BGE 110 IV 87 |
27. Auszug aus dem Urteil des Kassationshofes vom 9. November 1984 i.S. P. gegen R. (Nichtigkeitsbeschwerde) |
Regeste |
Art. 173 ff. StGB; ehrverletzende Äusserungen in einer Rechtsschrift; Mitwirkung von Partei und Rechtsanwalt. |
Art. 30 StGB; Strafantrag bei Mitwirkung mehrerer an einer Straftat. |
Der gültig gegen einen Mitwirkenden gestellte Strafantrag gilt - ohne ausdrückliche Beschränkung - auch gegenüber allen andern Tatbeteiligten. Das Unterbleiben der Verfolgung eines Mitbeteiligten hat keinen Einfluss auf den Fortbestand des Strafantrags gegenüber weiteren Delinquenten (E. 1c). |
Sachverhalt |
A.- Rechtsanwalt R. klagte im Jahre 1979 gegen seine frühere Klientin, G., auf Bezahlung seines Anwaltshonorars. In diesem Prozess wirkte P. als Vertreter der Beklagten. In seiner Klageantwortschrift vom 28. Februar 1980 führte er aus: "Die Beklagte hat vielmehr den Eindruck, dass bei der Ausarbeitung der Klageschrift eine massive Erhöhung des Zeitaufwandes vorgenommen wurde, um wenigstens den eingeklagten Betrag ausweisen zu können." G. hatte P. gegenüber einen entsprechenden Verdacht geäussert, nachdem Rechtsanwalt R. ein Honorar von ca. Fr. 130'000.-- berechnet, aber bloss Fr. 80'000.-- eingeklagt hatte. Der letztere reichte in der Folge gegen P. eine Strafklage wegen Ehrverletzung ein.
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B.- Am 7. Februar 1984 verurteilte das Obergericht des Kantons Zürich P. wegen übler Nachrede zu einer bedingt vorzeitig löschbaren Busse von Fr. 1'000.--.
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C.- P. führt eidgenössische Nichtigkeitsbeschwerde mit dem Antrag, das Urteil des Obergerichts sei aufzuheben und das vorliegende Verfahren einzustellen, eventuell sei die Sache zur Einstellung an die Vorinstanz zurückzuweisen, eventuell sei der Beschwerdeführer vollständig freizusprechen.
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Aus den Erwägungen: |
1. Der Beschwerdeführer macht geltend, er habe die inkriminierte Äusserung gestützt auf die Instruktion von G. in die Klageantwortschrift übernommen; sie stamme somit von seiner Klientin. Er habe lediglich wiedergegeben, was ihm diese gesagt habe. G. sei infolgedessen Urheberin der Äusserung, weshalb sie im Sinne von Art. 30 StGB an der dem Beschwerdeführer zur Last gelegten Tat beteiligt gewesen sei. Nach dem Grundsatz der Unteilbarkeit des Strafantrags richte sich aber dieser immer zugleich gegen alle an der Tat Mitwirkenden. Gemäss Lehre und Rechtsprechung habe die vom Beschwerdegegner "innert der Antragsfrist und in der vom zürcherischen Strafprozessrecht geforderten Form eingereichte Anklage somit [...] zugleich die Wirkung eines Strafantrags gegen alle Beteiligten" gehabt. "Damit aber war auch gegen G., obschon nicht in der Anklageschrift genannt, nach Bundesrecht ein rechtswirksamer Strafantrag gestellt." Werde ein Antrag gegen einen Beteiligten gestellt, so sei die Strafuntersuchung von Amtes wegen auf alle anderen auszudehnen. Das sei hier nicht geschehen, weshalb ein entsprechender Antrag vor zweiter Instanz habe gestellt werden müssen. Damit solle verhindert werden, dass der Verurteilte nach seinem Belieben einen einzelnen Beteiligten herausgreife unter Ausschluss der anderen. Genau das aber sei vorliegend geschehen, indem der Beschwerdegegner seine ehemalige Klientin geschont und "wohl bewusst" nur den Beschwerdeführer ins Recht gefasst habe. Soweit die Vorinstanz eine Beteiligung von G. an der eingeklagten Äusserung verneint habe, habe sie auch ihr Ermessen bei der Würdigung des Sachverhalts überschritten und willkürlich gehandelt.
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a) Diese Argumentation vermischt zwei Fragen, nämlich diejenige nach der Mitwirkung von G. an der eingeklagten Äusserung und diejenige einer rechtsgültigen Antragsstellung für den Fall einer solchen Beteiligung. Ausserdem ist sie widersprüchlich, wenn einerseits geltend gemacht wird, mit dem gegen den Beschwerdeführer gerichteten Strafantrag sei nach Bundesrecht rechtsgültig auch gegen G. Antrag gestellt worden, und anderseits behauptet wird, der Antrag sei wegen Verletzung des Grundsatzes der Unteilbarkeit ungültig. Und schliesslich ist sie, soweit sie sich überhaupt an den von der Vorinstanz für das Bundesgericht verbindlich festgestellten Sachverhalt (Art. 277bis Abs. 1 BStP) hält, unbehelflich.
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b) Das Obergericht hat zunächst eine Beteiligung von G. im Sinne des Art. 30 StGB verneint, weil das Weiterverbreiten einer ehrverletzenden Äusserung neben dem Beschuldigen oder Verdächtigen einen selbständigen Tatbestand darstelle, der Täter, der eine ehrverletzende Beschuldigung oder Verdächtigung aufstelle, nicht immer und notwendigerweise an der Weiterverbreitung seiner Äusserung teilnehme und der Klient eines Anwalts nicht damit rechnen müsse, dass seine Instruktionen bzw. Äusserungen genau so in der Rechtsschrift wiedergegeben würden, wie er sie dem Anwalt gegenüber getan habe, es sei denn, er habe deren Wiedergabe ausdrücklich verlangt. G. habe dem Beschwerdeführer nicht den Auftrag gegeben, den geäusserten Eindruck in einer Rechtsschrift weiterzuverbreiten.
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Diese Überlegungen der Vorinstanz rufen erheblichen Bedenken. Wenn es einerseits auch Pflicht des Anwalts ist, die Instruktionen seines Klienten - soweit dies möglich, zulässig und zumutbar ist - auf ihren Sachbezug und ihre Begründetheit zu erforschen (VON WERRA, Der Anwalt und die üble Nachrede, in Bulletin des SAV, Dezemberheft 1980 S. 8), so ist doch andererseits nicht zu übersehen, dass der Klient seiner Meinung nach für die Begründung seines Standpunkts bedeutsame Angaben dem Anwalt bei der Instruktion normalerweise in der Erwartung macht, dieser werde sie auch verwenden. Letzteres liegt schon in der Auftragserteilung, ohne dass der Klient die Übernahme seiner Angabe noch ausdrücklich verlangen muss. Insbesondere ist in Fällen, wo der Anwalt in einer namens seines Klienten verfassten Prozessschrift ehrverletzende Äusserungen verwendet, zunächst nicht anzunehmen, jener habe diese von sich aus und ohne oder gar gegen den Willen seines Klienten getan, und es hat auch der Verletzte unter Vorbehalt konkreter gegenteiliger Anzeichen unter solchen Umständen für den Regelfall von einer Beteiligung von Partei und Anwalt auszugehen. In diesem Sinne hat sich auch das Bundesgericht ausgesprochen (BGE 97 IV 4, BGE 80 IV 212; zustimmend SCHULTZ, ZBJV 108/1972 S. 339). Dass im vorliegenden Fall solche konkreten Anzeichen bestanden hätten, stellt die Vorinstanz nicht fest. Dann aber kann ihrer Auffassung, G. sei an dem Weiterverbreiten der eingeklagten Äusserung nicht beteiligt gewesen, nicht beigepflichtet werden. Indessen muss deswegen das angefochtene Urteil nicht aufgehoben werden.
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c) Der Beschwerdegegner hat unbestrittenermassen gegen den Beschwerdeführer form- und fristgerecht Strafantrag gestellt. Damit war auch gegen weitere nicht ausdrücklich erwähnte Beteiligte von Bundesrechts wegen Antrag gestellt, es wäre denn, der Beschwerdegegner hätte bezüglich der zu verfolgenden Personen einen Vorbehalt angebracht bzw. den Antrag bewusst auf den Beschwerdeführer beschränkt (BGE 97 IV 3 mit Verweisungen). Davon kann nach der vom Obergericht in diesem Punkt gegebenen Eventualbegründung nicht die Rede sein. Welches der Inhalt der vom Antragssteller abgegebenen Willenserklärung war, ist Tatfrage, die vom kantonalen Richter für den Kassationshof verbindlich beantwortet und daher mit der Nichtigkeitsbeschwerde nicht zur Entscheidung gestellt werden kann, auch nicht mit der Rüge willkürlicher Beweiswürdigung oder Tatsachenfeststellung (Art. 273 Abs. 1 lit. b BStP). Nach dem angefochtenen Urteil aber hatte R. den gegen den Beschwerdeführer gerichteten Strafantrag nicht auf diesen beschränken wollen, um G. zu schonen und sie von einer Strafverfolgung zu bewahren. Der Beschwerdegegner hatte demnach vorbehaltlos einen von Bundesrechts wegen gültigen Strafantrag gestellt. Der Entscheid des Obergerichts verstösst infolgedessen nicht gegen Art. 30 StGB. Daran ändert auch nichts, dass G. heute nicht neben dem Beschwerdeführer als strafrechtlich Verfolgte dasteht.
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Das ist darauf zurückzuführen, dass das Verfahren erst so spät auf sie ausgedehnt wurde, dass die Zulassung der Anklage wegen Verjährung "der allenfalls von der Angeklagten begangenen Ehrverletzung" verweigert wurde. Der Beschwerdeführer wäre im übrigen ohnehin nicht befugt, dies mit der Nichtigkeitsbeschwerde zu rügen, weil die Durchsetzung des Strafanspruchs grundsätzlich Sache des Staates ist und bei Antragsdelikten einzig der Antragsteller durch die Nichtverfolgung eines der Täter in seinen rechtlich geschützten Interessen berührt sein kann.
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