BGE 98 V 123
 
34. Auszug aus dem Urteil vom 10. März 1972 i.S. Schweiz. Unfallversicherungsanstalt gegen Messikommer und Versicherungsgericht des Kantons Zürich
 
Regeste
Unzulässigkeit der Verwaltungsgerichtsbeschwerde, die sich allein auf kantonale Bestimmungen betreffend die Parteikosten in Prozessen gemäss Art. 121 KUVG stützt (Art. 128 OG).
 
Sachverhalt
A.- Ernst Messikommer (geb. 1910) erlitt am 10. Juni 1966 bei einem Automobilunfall als Mitfahrer u.a. eine Halswirbelsäulenverletzung. Die Schweizerische Unfallversicherungsanstalt (SUVA) verfügte am 18. Januar 1967 die Kürzung des Krankengeldes um 50% ab 19. September 1966, weil die Beschwerden in der Halswirbelsäule nicht mehr ausschliesslich Unfallfolge seien. Mit Verfügung vom 3. August 1967 bestätigte sie den Kürzungsentscheid und schloss den Fall ab. Sie sprach dem Versicherten ab 13. August 1967 eine auf dem damaligen Jahresverdienstmaximum von Fr. 15 000.-- basierende Invalidenrente von 25%, gekürzt um 50% nach Art. 91 KUVG zu (Rentenbescheid vom 26. September 1967).
B.- Ernst Messikommer liess durch seinen Anwalt diese beiden Verfügungen anfechten und folgende Anträge stellen:
"1. Es sei in Aufhebung und Abänderung der Verfügung der SUVA vom 3. August 1967 die Beklagte zu verpflichten, dem Kläger für die Zeit vom 19.9.66 bis 12.8.67 Fr. 6560.-- nicht ausbezahltes Krankengeld zu bezahlen.
2. Es sei die Beklagte, in Aufhebung der SUVA-Rentenverfügung vom 26. September 1967, zu verpflichten, dem Kläger zu bezahlen:
a) ab 13.8.67 bis zum definitiven Abschluss der ärztlichen Behandlung Fr. 56.- pro Tag;
b) ab Datum des Abschlusses der ärztlichen Behandlung eine Jahresrente von 70% von Fr. 15 000.-- = Fr. 10 500.--;
alles unter Anrechnung der von der Beklagten ab 13. August 1967 bezahlten monatlichen Rente von Fr. 109.40..." Das Versicherungsgericht des Kantons Zürich erkannte am 23. Dezember 1970:
"1. Die Verfügung der Beklagten vom 3. August 1967 wird dahin abgeändert, dass die Kürzung nach Art. 91 KUVG auf 15% festgelegt wird.
2. Der Rentenbescheid vom 26. September 1967 wird dahin abgeändert, dass die Erwerbsunfähigkeit auf 100% und die Kürzung nach Art. 91 KUVG auf 15% festgesetzt werden. 3. Im übrigen wird die Klage abgewiesen. 4. Die Gerichtsgebühr... 5. Die Kosten werden zu 1/6 dem Kläger und zu 5/6 der Beklagten auferlegt.
6. Die Beklagte wird verpflichtet, dem Kläger eine Prozessentschädigung von Fr. 5000.-- zu zahlen."
C.- Gegen diesen Entscheid hat die SUVA Verwaltungsgerichtsbeschwerde erhoben. Sie beantragt:
"1. Das Urteil des Versicherungsgerichts des Kantons Zürich vom 23. Dezember 1970 sei insofern aufzuheben, als die Beklagte verpflichtet wurde, dem Kläger eine Prozessentschädigung von Fr. 5000.-- zu zahlen.
2. Die Prozessentschädigung sei auf ein den sozialversicherungsprozessualen Vorstellungen angemessenes Mass herabzusetzen, sei es direkt, sei es unter Rückweisung des Falles an die Vorinstanz. 3. Unter Kostenfolge zu Lasten des Klägers."
Die Beschwerdeführerin macht im wesentlichen geltend: Die Entschädigung von Fr. 5000.-- sei nach der Rechtsprechung, wonach das Anwaltshonorar im Sozialversicherungsprozess entsprechend dem Arbeitsaufwand und mit Rücksicht auf die strittigen Fragen zu bemessen sei, übersetzt. Es liege daher eine Verletzung von Bundesrecht im Sinne von Art. 104 lit. a OG vor. Der kantonale Richter habe bei der Bemessung der Parteientschädigungdasihm zustehende Ermessen überschritten, bzw. missbraucht. Nach feststehender Praxis des Eidg. Versicherungsgerichts seien die Parteien befugt, den Entscheid eines kantonalen Versicherungsgerichtes über die Kosten nicht nur in Verbindung mit dem Sachurteil, sondern auch für sich allein anzufechten; daran habe auch das neue Recht nichts geändert. Wenn auch ein gewisser Spielraum zur Berücksichtigung regionaler Eigenheiten anerkannt werden müsse, so habe doch in analogen Streitverhältnissen ein übereinstimmender Kostendurchschnitt zu gelten, der im vorliegenden Fall aber eindeutig nicht eingehalten sei.
Ernst Messikommer lässt Abweisung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde beantragen. Die zugesprochene Prozessentschädigung sei angesichts der sehr langen Dauer des Prozesses, des ausserordentlichen Arbeitsaufwandes und der sehr hohen finanziellen Bedeutung des Verfahrens keineswegs übersetzt...
 
Aus den Erwägungen:
b) Für das Verfahren in SUVA-Streitigkeiten vor dem Versicherungsgericht des Kantons Zürich ist gemäss EG/KUVG die ZPO anwendbar. Nach § 77 ZPO fällt die Bemessung der Prozessentschädigung in das richterliche Ermessen. Parteien und Gerichte wenden in der Regel den vom Obergericht erlassenen Gebührentarif(Verordnung über die Anwaltsgebühren vom 8. Dezember 1969) an. Das kantonale Versicherungsgericht benützt diesen Tarif aber nur als Wegleitung und schöpft ihn in der Regel nicht vollständig aus, um dem Charakter des Sozialversicherungsprozesses Rechnung zu tragen. Der Tarif geht indessen für die Bemessung des Anwaltshonorars vom Streitwert aus.
c) Das Eidg. Versicherungsgericht hatte bis zum Inkrafttreten des revidierten OG gemäss Art. 120 des Bundesbeschlusses betreffend die Organisation und das Verfahren des Eidg. Versicherungsgerichts vom 28. März 1917(OB) auch auf Berufungen gegen kantonale Kostenentscheide einzutreten. Es erklärte wiederholt, dass bei der Anwendung des kantonalen Prozessrechts der durch bundesrechtliche Vorschriften bedingten Eigenart des Sozialversicherungsprozesses Rechnung zu tragen sei (EVGE 1927 S. 186, 1951 S. 87, 1955 S. 258, 1958 S. 156 und 179, 1959 S. 109 und 125, 1961 S. 191, 1967 S. 213; nicht publizierte Urteile vom 26. Februar 1969 i.S. Obrist und 3. Dezember 1969 i.S. Keller); dies im wesentlichen mit folgender Begründung: Der Sozialversicherungsprozess ist ein Teil der Verwaltungsrechtspflege. Erhateine eigene Rechtsstruktur und unterscheidet sich prinzipiell vom Zivilprozess. Diese Verschiedenheit kommt auch in der Bemessung des Anwaltshonorars zum Ausdruck. In erster Linie ist der Arbeitsaufwand mit Rücksicht auf die Schwierigkeit der streitigen Fragen angemessen zu honorieren. Dabei kann auch das wirtschaftliche Interesse mit berücksichtigt werden. Zivilprozessuale Normen zur Bemessung von Anwaltshonoraren sind jedoch nicht ohne weiteres anwendbar. So hat beispielsweise die primäre Berücksichtigung des hohen Streitwertes bei der Ermittlung des zivilprozessualen Honorars auch die Funktion, den Ausgleich für den bei kleinen Streitwerten oft beträchtlichen Arbeitsaufwand zu schaffen. Diese Ausgleichsfunktion entfällt, wenn - wie im Sozialversicherungsprozess - in erster Linie auf den Arbeitsaufwand abgestellt wird.
d) Entgegen der Auffassung der Beschwerdeführerin kann aus einer Verletzung dieser Grundsätze keine Bundesrechtsverletzung abgeleitet werden. Denn im Hinblick auf die Bestimmungen des OG, insbesondere auf Art. 159 Abs. 6 OG, kann den Kantonen auch im Sozialversicherungsprozess nicht vorgeschrieben werden, wie sie die Parteientschädigung zu verteilen und zu bemessen haben. Sie sind dafür allein zuständig.
5. Das Gericht verkennt nicht, dass diese - durch das revidierte OG bedingte - Rechtslage insofern unbefriedigend ist, als sie es verbietet, auf die im kantonalen Beschwerdeverfahren für die Parteientschädigungen geltenden Bemessungsgrundlagen im Sinne einer gewissen Angleichung einzuwirken: das geltende Verfahrensrecht nimmt es eben in Kauf, dass ein Sozialversicherungsträger der obsiegenden Gegenpartei unter Umständen Anwaltshonorare vergüten muss, deren Höhe je nach dem kantonalen Prozessrecht vorwiegend nach Massgabe des - in Rentenfällen oft hohen - Streitwertes bestimmt wird und deshalb im Sozialversicherungsprozess als unangemessen erscheint...
Demnach erkennt das Eidg. Versicherungsgericht: Auf die Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird nicht eingetreten.