BGE 108 V 113 |
30. Urteil vom 20. September 1982 i.S. S. gegen Ausgleichskasse Basel-Stadt und Kantonale Rekurskommission für die Ausgleichskassen, Basel |
Regeste |
Art. 33ter und 38 Abs. 3 AHVG, Art. 52 AHVV, lit. b Abs. 1-3 Übergangsbestimmungen der 9. AHV-Revision. |
- Sie ist auch auf jene Fälle anwendbar, in denen bei ihrem Inkrafttreten ein Rentenanspruch bereits bestand; die Übergangsbestimmungen der 9. AHV-Revision bilden hierfür eine ausreichende gesetzliche Grundlage (Erw. 3c und 4). |
- Die Einstufung als Vollrentenberechtigter im Rahmen der früheren Teilrentenordnung begründet kein wohlerworbenes Recht in dem Sinne, dass sie unter der neuen Teilrentenordnung gewährleistet bleiben muss (Erw. 5). |
- Kein Widerspruch zu Art. 34quater Abs. 2 Satz 5 BV und Art. 33ter AHVG, wenn infolge Herabsetzung des Rentenbetrages aufgrund der neuen Teilrentenordnung bei der Anpassung der Renten an die Lohn- und Preisentwicklung auf den 1. Januar 1980 keine Rentenerhöhung erfolgen kann (Erw. 6). |
Sachverhalt |
A.- Auf den 1. Januar 1980 wurden die Renten der AHV und IV der Preisentwicklung angepasst. Walter und Luise S. bezogen ab 1. Juli 1973 eine Ehepaar-Altersrente. Mit Verfügung vom 28. Januar 1980 teilte die Ausgleichskasse Basel-Stadt Walter S. mit, er erhalte ab 1. Januar 1980 die Ehepaar-Altersrente im bisherigen Monatsbetrage von Fr. 1'575.--, womit der Besitzstand gewahrt bleibe. Als Begründung führte sie an, dass die Rente infolge der Einführung des neuen Teilrentensystems im Rahmen der 9. AHV-Revision nicht mehr als Vollrente, sondern als Teilrente der neuen Skala 41 ausgerichtet werden müsse.
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B.- Gegen diese Verfügung erhoben Walter und Luise S. Beschwerde und verlangten in der Hauptsache die Weitergewährung einer maximalen Ehepaar-Vollrente. Am 17. Juli 1980 wies die baselstädtische Rekurskommission für die Ausgleichskassen die Beschwerde ab.
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C.- Mit Verwaltungsgerichtsbeschwerde lassen Walter und Luise S. beantragen, es sei in Aufhebung der Kassenverfügung und des kantonalen Entscheides eine maximale Ehepaar-Altersvollrente zuzuerkennen. Die Ausgleichskasse und das Bundesamt für Sozialversicherung schliessen auf Abweisung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde.
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D.- Walter S. ist während der Rechtshängigkeit der Verwaltungsgerichtsbeschwerde verstorben. Luise S. führt den Prozess weiter.
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Das Eidg. Versicherungsgericht zieht in Erwägung: |
1. a) Gemäss Art. 38 Abs. 3 AHVG erlässt der Bundesrat nähere Vorschriften über die Abstufung der Teilrenten. Mit Verordnung über die Alters- und Hinterlassenenversicherung vom 5. April 1978 hat der Bundesrat die bisherige Teilrentenabstufung durch eine neue abgelöst und den damit revidierten Art. 52 AHVV per 1. Januar 1979 in Kraft gesetzt.
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b) Auf den 1. Januar 1980 hat der Bundesrat gestützt auf Art. 33ter AHVG in der Fassung gemäss Änderung des Bundesgesetzes über die AHV vom 24. Juni 1977 (in Kraft - mit Ausnahmen - ab 1. Januar 1979; 9. AHV-Revision) und nach Massgabe der dazugehörigen einschlägigen Übergangsbestimmungen die Renten der Preisentwicklung angepasst.
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Gemäss lit. b Abs. 1 der Übergangsbestimmungen der 9. AHV-Revision sind die Rechtssätze über Berechnung, Höhe und Kürzung der ordentlichen und ausserordentlichen Renten und Hilflosenentschädigungen nach Buchstabe a von der ersten Rentenanpassung an auch auf Fälle anzuwenden, in denen der Rentenanspruch schon früher entstanden ist. Nach lit. b Abs. 2 werden die laufenden ordentlichen Voll- und Teilrenten in solche des neuen Rechts umgewandelt. Dabei wird das bisherige massgebende durchschnittliche Jahreseinkommen mit dem Faktor 1,10:1,05 aufgewertet. Sodann dürfen gemäss Abs. 3 die neuen ordentlichen Renten nicht niedriger sein als die bisherigen.
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Dagegen wird in der Verwaltungsgerichtsbeschwerde eingewendet, die Einteilung in die Kategorie der Vollrentenberechtigten stelle ein unentziehbares wohlerworbenes Recht dar. Aber auch wenn diese Auffassung nicht geteilt werde, erweise sich die Rückstufung auf eine Teilrente als unzulässig, da für einen so erheblichen Eingriff in bestehende Rechte die erforderliche klare gesetzliche Grundlage fehle.
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a) Nach der Rechtsprechung kann das Bundesgericht Verordnungen des Bundesrates grundsätzlich, von hier nicht in Betracht fallenden Ausnahmen abgesehen, auf ihre Rechtmässigkeit hin überprüfen. Es unterwirft dieser Kontrolle insbesondere die auf eine gesetzliche Delegation gestützten (unselbständigen) Verordnungen des Bundesrates. Es prüft hiebei, ob solche Verordnungen sich in den Grenzen der dem Bundesrat im Gesetz eingeräumten Befugnisse halten. Soweit das Gesetz ihn nicht ermächtigt, von der Verfassung abzuweichen, befindet das Gericht auch über die Verfassungsmässigkeit der unselbständigen Verordnungen. Die Ausführungsverordnung muss sich somit innerhalb der vom Gesetz gewollten Ordnung halten. Wenn nicht eine ausdrückliche Ermächtigung vorliegt, kann die Verordnung nicht neue Vorschriften aufstellen, welche die Rechte des Bürgers beschränken oder ihm neue Pflichten auferlegen, selbst wenn diese Regeln sich mit dem Zweck des Gesetzes vertragen (BGE 104 Ib 209 Erw. 3a mit Hinweisen).
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Wenn die Delegationsnorm relativ unbestimmt ist und damit dem Bundesrat zwangsläufig ein grosser Bereich gesetzgeberischen Ermessens eingeräumt wird, muss sich das Bundesgericht auf die Prüfung beschränken, ob die umstrittenen Verordnungsvorschriften offensichtlich aus dem Rahmen der dem Bundesrat im Gesetz delegierten Kompetenzen herausfallen oder aus andern Gründen verfassungs- oder gesetzwidrig sind. Es kann jedoch sein eigenes Ermessen nicht an die Stelle desjenigen des Bundesrates setzen und es hat auch nicht die Zweckmässigkeit zu untersuchen. Die vom Bundesrat verordnete Regelung verstösst allerdings dann gegen Art. 4 BV, wenn sie sich nicht auf ernsthafte Gründe stützen lässt, wenn sie sinn- oder zwecklos ist oder wenn sie rechtliche Unterscheidungen trifft, für die sich ein vernünftiger Grund nicht finden lässt. Gleiches gilt, wenn die Verordnung es unterlässt, Unterscheidungen zu treffen, die richtigerweise hätten berücksichtigt werden sollen (BGE 107 V 205, BGE 104 Ib 209 Erw. 3b mit Hinweisen).
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b) Gegenstand der Delegationsnorm (Art. 38 Abs. 3 AHVG) ist die Abstufung der Teilrenten und gerade das bildet den Inhalt der Änderung im Teilrentensystem. Diese Bestimmung räumt dem Bundesrat ein weites gesetzgeberisches Ermessen ein, das verschiedene (gesetzeskonforme und mehr oder weniger zweckmässige) Lösungen erlaubt. Im Gegensatz zum früheren System, das unterschiedlich grosse Abstände zwischen den einzelnen Teilrentenskalen aufwies, zeichnet sich die neue Teilrentenordnung durch von Skala zu Skala stets gleichbleibende und linear abgestufte Intervalle aus. Im übrigen entspricht auch bei der neuen Teilrentenordnung die Teilrente einem Bruchteil der Vollrente (Art. 38 Abs. 1 AHVG), und es werden bei der Berechnung des Bruchteils das Verhältnis zwischen den vollen Beitragsjahren des Versicherten zu denjenigen seines Jahrganges sowie die eingetretenen Veränderungen der Beitragsansätze berücksichtigt (Art. 38 Abs. 2 AHVG). Das Eidg. Versicherungsgericht hat bereits im (nicht veröffentlichten) Urteil Gamper vom 7. November 1980 entschieden, dass diese Neuregelung mit den dem Bundesrat eingeräumten Befugnissen in Einklang steht. Daran ist auch nach erneuter Prüfung festzuhalten (vgl. auch BGE 107 V 134 Erw. 1).
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Beizufügen ist, dass die neue Teilrentenordnung auch auf vernünftigen Überlegungen beruht. Die frühere Regelung erlaubte es nämlich, dass Versicherte mit einer bis zu einem Sechstel geringeren Beitragsdauer dieselbe Rente erhielten wie jene mit einer lückenlosen Beitragsdauer. Mit der Rückkehr zu einer stärker beitragsorientierten Rentenbemessung im neuen Recht ist diese als unbefriedigend erachtete Begünstigung aufgehoben worden.
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c) Aus dem Gesagten folgt, dass Art. 38 Abs. 3 AHVG eine hinreichende gesetzliche Grundlage für die Einführung eines neuen Teilrentensystems bildete und dass die in der bundesrätlichen Verordnung vom 5. April 1978 diesbezüglich getroffene Lösung bundesrechtskonform ist. Die Beschwerdeführerin bestreitet im wesentlichen auch weniger die Rechtmässigkeit der neuen Ordnung als solche denn vielmehr die Zulässigkeit von deren Anwendung auf Altrentner, sofern der bestehende Rentenanspruch dadurch eine Schmälerung erfahre.
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4. Indes erweist sich ebenfalls als Rechtens, dass auch diejenigen Fälle der neuen Teilrentenordnung unterworfen werden, in denen bei Inkrafttreten der neuen Ordnung ein Rentenanspruch bereits gegeben war. In der Botschaft zur 9. AHV-Revision vom 7. Juli 1976 (S. 4 und 44) wurde bei den vorgeschlagenen Einsparungen auf der Ausgabenseite - die Revision stand im Zeichen der Konsolidierung der AHV - ausdrücklich eine Änderung des Teilrentensystems auf dem Verordnungswege konkret in Aussicht gestellt, was schliesslich mit der bundesrätlichen Verordnung vom 5. April 1978 verwirklicht wurde. Die Neugestaltung des Teilrentensystems ist demnach als Bestandteil der 9. AHV-Revision zu betrachten. Daher beziehen sich die Übergangsbestimmungen dieser Revision über die Anpassung der laufenden Renten an das neue Recht (namentlich lit. b Abs. 1 bis 3) auch auf die per 1. Januar 1979 in Kraft gesetzte Teilrentenordnung.
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Entgegen der Auffassung der Beschwerdeführerin ist es unmassgeblich, dass die neue Regelung bei der Schaffung des Gesetzes nicht bekannt war und aufgrund des zeitlichen Ablaufs auch nicht bekannt sein konnte. Für deren Erlass war der Bundesrat zuständig (Art. 38 Abs. 3 AHVG), so dass die geplanten Änderungen dem Gesetzgeber nicht notwendigerweise zum voraus auseinanderzusetzen waren. Der Gesetzgeber konnte sich mit der Kenntnis begnügen, dass eine sich im Rahmen der Delegation gemäss Art. 38 Abs. 3 AHVG haltende neue Teilrentenordnung eingeführt wird, und sich darauf beschränken, hiezu lediglich das intertemporale Recht vorzusehen. Da der Zweck der neuen Teilrentenordnung unter anderm dahin ging, Einsparungen auf der Ausgabenseite zu erzielen, und diese Regelung nach dem Gesagten auch für die Altrentner anwendbar sein sollte, musste im übrigen schon im Zeitpunkt der Schaffung des Revisionsgesetzes vom 24. Juni 1977 mit Leistungsabstrichen für einen Teil dieser Rentner gerechnet werden. Rechtsgenügliche Anhaltspunkte dafür, dass die Neuregelung für Altrentner nicht gelten sollte, liegen nicht vor.
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Das Eidg. Versicherungsgericht kann die für die neue Teilrentenordnung gültigen gesetzlichen Übergangsbestimmungen der 9. AHV-Revision nicht auf ihre Rechtmässigkeit hin überprüfen; sie sind für den Richter verbindlich (Art. 113 Abs. 3 und 114bis Abs. 3 BV). Daher kann nicht darüber befunden werden, ob sie gegen wohlerworbene oder anderweitige verfassungsmässig gewährleistete Rechte verstossen.
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Daraus ergibt sich, dass die Übergangsbestimmungen der 9. AHV-Revision eine hinreichende gesetzliche Grundlage dafür bilden, dass die neue Teilrentenordnung auch auf die Fälle anzuwenden ist, in denen der Rentenanspruch bereits vor Inkrafttreten des neuen Systems bestanden hatte. Ausnahmen hievor sieht das hier massgebliche intertemporale Recht nicht vor.
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Bei der Unterstellung der Altrentner unter das ab 1. Januar 1979 geltende Teilrentensystem handelt es sich um eine sogenannte unechte Rückwirkung eines Erlasses. Eine solche liegt vor, wenn bei der Anwendung des neuen Rechts lediglich auf Verhältnisse abgestellt wird, die zwar noch unter der Herrschaft der früheren Normen entstanden sind, beim Inkrafttreten des neuen Rechts aber noch andauern. Eine Rückwirkung dieser Art ist grundsätzlich zulässig, sofern ihr nicht wohlerworbene Rechte entgegenstehen (BGE 107 Ib 196 und 203, BGE 106 Ia 258, BGE 104 Ib 219 Erw. 6, BGE 103 V 41, BGE 101 Ia 85 /6 Erw. 2, BGE 99 V 202 Erw. 2 f.).
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Die Beschwerdeführerin macht geltend, dass die Einstufung als Vollrentenberechtigte ein wohlerworbenes Recht darstelle, das unter dem Schutz der Eigentumsgarantie stehe und auch nach Treu und Glauben zu respektieren sei. Dem kann indessen nicht beigepflichtet werden. Nach der Rechtsprechung des Eidg. Versicherungsgerichts besteht ein wohlerworbenes und damit unentziehbares Recht auf unveränderten Weiterbezug einer laufenden Rente nur dann, wenn das neue Gesetz eine entsprechende Garantie vorsieht. Ein stillschweigendes Zugeständnis dieser Art anzunehmen, widerspräche der Lehre und Praxis im Sozialversicherungsrecht und auch der Notwendigkeit, dem Gesetzgeber namentlich auf diesem, den sich rasch ändernden Umständen besonders ausgesetzten Gebiet diejenigen Gestaltungsmöglichkeiten zu wahren, auf die er zur Erfüllung seiner Aufgabe angewiesen ist. Er muss die Möglichkeit haben, laufende Renten zu ändern, sei es zugunsten oder zuungunsten des Rentenbezügers (ZAK 1973 S. 374). Dies gilt erst recht, wenn es sich um Erlasse zur finanziellen Konsolidierung der Versicherung handelt. Gesetzliche Garantien der oben erwähnten Art sind im vorliegenden Fall nicht gegeben.
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Von diesen Grundsätzen kann höchstens dann abgewichen werden, wenn subjektive öffentliche Rechte ihren Grund in Umständen haben, die nach Treu und Glauben zu wahren sind (ZAK 1973 S. 374). Das trifft hier nicht zu, denn es steht kein individueller Sonderfall zur Diskussion. Ein Anspruch aus Treu und Glauben auf Beibehaltung der Vollrentenberechtigung ergibt sich nach der Erwägung hievor nicht schon daraus, dass diese Einstufung während Jahren bestand. Wenn eine bestimmte Kategorie von Versicherten durch gesetzes- und verfassungskonforme Verordnungsbestimmungen privilegiert worden ist, so heisst das nicht, dass sie für die Zukunft einen unbedingten Anspruch auf Erhaltung dieser Vorzugsstellung hat. Eine solche Begünstigung kann durch neue Normen auch wieder aufgehoben werden.
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Demnach erkennt das Eidg. Versicherungsgericht:
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