BGE 133 IV 303 |
45. Auszug aus dem Urteil der Strafrechtlichen Abteilung i.S. X. gegen Oberstaatsanwaltschaft sowie Obergericht des Kantons Zürich (Beschwerde in Strafsachen) |
6B_367/2007 vom 10. Oktober 2007 |
Regeste |
Verhältnis von Steuerbetrug und Urkundenfälschung. |
Wer eine inhaltlich unrichtige Handelsbilanz einer Aktiengesellschaft erstellt, nimmt in aller Regel in Kauf, dass diese nicht nur im Verhältnis zu den Steuerbehörden, sondern auch im nicht-fiskalischen Bereich Verwendung findet. Einer tatsächlichen Überlassung der Urkunden an Drittpersonen bedarf es nicht (Bestätigung der Rechtsprechung; E. 4.6). |
Wird der Geschäftsgewinn fiktiv geschmälert, besteht für die Aktiengesellschaft insbesondere das Risiko, dass Nach- und Strafsteuern bezahlt werden müssen, wenn die Sache entdeckt wird. Diese Zahlungen mindern die Liquidität der Gesellschaft und können so Gläubigerinteressen tangieren. Wird in einer Handelsbilanz massgebender Lohn fälschlicherweise als Kapitalertrag deklariert, kann dies zu einer Schädigung der Sozialversicherung führen (E. 4.8). |
Sachverhalt |
Gegen dieses Urteil reichte X. Berufung ans Obergericht des Kantons Zürich, I. Strafkammer, ein und beantragte, auf die Anklage betreffend mehrfacher Urkundenfälschung sei nicht einzutreten. Eventualiter sei er vom Vorwurf der mehrfachen Urkundenfälschung freizusprechen. A. sah von einem Weiterzug des Urteils ab.
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B. Mit Urteil vom 15. März 2007 stellte das Obergericht des Kantons Zürich, I. Strafkammer, fest, dass das erstinstanzliche Urteil in Rechtskraft erwachsen ist, soweit X. des mehrfachen Steuerbetrugs für schuldig erklärt wurde. Des Weiteren befand es X. der mehrfachen Urkundenfälschung für schuldig und verurteilte ihn zu einer Geldstrafe von insgesamt 150 Tagessätzen zu Fr. 150.-, bedingt vollziehbar bei einer Probezeit von zwei Jahren.
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C. X. führt Beschwerde in Strafsachen mit den Anträgen, auf die Anklage betreffend mehrfacher Urkundenfälschung sei nicht einzutreten. Eventualiter sei er vom Vorwurf der mehrfachen Urkundenfälschung freizusprechen.
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Das Bundesgericht weist die Beschwerde ab.
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Aus den Erwägungen: |
Der Beschwerdeführer hat zusammen mit seinem Geschäftspartner A. 1991 eine Aktiengesellschaft (AG) gegründet, bei welcher A. als Präsident und der Beschwerdeführer als Vize-Präsident des Verwaltungsrats mit Einzelunterschrift amteten. Zwischen 1995 und 2001 veranlassten die beiden Geschäftspartner mit fiktiven Rechnungen Zahlungen der AG auf ein Bankkonto und verwendeten die einbezahlten Beträge zu privaten Zwecken. Diese Privatbezüge belasteten sie dem Aufwandkonto "Leistungen Dritter" der AG und reichten den Steuerbehörden zusammen mit der Steuererklärung Erfolgsrechnungen ein, welche einen fiktiv erhöhten Geschäftsaufwand auswiesen. Hierdurch wurden der steuerbare Geschäftsgewinn um insgesamt Fr. 622'790.- geschmälert und im Ergebnis rund Fr. 191'000.- an Steuern hinterzogen.
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(...)
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Wer mit einem Urkundenfälschungsdelikt ausschliesslich Steuervorschriften umgehen will, ist einzig nach Steuerstrafrecht zu beurteilen. Ist hingegen nachgewiesen, dass der Täter mit seiner Fälschung oder Falschbeurkundung nicht nur einen steuerlichen Vorteil erstrebte, sondern auch eine - objektiv mögliche - Verwendung des Dokuments im nicht-fiskalischen Bereich beabsichtigte oder zumindest in Kauf nahm, so liegt echte Konkurrenz zwischen Steuerdelikt und gemeinrechtlichem Urkundendelikt vor (MARKUS BOOG, Basler Kommentar, StGB II, 2003, Art. 251 StGB N. 107; ANDREAS DONATSCH/WOLFGANG WOHLERS, Strafrecht IV, Delikte gegen die Allgemeinheit, 3. Aufl., Zürich 2004, S. 155; STEFAN TRECHSEL, Schweizerisches Strafgesetzbuch, Kurzkommentar, 2. Aufl., Zürich 1997, Art. 251 StGB N. 20; GÜNTER STRATENWERTH, Schweizerisches Strafrecht, Besonderer Teil II: Straftaten gegen Gemeininteressen, 5. Aufl., Bern 2000, § 36 N. 59; derselbe, Urkundendelikte unter dem Aspekt der Wirtschaftskriminalität, SJZ 76/1980 S. 10 f.; HANS SCHULTZ, Die strafrechtliche Rechtsprechung des Bundesgerichts im Jahre 1996, ZBJV 133/1997 S. 401; vgl. auch ANDREAS DONATSCH, Besprechung von BGE 122 IV 25 ff., SZW 1997 S. 262; GUIDO JENNY, Zur Frage der Konkurrenz zwischen Steuerstrafrecht und gemeinem Strafrecht im Bereich der Urkundendelikte, ZStrR 97/1980 S. 121 ff.; A. HAEFLIGER, Urkundendelikte des Strafgesetzbuches und kantonales Steuerstrafrecht, ZStrR 71/1956 S. 68 f.).
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(...)
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Wird zum Zwecke der Steuerhinterziehung der Geschäftsgewinn fiktiv geschmälert, besteht für die Gesellschaft insbesondere das Risiko, dass Nach- und Strafsteuern bezahlt werden müssen, wenn die Sache entdeckt wird. Diese Zahlungen mindern die Liquidität der Gesellschaft und können so Gläubigerinteressen tangieren.
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Ebenso kann die Falschbeurkundung sozialversicherungsrechtlich bedeutsam sein. Gemäss Art. 7 lit. h der Verordnung über die Alters- und Hinterlassenenversicherung (AHVV; SR 831.101) gehören Tantiemen, feste Entschädigungen und Sitzungsgelder an die Mitglieder der Verwaltung und der geschäftsführenden Organe zum massgeblichen beitragspflichtigen Lohn. Richtet eine AG Leistungen an Arbeitnehmer aus, die gleichzeitig Inhaber gesellschaftlicher Beteiligungsrechte sind oder Inhabern solcher Rechte nahestehen, erhebt sich bei der Festsetzung sowohl der direkten Bundessteuer als auch der Sozialversicherungsbeiträge die Frage, ob und inwieweit es sich dabei um Arbeitsentgelt (massgebenden Lohn) oder aber um eine verdeckte Gewinnausschüttung (Kapitalertrag) handelt. Letztere unterliegt der direkten Bundessteuer im Sinne von Art. 20 Abs. 1 lit. c des Bundesgesetzes über die direkte Bundessteuer (DBG; SR 642.11), da sie ihren Grund in der Aktionärseigenschaft des Empfängers hat.
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Die Sozialversicherung ist daran interessiert zu verhindern, dass massgebender Lohn fälschlicherweise als Kapitalertrag deklariert wird und dadurch der Beitragserhebung entgeht (BGE 103 V 1 E. 2b; ROLAND MÜLLER, Der Verwaltungsrat als Arbeitnehmer, Zürich/Basel/Genf 2005, S. 377 ff.). Es ist dabei Sache der Ausgleichskassen, selbstständig zu beurteilen, ob ein Einkommensbestandteil als massgebender Lohn oder als Kapitalertrag zu qualifizieren ist. Allerdings halten sich die Ausgleichskassen bei ihrem Entscheid in der Regel an die bundessteuerrechtliche Betrachtungsweise (vgl. Art. 23 AHVV). Die Falschbeurkundung des Beschwerdeführers kann mithin durchaus dazu führen, dass dieser seiner AHV-Beitragspflicht nicht (vollumfänglich) nachkommt und hierdurch einen unrechtmässigen Vorteil erwirkt, bzw. die Sozialversicherung schädigt (vgl. auch Art. 87 des Bundesgesetzes über die Alters- und Hinterlassenenversicherung [AHVG; SR 831.10]).
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4.9 Zusammenfassend ist somit festzuhalten, dass der Beschwerdeführer durch seine Erstellung einer inhaltlich unrichtigen Handelsbilanz zum Zwecke der Steuerhinterziehung die Verwendung der Urkunden im nicht-fiskalischen Bereich und die Täuschung von Dritten zwangsläufig billigend in Kauf genommen hat, konnte er doch nicht von vornherein wissen, wofür die Erfolgsrechnung noch Verwendung findet. Es liegt folglich echte Konkurrenz zwischen den Tatbeständen des Steuerbetrugs und der Urkundenfälschung vor.
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