BGE 98 V 48 |
13. Urteil vom 1. Februar 1972 i.S. Bundesamt fiür Sozialversicherung gegen Pfeiffer und Rekurskommission fiür die Ausgleichskassen des Kantons Basel-Stadt |
Regeste |
Art. 21 Abs. 1 und 2 IVG. |
- Frage offen gelassen, ob der Skalator überhaupt unter die in Art. 14 Abs. 1 IVV aufgezählten Hilfsmittelkategorien subsumiert werden kann. |
Sachverhalt |
A.- Die 1956 geborene Rosmarie Pfeiffer leidet an cerebraler Triplegie nach Gehirnblutung bei Geburt (Little'sche Krankheit) und ist deswegen an einen Fahrstuhl gebunden. Sie wohnt bei ihren Eltern in einem kleinen Einfamilienhaus, das einer Wohngenossenschaft gehört. Am 3. Mai 1970 ersuchte die Mutter der Versicherten um einen Kostenbeitrag an die Anschaffung eines Skalators (Treppenlift), der ca. 9500 Franken kostet. Es handelt sich dabei um einen mittels elektrischer Winde angetriebenen Stuhl mit Fussstütze und Armlehnen, der auf einer an den Treppenstufen montierten Schiene geführt wird. Diese Vorrichtung würde es der Versicherten ermöglichen, mühelos die vom Erdgeschoss in den ersten Stock des Hauses führende Treppe zu überwinden. Mit Verfügung vom 19. Februar 1971 eröffnete die Ausgleichskasse dem Vater der Versicherten den Beschluss der Invalidenversicherungs-Kommission, das Gesuch abzulehnen. Der Skalator sei nicht unbedingt erforderlich.
|
B.- Beschwerdeweise machte der Vater der Versicherten geltend, es sei der Mutter nicht mehr möglich, das Kind über die Treppe zu tragen. Zimmerumstellungen seien angesichts der Platzverhältnisse unzumutbar. Das an epileptischen Anfällen leidende Kind müsse in Hörweite des im ersten Stock befindlichen Elternschlafzimmers sein können. Zudem wäre es, wenn es im Erdgeschoss untergebracht würde, von wesentlichen Bereichen des Familienlebens ausgeschlossen.
|
Nach Vornahme eines Augenscheins hiess die Kantonale Rekurskommission für die Ausgleichskassen Basel-Stadt mit Entscheid vom 6. Mai 1971 die Beschwerde gut und verhielt die Invalidenversicherung, die Kosten des Skalators im Betrage von Fr. 9500.-- zu übernehmen. Eine Verlegung des Kinderzimmers ins Parterre sei mit schwerwiegenden Nachteilen für das Kind verbunden. Das dringende Bedürfnis zur Anschaffung eines Skalators sei ausgewiesen.
|
C.- Mit der vorliegenden Verwaltungsgerichtsbeschwerde stelltdas Bundesamt fürSozialversicherungdas Rechtsbegehren, der kantonale Entscheid sei aufzuheben und die Kassenverfügung wiederherzustellen.
|
Die Versicherte lässt Abweisung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde beantragen.
|
Das Eidg. Versicherungsgericht zieht in Erwägung: |
Anspruch auf Abgabe der erstgenannten Hilfsmittel besteht nur im Rahmen des allgemeinen Grundsatzes von Art. 8 Abs. 1 IVG, der für alle Eingliederungsmassnahmen gilt und wonach der Versicherte Anspruch auf Eingliederungsmassnahmen nur insoweit hat, als diese notwendig und geeignet sind, die Erwerbsfähigkeit wiederherzustellen, zu verbessern, zu erhalten oder ihre Verwertung zu fördern. Demnach gehört eine mindestens teilweise - auch künftige - Erwerbsfähigkeit oder an ihrer Stelle im Sinne von Art. 5 Abs. 1 IVG die Möglichkeit, sich noch im bisherigen Aufgabenbereich zu betätigen, grundsätzlich zu den Anspruchsvoraussetzungen. Entsprechend diesen allgemeinen Grundsätzen sieht Art. 21 Abs. 1 IVG vor, der Versicherte habe im Rahmen einer vom Bundesrat aufzustellenden Liste Anspruch auf jene Hilfsmittel, derer er für die Ausübung der Erwerbstätigkeit oder der Tätigkeit in seinem Aufgabenbereich, für die Schulung, die Ausbildung oder zum Zwecke der funktionellen Angewöhnung bedürfe. Die genannte Liste ist in Art. 14 Abs. 1 IVV enthalten und zählt die in Frage kommenden Hilfsmittelkategorien abschliessend auf; die Aufzählung der unter die einzelnen Kategorien fallenden Hilfsmittel ist dagegen bloss exemplifikatorisch (ZAK 1969 S. 611).
|
Auf der andern Seite besteht gemäss Art. 8 Abs. 2 IVG "nach Massgabe der Art. 13, 19, 20 und 21" der Anspruch auf Leistungen unabhängig von der Möglichkeit einer Eingliederung ins Erwerbsleben. In diesem Zusammenhang kann die Verweisung auf Art. 21 IVG nur bedeuten, dass alle seine Bestimmungen vorbehalten werden, mithin auch Abs. 2, der allein im Gesetz den Anspruch auf die ohne Eingliederungszweck abzugebenden Hilfsmittel regelt und daher die entsprechende, kraft Art. 8 Abs. 2 massgebende Sondernorm ist. Art. 21 Abs. 2 lautet: "Der Versicherte, der infolge seiner Invalidität für die Fortbewegung, für die Herstellung des Kontaktes mit der Umwelt oder für die Selbstsorge kostspieliger Geräte bedarf, hat im Rahmen einer vom Bundesrat aufzustellenden Liste ohne Rücksicht auf die Erwerbsfähigkeit Anspruch auf solche Hilfsmittel." Damit will das Gesetz auch Schwerstinvaliden ein Mindestmass an Selbstsorge und Kontaktnahme mit der Umwelt ermöglichen.
|
2. Eine Abgabe des Skalators gestützt auf Art. 21 Abs. 1 IVG in Verbindung mit Art. 14 Abs. 1 IVV setzt voraus, dass die Versicherte ihn für die Ausübung der Erwerbstätigkeit oder der Tätigkeit in ihrem Aufgabenbereich, für die Schulung, die Ausbildung oder zum Zwecke der funktionellen Angewöhnung bedarf. In Frage kommen für die Beschwerdegegnerin nur die Kriterien der Schulung oder Ausbildung. Diese Voraussetzungen sind indessen nicht erfüllt. Denn die beantragte Vorrichtung dient überwiegend der Bewegungsfreiheit im Hause und ist bedingt durch den Umstand, dass sich die Schlafzimmer im ersten Stock, die Wohnräume dagegen im Parterre des Hauses befinden. Der Treppenlift bezweckt somit vor allem die Ermöglichung besserer Beweglichkeit im Hause selbst und erst sekundär des Schulbesuches, wofür die Versicherte über einen zusätzlichen Fahrstuhl und einen speziellen Tragsitz verfügt.
|
Zwar können nach der Rechtsprechung Gegenstände mit Hilfsmittelcharakter ausnahmsweise auch dann abgegeben werden, wenn sie die einzig mögliche und notwendige Vorkehr zur Erreichung eines wesentlichen, gesetzlich angestrebten Erfolges darstellen, auch wenn sie nicht unmittelbar der Eingliederung dienen oder keine wesentliche Ergänzung medizinischer Eingliederungsmassnahmen bilden (EVGE I 963 S. 147; ZAK 1967 S. 493). Der Skalator ist nur zu einem geringen Teil durch den angestrebten Eingliederungserfolg bedingt. Im Hinblick auf die kostspielige Vorrichtung darf den Eltern zugemutet werden, für den Fall der Abwesenheit des Vaters Vorkehren zu treffen, damit das Kind gleichwohl die Schule besuchen kann. Der Skalator stellt demnach nicht die einzig mögliche Vorkehr zur Schulung der Versicherten dar, dies auch unter Berücksichtigung der feststehenden Wohnverhältnisse.
|
Da nach dem Gesagten die allgemeinen Voraussetzungen zur Abgabe der beantragten Vorrichtung gestützt auf Art. 21 Abs. 1 IVG in Verbindung mit Art. 14 Abs. 1 IVV nicht erfüllt sind, kann die Frage offen bleiben, ob der Skalator überhaupt unter die in Art. 14 Abs. 1 IVV aufgezählten Hilfsmittelkategorien eingereiht werden könnte.
|
3. Unabhängig von der Möglichkeit einer Eingliederung in das Erwerbsleben hat der Versicherte Anspruch auf die in Art. 14 Abs. 2 IVV abschliessend (EVGE 1968 S. 211) aufgezählten Hilfsmittel (Art. 21 Abs. 2 IVG). Buchstabe f der Verordnungsbestimmung sieht zur Abgabe Fahrstühle vor. Dazu gehören nach der Rechtsprechung lediglich Zimmer- und Strassenfahrstühle ohne Motor (ZAK 1970 S. 627; nicht publiziertes Urteil i.S. Fasciati vom 15. Juli 1970). Das Gericht hatte in diesen Urteilen die Frage verneint, ob ein elektrisch angetriebener Fahrstuhl unter Art. 14 Abs. 2 lit. f subsumiert werden könne. Die dort vertretene Auffassung muss auch für den motorisch angetriebenen, funktionsmässig liftähnlichen Skalator gelten. Auch unter dem Gesichtspunkt von Art. 21 Abs. 2 IVG in Verbindung mit Art. 14 Abs. 2 IVV kann daher der Skalator nicht von der Invalidenversicherung abgegeben werden.
|