9. Auszug aus dem Urteil des Kassationshofes vom 29. Januar 1993 i.S. B. gegen Staatsanwaltschaft des Kantons St. Gallen (Nichtigkeitsbeschwerde)
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Regeste
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Art. 187 Abs. 2 aStGB und Art. 190 Abs. 3 StGB; qualifizierte Vergewaltigung, Grausamkeit.
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Massives, minutenlanges und intermittierendes Würgen ist grausam.
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Sachverhalt
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Das Kantonsgericht St. Gallen verurteilte B. am 4. Mai 1992 wegen wiederholter, teilweise qualifizierter Vergewaltigung, wiederholten, teilweise qualifizierten Vergewaltigungsversuchs, wegen Nötigung zu einer unzüchtigen Handlung und wiederholten Versuchs dazu sowie wegen wiederholten Diebstahls zu sechseinhalb Jahren Zuchthaus.
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B. führt Nichtigkeitsbeschwerde und beantragt sinngemäss, das angefochtene Urteil sei aufzuheben und die Sache sei zur neuen Entscheidung an die Vorinstanz zurückzuweisen.
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Die Staatsanwaltschaft des Kantons St. Gallen verzichtete in der Vernehmlassung auf eine Stellungnahme.
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Das Bundesgericht zieht in Erwägung:
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Sinngemäss rügt er damit, die Vorinstanz habe die Tatbestandsmerkmale des Art. 187 Abs. 2 StGB verkannt. Soweit er die vorinstanzlichen Feststellungen hinsichtlich seines Denkens, Tuns und Wollens beanstandet, sind seine Rügen unzulässig (vgl. BGE 118 IV 124, mit Hinweisen).
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b) Gemäss den Feststellungen der Vorinstanz ging der Beschwerdeführer in allen drei Fällen nach dem gleichen Handlungsmuster vor. Er packte sein Opfer jeweils an der Brust und zwischen den Beinen, trug es auf die angrenzende Wiese, griff es an Brüsten und Geschlecht aus, entblösste es und suchte den Geschlechtsakt zu vollziehen, was ihm in einem Fall gelang, während er in den beiden andern Fällen infolge des vorzeitigen Samenergusses davon abliess. Während der Tat hinderte er die sich wehrenden Frauen am Schreien und machte sie sich durch Würgen oder im Würgegriff gefügig. Es ist zu prüfen, ob aufgrund dieses Tatelements eine qualifizierte Tatbestandsverwirklichung anzunehmen ist.
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Im einzelnen führt die Vorinstanz aus, Alice habe ausgesagt, der Beschwerdeführer habe sie schon fest gewürgt, sie hätte aber Luft zum Atmen gehabt. Er habe übereinstimmend erklärt, als die Frau geschrieen und sich gewehrt habe, habe er sie massiv ca. zwei bis drei Minuten am Hals bzw. Kehlkopf gewürgt, solange bis sie wehrlos und ruhig geworden sei.
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Claudia erklärte gemäss Vorinstanz, der Beschwerdeführer habe sie so stark fixiert und gewürgt, dass sie nicht schreien konnte; sie sei in Todesangst gewesen. Der Beschwerdeführer sagte, er habe sie solange gewürgt, bis sie sich nicht mehr gewehrt bzw. nicht mehr geschrieen habe. Er habe erkannt, dass sie grosse Angst hatte.
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Zur Vergewaltigung von Daniela erklärte der Beschwerdeführer: "Auch sie schrie, wehrte sich und versuchte, sich loszureissen. Ich würgte sie wiederum mit dem Arm von hinten, bis sie jeglichen Widerstand aufgab. Ich merkte dabei, dass sie nach Luft rang. Ich erklärte ihr auch, ich würde sie umbringen, wenn sie mich nicht gewähren lasse. Ich glaube, sie war völlig unfähig, nachdem ich sie so gewürgt hatte, weiteren Widerstand zu leisten." Daniela sagte aus: "Ich wehrte mich und wollte mich losreissen, doch hatte ich keine Chance. Er würgte mich so stark, dass ich keine Luft mehr bekam." Sie habe ihm gesagt, hör' auf zu würgen, ich bekomme keine Luft mehr. Er habe erwidert, bleib' ruhig, sonst bringe ich dich um.
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Die Vorinstanz kommt in allen drei Fällen zum Schluss, es liege jeweils der qualifizierte Tatbestand vor, weil der Beschwerdeführer seine Opfer gänzlich habe widerstandsunfähig machen wollen bzw. gemacht habe.
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c) Gemäss Art. 187 Abs. 2 StGB wird mit Zuchthaus nicht unter drei Jahren bestraft, wer mit einer Frau den ausserehelichen Beischlaf vollzieht, nachdem er sie zu diesem Zwecke bewusstlos oder zum Widerstand unfähig gemacht hat.
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In BGE 118 IV 52 hat das Bundesgericht seine bisherige Rechtsprechung zu Art. 187 Abs. 2 StGB überprüft. Es schloss, schon wegen der Schwierigkeiten einer sachgerechten Unterscheidung zwischen Art. 187 Abs. 1 und 2 StGB sowie der vorgesehenen und in diesem Punkt unbestrittenen Änderung des Strafgesetzbuches sei Art. 187 Abs. 2 StGB restriktiv auszulegen und insbesondere bei grausamer Begehung in körperlicher oder psychischer Hinsicht anzunehmen. Die restriktive Auslegung ergäbe sich auch aus der Interpretation gemäss der angedrohten Strafe. Die Voraussetzungen der Qualifikation seien deshalb nur dann zu bejahen, wenn gegenüber dem Grundtatbestand gemäss Art. 187 Abs. 1 StGB eine erhebliche Erhöhung des Unrechtgehalts vorliege; dabei sei zu beachten, dass bereits der Grundtatbestand einen schwerwiegenden Angriff auf die Persönlichkeit der Frau darstelle und ihre Integrität aufs schwerste verletze.
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Das neue Gesetz fasst die Tatbestände der bisherigen einfachen und qualifizierten Notzucht in Art. 190 Abs. 1 StGB zusammen; die Strafdrohung lautet auf Zuchthaus bis zu zehn Jahren. Handelt der Täter grausam, ist die Strafdrohung Zuchthaus nicht unter drei Jahren (Abs. 3). Der Bundesrat schrieb in der Botschaft zum Qualifikationsgrund, das Merkmal der Gewalt erfahre in der Grausamkeit (definiert als Rohheit, Gefühllosigkeit, Quälerei) eine Steigerung in körperlicher oder psychischer Hinsicht. Grausamkeit sei gegeben, wenn der Täter dem Opfer wissentlich und willentlich besondere Leiden zufüge, die über das Mass dessen hinausgingen, was schon zur Erfüllung des Grundtatbestandes gehöre (BBl 1985 II 1074f., mit Hinweis auf BGE 106 IV 367 f.).
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Der Begriff der grausamen Begehung im Sinne der geänderten Rechtsprechung zu Art. 187 Abs. 2 aStGB (BGE 118 IV 56 E. 2d) deckt sich inhaltlich mit jenem der grausamen Handlung gemäss Art. 190 Abs. 3 nStGB. Deshalb ist das neue Recht in die Auslegung miteinzubeziehen.
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d) Wie dargelegt, ist nicht mehr die Widerstandsunfähigkeit, sondern die Grausamkeit objektives qualifizierendes Tatbestandsmerkmal. Eine herabgesetzte Empfindungsfähigkeit des Opfers (z.B. Halbohnmacht) oder eine grössere physische und psychische Belastbarkeit und Widerstandsfähigkeit schliessen daher das Merkmal nicht aus. Die als grausam zu bewertenden Elemente der Begehungsweise (eigentliche Ausführungshandlungen und besondere Tatumstände) sind Bestandteile des Tatgeschehens. Unter Tatumständen sind rechtserhebliche Tatsachen zu verstehen, die unmittelbar (direttamente) mit der Begehung der Tat zusammenhängen; nur dies verträgt sich mit dem Tatschuldprinzip (BGE 117 IV 390 f.).
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Die Vergewaltigung ist wesentlich ein Sexualdelikt; die Gewaltanwendung ist Machtmittel des Vergewaltigers zur Erzwingung des Beischlafs. Gewalt und Drohung sind bereits Tatbestandsmerkmale der einfachen Notzucht nach Art. 187 Abs. 1 StGB (BGE 115 IV 217 E. 2a).
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Die Vergewaltigung erfüllt erst bei grausamer Begehung (BGE 118 IV 56 E. 2d; Art. 190 Abs. 3 nStGB) den qualifizierten Tatbestand, wenn also der Täter unverhältnismässige oder gefährliche Tatmittel einsetzt und dadurch besondere Leiden zufügt, d.h. andere Leiden, als diejenigen, die die Frau schon deswegen erleidet, weil sie vergewaltigt wird. Dies sind Leiden, die mit der Begehung nicht notwendigerweise verknüpft sind, sondern die durch Sadismus oder zumindest durch die Absicht, Schmerzen zuzufügen (vgl. BGE 106 IV 364, 367 f., zu Art. 182 aStGB), oder durch Rücksichtslosigkeit (Rohheit) und gegen fremde Leiden unbarmherzige Gesinnung (Gefühllosigkeit) bestimmt sind. Der qualifizierte Tatbestand ist daher umfassender. Er setzt die einfache Begehung, die Vergewaltigung, voraus und erfordert zusätzlich die Tatmodalität der Grausamkeit.
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In BGE 107 IV 181 hat das Bundesgericht die Qualifikation deshalb angenommen, weil der Täter Küchenmesser, Pistole und Würgen als Tatmittel einsetzte, die beim Opfer Todesangst und absolute Wehrlosigkeit zur Folge hatten. In diesem Entscheid wird nicht vorausgesetzt, es müssten diese Tatmittel kumulativ eingesetzt werden. Gemäss dem neuen Art. 190 Abs. 3 StGB handelt grausam, wer "namentlich" eine gefährliche Waffe oder einen andern gefährlichen Gegenstand verwendet. Auch massives, minutenlanges und intermittierendes Würgen ist eine grausame (und gefährliche) Begehungsweise. Damit fügt der Täter dem Opfer besondere physische und psychische Leiden zu und versetzt es in der Regel in Todesangst. Wer das tut, handelt grausam.
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e) Der grobschlächtige Zugriff des körperlich überlegenen Beschwerdeführers war gewalttätig. Die Gewaltanwendung diente dem Zweck, die sich wehrenden Frauen gefügig zu machen, und dauerte, bis diese keinen Widerstand mehr leisteten und er sein Ziel, den Samenerguss auszulösen, erreicht hatte. Er nötigte die Opfer zur Mitwirkung und bändigte sie mit roher Gewalt. Zwar quälte er die Opfer nicht in sadistischer Weise und ergötzte sich nicht an ihrer Angst und ihrem Schmerz. Er verwendete keine gefährlichen Gegenstände. Die Gewaltanwendung war jedoch massiv, und mit minutenlangem intermittierendem Würgen brach er ihren Widerstand. Der Würgegriff verursachte bei den Frauen Todesangst (Claudia, Daniela), und letzterer drohte er sogar, sie umzubringen. Dass Alice eine Todesangst in ihren Aussagen nicht eigens erwähnt, ist nicht entscheidend, weil die Grausamkeit, nicht die Todesangst objektives Tatbestandselement ist. Er ging ihr gegenüber mit der gleichen Grausamkeit vor.
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Damit fügte er den Opfern besondere Leiden zu, die über das Mass dessen hinausgingen, was zur Erfüllung des Grundtatbestands notwendig ist, oder die mit dessen Verwirklichung notwendig verbunden sind (vgl. BGE 118 IV 57).
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Handelte der Beschwerdeführer somit grausam im Sinne der neuen Rechtsprechung, müssen alle drei Fälle unter den qualifizierten Tatbestand subsumiert werden. Die Vorinstanz hat daher im Ergebnis kein Bundesrecht verletzt, wenn sie jeweils Art. 187 Abs. 2 StGB anwandte.
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