BGE 131 IV 97 |
12. Auszug aus dem Urteil des Kassationshofes i.S. X. gegen Y. sowie Kantonsgericht von Graubünden (Staatsrechtliche Beschwerde und Nichtigkeitsbeschwerde ) |
6P.18/2005 / 6S.54/2005 vom 4. Mai 2005 |
Regeste |
Art. 177 und 28 StGB; Beschimpfung, Strafantrag. |
Sachverhalt |
A. X. betreibt in Z. eine Pizzeria. Am Abend des 11. Februar 2003 kehrten Y. und A. dort ein. In der Folge kam es zu einer tätlichen Auseinandersetzung zwischen Y. und dem Pizzaiolo, worauf A. die Polizei verständigte. Kurz darauf erschien X. in seinem Restaurant und forderte Y. und A. auf, das Lokal zu verlassen und draussen zu warten. Anschliessend schloss er das Restaurant ab. Zusammen warteten die drei auf die Ankunft der Polizei. In dieser Zeit und auch noch als die Polizei vor Ort war, sollen Y. und A. X. aufs Übelste beschimpft haben.
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B. Auf Strafantrag von X. sprach der Bezirksgerichtsausschuss Prättigau/Davos Y. mit Urteil vom 10. Juni 2004 wegen Beschimpfung gemäss Art. 177 Abs. 1 StGB schuldig und bestrafte ihn mit einer Busse von Fr. 350.-. Auf Berufung des Beurteilten hin hob der Kantonsgerichtsausschuss von Graubünden das erstinstanzliche Urteil auf, stellte das Verfahren ein und auferlegte die Verfahrens- und Parteikosten dem Antragsteller.
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C. X. führt sowohl staatsrechtliche Beschwerde als auch eidgenössische Nichtigkeitsbeschwerde, mit denen er beantragt, das angefochtene Urteil sei aufzuheben, die Streitsache zur neuen Entscheidung zurückzuweisen und das Urteil des Bezirksgerichtsausschusses Prättigau/Davos zu bestätigen. Das Bundesgericht heisst die Nichtigkeitsbeschwerde gut, soweit es darauf eintritt.
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Aus den Erwägungen: |
I. Nichtigkeitsbeschwerde
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Erwägung 3 |
In der Regel bringt der Strafantragsteller einen bestimmten Sachverhalt zur Anzeige, während die rechtliche Würdigung der Handlung der Behörde obliegt (BGE 115 IV 1 E. 2a). Nennt der Antragsteller den Straftatbestand, der seines Erachtens erfüllt worden ist, so ist die Behörde an diese Qualifikation nicht gebunden. Das schliesst aber nicht aus, dass der Verletzte einen Sachverhalt nur teilweise zur Verfolgung stellt, indem er den Strafantrag in tatsächlicher Hinsicht beschränkt (BGE 85 IV 73 E. 2 S. 75).
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3.2 Der Beschwerdeführer reichte zwei Tage nach dem Vorfall vom 11. Februar 2003 beim Kreisamt Davos Strafanzeige ein, wobei er ausführte, dass die Gäste ihn "andauernd beschimpft und bedroht" hätten. Nach durchgeführter Sühneverhandlung und noch innert der Antragsfrist ergänzte er seine Klage, wobei er ausführte, dass die beiden sehr ausfallend gewesen seien und ihn auf "übelste Art" beschimpft hätten; "huerä Usländer" und "Arschloch" seien nur einige der benutzten Ausdrücke gewesen. Die vom Kreisamt Davos am 26. Juni 2003 befragten beiden Polizisten, die beim Vorfall zugegen waren, erklärten, dass der Beschwerdeführer mit Schimpfwörtern aus der untersten Schublade bedacht worden sei. Konkret erinnerten sie sich an den häufigen Gebrauch des Wortes "Wichser", das Standardausdruck der beiden gewesen sei. Sie vermochten sich aber nicht mehr mit Bestimmtheit an die anderen Schimpfwörter zu erinnern. Dementsprechend erliess das Kreisamt Davos am 6. November 2003 die Anklageverfügung, mit welcher dem Beschwerdegegner vorgeworfen wurde, den Beschwerdeführer als "Wichser" bezeichnet zu haben.
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Die Vorinstanz gelangt zum Schluss, für das Wort "Wichser" liege kein gültiger Strafantrag vor, denn der Antragsteller habe nur in allgemeiner Weise wegen Beschimpfung Strafantrag gestellt und zwei konkrete Schimpfwörter genannt, worunter der besagte Kraftausdruck aber gerade nicht aufgeführt sei.
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3.3 Die Vorinstanz geht zunächst richtig davon aus, dass der Richter, der darüber zu entscheiden hat, ob eine bestimmte Aussage ehrverletzend ist, den konkreten Inhalt der Aussage kennen muss. Ebenso trifft zu, dass die rechtliche Würdigung der Aussage Sache des Richters ist. Dass der Richter in seinem Entscheid die Frage zu beurteilen hat, ob die Verwendung bestimmter Ausdrücke den Tatbestand der Beschimpfung gemäss Art. 177 StGB erfüllt, hindert aber den Strafantragsteller nicht, den Sachverhalt als Beschimpfung zu beschreiben. Es ist gar nicht selten, dass Straftatbestände des Strafgesetzbuches so gefasst sind, dass sie dem Sprachgebrauch des Alltags entsprechen, der unter Beschimpfung die Verwendung herabsetzender Worte versteht. Zwar ist richtig, dass für die rechtliche Qualifikation wesentlich ist, was genau gesagt wurde. Aus diesem Grunde sind von den Untersuchungsbehörden auch zu Recht entsprechende Abklärungen getroffen worden. Doch ist das Tatgeschehen für einen gültigen Strafantrag ausreichend umschrieben, wenn unter Schilderung der näheren Umstände ausgeführt wird, der Antragsteller sei vom Verletzer beschimpft worden. Es genügt, dass sich der Strafantrag auf eine bestimmte strafbare Handlung bezieht (RIEDO, a.a.O., S. 400). Wenn sich im weiteren Verfahren nicht jene Wörter erhärten liessen, welche der Antragsteller genannt hat, sondern andere, lässt dies den Strafantrag nicht als inhaltlich unzureichend erscheinen. Es kann auch nicht die Rede davon sein, dass der Antragsteller den Strafantrag auf die beiden Wörter "huerä Usländer" und "Arschloch" hätte beschränkt wissen wollen. Vielmehr hat er diese beiden Wörter explizit lediglich als Beispiele genannt. Die Vorinstanz stellt inhaltlich überspitzte Anforderungen an den Strafantrag.
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