BGE 102 V 148 |
34. Urteil vom 16. September 1976 i.S. Ausgleichskasse Basel-Stadt gegen Triplan Ingenieur AG und Kantonale Rekurskommission Basel für die Ausgleichskassen |
Regeste |
Gegenstand und Zulässigkeit der Verfügung (Art. 5 VwVG), insbesondere der Feststellungsverfügung (Art. 25 VwVG). |
Sachverhalt |
A.- Mit Schreiben vom 28. April 1975 teilte die Ausgleichskasse Basel-Stadt der Firma Triplan Ingenieur AG mit, dass deren sogenannte "freie Mitarbeiter" AHV-rechtlich unselbständig erwerbend und abrechnungsmässig den sogenannten "eigenen Arbeitskräften" gleichgestellt und beitragspflichtig seien. Die Firma habe anhand ihrer buchhalterischen Unterlagen diejenigen freien Mitarbeiter festzustellen, auf welche die von der Ausgleichskasse umschriebenen Kriterien zutreffen. Dieser Brief war mit einer Rechtsmittelbelehrung versehen, aber nicht als Verfügung bezeichnet.
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Die Kantonale Rekurskommission Basel für die Ausgleichskassen hat die Beschwerde am 3. Oktober 1975 gutgeheissen und die erwähnte Kassen-"Verfügung" aufgehoben.
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C.- Die Ausgleichskasse führt Verwaltungsgerichtsbeschwerde mit dem Antrag auf Aufhebung des vorinstanzlichen Entscheides und Bestätigung ihrer "Verfügung".
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Demgegenüber stellt die Firma Triplan AG den Antrag auf Abweisung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde.
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Das Bundesamt für Sozialversicherung lässt die Frage offen, ob unter den gegebenen Umständen eine Feststellungsverfügung überhaupt zulässig wäre. Abgesehen davon hält das Amt die Anforderungen, welche die Rechtsprechung an eine beschwerdefähige Verfügung im Sinne von Art. 5 Abs. 1 VwVG stellt, als nicht erfüllt ...
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Das Eidg. Versicherungsgericht zieht in Erwägung: |
Nach Art. 98 lit. g OG ist die Verwaltungsgerichtsbeschwerde zulässig gegen Verfügungen letzter Instanzen der Kantone, soweit nicht das Bundesrecht gegen die Verfügungen zunächst die Beschwerde an eine Vorinstanz gemäss Art. 98 lit. b-f OG vorsieht. Die kantonale Rekurskommission, deren Entscheid im vorliegenden Verfahren angefochten wird, ist letzte kantonale Instanz im Sinne dieser Bestimmung. Zu prüfen bleibt, ob es sich bei deren Entscheid um eine den Anforderungen der Art. 97 Abs. 1 OG bzw. Art. 5 VwVG entsprechende Verfügung handelt.
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Gemäss Art. 5 Abs. 1 VwVG gelten als Verfügungen "Anordnungen der Behörden im Einzelfall", die sich auf öffentliches Recht des Bundes stützen und zum Gegenstand haben die "Begründung, Änderung oder Aufhebung von Rechten oder Pflichten" (lit. a) sowie die "Feststellung des Bestehens, Nichtbestehens oder Umfanges von Rechten oder Pflichten" (lit. b). Ferner ist Art. 25 VwVG zu beachten, dessen Abs. 1 als Gegenstand der Feststellungsverfügung ebenfalls "den Bestand, den Nichtbestand oder den Umfang öffentlichrechtlicher Rechte oder Pflichten" bezeichnet. Unter Rechten und Pflichten der zitierten Bestimmungen sind konkrete und individualisierte oder mindestens eindeutig und zweifelsfrei bestimmbare Rechte und Pflichten zu verstehen. Rechtsverhältnisse, welche für den Einzelfall verschiedene Lösungsmöglichkeiten offen lassen, fallen nicht darunter. Dementsprechend regelt die Verfügung "ein konkretes und individuelles Rechtsverhältnis des Verwaltungsrechtes durch einseitigen hoheitlichen Akt in verbindlicher Weise" (GYGI, Verwaltungsrechtspflege und Verwaltungsverfahren im Bund, 2. Aufl., S. 97; BGE 98 Ib 463).
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Ordnen die Art. 5 Abs. 1 und Art. 25 Abs. 1 VwVG die Anforderungen, die ein Verwaltungsakt zu erfüllen hat, um als Verfügung zu gelten, so nennt Art. 25 Abs. 2 VwVG die grundsätzliche Voraussetzung, unter der einem Begehren um Erlass einer Feststellungsverfügung entsprochen werden darf. Nach der zitierten Bestimmung ist die Feststellungsverfügung zulässig, wenn der Gesuchsteller ein schutzwürdiges Interesse nachweist. Das bedeutet, dass der Anspruch auf Erlass einer Feststellungsverfügung nur dann gegeben ist, wenn der Gesuchsteller ein rechtliches und aktuelles Interesse an der sofortigen Feststellung seines Rechtes hat (BGE 100 Ib 327; GYGI S. 67).
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2. Mangels genügender Individualisierung und Konkretisierung des Streitgegenstandes kann beim angefochtenen Entscheid der kantonalen Rekurskommission nicht von "Begründung" oder "Feststellung des Bestehens ... von Rechten oder Pflichten" die Rede sein. Zwar nennt die Vorinstanz gewisse rechtliche Kriterien, die in Fällen der vorliegenden Art für die beitragsrechtliche Abgrenzung der selbständigen von der unselbständigen Erwerbstätigkeit massgebend sind. Dadurch werden aber konkrete Rechte oder Pflichten weder begründet noch festgestellt. Dem kann nicht entgegengehalten werden, der angefochtene Entscheid umfasse einfach alle jene Personen, die durch einen bestimmten "Rahmenvertrag" erfasst würden, der von der Beschwerdegegnerin als Werkvertrag bezeichnet wird. Im Einzelfall, welcher durch die Verfügung unmissverständlich und verbindlich geregelt werden soll, wäre die Frage dann immer noch offen, ob dieser Vertrag das konkrete Arbeitsverhältnis auch wirklich vollumfänglich ordnet und seinem Wortlaut entsprechend gehandhabt wird. Jedenfalls müsste dies im Falle einer nachträglichen Veranlagungsverfügung bezüglich jedes einzelnen Mitarbeiters geprüft werden. Dazu kommt, dass die obligationenrechtliche Regelung des Arbeitsverhältnisses an sich überhaupt nicht entscheidend ist für die beitragsrechtliche Qualifikation der Mitarbeiter der Beschwerdegegnerin. Ferner ist zu beachten, dass die Frage des Beitragsstatuts der sogenannten freien Mitarbeiter in besonderem Mass Komplikationen in sich schliesst, weil es sich bei diesen Mitarbeitern um ausländische Staatsangehörige und ausserdem teils um juristische und nicht bloss um natürliche Personen, teils um solche Personen handelt, welche entweder die Arbeit allein oder aber mit eigenen Angestellten ausführen, wie in der Vernehmlassung der Beschwerdegegnerin zur Verwaltungsgerichtsbeschwerde dargelegt wird. Umso weniger kann unter derart differierenden Voraussetzungen die von der Vorinstanz getroffene generelle Beurteilung des Beitragsstatus als ausreichende Individualisierung und Konkretisierung betrachtet werden.
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Ergibt sich somit, dass der Entscheid der Rekurskommission keine Verfügung im Sinn von Art. 5 Abs. 1 lit. a oder b VwVG darstellt, so braucht nicht noch geprüft zu werden, ob ein schutzwürdiges Interesse an jenem Entscheid bestand und demnach der Erlass einer blossen Feststellungsverfügung überhaupt zulässig war.
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3. Die Frage, ob ein konkreter hoheitlicher Akt die gesetzlichen Anforderungen einer Feststellungsverfügung erfüllt, stellt sich nicht nur für den Entscheid der kantonalen Rekurskommission, sondern in vermehrtem Masse noch für den dem Beschwerdeentscheid vorangehenden Verwaltungsakt der Ausgleichskasse, obschon Art. 5 Abs. 1 lit. a und b VwVG auf die Ausgleichskassen nicht direkt anwendbar ist. Es würde zu unhaltbaren Konsequenzen führen, wenn für die anfechtbaren Feststellungsverfügungen der Ausgleichskasse andere Voraussetzungen gelten würden als für jene der letzten kantonalen Instanz. Wären an die Kassenverfügung und an den letztinstanzlichen kantonalen Entscheid nicht dieselben Anforderungen zu stellen, so wäre es möglich, dass eine Kassenverfügung zwar durch den kantonalen Richter überprüft und gegebenenfalls bestätigt würde, worauf dann der letztinstanzliche kantonale Entscheid in Ermangelung der erwähnten Voraussetzungen als unzulässig bzw. als dem VwVG nicht konform erklärt werden müsste. Daher rechtfertigt es sich, den Begriff der beschwerdefähigen Kassenverfügung in Analogie zu Art. 5 VwVG zu bestimmen.
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Demnach erkennt das Eidg. Versicherungsgericht:
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