BGE 134 IV 175
 
17. Auszug aus dem Urteil der Strafrechtlichen Abteilung i.S. F.A. gegen Oberstaatsanwaltschaft des Kantons Zürich (Beschwerde in Strafsachen)
 
6B_646/2007 vom 24. April 2008
 
Art. 117 StGB; Art. 53 ff. HMG.
 
Art. 3 und 26 HMG; Sorgfaltspflichten bei der Verschreibung und Abgabe von Arzneimitteln.
 
Sachverhalt
A. Anfang Februar 2002 wurde bei K.A. (geb. 11. März 1949) ein bösartiger Dickdarmkrebs diagnostiziert. Am 11. März 2002 trat sie für eine Krebstherapie ins Stadtspital Triemli, Zürich, ein. Im Hinblick auf die operative Entfernung dieses Rektum-Karzinoms sollte sie im Rahmen einer präoperativen Therapie während mehrerer Tage bestrahlt und ihr gleichzeitig der Wirkstoff 5-Fluorouracil ("5-FU") des deutschen Herstellers "B. Arzneimittel GmbH" mittels Infusion verabreicht werden. Während der Therapie verschlechterte sich ihr Zustand. Am 14. März 2002 um 23.00 Uhr wurde die Verabreichung des Chemotherapeutikums gestoppt. Am 18. März 2002 verstarb K.A. an den Folgen der Therapie.
B. Am 30. April 2004 erstattete F.A., der Ehemann der verstorbenen K.A., bei der Bezirksanwaltschaft Zürich Strafanzeige wegen fahrlässiger Tötung. Mit Schreiben vom 24. Mai 2005 reichte Dr. med. Morten Keller-Sutter vom Institut für Rechtsmedizin der Universität Zürich ein im Auftrag der Staatsanwaltschaft IV des Kantons Zürich erstelltes Aktengutachten ein. Mit Verfügung vom 12. Juli 2005 stellte die Untersuchungsbehörde das Strafverfahren mangels gewichtiger Anhaltspunkte für ein strafbares Verhalten ein.
C. Auf Rekurs von F.A. hob der Einzelrichter des Bezirksgerichts Zürich die Einstellungsverfügung am 3. Oktober 2005 auf und wies die Sache zur weiteren Untersuchung an die Staatsanwaltschaft zurück. Diese liess in der Folge durch den Direktor der Onkologie-Klinik des Universitätsspitals Zürich, Prof. Dr. med. A. Knuth, ein Obergutachten erstellen. Gestützt auf das am 20. Februar 2006 erstattete Obergutachten sowie Gutachtensergänzungen wurde das Strafverfahren mit Verfügung vom 21. August 2006 ein zweites Mal eingestellt. Den von F.A. dagegen erhobenen Rekurs wies der Einzelrichter des Bezirksgerichts Zürich mit Verfügung vom 29. August 2007 ab.
D. F.A. führt Beschwerde in Strafsachen. Er beantragt die Aufhebung der einzelrichterlichen Verfügung vom 29. August 2007 und der Einstellungsverfügung der Staatsanwaltschaft vom 21. August 2006. Die Strafsache sei an die Staatsanwaltschaft zurückzuweisen, und diese zu verpflichten, nach Vervollständigung der Untersuchung über eine Anklageerhebung wegen fahrlässiger Tötung zu verfügen. Zudem ersucht F.A. um unentgeltliche Rechtspflege und Verbeiständung.
Das Bundesgericht heisst die Beschwerde teilweise gut.
 
Aus den Erwägungen:
3.1 Nach Art. 117 StGB wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder Geldstrafe bestraft, wer fahrlässig den Tod eines Menschen verursacht. Fahrlässig begeht ein Verbrechen oder Vergehen, wer die Folge seines Verhaltens aus pflichtwidriger Unvorsichtigkeit nicht bedenkt oder darauf nicht Rücksicht nimmt. Pflichtwidrig ist die Unvorsichtigkeit, wenn der Täter die Vorsicht nicht beachtet, zu der er nach den Umständen und nach seinen persönlichen Verhältnissen verpflichtet ist (Art. 12 Abs. 3 StGB). Ein Schuldspruch wegen fahrlässiger Tötung setzt somit voraus, dass der Täter den Erfolg durch Verletzung einer Sorgfaltspflicht verursacht hat. Wo besondere Normen ein bestimmtes Verhalten gebieten, bestimmt sich das Mass der dabei zu beachtenden Sorgfalt in erster Linie nach diesen Vorschriften (BGE 127 IV 34 E. 2a m.w.H.).
3.2 Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichts richten sich die Sorgfaltspflichten des Arztes im Allgemeinen nach den Umständen des Einzelfalles, namentlich nach der Art des Eingriffs oder der Behandlung, den damit verbundenen Risiken, dem Beurteilungs- und Bewertungsspielraum, der dem Arzt zusteht, sowie den Mitteln und der Dringlichkeit der medizinischen Massnahme. Der Arzt hat indes nicht für jene Gefahren und Risiken einzustehen, die immanent mit jeder ärztlichen Handlung und auch mit der Krankheit an sich verbunden sind. Zudem steht dem Arzt sowohl in der Diagnose als auch in der Bestimmung therapeutischer oder anderer Massnahmen oftmals ein gewisser Entscheidungsspielraum zu. Er handelt unsorgfältig, wenn sich sein Vorgehen nicht nach den durch die medizinische Wissenschaft aufgestellten und generell anerkannten Regeln richtet und dem jeweiligen Stand der Wissenschaft nicht entspricht (BGE 130 IV 7 E. 3.3 m.w.H.).
3.3 Jeder klinische Versuch mit Heilmitteln am Menschen muss nach den anerkannten Regeln der Guten Praxis der klinischen Versuche durchgeführt werden (Art. 53 Abs. 1 HMG). Der Bundesrat umschreibt die anerkannten Regeln der Guten Praxis der klinischen Versuche näher (Art. 53 Abs. 2 HMG; vgl. dazu Verordnung vom 17. Oktober 2001 über klinische Versuche mit Heilmitteln [VKlin; SR 812.214.2; AS 2001 S. 3511 ff.]). Nach Art. 54 Abs. 1 HMG ist die Durchführung klinischer Versuche nur zulässig, wenn die Versuchspersonen über den Versuchszweck und Ablauf, die Behandlungsalternativen, die Versuchsrisiken, ihren Entschädigungsanspruch und ihr Widerrufsrecht aufgeklärt worden sind und aus freiem Willen schriftlich eingewilligt haben (lit. a), die Entschädigung der Versuchspersonen für versuchsbedingte Schäden gewährleistet ist (lit. b) sowie die zuständige Ethikkommission den Versuch befürwortet (lit. c). Klinische Versuche sind vor der Durchführung dem Schweizerischen Heilmittelinstitut zu melden (Art. 54 Abs. 3 HMG). Das Heilmittelgesetz definiert den klinischen Versuch nicht. Nach Art. 5 lit. a VKlin in der Fassung vom 17. Oktober 2001 (AS 2001 S. 3512) galt als klinischer Versuch eine am Menschen durchgeführte Untersuchung, mit der Sicherheit und Wirksamkeit sowie weitere Eigenschaften eines Heilmittels systematisch überprüft werden. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichts gilt im eidgenössischen Heilmittelrecht grundsätzlich jede systematische Forschung am Menschen mit Heilmitteln als klinischer Versuch (Urteil des Bundesgerichts 2A.522/2004 vom 18. August 2005, E. 4.3, publ. in: ZBl 107/2006 S. 651; zum Ganzen: D. SPRUMONT/M.-L. BÉGUIN, La nouvelle réglementation des essais cliniques de médicaments, Bulletin des médecins suisses 83/2002 S. 894 ff.).
3.4 Entgegen den Vorbringen des Beschwerdeführers sind die Vorschriften des Heilmittelgesetzes zu den klinischen Heilmittelversuchen nicht einschlägig. Vorliegend ging es nicht um eine systematische Überprüfung der Wirksamkeit und Sicherheit eines Heilmittels im Sinne von Art. 5 lit. a VKlin. Zwar lehnte sich die Behandlungsmethode (präoperative Infusion) und die Dosierung (1000 mg/m2 5-FU pro 24 Stunden) an eine laufende deutsche Studie an, doch ist unbestritten, dass K.A. daran nicht teilnahm und die Studie auch nicht beim Schweizerischen Heilmittelinstitut gemeldet war. Es ging vorliegend um den individuellen Einsatz eines Heilmittels zu Therapiezwecken ausserhalb einer kontrollierten klinischen Versuchsreihe. Die qualifizierten Aufklärungs- und Einwilligungsvoraussetzungen für klinische Versuche (vgl. Art. 54 HMG) sind deshalb nicht anwendbar.
4.1 Soweit der Beschwerdeführer die Zulassung des 5-FU von B. bestreitet, wendet er sich wie erwähnt (E. ...) gegen eine nicht willkürliche Tatsachenfeststellung der Vorinstanz. Unbestritten ist hingegen, dass die Arznei in einer höheren als im Beipackzettel und im Kompendium vorgesehenen Dosierung verabreicht wurde. Wird ein Medikament ausserhalb der zugelassenen Indikation oder Dosierung abgegeben, so liegt ein sog. "off-label use" vor ("médicament administré hors étiquette", vgl. BGE 130 V 532 E. 5.3; BGE 131 V 349 E. 2 f.). Das Heilmittelgesetz verbietet den "off-label use" von Arzneimitteln nicht. Er ist bei Beachtung der allgemeinen heilmittelgesetzlichen Sorgfaltspflichten somit grundsätzlich zulässig (vgl. URS JAISLI, Basler Kommentar, Heilmittelgesetz, N. 45 zu Art. 3 HMG; PETER MOSIMANN/MARKUS SCHOTT, Basler Kommentar, Heilmittelgesetz, N. 21 Art. 9 HMG; FRANK T. PETERMANN, Off-Label - Rechtliche Betrachtungen zum Off-Label Use von Pharmazeutika, in: Health Insurance Liability Law [Hill], 2007, Fachartikel Nr. 2). Art. 3 HMG statuiert für den Umgang mit Heilmitteln eine allgemeine Sorgfaltspflicht, wonach alle Massnahmen getroffen werden müssen, die nach dem Stand von Wissenschaft und Technik erforderlich sind, damit die Gesundheit von Mensch und Tier nicht gefährdet wird. Diese allgemeine Sorgfaltspflicht wird für den Bereich der Arzneimittel in Art. 26 Abs. 1 HMG konkretisiert: Bei der Verschreibung und der Abgabe von Arzneimitteln müssen die anerkannten Regeln der medizinischen und pharmazeutischen Wissenschaften beachtet werden (vgl. Botschaft zum Heilmittelgesetz, BBl 1999 S. 3487; HEIDI BÜRGI, Basler Kommentar, Heilmittelgesetz, N. 7 ff. zu Art. 26 HMG; zur Bestimmung des Stands der medizinischen Wissenschaft insb. BRIGITTE TAG, Der Körperverletzungstatbestand im Spannungsfeld zwischen Patientenautonomie und lex artis, S. 229 ff.).
In diesem Sinne haben die Schweizerische Kantonsapothekervereinigung und die Swissmedic in einer Stellungnahme festgehalten, dass es Ärzten im Rahmen ihrer Therapiefreiheit möglich ist, Arzneimittel zu verschreiben oder anzuwenden, für die keine Zulassung der Swissmedic vorliegt. Die Verantwortung für einen solchen Arzneimitteleinsatz tragen alleine die behandelnden Ärzte, wobei sie die ärztliche Sorgfaltspflicht im Allgemeinen und die anerkannten Regeln der medizinischen Wissenschaften bei der Verschreibung und Abgabe von Arzneimitteln nach Art. 26 HMG im Besonderen beachten müssen. Sie müssen demnach insbesondere eine hinreichende Aufklärung der betroffenen Patienten nachweisen und plausibel darlegen können, weshalb - gestützt auf die anerkannten Regeln der medizinischen Wissenschaften - ausnahmsweise ein Arzneimittel ohne behördliche Zulassung eingesetzt wurde. Diese Verpflichtung ist umso stärker zu gewichten, je weniger über den Einsatz eines Arzneimittels wissenschaftlich bekannt ist (vgl. "Ausführungen der Schweizerischen Kantonsapothekervereinigung und der Swissmedic betreffend des Einsatzes von Arzneimitteln im Sinne des off-label use" vom 24. Juli 2006, E. D Ziff. 2; publiziert: www.swissmedic.ch).
4.2 Nach dem Ausgeführten haben sich Ärzte beim "off-label use" somit an die anerkannten Regeln der medizinischen und pharmazeutischen Wissenschaften zu halten. Vorliegend ist indes umstritten, ob solche anerkannten Regeln für die gewählte Behandlung überhaupt schon bestanden, oder ob die hochdosierte 5-FU Therapie damals mangels wissenschaftlich gesicherter Erkenntnisse noch rein experimentellen Charakter hatte. Diese Unterscheidung ist insofern bedeutsam, als medizinisch etablierte Standardeingriffe nach einhelliger Meinung in der medizinrechtlichen Literatur weit weniger strengen Zulässigkeitsvoraussetzungen unterliegen als experimentelle Heilversuche, insbesondere hinsichtlich der präinvasiven Aufklärungs- und Risikoabwägungspflichten (vgl. DANIEL BUSSMANN, Die strafrechtliche Beurteilung von ärztlichen Heileingriffen, Zürich 1984, S. 89 ff.; ERWIN DEUTSCH, Medizinrecht, 4. Aufl., N. 539 ff.; MONIKA GATTIKER, das Humanforschungsgesetz [HFG]: ein Gesetzesentwurf mit Lücken, AJP 2006 S. 1536; DIETER HART, Heilversuch, Entwicklung therapeutischer Strategien, klinische Prüfung und Humanexperiment, Medizinrecht [MedR] 1994 S. 94 ff.; ders., MedR 1998 S. 8 ff.; SCHÖNKE/SCHRÖDER-ESER, Strafgesetzbuch, Kommentar, 26. Aufl., § 223 N. 50a; HANS-ULLRICH PAEFFGEN, Nomos-Kommentar zum Strafgesetzbuch, 2. Aufl., § 228 N. 87; FRANZISKA SPRECHER, Medizinische Forschung mit Kindern und Jugendlichen, St. Gallen 2007, S. 46 f.; TAUPITZ/BREWE/SCHELLING, in: Das Menschenrechtsübereinkommen zur Biomedizin des Europarates, S. 412 f.; MARC THOMMEN, Medizinische Eingriffe an Urteilsunfähigen, Basel 2004, S. 37 ff.; PHILIPPE WEISSENBERGER, Die Einwilligung des Verletzten bei Delikten gegen Leib und Leben, Basel 1996, S. 157 ff.; HANS WIPRÄCHTIGER, "Kriminalisierung" der ärztlichen Tätigkeit?, in: A. Donatsch et al. [Hrsg.], Strafrecht und Medizin, S. 61 ff.). Nachfolgend ist zu beurteilen, ob die hochdosierte 5-FU Abgabe im Behandlungszeitpunkt als noch experimenteller oder schon etablierter Eingriff einzustufen war.
4.3 Die Vorinstanz kommt in Anlehnung an das Obergutachten zum Schluss, dass es sich um eine gängige Therapieform mit üblicher Dosierung handelte, welche im Einklang mit dem damals aktuellen Stand der Medizin war. Ob eine Behandlungsmethode, die noch Gegenstand einer laufenden grossangelegten Vergleichsstudie war, bereits als etablierter Behandlungsstandard gelten kann, erscheint grundsätzlich fraglich. Mangels wissenschaftlich abgesicherter Erkenntnisse und angesichts ungewisser Risiken sind solche Verfahren normalerweise den insoweit experimentellen Heilversuchseingriffen zuzuordnen. Die Vorinstanz bringt indes gewichtige Argumente vor, weshalb die durchgeführte Behandlung trotz damals laufender Studie als Standard einzustufen ist. Das angewendete Medikament "5-FU B." sei aufgrund einer vom Kantonsapotheker erteilten Sonderbewilligung zugelassen gewesen. Bereits im Jahr 1997 habe eine schwedische Studie die Überlegenheit der präoperativen Radio-Chemotherapie nachgewiesen. Bei der seit 1995 laufenden und 2004 publizierten deutschen Studie sei bei einem Patientenkollektiv von rund 800 Personen der präoperative Einsatz von 5-FU mit dem postoperativen verglichen worden. Die Schweizer Onkologen seien über diese Studie und die dabei angewandten Dosierungen auf dem Laufenden gewesen. Die übliche Verträglichkeit der Dosierung von täglich 1000 mg pro m2 Körperoberfläche sei schon aus der Behandlung anderer Karzinome (Speiseröhre) bekannt gewesen. Vorliegend wurde daher aufgrund der 1.52 m2 Körperoberfläche der Patientin eine Dosierung von 1500 mg/Tag verabreicht. Auf die grossen Unterschiede in der optimalen Dosierung sei im Beipackzettel verwiesen worden. Ferner seien in der Studie auch Abbruchkriterien festgelegt worden. Hätte sich die postoperative Behandlung als überlegen erwiesen oder andere Erkenntnisse die Schädlichkeit des therapeutischen Vorgehens belegt, so wäre die Studie bereits nach den ersten 50 Patienten abgebrochen worden. Der Beschwerdeführer zeigt nicht auf, inwiefern vor diesem Hintergrund die Bejahung eines medizinischen Behandlungsstandards willkürlich sein soll. Damit steht aber auch fest, dass mangels experimentellen Charakters der Behandlung die qualifizierten Sorgfalts- und Aufklärungspflichten für Heilversuche nicht herangezogen werden können. Zu Recht verneint die Vorinstanz deshalb die Erforderlichkeit einer "speziellen Einwilligung" zu einer Teilnahme an einem medizinischen Experiment ausserhalb der damals bestehenden medizinischen Erkenntnisse. Da sich die behandelnden Ärzte insbesondere hinsichtlich der Dosierung und des präoperativen Einsatzes an die damals etablierteste Behandlungsmethode hielten, kann ihnen auch nicht vorgeworfen werden, die beim "off-label use" gemäss Heilmittelgesetz zu beachtenden Sorgfaltspflichten verletzt zu haben. Die Beschwerde ist insoweit abzuweisen.
5.1 Die Vorinstanz erwägt als möglicherweise todesursächliche Sorgfaltspflichtverletzung den verspäteten Behandlungsabbruch. Sie schliesst sich diesbezüglich jedoch in einer willkürfreien Beweiswürdigung den gutachterlichen Ausführungen an. Danach sind Übelkeit und Durchfall häufige Nebenwirkungen von Krebsmedikamenten, welche für sich noch keinen Behandlungsabbruch, sondern andere Gegenmassnahmen nahelegen. Erst das Auftreten neurologischer Störungen habe den Verdacht auf die 5-FU Infusion lenken müssen. Die Neurotoxizität hätte am 14. März 2002 bereits einige Stunden vor 23 Uhr erkannt werden können. Gemäss der Vorinstanz hätte ein Absetzen auf den tödlichen Verlauf indes keinen Einfluss mehr gehabt, da zu jenem Zeitpunkt bereits ein grosser Teil der Gesamtdosis verabreicht worden war. Entgegen dem Beschwerdeführer lässt sich somit nicht beanstanden, dass die Therapie trotz Auftretens schwerer Nebenwirkungen nicht gestoppt wurde. Die Vorinstanz geht in diesem Punkt zu Recht davon aus, dass es an der Kausalität der Sorgfaltspflichtverletzung fehlt.
5.2 Als weitere Todesursache zieht die Vorinstanz einen Enzymdefekt in Betracht. Bei etwa 3-5 % der Bevölkerung sei die Dihydropyrimidin Dehydrogenase (DPD) mangelhaft oder defekt. Das Fehlen dieses 5-FU abbauenden Enzyms könne zu schweren Nebenwirkungen führen. Nach der gutachterlichen Feststellung, der sich die Vorinstanz in nicht zu beanstandender Weise anschliesst, gab es keine Möglichkeit, den DPD-Mangel im Vorfeld des operativen Eingriffs in der Klinik abzuklären. Wenn aber eine bestimmte möglicherweise negative Prädisposition (DPD-Mangel) vorgängig nicht abgeklärt werden kann, so ist nicht ersichtlich, welche strafrechtliche Relevanz dieser Ursache noch zukommen soll. Wenn die Ärzte faktisch keine Diagnosemöglichkeit haben, kann Ihnen die unterlassene Diagnose strafrechtlich auch nicht zum Vorwurf gereichen. Damit bleibt als Todesursache nur noch die Verunreinigung des Medikaments übrig (dazu sogleich E. 5.3). Weil nur noch eine strafrechtliche relevante Ursache verbleibt, kann auch offenbleiben, ob bei zwei unabhängigen, sich aber gegenseitig nicht ausschliessenden Ursachen aus Kausalitätsüberlegungen zwingend einzustellen war.
5.3 In Bezug auf die für den fatalen Behandlungsausgang mitursächliche Verunreinigung beanstandet der Beschwerdeführer die Einstellung zu Recht. Die Vorinstanz übernimmt die gutachterliche Einschätzung, wonach mit "überwiegender Wahrscheinlichkeit (>50 %) die toxischen Abbauprodukte im B. 5-FU Präparat für den Krankheitsverlauf verantwortlich zu machen sind". Nach den vorstehenden Erläuterungen ist die Toxizität nunmehr die einzig verbleibende, strafrechtlich relevante Todesursache. Die diesbezüglichen Verantwortlichkeiten sind daher näher abzuklären. Fest steht, dass der deutsche Medikamentenhersteller - ohne darauf hinzuweisen - das Lösungsmittel Tris verwendete. Spätestens seit einer Publikation aus dem Jahr 1994 war in der Fachwelt bekannt, dass kardiotoxische Substanzen entstehen können, wenn 5-FU im Lösungsmittel Tris gelöst wird. Aus diesem Grund wurde damals ein in Tris gelöstes 5-FU Produkt des Herstellers R. in Frankreich aus dem Handel gezogen. Wer ein Krebsmedikament in Umlauf bringen will, hat sich in der einschlägigen Fachliteratur auch über mögliche Nebenwirkungen und negative Erfahrungen bei der Verwendung des Wirkstoffs zu informieren. Die Strafbarkeit der Verantwortlichen bei der Herstellerin ist daher näher zu untersuchen. Entgegen der Vorinstanz kann aber auch nicht offenbleiben, ob der zuständige Apotheker und die Zulassungsbehörden von der möglichen Toxizität wussten oder hätten wissen müssen. Auch dies ist näher abzuklären. Zum jetzigen Zeitpunkt lässt sich zusammenfassend noch nicht sagen, dass ein genügender Tatverdacht nicht zu erhärten ist. Die Bestätigung der staatsanwaltschaftlichen Einstellung erfolgte daher zu Unrecht. Die Beschwerde ist insoweit gutzuheissen und die angefochtene Verfügung aufzuheben.