BGE 113 V 267
 
44. Auszug aus dem Urteil vom 14. Dezember 1987 i.S. Bundesamt für Sozialversicherung gegen N. und Versicherungsgericht des Kantons Basel-Landschaft
 
Regeste
Art. 21 und 21bis IVG, Art. 7 und 8 HVI: Vergütung von Reparaturkosten.
- Bei vom Versicherten selber angeschafften Hilfsmitteln sind Reparaturkostenpauschalen grundsätzlich zulässig. Unter bestimmten Voraussetzungen kann der Versicherte jedoch die Vergütung der effektiven, die Pauschale übersteigenden Reparaturkosten verlangen.
 
Sachverhalt
A.- Die 1959 geborene Jeannette N. leidet zufolge eines im Jahre 1970 erlittenen Verkehrsunfalles u.a. an einer vorwiegend rechtsseitigen spastischen Tetraparese, die ihr das Gehen verunmöglicht. Sie ist in einer geschützten Werkstätte erwerbstätig. Am 6. Oktober 1980 teilte die basellandschaftliche Beratungsstelle für Behinderte der Invalidenversicherungs-Kommission mit, sie habe bei einer Abklärung betreffend Hilflosigkeit festgestellt, "dass Jeannette mit einem Elektrofahrstuhl den Arbeitsweg vom Elternhaus in die Eingliederungswerkstätte (...) alleine machen könnte"; da das IV-Hilfsmitteldepot "ein gebrauchtes Vehikel" nicht habe liefern können, werde Antrag gestellt, "an die Kosten des Elektrofahrstuhls (mit Velonummer) den Beitrag von Fr. 5'500.-- zu gewähren". Mit Verfügung vom 14. Januar 1980 sprach die Ausgleichskasse des Kantons Basel-Landschaft der Versicherten den beantragten Kostenbeitrag für die Anschaffung eines Elektrofahrstuhls mit Ladegerät (Anschaffungspreis Fr. 6'455.--) zu. In der Folge vergütete die Invalidenversicherung anfallende Reparaturkosten in der Höhe von rund Fr. 950.--.
Am 11. September 1985 ersuchte Jeannette N. erneut um Übernahme von Reparaturkosten. Daraufhin teilte ihr die Ausgleichskasse mit, bei der Gewährung eines Kostenbeitrages an einen Elektrofahrstuhl könne ein einmaliger Reparaturkostenbeitrag von 20% der Entschädigung, d.h. vorliegend Fr. 1'100.-- (20% von Fr. 5'500.--), ausgerichtet werden; mit diesem Beitrag seien sämtliche Reparaturkosten abgegolten (Verfügung vom 27. September 1985).
B.- Hiegegen liess Jeannette N. beim Versicherungsgericht des Kantons Basel-Landschaft Beschwerde führen mit dem sinngemässen Antrag, die Ausgleichskasse sei zur vollen Übernahme der Reparaturkosten zu verpflichten, da sie aus finanziellen Gründen nicht in der Lage sei, diese Kosten selber zu übernehmen.
Das Versicherungsgericht erwog, beim Anspruch auf Reparaturkosten dürfe es keine Rolle spielen, ob ein Versicherter das Hilfsmittel selber angeschafft oder von der Invalidenversicherung in natura erhalten habe. Die nach der Rechtsprechung erforderliche "Gleichstellung aller Kategorien von Versicherten" lasse sich nur erreichen, wenn - analog zur steuerrechtlichen Pauschalierung - gegebenenfalls "der Nachweis offen bleib(e), dass im Einzelfall höhere Reparaturkosten entstanden" seien. Die Invalidenversicherung habe die zusätzlichen, durch die Pauschale nicht gedeckten Kosten zu übernehmen, sofern die Voraussetzungen zur Übernahme von Reparaturkosten bei in natura abgegebenen Hilfsmitteln erfüllt seien und wenn sich die Reparatur auf Teile beziehe, die zur einfachen und zweckmässigen Ausrüstung des Hilfsmittels gehörten. Das kantonale Gericht hiess deshalb die Beschwerde gut und wies die Sache an die Verwaltung zur Ermittlung der effektiven Reparaturkosten und deren verfügungsweisen Übernahme zurück (Entscheid vom 9. Oktober 1986).
C.- Mit Verwaltungsgerichtsbeschwerde beantragt das Bundesamt für Sozialversicherung (BSV) die Aufhebung des kantonalen Gerichtsentscheides.
Während sich Jeannette N. nicht vernehmen lässt, verzichtet die Ausgleichskasse auf eine Vernehmlassung.
 
Aus den Erwägungen:
3. a) Das Eidg. Versicherungsgericht ist bereits zu jener Zeit, als es noch keine positivrechtlichen Grundlagen für die Zusprechung von Ersatzleistungen gab, von der grundsätzlichen Gleichstellung der Abgabe- bzw. Leistungsformen ausgegangen. Es hat damals eine volle Leistungspflicht der Invalidenversicherung angenommen, soweit es sich nicht um ganz geringfügige Reparaturkosten und im weiteren nicht um Betriebsaufwand handelte (EVGE 1963 S. 272 ff.). Das Gericht hielt es damals in ständiger Praxis für ohne Belang, ob die Invalidenversicherung für Reparaturkosten im Rahmen des Art. 16 Abs. 2 alt IVV aufzukommen habe oder ob das Motorfahrzeug nicht von der Invalidenversicherung abgegeben worden sei; massgebend sei einzig, dass ein solches Fahrzeug gewährt werden müsste, wenn der Versicherte noch keines besässe (EVGE 1965 S. 129 Erw. 3b mit Hinweis).
Sodann besteht nach der Rechtsprechung bei Amortisationsbeiträgen an ein Auto Anspruch auf volle Übernahme der invaliditätsbedingten Umbaumehrkosten (BGE 104 V 186, BGE 108 V 5 und 8), soweit es sich um eine einfache und zweckmässige Ausführung handelt (BGE 106 V 217 Erw. 4 in fine; vgl. auch ZAK 1980 S. 498). Auch unter dem Gesichtspunkt der Übernahme von Kosten für invaliditätsbedingte Änderungen geht die Rechtsprechung somit von einer Gleichstellung der Abgabeformen aus.
b) Nichts anderes ergibt sich aus Art. 21bis Abs. 3 IVG, der dem Bundesrat die Befugnis gibt, nähere Vorschriften zu erlassen und die Höhe der Beiträge festzusetzen. Diese Delegationsnorm bezieht sich nur auf die Amortisationsbeiträge (Abs. 1) und auf die Beiträge an die Kosten von Dienstleistungen Dritter (Abs. 2), nicht aber auf die Reparaturkosten. Das wird durch die Materialien bestätigt, indem sich die Botschaft des Bundesrates an die Bundesversammlung zum Entwurf eines Bundesgesetzes betreffend Änderung des Bundesgesetzes über die Invalidenversicherung vom 27. Februar 1967 (BBl 1967 I 653) ausschliesslich zu den Amortisationsbeiträgen ausspricht und unter Hinweis auf die frühere Praxis des Eidg. Versicherungsgerichts, der Expertenkommission folgend, vorschlägt, "diese besondere Art der Abgeltung des Anspruchs auf Hilfsmittel im Gesetz ausdrücklich niederzulegen" (BBl 1967 I 677). Demgemäss spricht das Gesetz in Art. 21bis Abs. 1 IVG nur von den Amortisationsbeiträgen, wogegen die Übernahme von Reparaturkosten nicht als "besondere Art der Abgeltung des Anspruchs auf Hilfsmittel" zu betrachten ist; vielmehr handelt es sich bei der Vergütung der Reparaturkosten um eine Leistungsart, die in gleicher Weise bei den in natura abgegebenen wie bei den subventionierten Hilfsmitteln in Betracht fällt. Es ist daher nicht anzunehmen, dass der Verordnungsgeber durch Art. 21bis Abs. 3 IVG die Befugnis erhalten hätte, auch eine spezielle Regelung für die Reparaturkosten zu treffen, besteht doch hiezu von der Natur der Sache her gar kein Anlass.
Das gleiche ergibt sich auch im Lichte des Art. 21 IVG. Wohl steht dem Bundesrat bzw. dem Departement bei der Ausgestaltung der Hilfsmittelliste praxisgemäss ein weiter Spielraum der Gestaltungsfreiheit zu (BGE 105 V 27 Erw. 3b und 258 Erw. 2; vgl. auch BGE 111 V 211 /2). Das Eidg. Versicherungsgericht hat denn auch im unveröffentlichten Urteil T. vom 5. Oktober 1984 ausgeführt, wenn der Verordnungsgeber von einer Aufnahme in die Liste absehen könne, sei er erst recht befugt, für einzelne in der Liste verzeichnete Hilfsmittel oder Gruppen davon einschränkende Abgabevoraussetzungen aufzustellen sowie Bestimmungen darüber zu erlassen, wer allfällige Folgekosten zu tragen habe, die je nach der Art des Hilfsmittels über die blosse Abgabe hinaus anfallen (etwa Kosten für Gebrauchstraining, Reparatur und Betrieb). Dies ist indessen kein Grund, eine von mehreren gesetzlich vorgesehenen Abgabeformen hinsichtlich des Anspruches auf Übernahme der Reparaturkosten generell schlechterzustellen. Es ist daher nicht angängig, einen Anspruch auf volle Übernahme der effektiven Reparaturkosten nur im Rahmen des Art. 7 HVI, nicht aber auf der Grundlage des Art. 8 HVI anerkennen zu wollen. Das BSV verweist darauf, der Versicherte habe die Möglichkeit, das Hilfsmittel von der Invalidenversicherung in natura zu beziehen. Dem ist entgegenzuhalten, dass oft eine solche Wahlfreiheit bezüglich der Abgabeformen effektiv gar nicht besteht. Erfahrungsgemäss vermag die Abgabe eines Elektrofahrstuhles aus einem IV-Hilfsmitteldepot in vielen Fällen den Bedürfnissen des Leistungsansprechers nicht zu genügen. Gerade bei schweren körperlichen Behinderungen kann eine invaliditätsbedingte Notwendigkeit bestehen, einen angepassten, individuellen Fahrstuhl zu kaufen, weshalb der Versicherte in diesen Fällen auf Ersatzleistungen angewiesen ist. In BGE 111 V 214 Erw. 3 hat das Eidg. Versicherungsgericht zwar in Anbetracht der Eindeutigkeit der Delegationsnorm des Art. 21bis Abs. 3 IVG und der Beschränkung des Hilfsmittelanspruches auf das Einfache und Zweckmässige (Art. 2 Abs. 4 HVI) die Pauschalisierung der Amortisationsbeiträge bzw. die Zusprechung eines pauschalen Einmalbeitrages nicht beanstandet. Diese Rechtsprechung kann jedoch nicht auf den Reparaturkostenerstattungsanspruch übertragen werden.
c) Unter Berufung auf das zu BGE 96 V 81 ergangene unveröffentlichte Urteil B. vom 21. Juli 1976 macht das BSV sodann geltend, das Eidg. Versicherungsgericht habe bestätigt, dass Reparaturkosten mit der Zusprechung eines Amortisations- und Reparaturkostenbeitrages abgegolten seien. Das Bundesamt übersieht indessen, dass es in jenem Fall um ein Motorfahrzeug ging, bei welchem Hilfsmittel kraft Art. 16bis Abs. 2 Satz 2 alt IVV kein Anspruch auf Übernahme sämtlicher Reparaturkosten bestand. Daran hat sich auch unter der Herrschaft des Art. 7 Abs. 2 Satz 2 HVI in Verbindung mit Art. 6 Abs. 1 HVI nichts geändert. Denn wie das Eidg. Versicherungsgericht im erwähnten Urteil T. vom 5. Oktober 1984 ausgeführt hat, besteht im Hinblick auf den Eingliederungszweck von Motorfahrzeugen gemäss Art. 7 Abs. 2 Satz 2 HVI (in der bis Ende 1982 gültig gewesenen Fassung) ein Anspruch auf Übernahme der Reparaturkosten von der Versicherung nur insoweit, als diese auf Fahrten an den Arbeitsort zurückzuführen sind; da eine Ausscheidung und Zuordnung der einzelnen Reparaturkosten je nach Verwendungszweck aus praktischen Gründen nicht möglich sei, könne eine sachgerechte Lösung, sowohl der privaten Verwendungsmöglichkeit als auch dem Bedürfnis der Versicherung nach einem möglichst geringen Verwaltungsaufwand Rechnung tragende Lösung nur darin bestehen, dass der Versicherte mit einer Pauschale an den Reparaturkosten beteiligt werde. Diese Rechtsprechung kann indessen nicht auf Hilfsmittel übertragen werden, welche - wie die Elektrofahrstühle - ausschliesslich der Eingliederung dienen. Denn bei solchen Hilfsmitteln besteht kein Zwang zur Pauschalisierung, da eine Ausscheidung von eingliederungsbedingten und anderen Verwendungsarten entfällt. Von dieser Betrachtungsweise ist das Eidg. Versicherungsgericht im grundlegenden Urteil BGE 109 V 18 ausgegangen, wo es die Rechtmässigkeit eines Selbstbehaltes auf Reparaturkosten bei Hörmitteln im Rahmen von Art. 7 Abs. 2 und 3 HVI verneint hat. Ausschlaggebend dafür war die Überlegung, dass aufgrund von Art. 21 Abs. 3 IVG eine Kostenbeteiligung des Versicherten dann zulässig sei, wenn ein Hilfsmittel Gegenstände ersetze, die auch ohne Invalidität angeschafft werden müssten; dies gelte auch für Reparaturkosten, in welchem Falle die Kostenbeteiligung für nicht invaliditätsbedingte, mithin auch nicht der Invalidenversicherung anzulastende Abnützungen des Hilfsmittels erfolge. Solche Verhältnisse träfen bei Hörapparaten nicht zu, weshalb eine Überwälzung von Unterhalts- und Betriebskosten in Form eines Selbstbehaltes bei Reparaturkosten verordnungswidrig sei; damit würden in unzulässiger Weise Art. 7 Abs. 2 und Art. 7 Abs. 3 HVI miteinander vermischt (BGE 109 V 21 Erw. 4b).
Es drängt sich auf, diese zu Art. 7 Abs. 2 HVI ergangene Rechtsprechung auch auf Art. 8 Abs. 1 bzw. Abs. 2 HVI anzuwenden. Im einen wie im andern Fall ist es unzulässig, den Versicherten - mehr als geringfügige - Reparaturkosten eines einfachen und zweckmässigen (Art. 21 Abs. 3 IVG, Art. 2 Abs. 4 HVI) Hilfsmittels tragen zu lassen, das er ausschliesslich für die Eingliederung benötigt. Nicht zu übernehmen hat die Invalidenversicherung hingegen Reparaturkosten, welche darauf zurückzuführen sind, dass ein Versicherter zum Beispiel eine besonders störanfällige oder teure Ausführung gewählt hat (vgl. Art. 21 Abs. 3 Satz 2 IVG und Art. 2 Abs. 4 Satz 2 HVI) oder wo das Hilfsmittel amortisiert ist und sich eine Reparatur nicht mehr lohnen würde.
d) Nach dem Gesagten ist festzuhalten, dass die in Art. 8 Abs. 1 und 2 HVI verwendeten Begriffe des pauschalen Reparaturkostenanteils - im Sinne einer gesetzeskonformen Auslegung (BGE 113 V 130 Erw. 2b mit Hinweisen) und der Gleichbehandlung der Abgabeformen - dahingehend zu verstehen sind, dass die Zusprechung einer Reparaturkostenpauschale zwar zulässig ist. Der Versicherte kann jedoch die Vergütung der effektiven, die Pauschale übertreffenden nachgewiesenen Reparaturkosten, die trotz sorgfältigen Gebrauches entstanden sind und für die kein Dritter ersatzpflichtig ist, insoweit verlangen, als die Differenz zwischen der Summe aller in Rechnung gestellter Reparaturkosten für ein Hilfsmittel in einfacher und zweckmässiger Ausführung und der vorgängig bezogenen Pauschale den massgeblichen Geringfügigkeitsbeitrag übersteigt (Art. 7 Abs. 2 HVI analog; Anhang 2 Ziff. 5 zur Wegleitung des BSV über die Abgabe von Hilfsmitteln, gültig ab 1. Januar 1984). Dieser Rechtslage trägt der vorinstanzliche Rückweisungsentscheid zutreffend Rechnung.