32. Urteil vom 30. Mai 1985 i.S. Arbeitslosenkasse des Kantons Graubünden gegen Coluccello und Verwaltungsgericht des Kantons Graubünden
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Regeste
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Art. 103 OG, Art. 102 AVIG.
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Sachverhalt
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Mit Verfügung vom 13. September 1984 stellte die Arbeitslosenkasse des Kantons Graubünden Cosimo Coluccello für die Dauer von sechs Tagen in der Anspruchsberechtigung auf Arbeitslosenentschädigung ein, weil sich der stellenlose Versicherte nur ungenügend um eine neue Beschäftigung bemüht habe.
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In Gutheissung der vom Versicherten hiegegen eingereichten Beschwerde hob das Verwaltungsgericht des Kantons Graubünden die Einstellungsverfügung auf (Entscheid vom 26. Oktober 1984).
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Mit Verwaltungsgerichtsbeschwerde beantragt die Arbeitslosenkasse die Aufhebung des kantonalen Gerichtsentscheides.
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Während Cosimo Coluccello sich nicht vernehmen lässt, stellt das Bundesamt für Industrie, Gewerbe und Arbeit (BIGA) den Antrag, es sei mangels Legitimation auf die Verwaltungsgerichtsbeschwerde nicht einzutreten.
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Das Eidg. Versicherungsgericht zieht in Erwägung:
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b) Nach Art. 103 in Verbindung mit Art. 132 OG ist zur Verwaltungsgerichtsbeschwerde an das Eidg. Versicherungsgericht berechtigt,
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a) wer durch die angefochtene Verfügung berührt ist und ein
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schutzwürdiges Interesse an deren Aufhebung oder Änderung hat;
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b) das in der Sache zuständige Departement oder, soweit das
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Bundesrecht es vorsieht, die in der Sache zuständige Dienstabteilung der
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Bundesverwaltung gegen die Verfügung
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einer eidgenössischen Rekurskommission, einer eidgenössischen
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Schiedskommission, einer letzten kantonalen Instanz oder einer Vorinstanz
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im Sinne von Art. 98 Buchstabe h...;
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c) jede andere Person, Organisation oder Behörde, die das
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Bundesrecht zur Beschwerde ermächtigt.
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2. a) Die Rechtsprechung betrachtet als schutzwürdiges Interesse im Sinne von Art. 103 lit. a OG jedes praktische oder rechtliche Interesse, welches eine von einer Verfügung betroffene Person an deren Änderung oder Aufhebung geltend machen kann. Das schutzwürdige Interesse besteht somit im praktischen Nutzen, den die Gutheissung der Beschwerde dem Verfügungsadressaten verschaffen würde, oder - anders ausgedrückt - im Umstand, einen Nachteil wirtschaftlicher, ideeller, materieller oder anderweitiger Natur zu vermeiden, welchen die angefochtene Verfügung mit sich bringen würde (BGE 110 V 150 Erw. 2c mit Hinweis). Das rechtliche oder auch bloss tatsächliche Interesse braucht somit mit dem Interesse, das durch die vom Beschwerdeführer als verletzt bezeichnete Norm geschützt wird, nicht übereinzustimmen. Immerhin wird verlangt, dass der Beschwerdeführer durch die angefochtene Verfügung stärker als jedermann betroffen sei und in einer besonderen, beachtenswerten, nahen Beziehung zur Streitsache stehe (BGE 110 Ib 100 Erw. 1a mit Hinweisen).
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Kann sich auch eine kantonale Amtsstelle, deren Verfügung auf Rekurs hin von der erstinstanzlichen Rechtspflegebehörde aufgehoben oder abgeändert worden ist und die gegen den kantonalen Rechtsmittelentscheid Verwaltungsgerichtsbeschwerde führen will, auf Art. 103 lit. a OG berufen? Das Eidg. Versicherungsgericht hat diese Frage in einem neuesten Urteil, in dem es um die Beschwerdebefugnis des Departementes des Innern des Kantons Neuenburg ging, unter Hinweis auf Lehre und Rechtsprechung einlässlich geprüft und verneint (BGE 110 V 129 Erw. 1; vgl. auch BGE 110 Ib 154 und 196 sowie GRISEL, Traité de droit administratif, S. 905). An den dortigen Ausführungen ist auch im Zusammenhang mit den Arbeitslosenkassen als Durchführungsorganen der Arbeitslosenversicherung (Art. 76 Abs. 1 lit. a AVIG) festzuhalten. Die Arbeitslosenkassen haben unter dem seit anfangs 1984 geltenden Recht weder Rechtspersönlichkeit (Art. 79 Abs. 2 AVIG) noch eigene finanzielle Interessen (vgl. Art. 91 AVIG). Hebt die kantonale Rechtsmittelbehörde auf Beschwerde des Versicherten hin eine von der Arbeitslosenkasse verfügte Einstellung in der Anspruchsberechtigung (Art. 81 Abs. 1 lit. b AVIG) auf und will sich die Arbeitslosenkasse hiegegen zur Wehr setzen, so steht einzig das öffentliche Interesse an der gesetzmässigen Durchführung der Arbeitslosenversicherung auf dem Spiel. Dieses fällt nach der erwähnten Rechtsprechung nicht unter den Begriff des schutzwürdigen Interesses im Sinne von Art. 103 lit. a OG. Die Arbeitslosenkasse vermag somit ihre Legitimation zur Beschwerdeführung nicht aus Art. 103 lit. a OG abzuleiten (unrichtig deshalb HANS-ULRICH STAUFFER, Die Arbeitslosenversicherung, Zürich 1984, S. 226 Ziff. 2.3.1).
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Die Befugnis der Arbeitslosenkassen, Verwaltungsgerichtsbeschwerde zu führen, ergibt sich auch nicht aus Art. 102 Abs. 1 AVIG, wonach zur Beschwerde berechtigt ist, wer durch die Verfügung berührt ist und ein schutzwürdiges Interesse an deren Aufhebung oder Änderung hat. Diese materiell mit Art. 103 lit. a OG übereinstimmende Norm hat insoweit keine selbständige Bedeutung. Dies hat das Eidg. Versicherungsgericht hinsichtlich der dem Art. 102 AVIG entsprechenden, bis Ende 1983 in Kraft gewesenen Bestimmungen der Art. 53 Abs. 1 und Art. 55 Abs. 1 AlVG entschieden (ARV 1983 Nr. 9 S. 41 Erw. 2b); daran ist auch unter der Herrschaft des AVIG festzuhalten.
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b) Die öffentlichen Arbeitslosenkassen sind unselbständige Anstalten des jeweiligen Kantons (Art. 77 Abs. 1 und Abs. 2 in Verbindung mit Art. 79 Abs. 2 AVIG). Folglich können die öffentlichen Arbeitslosenkassen ihre Beschwerdebefugnis nicht aus Art. 103 lit. b OG herleiten, welcher die Behördenbeschwerde des Bundes betrifft (BGE 110 V 129 Erw. 1; GYGI, Bundesverwaltungsrechtspflege, 2. Aufl., S. 163). Dies gilt im übrigen auch für die Verbandskassen (Art. 78 AVIG).
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c) Zu prüfen bleibt, ob eine Bestimmung des Bundesrechts die Arbeitslosenkasse im Sinne von Art. 103 lit. c OG zur Verwaltungsgerichtsbeschwerde ermächtigt.
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Gemäss Art. 79 Abs. 2 AVIG handeln die Kassen, denen keine Rechtspersönlichkeit zukommt, nach aussen im eigenen Namen; auch können sie vor den Organen der Rechtsprechung als Partei auftreten. Art. 79 Abs. 2 AVIG verschafft den Arbeitslosenkassen somit die Partei- und Prozessfähigkeit, ohne indessen etwas über die hievon zu unterscheidende Frage der Beschwerdebefugnis auszusagen. Die Beschwerdelegitimation ist Gegenstand des Art. 102 AVIG. Es ist bereits dargelegt worden, dass nach Abs. 1 dieser Bestimmung die Arbeitslosenkassen nicht berechtigt sind, Verwaltungsgerichtsbeschwerde zu führen (vgl. Erw. 2a in fine hievor). Gemäss Art. 102 Abs. 2 AVIG sind ausserdem beschwerdeberechtigt: a. das BIGA gegen Verfügungen der kantonalen Amtsstellen; b. die kantonale Amtsstelle und das BIGA gegen Beschwerdeentscheide kantonaler Rekursinstanzen. Ein Beschwerderecht der Arbeitslosenkassen, welche von der kantonalen Amtsstelle zu unterscheiden sind (Art. 76 Abs. 1 lit. a und c, Art. 77 ff., Art. 85 AVIG), erwähnt Art. 102 Abs. 2 AVIG nicht. Wie das BIGA in seiner Vernehmlassung richtig bemerkt, ist die Befugnis der Arbeitslosenkasse zur Verwaltungsgerichtsbeschwerde bewusst ausgeschlossen worden. Dies ergibt sich deutlich aus den Materialien: Der Entwurf der Expertenkommission vom 7. November 1979 hatte die Beschwerdeberechtigung der Arbeitslosenkasse in Art. 105 Abs. 2 lit. b noch vorgesehen. In der bundesrätlichen Botschaft vom 2. Juli 1980 fehlte ein solches Beschwerderecht der Arbeitslosenkassen (BBl 1980 III 681). Zur Begründung führte der Bundesrat aus:
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"In Absatz 2 wurde gegenüber dem Vernehmlassungsentwurf auf
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verschiedene Vorschläge hin das Beschwerderecht der Kassen gestrichen. In
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der Tat ist dieses Beschwerderecht im Gegensatz zum alten Recht, wo die
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Kassen autonom waren und eigene finanzielle Interessen zu vertreten
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hatten, kaum mehr gerechtfertigt. Insbesondere kann es in ihrer
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Eigenschaft als Durchführungsstellen der Versicherung nicht ihre Sache
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sein, Beschwerde für Versicherte zu führen. Dies ist Sache der
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Versicherten selber und allenfalls ihrer Berufsverbände. Anderseits ist
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es in erster Linie Sache der Ausgleichsstelle, die Interessen der
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Versicherung wahrzunehmen, wenn sie von kantonalen Instanzen verletzt
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werden. Dazu kommt im Falle der öffentlichen Kassen, dass sie in vielen
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Kantonen den zuständigen kantonalen Amtsstellen administrativ unterstellt
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sind und daher ohnehin kaum gegen ihre vorgesetzte Stelle prozedieren
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können." (BBl 1980 III 634 f.)
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In der vorberatenden Kommission des Nationalrates stiess diese Auffassung auf Widerstand. Mit 10 zu 9 Stimmen hiess die Kommission einen Antrag Jelmini gut, welcher auch den Arbeitslosenkassen das Beschwerderecht einräumen wollte. Eine Minderheit unterstützte weiterhin die Fassung des Bundesrates. Die vorberatende Kommission des Ständerates stimmte in diesem Punkt dem Botschaftsentwurf diskussionslos zu. Im Plenum des Nationalrates stellte der Kommissionsberichterstatter, Nationalrat Reimann, den Antrag, der Rat solle der Kommissionsmehrheit, welche das Beschwerderecht der Arbeitslosenkasse befürwortete, zustimmen und den gegenteiligen Antrag der Kommissionsminderheit ablehnen; in der Abstimmung erhielt der Antrag der Mehrheit jedoch nur 42 Stimmen und unterlag damit dem Antrag der Kommissionsminderheit, welcher 60 Stimmen auf sich vereinigte (Amtl.Bull. 1981 N 845).
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Diesem Beschluss des Nationalrates stimmte der Ständerat nach einer Diskussion, welche nicht das Beschwerderecht der Arbeitslosenkassen betraf, ohne weiteres zu (Amtl.Bull. 1982 S. 147 f.).
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Diese aus den Materialien klar hervorgehende Absicht des Gesetzgebers hat im Gesetzestext ihren Niederschlag gefunden, indem die Arbeitslosenkassen nicht als zur Verwaltungsgerichtsbeschwerde legitimierte Amtsstellen erwähnt sind. Bei dieser Rechtslage kommt den Materialien im Rahmen der Auslegung entscheidende Bedeutung zu (BGE 109 Ia 303 mit Hinweisen; vgl. auch BGE 110 V 59 unten f. und GRISEL, a.a.O., S. 129). Es liegt ein qualifiziertes Schweigen des Bundesgesetzes vor, welches für das Eidg. Versicherungsgericht verbindlich ist (Art. 113 Abs. 3, Art. 114bis Abs. 3 BV). Das Fehlen einer Beschwerdeberechtigung der Arbeitslosenkasse wird denn auch in der Literatur anerkannt (KARL SPÜHLER, Grundriss des Arbeitslosenversicherungsrechts, Bern 1985, S. 94).
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Es mag zutreffen, dass die vom Gesetzgeber bewusst gewählte Lösung aus der Sicht der Arbeitslosenkassen nicht voll befriedigt. Indessen hat die Arbeitslosenkasse in einem Fall wie dem vorliegenden die Möglichkeit, ihre Bedenken gegenüber einem kantonalen Beschwerdeentscheid dem BIGA oder der kantonalen Amtsstelle vorzutragen. Diese Behörden sind ihrerseits zur Einreichung einer Verwaltungsgerichtsbeschwerde befugt (Art. 102 Abs. 2 lit. b AVIG). Damit ist auch unter diesem Gesichtspunkt die gesetzmässige Durchführung der Arbeitslosenversicherung gewährleistet.
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Demnach erkennt das Eidg. Versicherungsgericht:
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Auf die Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird nicht eingetreten.
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