BGE 143 IV 241 |
31. Auszug aus dem Urteil der Strafrechtlichen Abteilung i.S. A. gegen Staatsanwaltschaft des Kantons Freiburg und X. (Beschwerde in Strafsachen) |
6B_1358/2016 vom 1. Juni 2017 |
Regeste |
Art. 319 Abs. 1 StPO; Art. 97 Abs. 1 und Art. 105 Abs. 1 BGG; häusliche Gewalt; Einstellung des Strafverfahrens bei "Aussage gegen Aussage"-Situationen; Kognition des Bundesgerichts bei Einstellungen. |
Vorliegend durfte die Vorinstanz ohne Willkür einen hinreichenden Tatverdacht für eine Anklageerhebung verneinen, da die Schilderungen der Strafanzeigerin zu den geltend gemachten körperlichen Übergriffen durch ihren Ehemann sehr allgemein gehalten sowie wenig substanziiert waren und weitere Beweise fehlten. Verletzung von Art. 319 Abs. 1 lit. a StPO oder des Grundsatzes "in dubio pro duriore" verneint (E. 2.4-2.6). |
Sachverhalt |
Die Staatsanwaltschaft des Kantons Freiburg stellte das Verfahren gegen X. am 16. August 2016 ein. Die von A. dagegen erhobene Beschwerde wies das Kantonsgericht Freiburg am 27. Oktober 2016 ab.
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B. A. beantragt mit Beschwerde in Strafsachen, die Entscheide des Kantonsgerichts vom 27. Oktober 2016 und der Staatsanwaltschaft vom 16. August 2016 seien aufzuheben und die Staatsanwaltschaft sei anzuweisen, das Strafverfahren fortzuführen. A. ersucht um unentgeltliche Rechtspflege.
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Das Bundesgericht weist die Beschwerde ab, soweit es darauf eintritt.
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Aus den Erwägungen: |
Der Entscheid über die Einstellung eines Verfahrens hat sich nach dem Grundsatz "in dubio pro duriore" zu richten. Danach darf eine Einstellung durch die Staatsanwaltschaft grundsätzlich nur bei klarer Straflosigkeit oder offensichtlich fehlenden Prozessvoraussetzungen angeordnet werden. Hingegen ist, sofern die Erledigung mit einem Strafbefehl nicht in Frage kommt, Anklage zu erheben, wenn eine Verurteilung wahrscheinlicher erscheint als ein Freispruch. Ist ein Freispruch genauso wahrscheinlich wie eine Verurteilung, drängt sich in der Regel, insbesondere bei schweren Delikten, eine Anklageerhebung auf. Bei zweifelhafter Beweis- oder Rechtslage hat nicht die Staatsanwaltschaft über die Stichhaltigkeit des strafrechtlichen Vorwurfs zu entscheiden, sondern das zur materiellen Beurteilung zuständige Gericht. Der Grundsatz, dass im Zweifel nicht eingestellt werden darf, ist auch bei der Überprüfung von Einstellungsverfügungen zu beachten (BGE 138 IV 186 E. 4.1, BGE 138 IV 86 E. 4.1; je mit Hinweisen; Urteile 6B_698/2016 vom 10. April 2017 E. 2.3; 6B_816/2016 vom 20. Februar 2017 E. 2.2).
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Erwägung 2.3 |
Art. 97 Abs. 1 BGG gelangt auch bei Beschwerden gegen eine Einstellung des Strafverfahrens zur Anwendung (vgl. BGE 138 IV 186 E. 4.3.2 S. 193). Die Staatsanwaltschaft und die Beschwerdeinstanz dürfen der Beweiswürdigung durch das Sachgericht bei einer unklaren Beweislage nicht vorgreifen. Das Bundesgericht prüft bei der Willkürkognition nach Art. 97 Abs. 1 BGG im Rahmen einer Beschwerde gegen eine Einstellung daher nicht wie beispielsweise bei einem Schuldspruch, ob die vorinstanzlichen Sachverhaltsfeststellungen willkürlich sind, sondern, ob die Vorinstanz willkürlich von einer "klaren Beweislage" ausging oder gewisse Tatsachen willkürlich für "klar erstellt" annahm. Dies ist der Fall, wenn offensichtlich nicht gesagt werden kann, es liege ein klarer Sachverhalt vor bzw. wenn ein solcher Schluss schlechterdings unhaltbar ist.
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Bei der Anwendung des Grundsatzes "in dubio pro duriore" ist folglich wie bei der Unschuldsvermutung (Grundsatz "in dubio pro reo"; siehe dazu BGE 127 I 38 E. 2a S. 40 f.) zwischen der Tat- und der Rechtsfrage zu unterscheiden, d.h. der Anwendung des Grundsatzes als Beweiswürdigungsregel einerseits und als Rechtsregel andererseits. Wie die Beweise nach dem Grundsatz "in dubio pro duriore" zu würdigen sind und ob die Vorinstanz gestützt darauf einen Tatverdacht bzw. einen hinreichenden Tatverdacht verneinen durfte, prüft das Bundesgericht nur auf Willkür (vgl. etwa Urteile 6B_491/2016 vom 13. Dezember 2016 E. 1.2.1; 6B_531/2014 vom 26. Juni 2014 E. 3). Als Rechtsfrage einer freien Prüfung durch das Bundesgericht zugänglich ist demgegenüber, ob die Vorinstanz die Tragweite des Grundsatzes "in dubio pro duriore" richtig erfasst hat und vom korrekten rechtlichen Begriff des "hinreichenden Tatverdachts" im Sinne von Art. 319 Abs. 1 lit. a StPO ausging. Der Grundsatz "in dubio pro duriore" als Rechtsregel ist beispielsweise verletzt, wenn die Vorinstanz in ihren Erwägungen einen hinreichenden Tatverdacht bejaht, aber aus sachfremden Gründen in Überschreitung ihres Ermessens dennoch keine Anklage erhebt, wenn aus ihren Erwägungen hervorgeht, dass sie den Sachverhalt wie ein urteilendes Gericht frei nach dem Grundsatz "in dubio pro reo" feststellte oder wenn die Vorinstanz die rechtliche Tragweite des Grundsatzes "in dubio pro duriore" sonstwie verkannt hat. Dies prüft das Bundesgericht grundsätzlich frei, da Rechtsfrage. Bei der Frage, ob gestützt auf ein bestimmtes Beweisergebnis Anklage erhoben werden muss oder ob im Gegenteil in Anwendung von Art. 319 Abs. 1 lit. a StPO eine Einstellung ergehen darf, räumt das Bundesgericht den kantonalen Instanzen allerdings wiederum einen gewissen Ermessensspielraum ein, in den es nur mit Zurückhaltung eingreift (vgl. BGE 138 IV 186 E. 4.1 S. 190). Bei schweren Delikten stellt die Rechtsprechung tendenziell weniger hohe Anforderungen an den Tatverdacht (siehe oben E. 2.2.1).
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2.4 Die Vorinstanz erwägt, anlässlich der Konfrontationseinvernahme hätten beide Parteien Gelegenheit gehabt, sich persönlich zu äussern. Nicht zutreffend sei der Vorwurf, der zuständige Staatsanwalt habe an der Konfrontationseinvernahme keine Fragen gestellt. Die Anwälte der Parteien seien an der Einvernahme anwesend gewesen. Diese hätten ebenfalls Gelegenheit gehabt, Fragen zu stellen und dadurch weitere bzw. präzisere Ausführungen zu erhalten. Nicht ersichtlich sei, inwiefern eine weitere Einvernahme der Beschwerdeführerin neue Erkenntnisse bringen würde, habe sie doch bisher nur sehr allgemein gehaltene Auskünfte machen können, sei dies im Rahmen der Strafanzeige, an der Konfrontationseinvernahme, aber auch in der Beschwerde. Eine Einvernahme der die Beschwerdeführerin behandelnden Psychiaterin oder die Einforderung eines weiteren Berichts würde keine neuen Erkenntnisse bringen, da die Ärztin ihre Meinung bereits in ihren Schreiben vom 6. Juli 2015 und 26. April 2016 ausführlich und präzise habe äussern können. Hinzu komme, dass diese erst nach der Trennung des Ehepaares aufgesucht worden sei und somit keine eigene Wahrnehmung der zu beurteilenden Taten haben könne. Die weiteren von der Beschwerdeführerin geforderten Beweiserhebungen seien nicht zielführend. Nicht ersichtlich sei, inwiefern die Staatsanwaltschaft in ihren Untersuchungen präziser hätte sein können. Neben den Berichten der behandelnden psychiatrischen Ärztin lägen keine Arzt- bzw. Polizeiberichte oder Zeugenaussagen vor, welche die Vorwürfe der Beschwerdeführerin stützen würden. Es seien keine weiteren Beweiserhebungen ersichtlich, welche den Tatverdacht erhärten könnten. Damit stünden sich nur die Aussagen der an der Verurteilung unmittelbar interessierten Beschwerdeführerin und jene des Beschwerdegegners 2 gegenüber. Insbesondere seien aus einer weiteren Einvernahme der Beschwerdeführerin keine weiteren bzw. neuen Erkenntnisse zu erwarten. Damit reiche die Beweislage nicht aus, um einen für die Anklageerhebung hinreichenden Verdacht zu begründen.
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2.6 Vorliegend stehen sich demnach die Aussagen der Beschwerdeführerin und des Beschwerdegegners 2 gegenüber. Die Vorinstanz verfällt nicht in Willkür, wenn sie der Beschwerdeführerin vorwirft, sie habe nur sehr allgemein gehaltene Auskünfte geben können. Deren Aussagen zu den angeblichen körperlichen Übergriffen sind wenig substanziiert. Diese äusserte sich weder in der Strafanzeige noch an der Konfrontationseinvernahme oder vor der Vorinstanz detailliert zu den Vorkommnissen. Insbesondere fehlen konkrete Hinweise auf die von ihr angeblich erlittenen Körperverletzungen. Andere Beweise wie Arztberichte zu den Körperverletzungen liegen ebenfalls nicht vor. Die von der Beschwerdeführerin später aufgesuchte Psychiaterin konnte in ihren Berichten lediglich auf die Aussagen der Beschwerdeführerin abstellen und nicht aus eigener Wahrnehmung berichten. Bei dieser Sachlage durfte die Vorinstanz willkürfrei einen hinreichenden Tatverdacht verneinen. Eine Verletzung von Art. 319 Abs. 1 lit. a StPO oder des Grundsatzes "in dubio pro duriore" ist nicht ersichtlich. Anhaltspunkte, dass die Vorinstanz die rechtliche Tragweite dieses Grundsatzes verkannt haben könnte, liegen nicht vor. (...)
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