BGE 104 V 148 |
34. Auszug aus dem Urteil vom 24. Oktober 1978 i.S. Häberli gegen Ausgleichskasse des Kantons Thurgau und Rekurskommission des Kantons Thurgau für die AHV |
Regeste |
Revision der Rente der Hausfrau (Art. 41 IVG). |
Aus den Erwägungen: |
1. Nach Art. 28 Abs. 1 IVG hat der Versicherte Anspruch auf eine ganze Rente, wenn er mindestens zu zwei Dritteln, oder auf eine halbe Rente, wenn er mindestens zur Hälfte (im Fall wirtschaftlicher Härte mindestens zu einem Drittel) invalid ist. Die gesetzlichen Grundlagen der Invaliditätsschätzung sind verschieden, je nachdem ob sie Personen betrifft, die vor dem Eintritt der Invalidität erwerbstätig oder nicht erwerbstätig waren. Während sich der Invaliditätsgrad eines Erwerbstätigen nach dem in Art. 28 Abs. 2 IVG vorgesehenen Einkommensvergleich, also wesentlich nach erwerblichen Gesichtspunkten bestimmt, wird für die Bemessung der Invalidität Nichterwerbstätiger, insbesondere von Hausfrauen, darauf abgestellt, in welchem Umfang sie behindert sind, sich im bisherigen Aufgabenbereich zu betätigen (Art. 27 Abs. 1 IVV in Verbindung mit Art. 28 Abs. 3 IVG). Als Aufgabenbereich der Hausfrau gilt nach Art. 27 Abs. 2 IVV die übliche Tätigkeit im Haushalt und allenfalls im Betrieb des Ehemannes sowie die Erziehung der Kinder. Nach dem seit 1. Januar 1977 in Kraft stehenden Art. 27bis IVV ist bei Hausfrauen, die eine Erwerbstätigkeit ausüben, die Invalidität ausschliesslich nach den Grundsätzen der Invaliditätsbemessung bei Erwerbstätigen zu bemessen, wenn sie vor Eintritt des Gesundheitsschadens ganztägig erwerbstätig waren. In den übrigen Fällen ist der Anteil der Erwerbstätigkeit und der üblichen Tätigkeit im Haushalt festzustellen und die Invalidität entsprechend der Behinderung in diesen Bereichen nach den dafür geltenden Grundsätzen zu bemessen (sogenannte gemischte Methode).
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3. Verwaltung und Vorinstanz erblickten den Grund für die Rentenrevision nicht im Umstand einer Verbesserung des Gesundheitszustandes, sondern in der Wiederverheiratung der Beschwerdeführerin am 2. August 1974. Die Annahme, dass sich die Beschwerdeführerin zufolge ihrer Heirat auch ohne Invalidität auf die Haushaltführung beschränkt hätte, ist nicht zum vornherein von der Hand zu weisen. Indessen ist die Situation nicht mit jener zur Zeit ihrer ersten Ehe zu vergleichen. Damals war die Beschwerdeführerin an einer Erwerbstätigkeit verhindert, weil sie für Pflege und Erziehung ihrer beiden Kinder besorgt sein musste. Solche Hindernisse bestehen heute nicht mehr. Vor allem lassen aber die jetzigen finanziellen Verhältnisse den Schluss nicht zu, dass die Beschwerdeführerin freiwillig darauf verzichtete, einem Verdienst nachzugehen... Es ist daher anzunehmen, dass die Beschwerdeführerin wenigstens teilweise wieder erwerbstätig wäre, wenn ihr dies möglich wäre.
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Auch für die hier anwendbare neurechtliche Bestimmung von Art. 27bis IVV gilt die schon unter der altrechtlichen Regelung entwickelte Praxis, dass diejenige Methode der Invaliditätsschätzung anzuwenden ist, die der Tätigkeit entspricht, welche die Versicherte zur Zeit der Rentenrevision ausüben würde, wenn sie nicht invalid wäre. Entgegen der Argumentation der Vorinstanz ist daher im vorliegenden Fall nicht massgebend, dass die Beschwerdeführerin vor Eintritt des Gesundheitsschadens nie voll erwerbstätig gewesen ist, sondern es ist davon auszugehen, dass sie unter den heutigen Umständen ohne Invalidität nebst der Haushaltführung auch noch teilweise erwerbstätig wäre.
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Laut Unfallanzeige vom 5. Oktober 1971 arbeitete die Beschwerdeführerin vor der Invalidierung 30-35 Stunden pro Woche und nach dem Bericht der Regionalstelle vom 13. November 1972 betrug die Arbeitszeit 4/5 einer Vollbeschäftigung. Es darf angenommen werden, dass die Beschwerdeführerin heute ohne Invalidität im gleichen Rahmen erwerbstätig wäre. Demnach ist von einer durchschnittlichen wöchentlichen Erwerbstätigkeit von 33 Stunden bei einer üblichen Arbeitszeit von 44 Stunden auszugehen, d.h. die Erwerbstätigkeit wäre mit 75% und die Haushalttätigkeit demzufolge mit 25% der ohne Invalidität ausgeübten Tätigkeit einzustufen.
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Nach dem Bericht der Invalidenversicherungs-Kommission vom 19. Februar 1976 ist die Beschwerdeführerin im Haushalt zu 2/3 arbeitsfähig, wogegen in Bezug auf eine erwerbliche Tätigkeit praktisch eine vollständige Arbeitsunfähigkeit angenommen werden muss. Sodann lassen auch die Angaben des Dr. W. auf Unzumutbarkeit weiterer erwerblicher Arbeitsleistung schliessen. Besteht somit in der erwerblichen Tätigkeit, die ihrerseits 75% der Gesamttätigkeit ausmacht, gänzliche Arbeitsunfähigkeit, so würde gesamthaft der Invaliditätsgrad selbst bei Annahme voller Arbeitsfähigkeit im Haushalt 2/3 übersteigen. Da aber die Arbeitsfähigkeit im Haushalt ebenfalls um 1/3 reduziert ist, beträgt der Invaliditätsgrad selbst dann noch mehr als 2/3, wenn noch eine geringe Leistungsfähigkeit in Bezug auf eine erwerbliche Tätigkeit angenommen würde. Damit steht aber fest, dass sich der Invaliditätsgrad nicht in der für den Anspruch erheblichen Weise geändert hat. Die Revision wurde daher zu Unrecht vorgenommen. Demzufolge steht der Beschwerdeführerin ab 1. August 1977 weiterhin eine ganze Rente zu.
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