BGE 104 V 174
 
42. Urteil vom 28. August 1978 i.S. Cerny gegen Schiedsgericht gemäss Art. 25 KUVG des Kantons Bern
 
Regeste
Art. 45 VwVG, 101 lit. a OG und 30ter KUVG. Eine Zwischenverfügung des Schiedsgerichts gemäss Art. 25 KUVG, welche das Ausstandsbegehren gegen einen mitwirkenden Schiedsrichter abweist, ist selbständig mit Verwaltungsgerichtsbeschwerde anfechtbar (Erw. 1).
 
Sachverhalt
Vor dem gemäss Art. 25 KUVG bestellten Schiedsgericht ist eine Streitigkeit zwischen Frau Dr. med. Cerny und dem Kantonalverband Bernischer Krankenkassen bzw. der Krankenkasse für den Kanton Bern anhängig. Im Rahmen dieses Verfahrens liess die Klägerin durch ihren Anwalt ein Ablehnungsgesuch gegen Schiedsrichter J. stellen, weil dieser schon der Paritätischen Vertrauenskommission (PVK) angehört hatte, welche zuvor mit dem Fall befasst war. Mit Zwischenentscheid vom 16. Februar 1978 stellte das Schiedsgericht fest, dass gegen Schiedsrichter J. kein Ausschliessungsgrund bestehe.
Gegen diesen Zwischenentscheid lässt Frau Dr. Cerny Verwaltungsgerichtsbeschwerde führen und den folgenden Antrag stellen:
"Es sei die angefochtene Zwischenverfügung aufzuheben und festzustellen,
dass die Mitwirkung einer Person als Richter in einem
Schiedsgerichtsverfahren gemäss KUVG Art. 25 gegen den Willen einer Partei
nicht zulässig ist, wenn diese im gleichen Fall schon in einer
Schlichtungsinstanz mitgewirkt hat."
Zur Begründung wird geltend gemacht, es liege eine Verletzung von Art. 4 BV vor, weil bei der Mitwirkung in der PVK eine derart starke Meinungsbildung erfolge, dass die richterliche Unbefangenheit im darauffolgenden Schiedsgerichtsverfahren nicht mehr gewährleistet sei.
Das Schiedsgericht verzichtet auf eine Stellungnahme zur Verwaltungsgerichtsbeschwerde.
 
Das Eidg. Versicherungsgericht zieht in Erwägung:
1. a) Gemäss Art. 128 OG beurteilt das Eidg. Versicherungsgericht letztinstanzlich Verwaltungsgerichtsbeschwerden gegen Verfügungen im Sinne von Art. 97 und 98 lit. b-h OG auf dem Gebiete der Sozialversicherung. Hinsichtlich des Begriffes der mit Verwaltungsgerichtsbeschwerde anfechtbaren Verfügungen verweist Art. 97 OG auf Art. 5 VwVG. Nach Art. 5 Abs. 1 VwVG gelten als Verfügungen Anordnungen der Behörden im Einzelfall, die sich auf öffentliches Recht des Bundes stützen (und im übrigen noch weitere, nach dem Verfügungsgegenstand näher umschriebene Voraussetzungen erfüllen). Verfügungen im Sinne dieser Umschreibung können nach dem Wortlaut des zweiten Absatzes von Art. 5 VwVG auch Zwischenverfügungen sein, insoweit sie den Anforderungen des vorangehenden ersten Absatzes entsprechen. Zudem verweist Art. 5 Abs. 2 VwVG bezüglich der Zwischenverfügungen auf Art. 45 des gleichen Gesetzes, laut dem nur solche Zwischenverfügungen anfechtbar sind, die einen nicht wieder gutzumachenden Nachteil bewirken können (Art. 45 Abs. 1 VwVG). Dieser grundsätzliche Vorbehalt gilt als Voraussetzung für die Zulässigkeit eines selbständigen, der Endverfügung vorangehenden Beschwerdeverfahrens, insbesondere für alle in Art. 45 Abs. 2 VwVG - nicht abschliessend - aufgezählten Zwischenverfügungen (BGE 98 V 220 f. mit Hinweisen; GYGI, Verwaltungsrechtspflege und Verwaltungsverfahren im Bund, 2. Aufl., S. 98 ff.). Für das letztinstanzliche Beschwerdeverfahren ist ferner zu beachten, dass gemäss Art. 129 Abs. 2 in Verbindung mit Art. 101 lit. a OG die Verwaltungsgerichtsbeschwerde gegen Zwischenverfügungen nur zulässig ist, wenn sie auch gegen die Endverfügung offensteht; dies trifft hier zu (Art. 30ter KUVG).
Auf die Verwaltungsgerichtsbeschwerde ist daher nur dann einzutreten, wenn die angefochtene Zwischenverfügung einen irreversiblen Nachteil bringen kann.
b) Das Eidg. Versicherungsgericht hatte sich noch nie zur Frage zu äussern, ob dies bei Ablehnung eines Ausstandbegehrens gegen einen am vorinstanzlichen Verfahren mitwirkenden Richter zutreffe. Hingegen wurde in einem unveröffentlichten Urteil vom 12. März 1976 i.S. Badertscher, gestützt auf einen Gesamtgerichtsbeschluss, die Auffassung vertreten, dass bei der Beurteilung der Befangenheit eines gerichtlichen Experten regelmässig ein nicht wieder gutzumachender Nachteil im Spiel stehe. Was aber im Falle eines Experten, der ja nur mittelbar auf die Entscheidungsfindung einwirken kann, angenommen wurde, muss für den urteilenden Richter selbst umso mehr gelten.
Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde gegen die vorinstanzliche Zwischenverfügung ist damit zulässig.
Auf die Verwaltungsgerichtsbeschwerde ist mithin einzutreten.
3. Gemäss Art. 25 Abs. 4 KUVG hat dem Verfahren vor dem Schiedsgericht in jedem Falle ein Vermittlungsverfahren vorauszugehen. Dessen Durchführung obliegt entweder der vertraglich eingesetzten Schlichtungsinstanz oder aber, wenn keine solche geamtet hat, dem Schiedsgericht selbst. Im letzteren Falle besteht somit regelmässig Personalunion zwischen Vermittler und Richter. Diese gesetzliche Regelung kann vom Eidg. Versicherungsgericht nicht auf ihre Verfassungsmässigkeit hin überprüft werden (Art. 113 Abs. 3 BV). - Im Sinne der dem Gesetze zugrundeliegenden Auffassung ist deshalb davon auszugehen, dass die Unbefangenheit des Schiedsrichters nicht schon dadurch in Frage gestellt wird, dass dieser - vorgängig der schiedsgerichtlichen Behandlung des Streitfalles - bei der Vermittlung mitgewirkt hat. In diesem Falle kann es aber auch keinen Unterschied ausmachen, ob der betreffende Schiedsrichter diese Vermittlertätigkeit in der Funktion als Mitglied eines Schiedsgerichts oder einer Schlichtungsstelle ausgeübt hat.
Der vorinstanzliche Entscheid hält sich damit im Rahmen der Regelung des Art. 25 Abs. 4 KUVG und ist deshalb auch aus verfassungsrechtlicher Sicht nicht zu beanstanden. Dass andere Gründe die Unbefangenheit von Schiedsrichter J. beeinträchtigen würden, macht die Beschwerdeführerin nicht geltend.
Demnach erkennt das Eidg. Versicherungsgericht:
Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird abgewiesen.