2. Urteil des Kassationshofes vom 10. Februar 1992 i.S. R. gegen Staatsanwaltschaft des Kantons Zürich (Nichtigkeitsbeschwerde)
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Regeste
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Art. 13 Abs. 1 StGB. Psychiatrisches Gutachten.
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Sachverhalt
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A.- R. wurde vom Obergericht des Kantons Zürich (II. Strafkammer) im Berufungsverfahren am 2. März 1990 wegen Betäubungsmitteldelikten (schwerer Fall, Handel mit Kokain), Zuhälterei, wiederholter und fortgesetzter Kuppelei, fortgesetzter Urkundenfälschung, fortgesetzter Veruntreuung und Anstiftung zu Körperverletzung zu 24 Monaten Gefängnis und zu einer Busse von Fr. 500.-- verurteilt.
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B.- Mit eidgenössischer Nichtigkeitsbeschwerde beantragt der Verurteilte, der obergerichtliche Entscheid sei aufzuheben und die Sache an die Vorinstanz zurückzuweisen zwecks Anordnung seiner psychiatrischen Begutachtung und neuer Entscheidung bei Vorliegen dieses Gutachtens.
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Das Bundesgericht zieht in Erwägung:
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Es fragt sich, welche Umstände gegeben sein müssen, um anzunehmen, der Richter müsse im oben dargelegten Sinn ernsthafte Zweifel haben. Das Bundesgericht hat dies in einer Reihe von Fällen angenommen und Beispiele dafür in BGE 116 IV 274 angeführt. Nach diesem Entscheid ist ein Sachverständiger auch beizuziehen, wenn (beispielsweise bei altersbedingtem psychischen Abbau) "die Tat mit der bisherigen Lebensführung unvereinbar erscheint", mit andern Worten eine Persönlichkeitsstörung zu vermuten ist. Zu den Reaktionen von Persönlichkeitsstörungen zählt die neue psychiatrische Literatur unter anderen die psychosomatischen Krankheiten (leibliche Funktionsstörungen), die entweder ausschliesslich determiniert oder entscheidend mitbestimmt sind durch unbewusste Konfliktspannungen oder neurotische Strukturen und meist eine lange Entwicklungsgeschichte aufweisen. So kann es dazu kommen, dass ein bis dahin körperlich relativ symptomlos (und daher medizinisch "unauffällig") gebliebener neurotischer Charakter durch eine bestimmte Auslösersituation dekompensiert und sich nun eine Funktionsstörung im körperlichen Bereich entwickelt. Zu den wesentlichsten psychosomatischen Krankheiten gehören auch die chronischen Ekzeme (Handwörterbuch der Rechtsmedizin für Sachverständige und Juristen, herausgegeben von GEORG EISEN, Band 2: Der Täter, Persönlichkeit und Verhalten, 1974, S. 44/45).
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Hautkrankheiten können psychosomatischen Ursprung haben (z.B. chronische Ekzeme) oder durch Allergie bedingt sein (Kontaktekzeme). Wenn auch der Ausbruch einer allergischen Krankheit nach der medizinischen Fachliteratur nicht als Reaktion einer Persönlichkeitsstörung zu werten ist, spielen psychische Faktoren bei allen Allergikern eine nicht unbedeutende Rolle (KNAURS Grosses Gesundheitslexikon, München 1987, S. 26/27 und 148/149).
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Den Antrag auf eine Begutachtung hinsichtlich einer Verminderung der Zurechnungsfähigkeit aufgrund der den Beschwerdeführer belastenden gesundheitlichen Situation lehnte sie indessen ab, mit folgender Begründung:
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"Es ist nicht von der Hand zu weisen, dass die im Jahre 1986
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ausgebrochene, schwere Allergie den Angeklagten massiv - auch psychisch
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- belastet und für seine derzeitige missliche Situation in einem nicht zu
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übersehenden Ausmass mitursächlich ist. Auffällig ist jedenfalls, dass der
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Angeklagte erst nach Ausbruch der Krankheit straffällig wurde, offenbar,
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als die Allergie, insbesondere deren Auswirkungen das Selbstwertgefühl des
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bisher kerngesunden und kraftstrotzenden Angeklagten untergrub. Trotzdem
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ist keineswegs schlüssig, dass beim Angeklagten dadurch auch eine
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psychische Störung ausgelöst wurde, die seine Zurechnungsfähigkeit in
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einem als Strafmilderungsgrund zu wertenden Ausmass beeinträchtigt hat.
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Weder seine Straftaten als solche noch sein übriges Verhalten weisen auf
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diesbezügliche Auffälligkeiten; auch die Verteidigung ergeht sich nur in
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vagen Vermutungen, vermag aber nichts Fassbares darzutun. Ins Gewicht
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fällt dabei auch, dass der Angeklagte bisher keine psychiatrische Hilfe in
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Anspruch genommen und sich in keine Behandlung begeben hat, obwohl er mit
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seinem Verteidiger entsprechende Überlegungen angestellt hat."
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Zusammenfassend ist festzuhalten, dass ernsthafter Anlass zu Zweifeln an der Zurechnungsfähigkeit des Beschwerdeführers bestand. Indem die Vorinstanz bei dieser Sachlage kein psychiatrisches Gutachten anordnete, verletzte sie Art. 13 StGB. Die Nichtigkeitsbeschwerde ist demnach gutzuheissen, der angefochtene Entscheid aufzuheben und die Sache zu neuer Entscheidung an das Obergericht zurückzuweisen.
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