BGE 146 IV 211
 
21. Auszug aus dem Urteil der Strafrechtlichen Abteilung i.S. B. AG gegen Staatsanwaltschaft des Kantons Graubünden, Erster Staatsanwalt und D. (Beschwerde in Strafsachen)
 
6B_1202/2019 vom 9. Juli 2020
 
Regeste
Art. 122 Abs. 1, 126 Abs. 1 lit. a StPO; Art. 305bis Ziff. 2 StGB; Art. 41, 50 Abs. 3 OR; Zivilklage, Schadenersatzforderung aus Geldwäscherei.
Der Tatbestand der Geldwäscherei dient in Fällen, in denen die der Einziehung unterliegenden Vermögenswerte aus Delikten gegen das Vermögen herrühren, neben dem Einziehungsinteresse des Staates auch dem Schutz der individuell durch die Vortat geschädigten Person. Die Haftung des Geldwäschers erstreckt sich auch auf den durch die Vortat verursachten Schaden im Umfang der Vermögenswerte, deren Einziehung durch die Geldwäscherei vereitelt worden ist (E. 4).
 
Sachverhalt
A. Die B. AG ist ein international tätiges, insbesondere im Bereich der Stromproduktion und des Stromhandels aktives Schweizer Energieunternehmen. Sie wird teilweise von U. aus verwaltet, wo sich auch das J. Competence Center befindet. Als Leiter dieses Competence Centers war vom 15. Dezember 2008 bis zum 29. August 2011 I. (Parallelverfahren 6B_1209/2019) angestellt. Als solcher war er u.a. für den Betrieb und die Weiterentwicklung der J.-Software zur Abwicklung von Geschäftsprozessen verantwortlich. D. (Parallelverfahren 6B_1214/2019), Inhaber der E. AG, war einziger Verwaltungsrat der C. AG. Geschäftsführer und Hauptaktionär dieser Gesellschaft war A. (Parallelverfahren 6B_1201/2019). D. war ferner einziger Verwaltungsrat der von ihm gegründeten IT-Beratungs- und Handelsfirma F. AG, deren Mehrheitsaktionärin die C. AG war. Überdies war D. einziger Verwaltungsrat und Aktionär der G. AG sowie der H. AG. Beide Gesellschaften verfügten über keine weiteren Organe, Zeichnungsberechtigte oder Personal.
I. und A. stellten im Zeitraum vom 23. Oktober 2009 bis zum 2. August 2011 der B. AG nicht erbrachte Wartungs- und Beratungsleistungen sowie fiktive Lizenzgebühren für IT-Module der J.-Standardsoftware in Rechnung und schädigten jene auf diese Weise im Umfang von CHF 5'751'619.10. D. wird vorgeworfen, er habe den beiden Haupttätern bei der Begehung des gewerbsmässigen Betruges zum Nachteil der B. AG Hilfe geleistet und seine ihm gehörenden Firmen H. AG und G. AG zur Verfügung gestellt, um die deliktische Herkunft der von der B. AG ertrogenen Gelder zu verschleiern.
B. Das Regionalgericht Landquart sprach D. mit Urteil vom 8. September 2017 von der Anklage der Gehilfenschaft zu gewerbsmässigem Betrug sowie des schweren Falles der Geldwäscherei frei. Die Zivilklage der B. AG verwies es auf den Zivilweg.
Auf Berufung der Staatsanwaltschaft und der B. AG erklärte das Kantonsgericht von Graubünden D. mit Urteil vom 25. Februar 2019 des schweren Falles der Geldwäscherei schuldig und verurteilte ihn zu einer Freiheitsstrafe von 14 Monaten, einer Geldstrafe von 15 Tagessätzen zu CHF 120.-, je mit bedingtem Strafvollzug bei einer Probezeit von 2 Jahren, sowie zu einer Busse von CHF 360.-, bei schuldhafter Nichtbezahlung umwandelbar in eine Ersatzfreiheitsstrafe von 3 Tagen. Von der Anklage der Gehilfenschaft zum gewerbsmässigen Betrug sprach es ihn frei. Die Zivilklage der B. AG verwies es auf den Zivilweg. Die im Hinblick auf die Zusprechung der Ersatzforderung gemäss Art. 73 Abs. 1 lit. c StGB gegenüber dem Kanton Graubünden abgegebene Abtretungserklärung der B. AG vom 6. September 2017 erklärte es als unwirksam.
C. Die B. AG führt Beschwerde in Strafsachen, mit der sie beantragt, D. sei zu verpflichten, ihr unter solidarischer Haftbarkeit mit A. und I. Schadenersatz im Umfang von CHF 2'659'778.52, zuzüglich Zins zu 5 % auf CHF 2'664'778.52 seit 30. Oktober 2015 bis 10. April 2018 sowie Zins zu 5 % auf CHF 2'659'778.52 ab 11. April 2018 zu leisten. Eventualiter sei das angefochtene Urteil in diesem Punkt aufzuheben und das Verfahren zur Neubeurteilung ihrer Zivilansprüche gegen D. im Sinne der Erwägungen an die Vorinstanz zurückzuweisen.
D. Das Kantonsgericht von Graubünden beantragt unter Verzicht auf Stellungnahme die Abweisung der Beschwerde, soweit darauf einzutreten ist. Die Staatsanwaltschaft hat auf die Einreichung einer Stellungnahme verzichtet. D. beantragt in seiner Vernehmlassung die Abweisung der Beschwerde. Der B. AG ist die Vernehmlassung zur Kenntnisnahme zugestellt worden. Sie hat auf Gegenbemerkungen stillschweigend verzichtet.
E. Das Bundesgericht heisst die Beschwerde gut. Es hebt das Urteil des Kantonsgerichts von Graubünden vom 25. Februar 2019 in Bezug auf die Berufung der Beschwerdeführerin im Zivilpunkt auf und weist die Sache zu neuer Entscheidung an die Vorinstanz zurück.
 
Aus den Erwägungen:
 
Erwägung 3
Gemäss Art. 126 Abs. 1 StPO entscheidet das Strafgericht zusammen mit dem Strafurteil materiell über die adhäsionsweise anhängig gemachte Zivilklage, wenn es die beschuldigte Person schuldig spricht (lit. a) oder wenn es sie freispricht und der Sachverhalt spruchreif ist (lit. b). Spruchreif ist der Sachverhalt, wenn aufgrund der im bisherigen Verfahren gesammelten Beweise ohne Weiterungen über den Zivilanspruch entschieden werden kann, er mithin ausgewiesen ist (Urteile 6B_75/2018 vom 23. November 2018 E. 3.1; 6B_1401/2017 vom 19. September 2018 E. 4.1; je mit Hinweisen; vgl. hierzu NIKLAUS OBERHOLZER, Grundzüge des Strafprozessrechts, 4. Aufl. 2020, N. 610). Gemäss Abs. 2 derselben Bestimmung wird die Zivilklage auf den Zivilweg verwiesen, wenn die Privatklägerschaft ihre Klage nicht hinreichend begründet oder beziffert (lit. b; vgl. auch Art. 84 Abs. 2 und Art. 221 Abs. 1 lit. c und d ZPO; BGE 137 III 617 E. 4.3 S. 619) oder die beschuldigte Person freigesprochen, der Sachverhalt aber nicht spruchreif ist (lit. d). Wäre die vollständige Beurteilung des Zivilanspruchs unverhältnismässig aufwendig, kann das Gericht die Zivilklage nach Art. 126 Abs. 3 StPO nur dem Grundsatz nach entscheiden und sie im Übrigen auf den Zivilweg verweisen.
Die Vorinstanz hat im angefochtenen Urteil den Beschwerdegegner schuldig gesprochen. Gemäss Art. 126 Abs. 1 lit. a StPO hatte sie demnach über die geltend gemachten Schadenersatzforderungen zu entscheiden (vgl. auch Urteil 6B_1216/2015 vom 21. September 2016 E. 9, nicht publ. in: BGE 142 IV 346). Der Entscheid über die anhängig gemachte Zivilklage ist, soweit sie hinreichend begründet und beziffert ist, bei dieser Konstellation zwingend (Urteile 6B_1401/2017 vom 19. September 2018 E. 4.3; 6B_604/2012 vom 16. Januar 2014 E. 6.2.2; 6B_75/2014 vom 30. September 2014 E. 2.4.3 und 2.4.4). Dies gilt auch - anders als im Falle eines Freispruchs (Art. 126 Abs. 1 lit. b StPO) - dann, wenn der Sachverhalt nicht spruchreif ist. Das Gericht hat in diesem Fall - gestützt auf die rechtzeitig gestellten Beweisanträge der Zivilpartei - nötigenfalls ein Beweisverfahren durchzuführen (Urteil 6B_1401/2017 vom 19. September 2018 E. 4.3 mit Hinweis).
3.2 Nach Art. 41 Abs. 1 OR wird zum Ersatz verpflichtet, wer einem anderen - sei es mit Absicht, sei es aus Fahrlässigkeit - widerrechtlich einen Schaden zufügt. Die Schadenszufügung ist widerrechtlich, wenn sie gegen eine allgemeine gesetzliche Pflicht verstösst, d.h. wenn entweder ein absolutes Recht des Geschädigten verletzt (Erfolgsunrecht) oder eine reine Vermögensschädigung durch Verstoss gegen eine einschlägige Schutznorm bewirkt wird (Verhaltensunrecht). Da das Vermögen kein absolutes subjektives Rechtsgut darstellt, sind reine Vermögensschädigungen nur widerrechtlich, wenn sie auf einen Verstoss gegen eine Verhaltensnorm zurückgehen, welche dem Schutz vor Schädigungen von der Art der eingetretenen dient (BGE 144 I 318 E. 5.5; BGE 139 IV 137 E. 4.2; BGE 141 III 527 E. 3.2; BGE 129 IV 322 E. 2.2.2; BGE 119 II 127 E. 3; je mit Hinweisen). Gemäss Art. 50 Abs. 1 OR haften, wenn mehrere den Schaden, sei es als Anstifter, Urheber oder Gehilfen, gemeinsam verschuldet haben, dem Geschädigten solidarisch. Nach Abs. 3 derselben Bestimmung haftet der Begünstiger nur dann und nur soweit für Ersatz, als er einen Anteil an dem Gewinn empfangen oder durch seine Beteiligung Schaden verursacht hat.
 
Erwägung 4
 
Erwägung 4.2
4.2.1 Die Beschwerdeführerin hat im zu beurteilenden Fall im kantonalen Verfahren ihre Zivilforderung hinreichend begründet und beziffert. Für die Vorinstanz war mithin klar ersichtlich, auf welche rechtlichen und tatsächlichen Gründe jene ihre Forderung stützte. Sie hatte daher über die Zivilforderung selbst zu urteilen und auf der Grundlage der Rechtsbegehren zu entscheiden, in welchem Umfang die Beschwerdeführerin durch die angeklagten Handlungen des Beschwerdegegners D. und der beiden Vortäter geschädigt worden war. Dies hat die Vorinstanz in Bezug auf die Beschuldigten I. und A. getan. In Bezug auf den Beschwerdegegner D. nimmt die Vorinstanz indes an, für den Geldwäscher bestehe hinsichtlich des durch die Vortat verursachten Schadens lediglich eine subsidiäre zivilrechtliche Verantwortlichkeit und die gegen jenen gerichtete Zivilforderung sei nicht genügend ausgewiesen.
Diese Rechtsauffassung verletzt Bundesrecht. Der Tatbestand der Geldwäscherei im Sinne von Art. 305bis Ziff. 1 StGB schützt zwar in erster Linie die Rechtspflege in der Durchsetzung des staatlichen Einziehungsanspruchs bzw. das öffentliche Interesse an einem reibungslosen Funktionieren der Strafrechtspflege. Doch dient der Tatbestand nach der Rechtsprechung in Fällen, in denen die der Einziehung unterliegenden Vermögenswerte aus Delikten gegen das Vermögen herrühren, neben dem Einziehungsinteresse des Staates auch dem Schutz der individuell durch die Vortat Geschädigten (BGE 145 IV 335 E. 3.1; BGE 129 IV 322 E. 2.2.4; BGE 133 III 323 E. 5.1; je mit Hinweisen; URSULA CASSANI, Droit pénal économique, 2020, Rz. 6.20; vgl. auch CHRISTIAN HEIERLI, Zivilrechtliche Haftung für Geldwäscherei, 2012, Rz. 718 ff., 770; kritisch: ACKERMANN/ZEHNDER, in: Kommentar Kriminelles Vermögen, Kriminelle Organisationen, Bd. II, 2018, N. 97 zu Art. 305bis Ziff. 1 StGB; JÖRG SCHWARZ, Zivilrechtliche Haftung für Geldwäscherei, HAVE 2009 S. 15 f.; PETER LEHMANN, Ist Geldwäscherei nach Art. 305bis StGB eine haftpflichtrechtliche Schutznorm?, in: Schutz und Verantwortung, Liber amicorum für Heinrich Honsell, 2007, S. 17 ff.). Der Schaden besteht danach im Umfang der Vermögenswerte, deren Einziehung durch die Geldwäscherei vereitelt worden ist. Die Einziehung zugunsten des Staates ist nur zulässig, wenn die Vermögenswerte nicht dem Geschädigten zur Wiederherstellung des rechtmässigen Zustandes ausgehändigt werden (Art. 70 Abs. 1 StGB). Bei Eigentums- und Vermögensdelikten erfolgt die Einziehung mithin im Interesse des Opfers. Die Geldwäscherei im Sinne der Vereitelung der Einziehung richtet sich in diesen Fällen somit auch gegen die Interessen desjenigen, der durch die Vortat geschädigt wurde (BGE 139 IV 209 E. 5.3; BGE 129 IV 322 E. 2.2.4; je mit Hinweisen).
4.2.2 Die bisherige Rechtsprechung zur zivilrechtlichen Haftung für Geldwäscherei geht von der Prämisse aus, dass der Geldwäscher nicht an der Individualinteressen verletzenden Vortat beteiligt war und daher nicht aus einer derartigen Beteiligung zivilrechtlich belangt werden kann. Wie die Beschwerdeführerin zu Recht vorbringt, bildete die im vorliegenden Verfahren relevante Frage, ob der Täter gegenüber der geschädigten Privatklägerschaft allein auf der Grundlage der Geldwäscherei zivilrechtlich haftbar wird, auch Gegenstand von BGE 129 IV 322. Insofern lässt sich entgegen der Auffassung der Vorinstanz nicht sagen, die diesem Entscheid zugrunde liegende Konstellation sei nicht mit derjenigen des vorliegenden Falles vergleichbar. Was die Vorinstanz sodann unter Verweisung auf die Lehrmeinung von HEIERLI erwägt, gibt keinen Anlass, von dieser Rechtsprechung abzukehren. Abgesehen davon findet, worauf die Beschwerdeführerin zu Recht hinweist, die von der Vorinstanz im angefochtenen Urteil vertretene Auffassung in der von ihr zitierten Lehrmeinung keine Stütze. Es trifft zwar zu, dass der Autor im Rahmen seiner Kritik an der bundesgerichtlichen Rechtsprechung ausführt, die Behandlung der Geldwäscherei als eigenständige widerrechtliche Schädigung im Sinne von Art. 41 OR habe zur Folge, dass der Stand des Vermögens mit und ohne Geldwäscherei - ausgehend vom Vermögensstand, wie er beim Geschädigten nach der Vortat vorgelegen habe - miteinander zu vergleichen sei (HEIERLI, a.a.O., Rz. 454, im Anschluss an LEHMANN, a.a.O., S. 21 f.). Danach würde sich der Schaden aus Geldwäscherei in der geldwäschereibedingten Verringerung des subjektiven realen Werts der Schadenersatzforderung des Geschädigten gegen den Vortäter darstellen, wodurch die zivilrechtliche Haftung des Geldwäschers zu einer komplizierten Ausfallhaftung für den Fall werde, dass der Vortäter nicht auf Schadenersatz belangt werden könne (HEIERLI, a.a.O., Rz. 457 ff., 469, 481 ff. und 1260 ff.). Doch stellt sich der Autor zu Recht gegen eine derartig isolierte Betrachtung des Schadens aus Geldwäscherei. Er gelangt vielmehr gestützt auf Art. 50 Abs. 3 OR zur Auffassung, es liege in dem Sinne ein einheitlicher Schaden vor, als die Vermögenswerte dem Geschädigten durch den Vortäter entzogen worden seien und der Geldwäscher diese Schadenlage aufrechterhalten habe (HEIERLI, a.a.O., Rz. 476 ff., 996, 1007, 1154 ff., 1169 ff., 1199 f. und 1309 ff.; vgl. auch ROLAND BREHM, Berner Kommentar, 4. Aufl. 2013, N. 67 zu Art. 50 OR). Damit steht, wie die Beschwerdeführerin zu Recht einwendet, die von HEIERLI vertretene Auffassung im Ergebnis im Einklang mit der bundesgerichtlichen Rechtsprechung, wonach sich die Haftung des Geldwäschers auch auf den durch die Vortat verursachten Schaden im Umfang der Vermögenswerte, deren Einziehung durch die Geldwäscherei vereitelt worden ist, erstreckt.
Die Vorinstanz stützt sich somit für ihren Schluss, die Schadenersatzforderung der Beschwerdeführerin sei nicht hinreichend beziffert und begründet, auf eine unzutreffende Rechtsauffassung, die zudem auch von der von ihr hierfür angerufenen Lehrmeinung nicht geteilt wird. Auf der Grundlage der bundesgerichtlichen Rechtsprechung, nach welcher der Geldwäscher im Umfang der Vermögenswerte, deren Einziehung durch die Geldwäscherei vereitelt worden ist, für den Vortatschaden mithaftet, ist die Zivilforderung hinreichend substantiiert. Die Vorinstanz hätte diese daher nicht auf den Zivilweg verweisen dürfen, sondern hätte selbst über sie entscheiden müssen. Damit verletzt das angefochtene Urteil in diesem Punkt Bundesrecht. Die Beschwerde erweist sich als begründet.