BGE 133 IV 107 |
12. Auszug aus dem Urteil des Kassationshofs i.S. Expertenkommission für das Berufsgeheimnis in der medizinischen Forschung gegen H. und Oberstaatsanwaltschaft des Kantons Zürich (Nichtigkeitsbeschwerde) |
6S.506/2006 vom 16. Februar 2007 |
Regeste |
Art. 321bis StGB, Art. 12 Abs. 3 VOBG; Berufsgeheimnis in der medizinischen Forschung, Strafantragsrecht. |
Sachverhalt |
A. Am 18. Oktober 2004 reichte der Präsident der Expertenkommission für das Berufsgeheimnis in der medizinischen Forschung bei der Staatsanwaltschaft des Kantons Zürich (heute: Oberstaatsanwaltschaft) Strafanzeige gegen Dr. H. wegen Verletzung des Forschungsgeheimnisses im Sinne von Art. 321bis StGB ein. Der Anzeige lag ein Bericht über Zwangsmassnahmen im Sozialbereich der Stadt Zürich zugrunde, der von Dr. H. im Rahmen eines Forschungsauftrages verfasst und im Jahre 2002 publiziert worden war. Im Bericht seien Patientendaten unter Missachtung der Anonymisierungspflicht veröffentlicht worden. Im Einzelnen ging es um Daten aus den Jahren 1932 bis 1953 aus der Krankengeschichte von E.
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B. Die Staatsanwaltschaft IV des Kantons Zürich stellte am 6. Juli 2005 die Strafuntersuchung ein.
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C. Die Expertenkommission führt Nichtigkeitsbeschwerde und beantragt, der angefochtene Entscheid sei aufzuheben und die Sache zu neuer Entscheidung an die Vorinstanz zurückzuweisen.
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Das Bundesgericht weist die Nichtigkeitsbeschwerde ab.
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Aus den Erwägungen: |
Erwägung 2 |
Nach der bundesgerichtlichen Rechtsprechung seien Angehörige im Sinne von Art. 28 Abs. 4 StGB befugt, Strafantrag wegen Delikten zu stellen, die nach dem Tod des Betroffenen begangen wurden. Diese Ansicht lasse sich gemäss Lehre und Rechtsprechung auch auf Art. 321 bzw. 321bis StGB übertragen. Dies bedeute, dass nach dem Tod des Geheimnisherrn allenfalls Angehörige strafantragsberechtigt wären, keineswegs aber die Beschwerdeführerin. Es würde jeglicher Logik widersprechen, wenn nahe stehenden Verwandten im Sinne einer Ausnahmeregelung in (zeitlich) eingeschränktem Masse eine Strafantragsberechtigung zugestanden würde und andererseits einem Dritten, wie der Beschwerdeführerin, selbst Jahrzehnte nach dem Tod des Betroffenen noch eine solche zukäme. Auch die Tatsache, dass die Expertenkommission eine Sonderbewilligung zur Einsichtnahme in die Patientendaten erteilt habe, verschaffe ihr keine Verletztenstellung im Sinne von Art. 28 Abs. 1 StGB. Ihre Aufgabe bestehe nicht darin, die Interessen der Betroffenen nach einer allenfalls unerlaubten Bekanntgabe der Daten zu vertreten. Sie sei vielmehr im Vorfeld dafür zuständig, dass einerseits entsprechende Daten an Dritte nur weitergegeben würden, wenn die Bewilligungsauflagen bzw. -voraussetzungen erfüllt sind. Andererseits habe sie allfällige Veröffentlichungen dieser Daten zu verhindern, indem sie ihre Bewilligung mit Auflagen verbinde, die beispielsweise eine Anonymisierung vorschreiben würden.
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2.3 Nach Art. 321 Ziff. 1 Abs. 1 StGB macht sich u.a. ein Arzt der Verletzung des Berufsgeheimnisses schuldig, wenn er ein Geheimnis offenbart, das ihm infolge seines Berufes anvertraut worden ist, oder das er in dessen Ausübung wahrgenommen hat. Er ist nicht strafbar, wenn er das Geheimnis auf Grund einer Einwilligung des Berechtigten oder einer auf Gesuch des Täters hin erteilten schriftlichen Bewilligung der vorgesetzten Behörde oder Aufsichtsbehörde offenbart (Ziff. 2).
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Sofern eine Information zur Wahrung berechtigter Interessen notwendig ist und die betroffene Person ihre Zustimmung verweigert, kann somit der Arzt bei der zuständigen kantonalen Behörde die Entbindung vom Berufsgeheimnis beantragen. Die Behörde hat darüber zu befinden, ob die Informationsinteressen höher zu gewichten sind als die Geheimhaltungsinteressen der betroffenen Person. Im ersteren Fall kann das Berufsgeheimnis aufgehoben werden. Art. 321bis Abs. 1 StGB, der mit dem Gesetz über den Datenschutz vom 19. Juni 1992 eingefügt wurde, dehnt den Kreis der Geheimnisträger auf denjenigen aus, der durch seine Tätigkeit für die Forschung im Bereich der Medizin oder des Gesundheitswesens ein Berufsgeheimnis erfahren hat. Der Bundesgesetzgeber wollte damit ermöglichen, gewisse Forschungsprojekte im Bereich der Medizin oder des Gesundheitswesens mit medizinischen Daten auch ohne ausdrückliche Zustimmung der betroffenen Person durchzuführen. Art. 321bis StGB sieht hierfür ein Spezialverfahren vor. Die einzelnen Voraussetzungen sind in der bundesrätlichen Verordnung über die Offenbarung des Berufsgeheimnisses im Bereich der medizinischen Forschung aufgeführt.
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Wenn Art. 321bis Abs. 2 StGB vorsieht, derartige Berufsgeheimnisse dürften offenbart werden, wenn eine Sachverständigenkommission dies bewilligt und der Berechtigte nach Aufklärung über seine Rechte es nicht ausdrücklich untersagt hat, so spricht nichts dafür, dass damit gleichzeitig der Bewilligungsbehörde auch das Recht zur Stellung eines Strafantrages eingeräumt werden sollte. Dies lässt sich entgegen der Auffassung der Beschwerdeführerin weder aus der ratio legis von Art. 321bis StGB noch aus einer gesetzlichen Bestimmung herleiten. Aufgabe der Sachverständigenkommission ist es, über Gesuche zur Offenbarung des Berufsgeheimnisses im Sinne von Art. 321bis StGB zu Forschungszwecken im Bereich der Medizin oder des Gesundheitswesens zu entscheiden (Art. 1 VOBG).
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Das Argument der Beschwerdeführerin, der Gesetzgeber habe die Kommission im Bereich der von ihr bewilligten Forschung mit der Wahrung des Datenschutzes beauftragt (sog. Bewilligungsforschung), ist nicht stichhaltig. Der Umstand, dass die Forschung mit schützenswerten Daten infolge einer Behördenbewilligung anstatt der Einwilligung durchgeführt wird, heisst nicht, dass die bewilligende Behörde bei Verletzung der Schweigepflicht über die in der Verordnung vorgesehene Strafanzeige hinaus auch Strafantrag stellen kann. Es ist nicht erkennbar, inwiefern der Gesetzgeber die Bewilligungsbehörde im Gegensatz zu Art. 321 StGB mit einer derartigen Kompetenz ausstatten wollte. Andernfalls hätte er dies zum Ausdruck bringen müssen. Der Hinweis der Beschwerdeführerin, wonach Art. 12 Abs. 3 VOBG eine analoge Regelung zu Art. 217 Abs. 2 StGB sei, ist verfehlt. Abgesehen davon, dass eine Strafantragsberechtigung nicht alleine auf Verordnungsstufe geregelt werden kann, zeigt gerade der angeführte Tatbestand der Vernachlässigung von Unterhaltspflichten, dass der Gesetzgeber die Ausdehnung des Strafantragsrechts für die in der Sache befasste Behörde ausdrücklich statuiert. Im Übrigen spricht Art. 12 Abs. 3 VOBG nicht von Strafantrag, sondern bloss von der Möglichkeit einer Strafanzeige, was nicht dasselbe ist.
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