schulwissens und fehlende Schreibgewandtheit, noch die momentane Erregung über einen Angriff schliessen das Erkennen des mit dem Einsatz des Messers verbundenen erheblichen Todesrisikos aus. Was im übrigen zur Annahme einer Verminderung der Zurechnungsfähigkeit führt oder in anderer Weise die Herabsetzung von Schuld und Strafe rechtfertigt, ist nicht geeignet, den Entscheid über die nach objektiven Massstäben zu beurteilende Frage der Voraussehbarkeit zu beeinflussen. Die Subsumtion der Tat unter Art. 122 Ziff. 1 Abs. 1 und Ziff. 2 StGB erscheint daher als richtig.
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Erwägung 3 |
3.- Das Obergericht hat in zutreffender Anwendung von Art. 33 StGB festgehalten, dass der betrogene Taxichauffeur zwar berechtigt war, den Beschwerdeführer zu verfolgen, um von ihm - nötigenfalls auch handgreiflich - das Fahrgeld zu fordern, dass aber anderseits der konkrete Angriff von hinten, der nach den unwiderlegbaren Aussagen von M. sehr massiv und gänzlich unkontrolliert erfolgte, vorwiegend den Charakter einer privaten Strafaktion hatte und die Grenzen einer angemessenen Notwehr klar überschritt. Gegenüber der nicht mehr durch Art. 33 Abs. 1 StGB gedeckten gewalttätigen Attacke des Taxichauffeurs befand sich der Beschwerdeführer seinerseits in einer Notwehrsituation; er war zu einer verhältnismässigen Abwehr befugt. Lebensgefährliche Stiche in Brust und Bauch des Angreifers stellen jedoch keine angemessene Abwehr von schmerzhaften, aber nicht gefährlichen Schlägen dar. In der Nichtigkeitsbeschwerde wird denn auch nicht geltend gemacht, das Vorgehen des Beschwerdeführers sei gemäss Art. 33 Abs. 1 StGB gerechtfertigt. Hingegen vertritt der Beschwerdeführer die Auffassung, er habe in entschuldbarer Aufregung oder Bestürzung gehandelt und sein Notwehrexzess bleibe daher gemäss Art. 33 Abs. 2 2. Satz straflos. Ein gewalttätiger Angriff in der Nacht wird den Angegriffenen immer in eine besondere Spannungslage versetzen. Nicht jede noch so exzessive, gefährliche Abwehrreaktion kann wegen der durch den Angriff verursachten Aufregung straflos bleiben; an eine die Straflosigkeit von schweren Notwehrüberschreitungen rechtfertigende Emotion sind besondere Anforderungen zu stellen. Dabei müssen Art und Ausmass der unangemessenen Abwehr sowie die gesamten Umstände des Einzelfalles berücksichtigt werden. Wer - wie der Beschwerdeführer - selber schuldhaft durch deliktisches Verhalten die Ursache des Angriffs gesetzt hat, kann nicht geltend machen, eine unangemessene Abwehr sei auf eine entschuldbare Aufregung oder Bestürzung zurückzuführen. Ob er den Angriff erwartete oder durch die Notwehrhandlung des Opfers überrascht wurde, ist für die Frage der Entschuldbarkeit nicht entscheidend. Eine Aufregung, die zu einer für den Angreifer lebensgefährlichen Reaktion führte, war unter den konkreten Umständen nicht entschuldbar. Auch die in diesem Punkt vorgebrachte Rüge erweist sich somit als unbegründet.
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