BGE 117 IV 297 |
54. Auszug aus dem Urteil des Kassationshofes vom 27. September 1991 i.S. H. gegen Generalprokurator des Kantons Bern (Nichtigkeitsbeschwerde) |
Regeste |
Art. 41 und Art. 63 StGB; Art. 91 SVG. |
Sachverhalt |
A.- Das Obergericht des Kantons Bern sprach H. am 7. Juni 1990 in zweiter Instanz der Vereitelung der Blutprobe schuldig und bestrafte ihn deswegen sowie gestützt auf die rechtskräftigen erstinstanzlichen Schuldsprüche wegen Überschreitens der signalisierten Höchstgeschwindigkeit innerorts mit Personenwagen, unvorsichtigen Führens eines Personenwagens und Nichttragens der Sicherheitsgurte mit 14 Tagen Gefängnis (unbedingt) und Fr. 200.-- Busse.
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B.- Dagegen führt der Verurteilte eidgenössische Nichtigkeitsbeschwerde mit dem Antrag, das angefochtene Urteil sei aufzuheben und die Sache zur Gewährung des bedingten Strafvollzuges sowie zur neuen Strafzumessung an die Vorinstanz zurückzuweisen.
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Das Bundesgericht zieht in Erwägung: |
Der Beschwerdeführer entfernte sich nach der Kollision zuerst in Richtung See, kehrte aber ca. 10 Minuten später an die Unfallstelle zurück. Er wurde von einem Polizeibeamten, der sich zufälligerweise am Unfallort befand, auf die Wache geführt. Er verhielt sich gemäss den Angaben der Polizeibeamten diesen gegenüber frech und beleidigend, war aufgeregt und machte den Eindruck, angetrunken zu sein. Auf der Wache wurden mit ihm in der Zeit zwischen 04.00 und 04.25 Uhr mit einem stationären Gerät drei Alkoholtests durchgeführt, die 0,82, 1,26 bzw. 1,20 Gewichtspromille ergaben. Es wurden deshalb mehrere Tests durchgeführt, weil der Beschwerdeführer jeweils das Resultat nicht anerkannte und behauptete, nicht so viel getrunken zu haben. Nach Meinung eines Polizeibeamten blies der Beschwerdeführer jeweils zu schwach, obschon er normal hätte blasen können.
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Da der Beschwerdeführer sich weigerte, sich der Abnahme einer Blutprobe zu unterziehen und zu diesem Zweck ins Spital gefahren zu werden, orientierten die Polizeibeamten den Pikett-Untersuchungsrichter. Dieser ordnete um 05.45 Uhr einen vierten Alkoholtest an, der ein Resultat von 0,89 Gewichtspromille ergab. Der Beschwerdeführer lehnte es trotz der Überzeugungsversuche und der Hinweise des Untersuchungsrichters auf den Tatbestand der Vereitelung einer Blutprobe und die Straffolgen weiterhin kategorisch ab, sich der Abnahme einer Blutprobe zu unterziehen. Der Untersuchungsrichter verzichtete nach Einsicht in die Weisungen des EJPD auf die Anordnung einer zwangsweisen Blutentnahme; eine solche unterblieb denn auch.
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b) Die Vorinstanz ging bei der Strafzumessung und bei der Frage der Gewährung des bedingten Strafvollzuges davon aus, dass die Vereitelung der Blutprobe unter den gegebenen Umständen, die als krass zu werten seien, nach einer Freiheitsstrafe rufe. Das Verhalten des Beschwerdeführers sei wohl eben dadurch motiviert gewesen, dass dieser das Resultat einer Blutprobe habe fürchten müssen. Gemäss den Blastests habe er allen Anlass dazu gehabt. Nach den Aussagen des Untersuchungsrichters als Zeuge habe der Beschwerdeführer realisiert gehabt, dass er seinen Führerausweis verlieren würde. Diesem Gedanken habe er alles untergeordnet und er habe mit allen Mitteln verhindern wollen, dass eine Blutentnahme stattfinde. In Würdigung aller einschlägigen Strafnormen und unter Berücksichtigung der konkreten Umstände erscheine eine Gefängnisstrafe von 14 Tagen als angemessen. Die formellen Voraussetzungen für die Gewährung des bedingten Strafvollzuges seien zwar gegeben. Der Beschwerdeführer sei aber in den letzten Jahren unter verschiedenen Malen verurteilt worden, u.a. wegen Verstössen gegen das Strassenverkehrsgesetz. Die materielle Voraussetzung der günstigen Prognose müsse daher verneint werden, weshalb die Gefängnisstrafe unbedingt zu vollziehen sei. Die erstinstanzlich ausgefällte Busse von Fr. 200.-- sei zu bestätigen.
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c) Der Beschwerdeführer wendet dagegen ein, es könne keine Rede davon sein, die Blutprobe sei unter krassen Umständen vereitelt worden. Die äusserst magere Begründung der Vorinstanz laute bloss, er sei in den letzten Jahren unter verschiedenen Malen verurteilt worden, u.a. wegen Verstössen gegen das Strassenverkehrsgesetz. Wie sich aus dem Vorstrafenregister ergebe, sei er nie wegen des gleichen Deliktes verurteilt worden. Vor allem aber liege nicht ein "Rückfall" hinsichtlich Fahren in angetrunkenem Zustand vor. Er sei ein erstes und einziges Mal im Jahre 1986 wegen Fahrens in angetrunkenem Zustand verurteilt worden. Die Vereitelung der Blutprobe dürfe diesem Delikt nicht gleichgesetzt werden, vor allem im vorliegenden Fall nicht. Die Verurteilung wegen Fahrens in angetrunkenem Zustand im Jahre 1986 sei ihm "eine gehörige Lehre" gewesen. Er habe seither den Alkoholkonsum bei der Benützung eines Personenwagens aufs Minimum reduziert. Er habe sogar beschlossen, zu Hause keinen Alkohol mehr aufzubewahren. Vom Arbeitgeber sei ihm mitgeteilt worden, er werde entlassen, wenn er eine Freiheitsstrafe absitzen müsse, sei es auch nur in Halbgefangenschaft. Seine Existenz stehe somit auf dem Spiel. Da er dies wohl wisse, bestehe schon deswegen Gewähr, dass er sich in Zukunft wohl verhalten werde. Er verdiene ohne jeden Zweifel das Vertrauen des Richters und damit die Gewährung des bedingten Strafvollzuges. Die ausgefällte Strafe von 14 Tagen Gefängnis könnte nur dann als angemessen betrachtet werden, wenn ein "Rückfall" vorliegen würde. Dies sei aber gerade nicht der Fall. Zudem liege, wie bereits ausgeführt, kein krasser Fall vor. Wegen seines Schockzustandes habe er sich auf die Meinung fixiert gehabt, sich der Blutprobe zu widersetzen.
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2. a) Mit dem Straftatbestand der Vereitelung der Blutprobe gemäss Art. 91 Abs. 3 SVG will das Gesetz verhindern, dass der korrekt sich einer Blutprobe unterziehende Fahrer schlechter wegkommt als derjenige, der sich ihr entzieht oder sie sonstwie vereitelt. In der strafrichterlichen Praxis wird die Vereitelung der Blutprobe daher sowohl hinsichtlich der Strafzumessung als auch in bezug auf die Gewährung des bedingten Strafvollzuges grundsätzlich gleich wie das Fahren in angetrunkenem Zustand behandelt. Diese Gleichstellung rechtfertigt sich nach Sinn und Zweck von Art. 91 Abs. 3 SVG dann, wenn einerseits der Fahrzeuglenker aufgrund der vorhandenen Beweismittel (Alkoholtest, eigene Aussagen sowie Aussagen von Auskunftspersonen und von Zeugen), die weniger genau sind als die Blutprobenanalyse, nicht des Fahrens in angetrunkenem Zustand überführt werden kann und wenn anderseits aber die Möglichkeit besteht, dass der Fahrzeuglenker bei korrektem Verhalten aufgrund des Ergebnisses der Analyse der ihm abgenommenen Blutprobe wegen Fahrens in angetrunkenem Zustand verurteilt worden wäre, er sich also durch die Vereitelungshandlung einem solchen Risiko entzog. In diesem Fall hat der Fahrzeuglenker, soweit es um die Strafzumessung und den bedingten Strafvollzug geht, keinen Anspruch darauf, dass er so behandelt werde, als ob auch durch die Analyse der Blutprobe, die ihm bei korrektem Verhalten abgenommen worden wäre, Angetrunkenheit nicht hätte nachgewiesen werden können (BGE 106 IV 6 E. 2). Die Gleichbehandlung einer Verurteilung wegen Vereitelung einer Blutprobe mit einer Verurteilung wegen Fahrens in angetrunkenem Zustand in bezug auf die Frage der Gewährung des bedingten Strafvollzuges ist aber dann nicht gerechtfertigt, wenn der Fahrzeuglenker, der sich nach dem Unfall pflichtwidrig verhielt, zur Zeit der Fahrt erwiesenermassen nüchtern war und ihm daher nicht der Vorwurf gemacht werden kann, er habe sich in alkoholisiertem Zustand ans Steuer gesetzt (vgl. dazu die nicht publizierte E. 3b von BGE 106 IV 5). Eine Gleichbehandlung rechtfertigt sich gegebenenfalls auch dann nicht, wenn trotz der Vereitelungshandlung - etwa durch Auswertung einer doch noch abgenommenen Blutprobe - erwiesen ist, dass der Fahrzeugführer im massgebenden Zeitpunkt einen Blutalkoholgehalt von weniger als 0,8 Gewichtspromille hatte; in einem solchen Fall hat objektiv kein Risiko einer Verurteilung wegen Fahrens in angetrunkenem Zustand bestanden und kann sich der Fahrzeuglenker somit durch sein pflichtwidriges Verhalten nicht einem solchen Risiko entzogen haben (nicht veröffentlichtes Urteil des Kassationshofes vom 23. Juli 1990 i.S. W.).
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Die mit dem Beschwerdeführer durchgeführten vier Atemlufttests ergaben Blutalkoholkonzentrationen von 0,82, 1,26, 1,20 resp. 0,89 Gewichtspromille. Bei dieser Sachlage bestand trotz der Beteuerungen des Beschwerdeführers, er habe nur zwei Stangen Bier und einen Schluck Tequila konsumiert, offensichtlich die Möglichkeit, dass er, wenn er sich ordnungsgemäss der Blutentnahme unterzogen hätte, aufgrund des Ergebnisses der Blutprobenanalyse wegen Fahrens in angetrunkenem Zustand verurteilt worden wäre. Diesem Risiko hat er sich durch die Vereitelung einer Blutprobe entzogen. Daher ist gemäss den vorstehenden Ausführungen die Verurteilung des Beschwerdeführers wegen Vereitelung einer Blutprobe in bezug auf die Strafzumessung und insbesondere auch hinsichtlich der Frage nach der Gewährung des bedingten Strafvollzuges gleich zu behandeln wie eine Verurteilung wegen Fahrens in angetrunkenem Zustand.
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