BGE 119 IV 59
 
11. Auszug aus dem Urteil des Kassationshofes vom 20. Januar 1993 i.S. H. gegen Generalprokurator des Kantons Bern (Nichtigkeitsbeschwerde)
 
Regeste
Art. 305bis Ziff. 1 StGB; Verstecken von Drogengeld.
Bedeutung des Randtitels für die Auslegung (E. 2b/cc).
Das Verstecken von Drogengeld (Art. 19 Ziff. 2 lit. a BetmG) ist eine Vereitelungshandlung (E. 2d).
 
Sachverhalt
A.- H. wusste, dass in seiner Wohnung vom Juli bis Dezember 1990 Geld aus Drogenhandel versteckt war. Als er bei einem Nachzählen feststellte, dass die anfänglichen Fr. 70'000.-- inzwischen auf rund Fr. 120'000.-- angewachsen waren, entfernte er das Geld aus dem Versteck auf seinem Balkon und verbarg es in seiner Küche. Einen Teil des Geldes verbrauchte er.
B.- Am 1. November 1991 verurteilte das Strafamtsgericht Bern H. unter anderem wegen wiederholter und fortgesetzter Geldwäscherei zu 24 Monaten Gefängnis.
Auf seine Berufung bestrafte ihn das Obergericht des Kantons Bern am 15. Mai 1992 unter anderem wegen wiederholter Geldwäscherei mit 20 Monaten Gefängnis.
C.- H. führt Nichtigkeitsbeschwerde und beantragt sinngemäss, das angefochtene Urteil sei aufzuheben und die Sache zur Neubeurteilung an die Vorinstanz zurückzuweisen.
Die Vorinstanz verzichtete auf Gegenbemerkungen. Der Generalprokurator des Kantons Bern beantragt, die Nichtigkeitsbeschwerde sei abzuweisen.
 
Aus den Erwägungen:
b) Die Vorinstanz führt aus, dieser Ansatz sei nicht Gesetz geworden. Die Tatbestandsmässigkeit ergebe sich nicht aus der Art und Weise des Vorgehens, sondern aus dessen Eignung, das Ermitteln der Herkunft, das Auffinden oder Einziehen von schmutzigen Vermögenswerten zu vereiteln. Der Täter müsse sich nicht des Finanzmarktes bedient oder für eine Verbrechensorganisation gehandelt haben. Das Gesetz erfasse folglich auch strafbares Verhalten ausserhalb solcher Organisationen. Diese Lösung ergebe sich e contrario aus Art. 305bis Ziff. 2 Abs. 2 StGB.
Der Beschwerdeführer habe das Verstecken des Drogenerlöses durch einen Dritten auf seinem Balkon geduldet und das Geld sodann in seiner Küche verborgen. Sein Vorgehen sei geeignet gewesen, die Einziehung zu vereiteln. Das Geld sei bei der ersten polizeilichen Hausdurchsuchung denn auch nicht gefunden worden. Er habe damit vorübergehend die Einziehung des Geldes sogar verhindert.
Die Bestimmung findet Anwendung, wenn die Haupttat ein Verbrechen darstellt. Diese Voraussetzung ist hier gegeben (Art. 19 Ziff. 2 lit. a BetmG). Zu prüfen ist, ob das Verstecken solcher Vermögenswerte ("schmutziges" Geld) auch dann unter diese Bestimmung fällt, wenn der Täter nicht für eine Verbrechensorganisation oder als Mitglied einer solchen gehandelt hat.
a) Wie aus der Botschaft über die Änderung des schweizerischen Strafgesetzbuches (Gesetzgebung über Geldwäscherei und mangelnde Sorgfalt bei Geldgeschäften) vom 12. Juni 1989 (BBl 1989 II 1061 ff.) ersichtlich, wurde als Anknüpfungspunkt nicht die kriminelle Organisation selbst oder deren Unterstützung gewählt. Der Bundesrat entschied sich für eine Einreihung unter die Rechtspflegedelikte und folgte damit dem Vorentwurf (a.a.O., S. 1076, 1081).
In der parlamentarischen Beratung wurde darauf hingewiesen, Art. 305bis StGB sei bewusst offen formuliert worden. Tatobjekt seien generell Vermögenswerte. Geldwäscherei sei nicht nur im Anschluss an Drogendelikte, sondern nach sämtlichen Straftaten von Gewicht strafbar. Als Tathandlung kämen neben der eigentlichen Vereitelung der Einziehung auch die Vereitelung der Ermittlung der Herkunft und der Auffindung in Frage (Bundespräsident Koller, Amtl.Bull. 1990 S 195). Der Geldwäschereiartikel umfasse nicht bloss Gelder, die kriminellen Organisationen gehörten, wie z.B. Drogengelder, sondern alle Vermögenswerte, die von einem Verbrechen herrührten (Fischer-Sursee, Amtl.Bull. 1989 N 1868).
Demnach bezweckte der Gesetzgeber mit dem Erlass des Art. 305bis StGB nicht einzig die Bekämpfung des organisierten Verbrechens.
b) Dafür spricht auch der Gesetzeswortlaut.
aa) Geldwäscherei ist der Vorgang des Verheimlichens oder Verschleierns von Vermögenswerten illegaler Herkunft, mit dem Ziel, den Eindruck zu erwecken, sie seien legal erworben. Die ursprünglich "schmutzigen" Vermögenswerte werden durch diesen Vorgang "gewaschen" und dann in den legalen wirtschaftlichen Kreislauf wieder eingeschleust (vgl. Brockhaus Enzyklopädie, 19. Auflage, Band 12. S. 713). Tatgegenstand bilden alle Vermögenswerte, die durch Verbrechen im Sinne des Art. 9 StGB erzielt wurden (BBl 1989 II 1082).
bb) Art. 305bis Ziff. 1 StGB enthält keine täterschaftliche Qualifikation ("Wer eine Handlung vornimmt, die geeignet ist ..."). Dem besonderen Gefährdungspotential einer Verbrechensorganisation bzw. des "organized crime" (BBl 1989 II 1085) wird mit der Qualifikation in Ziff. 2 Rechnung getragen. Wäre die Norm nur auf Verbrechensorganisationen anwendbar, ergäbe der Grundtatbestand keinen Sinn.
cc) Zu Unrecht bringt der Beschwerdeführer vor, der Randtitel zeige, dass nur das "Waschen" von Geld bestraft werden solle. Zum Gesetzestext gehören zwar auch die Titel und Marginalien. Doch sind diese nicht selten unvollständig oder ungenau, so dass sie sich nur mit Vorsicht zur Interpretation der einzelnen Tatbestände heranziehen lassen (GERMANN, Kommentar zum Schweizerischen Strafgesetzbuch, Erste Lieferung 1953, Art. 1 N 7/4; vgl. TRECHSEL, Kurzkommentar, Art. 1 N 17). Die Rechtsprechung hat zwar den Randtitel zur Auslegung des Tatbestandes der ungetreuen Geschäftsführung (Art. 159 StGB) herangezogen (BGE 77 IV 204, BGE 80 IV 246 f.). Umgekehrt hat sie angenommen, dass der sich aus dem Wortlaut ergebende Sinn nicht einfach aufgrund der unvollständigen und ungenauen Marginalie umgedeutet werden darf, um so den Anwendungsbereich der Bestimmung einzuschränken (BGE 108 IV 162 f., BGE 94 IV 87, BGE 89 IV 20). Der Beschwerdeführer stützt sich für seine Argumentation auf eine in den Beratungen vertretene Minderheitsauffassung, die nicht Gesetz wurde (vgl. Berichterstatter Bonny und Bundesrat Koller, Amtl.Bull. 1989 N 1845 f., 1854).
c) Zum gleichen Ergebnis führen die in der Literatur vertretenen Auffassungen (SCHMID, Anwendungsfragen der Straftatbestände gegen die Geldwäscherei, vor allem StGB Art. 305bis, in Schweizerischer Anwaltsverband (Hrsg.), Geldwäscherei und Sorgfaltspflicht, Zürich 1991, S. 111). Allgemein wird die enge Beziehung des organisierten Verbrechens zur Geldwäscherei betont (STRATENWERTH, Schweizerisches Strafrecht, Teilrevisionen 1987 bis 1990, S. 71 N 1; ULLRICH, Harte Zeiten für Geldwäscher?, in Schweizerischer Anwaltsverband (Hrsg.), a.a.O., S. 27; ZUBERBÜHLER, Die Geldwäschereibekämpfung, in Peter Nobel (Hrsg.), Aktuelle Rechtsprobleme des Finanz- und Börsenplatzes Schweiz, Bern 1993, S. 126 f.). Deshalb ist dem Gesetz auch Kritik erwachsen, weil befürchtet wird, es könnten vorwiegend Handlungen erfasst werden, die mit der Geldwäscherei in diesem Sinn nichts zu tun haben (STRATENWERTH, a.a.O., S. 75 N 13; derselbe, Geldwäscherei - ein Lehrstück der Gesetzgebung, in Pieth (Hrsg.), Bekämpfung der Geldwäscherei, Basel 1992, S. 102; GRABER, Geldwäscherei, Bern 1990, S. 139 f.; ARZT, Erste rechtskräftige Verurteilung wegen Geldwäscherei, recht 1992, S. 112).
Gleichzeitig wird darauf hingewiesen, dass der Tatbestand nicht nur Vermögenswerte aus dem illegalen Betäubungsmittelhandel, sondern aus allen Verbrechen im Sinne des schweizerischen Strafrechts erfasst (ZUBERBÜHLER, a.a.O.) und beispielsweise ein Verstecken der Verbrechensbeute genügen könne (STRATENWERTH, a.a.O., S. 75 N 13; GRABER, a.a.O., S. 140). Dass unter anderem die Einrichtung von Verstecken in Häusern und Büroräumen oder in Transportmitteln strafbar sei, wurde bereits im Bericht zum Vorentwurf vertreten; es sei notwendig, die Ebene der Strafbarkeit bei den Ausführungshandlungen festzulegen (BERNASCONI, Die Geldwäscherei im Schweizerischen Strafrecht, Bericht mit Vorschlägen zu einer Gesetzesrevision (neuer Artikel 350bis StGB), Lugano 1986, S. 34, 35 Ziff. 10.5; vgl. die Botschaft zum Übereinkommen des Europarats über Geldwäscherei sowie Ermittlung, Beschlagnahme und Einziehung von Erträgen aus Straftaten, BBl 1992 VI 9).
d) Der Beschwerdeführer bringt vor, nach der Botschaft stelle das blosse Vergraben der Beute keine Geldwäscherei dar. Der Bundesrat führte jedoch aus, Vermögenswerte einer Verbrechensorganisation würden systematisch mit den Mitteln des Finanzmarktes getarnt, nicht durch blosses Vergraben, damit sie dem Zugriff der Strafverfolgungsorgane entzogen werden könnten und dabei in ihrem wirtschaftlichen Wert erhalten blieben. Diesen Sachverhalt müsse eine kriminologische Definition der Geldwäscherei enthalten, um Grundlage für die strafrechtliche Definition bilden zu können (BBl 1989 II 1066). Der Satz bedeutet mithin nicht, das Vergraben (d.h. Verstecken) der Beute sei nicht strafbar, sondern Verbrechensorganisationen tarnten ihre Beute mit den Mitteln des Finanzmarktes (nicht durch blosses Vergraben). Dass mit "blossem Vergraben" des Geldes die Ziele des Werterhalts und der Disponibilität nicht in gleichem Masse erreicht werden und dieses Verhalten gegebenenfalls einer kriminologischen Definition der Geldwäscherei nicht entspricht (vgl. GRABER, a.a.O., S. 56), kann für sich genommen an der Strafbarkeit nichts ändern.
Auch auf BGE 115 IV 256 beruft sich der Beschwerdeführer zu Unrecht. Das Bundesgericht beurteilte dort Finanzoperationen beim Drogenhandel auf der Grundlage des Art. 19 Ziff. 1 Abs. 7 BetmG. Art. 305bis StGB war noch nicht in Kraft und bildete nicht Gegenstand des Entscheids.
e) Zusammenfassend ist festzuhalten, dass der Tatbestand des Art. 305bis Ziff. 1 StGB nicht nur das organisierte Verbrechen erfasst. Vielmehr kann jedermann tatbeständlich handeln. Vorausgesetzt ist eine Tathandlung, die geeignet ist, das geschützte Rechtsgut zu gefährden. Diese Eignung ist abstrakter Natur. Das Verstecken der Verbrechensbeute ist eine Verdeckungshandlung; sie ist geeignet, den Vereitelungserfolg herbeizuführen. Vorliegend hatte der Beschwerdeführer die Einziehung des Geldes vorübergehend sogar verhindert. Die Vorinstanz hat somit kein Bundesrecht verletzt.