BGE 144 IV 198
 
25. Auszug aus dem Urteil der Strafrechtlichen Abteilung i.S. X. gegen Oberstaatsanwaltschaft des Kantons Zürich, A. AG und B. AG (Beschwerde in Strafsachen)
 
6B_712/2017 vom 23. Mai 2018
 
Regeste
Art. 391 Abs. 2 StPO, Art. 34 Abs. 2 Satz 3 StGB; Verschlechterungsverbot und Höhe des Tagessatzes von Geldstrafen.
 
Sachverhalt
A. Das Bezirksgericht Uster sprach X. am 27. März 2015 des gewerbsmässigen Betrugs, der mehrfachen, teilweise versuchten Veruntreuung, des Erschleichens einer falschen Beurkundung (Gebrauch), des Fahrens in fahrunfähigem Zustand sowie des Fahrens trotz Entzugs des Führerausweises schuldig. Es verurteilte ihn unter Anrechnung der erstandenen Haft zu einer Freiheitsstrafe von 36 Monaten (davon 30 Monate bedingt) und einer Geldstrafe von 130 Tagessätzen zu Fr. 30.-.
B. Gegen diesen Entscheid erhob X. Berufung. Das Obergericht des Kantons Zürich stellte am 9. März 2017 fest, dass das bezirksgerichtliche Urteil u.a. bezüglich der Schuldsprüche betreffend die beiden SVG-Delikte in Rechtskraft erwachsen war. Es bestrafte X. wegen gewerbsmässigen Betrugs, mehrfacher, teilweise versuchter Veruntreuung und Missbrauchs von Ausweisen und Schildern unter Anrechnung der erstandenen Haft mit einer Freiheitsstrafe von 36 Monaten (davon 30 Monate bedingt) sowie einer Geldstrafe von 130 Tagessätzen zu Fr. 80.-.
Das Obergericht hält zusammengefasst u.a. folgenden Sachverhalt als erstellt:
X. habe zusammen mit Y. über verschiedene Firmen Fahrzeuge geleast und anschliessend verkauft. Die einzelnen Firmen seien jeweils nicht aktiv und substanzlos gewesen. Mit diesen sei es ihnen gelungen, sich gegenüber den jeweiligen Leasinggesellschaften als liquide Vertragspartei auszugeben, wobei jeweils Drittpersonen als Firmeninhaber vorgeschoben worden seien.
C. X. führt Beschwerde in Strafsachen. Er beantragt, das Urteil des Obergerichts sei aufzuheben und die Sache zu neuer Entscheidung an das Obergericht zurückzuweisen.
D. Das Obergericht und die Oberstaatsanwaltschaft des Kantons Zürich verzichten auf Vernehmlassung. Die Beschwerdegegnerin 2 beantragt die Abweisung der Beschwerde. Die Beschwerdegegnerin 3 liess sich nicht vernehmen.
Das Bundesgericht heisst die Beschwerde teilweise gut. Das Urteil des Obergerichts des Kantons Zürich vom 9. März 2017 hebt es teilweise auf und weist die Sache zu neuer Entscheidung an das Obergericht zurück. Im Übrigen weist es die Beschwerde ab, soweit es darauf eintritt.
 
Aus den Erwägungen:
5.3 Gemäss der am 1. Januar 2018 in Kraft getretenen, aber unveränderten Fassung von Art. 34 Abs. 2 Satz 3 StGB bestimmt das Gericht die Höhe des Tagessatzes nach den persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen des Täters im Zeitpunkt des Urteils. Die Rechtsmittelinstanz darf Entscheide jedoch nicht zum Nachteil der beschuldigten oder verurteilten Person abändern, wenn das Rechtsmittel nur zu deren Gunsten ergriffen worden ist (vgl. Art. 391 Abs. 2 Satz 1 StPO). Der Sinn dieses Verschlechterungsverbots (Verbot der reformatio in peius) besteht darin, dass die beschuldigte Person nicht durch die Befürchtung, strenger angefasst zu werden, von der Ausübung eines Rechtsmittels abgehalten werden soll (BGE 142 IV 89 E. 2.1 S. 90 mit Hinweisen). Vorbehalten bleibt nach Art. 391 Abs. 2 Satz 2 StPO indes eine strengere Bestrafung aufgrund von Tatsachen, die dem erstinstanzlichen Gericht nicht bekannt sein konnten. Ob solche Tatsachen vor oder nach dem erstinstanzlichen Urteil eingetreten sind, ist unerheblich (vgl. SCHMID/JOSITSCH, Handbuch des schweizerischen Strafprozessrechts, 3. Aufl. 2017, N. 1494; VIKTOR LIEBER, in: Kommentar zur Schweizerischen Strafprozessordnung [StPO], Donatsch/Hansjakob/Lieber [Hrsg.], 2. Aufl. 2014, N. 21 zu Art. 391 StPO).
 
Erwägung 5.4
5.4.2 Der Standpunkt des Beschwerdeführers, es könne nicht von veränderten finanziellen Verhältnissen ausgegangen werden, ist nicht nachvollziehbar. Er beschränkt sich darauf, sein durch die beiden kantonalen Instanzen jeweils unterschiedlich festgestelltes Einkommen wiederzugeben. Das Einkommen des Täters bildet zudem lediglich Ausgangspunkt für die Bemessung der Höhe des Tagessatzes (vgl. BGE 134 IV 60 E. 6.1 ff. mit Hinweisen). Zu den weiteren zu berücksichtigenden Kriterien, welche die Vorinstanz in ihrer Begründung ebenfalls herangezogen hat (vgl. nicht publ. E. 5.2), äussert er sich nicht. Die entsprechenden vorinstanzlichen Erwägungen, auf welche verwiesen werden kann, lassen ohne Weiteres den Schluss zu, dass sich die finanziellen Verhältnisse des Beschwerdeführers seit dem Zeitpunkt des erstinstanzlichen Urteils vom 27. März 2015 nicht nur verändert, sondern verbessert haben.
5.4.3 Die von der Vorinstanz festgestellten verbesserten finanziellen Verhältnisse des Beschwerdeführers sind Tatsachen im Sinne von Art. 391 Abs. 2 Satz 2 StPO, die dem erstinstanzlichen Gericht zum Zeitpunkt seines Urteils noch nicht bekannt sein konnten. Die Vorinstanz durfte angesichts dieser Tatsachen gestützt auf Art. 391 Abs. 2 Satz 2 StPO die Höhe der einzelnen Tagessätze anpassen. Hätte sie dies nicht getan, wäre sie dem Prinzip, nach welchem der wirtschaftlich Starke von einer Geldstrafe nicht minder hart getroffen werden darf als der wirtschaftlich Schwache, nicht gerecht geworden (vgl. BGE 134 IV 82 E. 7.2.4 S. 91 mit Hinweisen). Es wäre zudem stossend, wenn Tatsachen, von denen erst nach dem Urteil des erstinstanzlichen Urteils Kenntnis erlangt wurde, nicht - auch zum Nachteil der beschuldigten Person - verwendet werden könnten (vgl. Botschaft vom 21. Dezember 2005 zur Vereinheitlichung des Strafprozessrechts, BBl 2006 1311 Ziff. 2.9.1). Die sinngemässe Rüge des Beschwerdeführers, die Regelung nach Art. 34 Abs. 2 StGB, wonach die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse des Täters im Zeitpunkt des Urteils massgebend sind, könne keine Ausnahme vom Verschlechterungsverbot gemäss Art. 391 Abs. 2 Satz 1 StPO darstellen, braucht aufgrund der Anwendung von Art. 391 Abs. 2 Satz 2 StPO an dieser Stelle folglich nicht beantwortet zu werden. Immerhin ist in diesem Zusammenhang darauf hinzuweisen, dass das Verbot der reformatio in peius nicht zu den verfassungsmässigen Rechten zählt und sich auch nicht aus der EMRK herleiten lässt (vgl. BGE 139 IV 282 E. 2.3.1 S. 284 mit Hinweisen). Im Ergebnis hat die Vorinstanz das Verschlechterungsverbot nicht verletzt und die Beschwerde ist in diesem Punkt unbegründet.