BGE 99 V 188
 
57. Auszug aus dem Urteil vom 3. September 1973 i.S. Seebach AG gegen Bundesamt für Sozialversicherung und Departement des Innern
 
Regeste
Rechtliches Gehör (Art. 4 BV und 32 Abs. 1 VwG).
 
Aus den Erwägungen:
Der sich aus Art. 4 BV ergebende Anspruch auf rechtliches Gehör umfasst nach bundesgerichtlicher Rechtsprechung namentlich das Recht, sich vorgängig eines belastenden Entscheides zu äussern, das Recht, Beweismittel beizubringen, sowie das Recht auf Akteneinsicht (BGE 96 I 323, 527 und dortige Hinweise).
Für das Verwaltungsverfahren hat der Gesetzgeber die sich aus der Rechtsprechung zu Art. 4 BV ergebenden Grundsätze in Art. 26 ff. des Bundesgesetzes über das Verwaltungsverfahren vom 20. Dezember 1968 näher umschrieben. Danach hat die Behörde die Parteien vor dem Entscheid anzuhören, sofern die Verfügung nicht anfechtbar ist oder nicht voll den Parteibegehren entspricht (Art. 30 VwG). Sie hat in Fällen widerstreitender Interessen die Gegenpartei anzuhören (Art. 31 VwG), vor der Verfügung alle erheblichen und rechtzeitigen Vorbringen der Parteien zu würdigen (Art. 32 VwG) und Beweisanerbieten anzunehmen (Art. 33 VwG). Sie hat unter bestimmten Voraussetzungen der Partei oder deren Vertreter Akteneinsicht zu gewähren (Art. 26 bis 28 VwG).
Die Prüfungspflicht der entscheidenden Behörde bildet das Korrelat zum Anspruch des Rechtsuchenden auf rechtliches Gehör. Sie erstreckt sich auf sämtliche für den Entscheid erheblichen Tatbestandselemente, bedeutet jedoch nicht, dass sich die entscheidende Behörde über alle Vorbringen auszusprechen hätte. Vielmehr kann sie sich dabei auf die für den Entscheid wesentlichen Gesichtspunkte beschränken (GYGI, Verwaltungsrechtspflege und Verwaltungsverfahren im Bund, Bern 1969, S. 45 ff.; BGE 94 I 109; ZAK 1968 S. 552).