BGE 111 IV 83
 
21. Urteil des Kassationshofes vom 6. Mai 1985 i.S. H. und Mitbeteiligte gegen Staatsanwaltschaft des Kantons Aargau (Nichtigkeitsbeschwerde)
 
Regeste
Art. 314 StGB; ungetreue Amtsführung durch Erteilung einer gesetzwidrigen Baubewilligung.
 
Sachverhalt
A.- Der Gemeinderat von G. bewilligte am 16. Juli 1980 dem M. die Erstellung eines neuen Wohnhauses mit Pferdestall und den Umbau einer bestehenden Scheune in eine Reithalle auf zwei ausserhalb des Baugebietes liegenden Parzellen. Das Baugesuch war dem zur Bewilligung von Ausnahmen gemäss Art. 24/25 RPG (SR 700) zuständigen Baudepartement nicht unterbreitet worden. M. machte von der Baubewilligung Gebrauch. Der Regierungsrat des Kantons Aargau fand, durch die Bauten ausserhalb der Bauzone seien die öffentlichen Interessen in erheblichem Masse verletzt. Er verfügte am 28. Februar 1983 im Aufsichtsverfahren den Abbruch der den Bestimmungen des RPG und des kantonalen Baugesetzes zuwiderlaufenden Bauten. Das aargauische Verwaltungsgericht bestätigte am 9. Dezember 1983 den Entscheid des Regierungsrates.
B.- Gegen die Mitglieder des Gemeinderates von G. und gegen den Gemeindeschreiber wurde ein Strafverfahren eingeleitet. Das Obergericht des Kantons Aargau (1. Strafkammer) sprach sie am 27. September 1984 in teilweiser Gutheissung der Berufung der Staatsanwaltschaft der ungetreuen Amtsführung gemäss Art. 314 StGB schuldig. Es verurteilte Gemeindeammann H. und Gemeindeschreiber B. zu je einer Woche Gefängnis bedingt und zu einer Busse von je Fr. 300.-- und die vier Gemeinderäte zu je drei Tagen Gefängnis bedingt und zu einer Busse von je Fr. 120.--.
C.- Das Bundesgericht weist die gegen das obergerichtliche Urteil erhobene Nichtigkeitsbeschwerde ab, soweit darauf einzutreten ist.
 
Auszug aus den Erwägungen:
Die bestrittene subjektive Voraussetzung ist in Art. 314 StGB mit dem Nebensatz umschrieben: "um sich oder einem andern einen unrechtmässigen Vorteil zu verschaffen" ("dans le dessein de se procurer ou de procurer à un tiers un avantage illicite", "al fine di procurare a sé o ad altri un indebito profitto").
a) Die Beschwerdeführer ermöglichten mit der Baubewilligung vom 16. Juli 1980 dem Gesuchsteller M., abseits vom Baugebiet und daher unbehelligt von entsprechenden Immissionen an schöner, nicht verbaubarer Lage mit bester Aussicht auf relativ preisgünstigem Boden einen Landsitz zu erstellen. Durch Missachtung der einschlägigen Verfahrens- und Raumplanungsvorschriften wollten sie M. diese für ihn in verschiedener Hinsicht vorteilhafte Baumöglichkeit verschaffen. Der Vorteil ist unrechtmässig, weil nach den einschlägigen Vorschriften des Bau- und Planungsrechtes diese Bauten ausserhalb der Bauzone nicht bewilligt werden können. Die Beschwerdeführer hatten Kenntnis von den Beschränkungen der Bautätigkeit ausserhalb des Baugebietes, wie sie ursprünglich vor allem aus dem Gewässerschutzrecht abgeleitet wurden und sich jetzt aus den Vorschriften des kantonalen Baugesetzes (vom 2. Februar 1971, vgl. insbesondere § 129) und aus dem 1980 in Kraft getretenen Raumplanungsrecht des Bundes (Art. 24 RPG) ergeben. Sie vermieden es, den für Ausnahmebewilligungen im nicht eingezonten Gebiet zuständigen Instanzen das konkrete Baugesuch zu unterbreiten, weil sie damit rechnen mussten, die Bewilligung könnte verweigert werden. Mit ihrem Vorgehen beabsichtigten sie somit - gemäss den Feststellungen der Vorinstanz -, dem Gesuchsteller einen Vorteil zu verschaffen, von dem sie zumindest in Kauf nahmen, dass er dem Planungsrecht nicht entspreche und daher unrechtmässig sei.
b) Stellt die Bewilligung einer nicht zonenkonformen Baute ausserhalb des Baugebietes einen unrechtmässigen ideellen Vorteil dar, so erübrigt sich eine Untersuchung darüber, ob gewisse Vorteile, welche aufgrund der fraglichen Baubewilligung für andere zu erwarten waren (wie etwa Steuern für die Gemeinde, Aufträge für den Gemeindeschreiber als Urkundsperson oder für den Gemeindeammann als Inhaber eines Elektro-Installationsgeschäftes), das Verhalten der Beschwerdeführer mitbestimmten und ob solche erwartete Auswirkungen als unrechtmässiger Vorteil zu qualifizieren wären. Irrelevant ist auch, ob und in welchem Ausmass die Baubewilligung dem Gesuchsteller einen rein finanziellen Vorteil verschaffte. Dass der günstige Landpreis bei einer Baute ausserhalb der Bauzone zu einem grossen Teil durch hohe Erschliessungskosten kompensiert wird, ist glaubhaft. Das ändert aber nichts daran, dass die Möglichkeit, im freien Gelände ausserhalb der Bauzone an schöner, unverbaubarer Lage sein Bauvorhaben realisieren zu können, einen unrechtmässigen Vorteil bildet. Das bestrittene Tatbestandselement der Vorteilsabsicht ist damit in klarer Weise gegeben.
Dass die Schädigung der öffentlichen Interessen durch Missachtung eines fundamentalen Grundsatzes der Raumplanung (Bauen nur in den Bauzonen) und der unrechtmässige Vorteil durch Erstellung einer zonenfremden Baute an einem schönen Ort ausserhalb des Baugebietes sich faktisch weitgehend decken, ist nicht zu beanstanden und stellt keine unzulässige Vermengung zweier Tatbestandsmerkmale dar. Es wird dadurch lediglich der gleiche Sachverhalt gemäss der gesetzlichen Bestimmung unter zwei verschiedenen Aspekten - Schädigung öffentlicher Interessen und Verschaffung eines unrechtmässigen Vorteils - erfasst und gewürdigt.