BGE 119 V 329 |
47. Urteil vom 29. Juni 1993 i.S. Schweizerische Kranken- und Unfallkasse Konkordia gegen P. und Verwaltungsgericht des Kantons Luzern |
Regeste |
Art. 30 Abs. 4 KUVG, Art. 97 Abs. 4 AHVG, Art. 79 ff. SchKG. |
- In casu verliert der Schuldner diese Einwendungen (vgl. Art. 81 Abs. 1 SchKG), nachdem das Eidg. Versicherungsgericht den Rechtsvorschlag im Dispositiv seines Urteils selbst beseitigt hat (E. 5b). |
Sachverhalt |
A.- Dario P., wohnhaft in Lugano, ist seit Mai 1969 Mitglied der Schweizerischen Kranken- und Unfallkasse Konkordia (nachstehend Konkordia). Mit Zahlungsbefehl Nr. 119 206 des Betreibungsamtes Lugano vom 18. Juli 1991 betrieb ihn die Konkordia für ausstehende Prämien der Monate Juli/August 1990 im Betrage von Fr. 420.20 zuzüglich Zins, Verwaltungsspesen und Betreibungskosten. Dario P. erhob Rechtsvorschlag. Hierauf verpflichtete ihn die Konkordia mit Verfügung vom 4. September 1991 - unter gleichzeitiger Beseitigung seines Rechtsvorschlages - zur Bezahlung von Fr. 471.25.
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B.- Die hiegegen erhobene Beschwerde hiess das Verwaltungsgericht des Kantons Luzern, soweit es darauf eintrat, mit Entscheid vom 14. April 1992 insofern teilweise gut, als es die am 4. September 1991 verfügte Forderung der Konkordia auf Fr. 459.20 herabsetzte (Ziff. 1) und die mit der angefochtenen Verfügung angeordnete Aufhebung des Rechtsvorschlages beseitigte (Ziff. 2).
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C.- Mit Verwaltungsgerichtsbeschwerde beantragt die Konkordia, es sei die von ihr am 4. September 1991 verfügte Beseitigung des in der Betreibung Nr. 119 206 des Betreibungsamtes Lugano erhobenen Rechtsvorschlages in Aufhebung des kantonalen Gerichtsentscheides zu bestätigen.
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Dario P. hat sich nicht vernehmen lassen, während das Bundesamt für Sozialversicherung (BSV) ausdrücklich auf eine Stellungnahme verzichtet.
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Das Eidg. Versicherungsgericht zieht in Erwägung: |
Den vollstreckbaren Gerichtsurteilen im Sinne von Art. 80 SchKG gleichgestellt sind sowohl die auf Geldzahlung gerichteten rechtskräftigen Verfügungen der Ausgleichskassen und Entscheide der Rekursbehörden (Art. 97 Abs. 4 AHVG) als auch die auf Geldzahlung gerichteten rechtskräftigen Verfügungen der Krankenkassen (Art. 30 Abs. 4 KUVG).
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b) Nach der Rechtsprechung kann ein Gläubiger, der ohne vorgängigen Rechtsöffnungstitel die Betreibung eingeleitet und danach auf Rechtsvorschlag hin nach Massgabe des Art. 79 SchKG auf dem Wege des ordentlichen Prozesses einen definitiven Rechtsöffnungstitel erlangt hat, direkt die Fortsetzung der Betreibung verlangen, ohne dass er das Rechtsöffnungsverfahren nach Art. 80 SchKG zu durchlaufen hätte; gleiches gilt, wenn ein Entscheid im Sinne von Art. 79 SchKG von einer Behörde oder einem Verwaltungsgericht des Bundes bzw. desjenigen Kantons stammt, in welchem die Betreibung angehoben worden ist (BGE 107 III 62 E. 2a mit Hinweisen). Betrifft die Betreibung eine im öffentlichen Recht begründete Forderung, über die eine Verwaltungsbehörde zu befinden hat, so ist unter dem Betreten des ordentlichen Prozesswegs gemäss Art. 79 SchKG die Geltendmachung der Forderung vor dieser Behörde zu verstehen (BGE 75 III 46 mit Hinweisen). Auf dem Gebiete der Sozialversicherung ist dabei die erstinstanzlich verfügende Verwaltungsbehörde, die kantonale Rekursbehörde bzw. das Eidg. Versicherungsgericht ordentlicher Richter im Sinne von Art. 79 SchKG, der zum materiellen Entscheid über die Aufhebung des Rechtsvorschlags zuständig ist (BGE 109 V 51, BGE 107 III 65 f.; ZAK 1989 S. 519).
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Aus dem Gesagten ergibt sich für die Ausgleichs- ebenso wie für die Krankenkassen, dass sie für ihre Geldforderungen gemäss allgemeinem betreibungsrechtlichem Grundsatz auch ohne rechtskräftigen Rechtsöffnungstitel die Betreibung einleiten, im Falle des Rechtsvorschlags nachträglich eine formelle Verfügung erlassen und nach Eintritt der Rechtskraft derselben die Betreibung fortsetzen können. Voraussetzung für eine direkte Fortsetzung der Betreibung ohne Durchlaufen des Rechtsöffnungsverfahrens nach Art. 80 SchKG ist allerdings, dass das Dispositiv der Verwaltungsverfügung mit Bestimmtheit auf die hängige Betreibung Bezug nimmt und den Rechtsvorschlag ausdrücklich als aufgehoben erklärt, sei es vollumfänglich oder in einer bestimmten Höhe (BGE 109 V 49 E. 3b, 107 III 64 E. 3; ZAK 1989 S. 519, 1984 S. 191 E. 4b, 1982 S. 357; vgl. ferner RKUV 1984 Nr. K 577 S. 102). Die Verwaltungsbehörde hat demnach in ihrer Verfügung nicht bloss einen sozialversicherungsrechtlichen Sachentscheid über die Verpflichtung des Versicherten zu einer Geldzahlung zu fällen, sondern gleichzeitig auch als Rechtsöffnungsinstanz über die Aufhebung des Rechtsvorschlags zu befinden (BGE 107 III 65; ZAK 1984 S. 191 E. 4b).
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Hiegegen wird in der Verwaltungsgerichtsbeschwerde - ebenfalls unter Hinweis auf die Rechtsprechung - im wesentlichen eingewendet, die Kompetenz der vom Versicherten berechtigterweise angerufenen Vorinstanz erschöpfe sich keineswegs darin, allein in der streitigen Sache selbst zu entscheiden; vielmehr sei das kantonale Gericht - ebenso wie das Eidg. Versicherungsgericht im Falle einer Verwaltungsgerichtsbeschwerde - ausserhalb des förmlichen Rechtsöffnungsverfahrens im Rahmen des ordentlichen Prozesses nach Art. 79 SchKG auch zur Aufhebung des Rechtsvorschlages befugt.
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4. Dem kantonalen Gericht ist darin beizupflichten, dass dem Schuldner auch nach der in BGE 107 III 60 begründeten, vom Eidg. Versicherungsgericht in zahlreichen Urteilen (E. 2b) angewendeten Rechtsprechung die Einreden gemäss Art. 81 Abs. 2 SchKG erhalten bleiben müssen, wenn - wie im vorliegenden Fall - die Vollstreckung eines nicht im Kanton der Betreibung ergangenen Entscheides in Frage steht. Entgegen seiner Auffassung hat dies jedoch keineswegs notwendigerweise im Rahmen eines vom Gläubiger zuständigen Ortes eingeleiteten Rechtsöffnungsverfahrens zu geschehen. Vielmehr richtet sich das entsprechende Vorgehen - was sowohl die Vorinstanz als auch die Beschwerdeführerin zu übersehen scheinen - nach dem Kreisschreiben des Bundesgerichtes Nr. 26 vom 20. Oktober 1910, welches wie folgt lautet (vgl. BBl 1911 IV 49; wiedergegeben auch in der von JAEGER/DAENIKER/WALDER herausgegebenen SchKG-Textausgabe, 12. Aufl. Zürich 1990, S. 342 f., sowie FRITZSCHE/WALDER, Schuldbetreibung und Konkurs nach schweizerischem Recht, Bd. I, 3. Aufl. Zürich 1984, § 18 FN 7):
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"Wenn die Fortsetzung der Betreibung gestützt auf ein gemäss Art. 79 SchKG erwirktes ausserkantonales Urteil verlangt wird, so hat das Betreibungsamt den Schuldner anlässlich der Pfändungsankündigung bzw. vor der Konkursandrohung darauf aufmerksam zu machen, dass es ihm freistehe, binnen 10 Tagen eine der in Art. 81 Abs. 2 SchKG aufgeführten Einreden (gleichsam als nachträglichen Rechtsvorschlag) mündlich oder schriftlich beim Betreibungsamt zu erheben. Geschieht das, so hat das Betreibungsamt davon dem Gläubiger sofort Mitteilung zu machen und die Fortsetzung der Betreibung bleibt so lange eingestellt, bis der Gläubiger beim Rechtsöffnungsrichter des Betreibungsortes ein diese Einreden als unzutreffend zurückweisendes Rechtsöffnungsurteil erwirkt hat. Wird keine dieser Einreden ausdrücklich geltend gemacht, oder werden sie erst nach Ablauf der zehntägigen Frist erhoben, so wird Verzicht darauf angenommen und sofort nach Ablauf der zehntägigen Frist die Pfändung bzw. Konkursandrohung vollzogen."
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Die Verfahrensweise gemäss diesem - im Anschluss an BGE 36 I 454 ergangenen - Kreisschreiben wurde in BGE 107 III 63 (vgl. bereits BGE 75 III 46, BGE 64 III 78) ausdrücklich erwähnt und seither erneut bestätigt (so in dem in SJ 1986 S. 359 veröffentlichten Urteil des Bundesgerichts C. vom 13. Februar 1986; vgl. ferner GILLIÉRON, Poursuite pour dettes, faillite et concordat, 2. Aufl. Lausanne 1988, S. 138 f., sowie AMONN, Grundriss des Schuldbetreibungs- und Konkursrechts, 5. Aufl. Bern 1993, § 19 Rz. 10). Wie das Ergebnis des angefochtenen Gerichtsentscheides erahnen lässt, ist dieses Vorgehen in der Mehrzahl der Fälle nicht nur einfacher und komplikationsloser, sondern auch rascher und - da regelmässig gar keine Rechtsöffnungskosten entstehen dürften - billiger.
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5. a) Verhält es sich demnach so, dass für die Fortsetzung einer Betreibung, gestützt auf einen den Rechtsvorschlag beseitigenden (rechtskräftigen) Entscheid einer ausserkantonalen Verwaltungs- oder Rekursbehörde im Sinne von Art. 79 SchKG, die Durchführung eines Rechtsöffnungsverfahrens nicht in allen Fällen zu erfolgen hat, sondern nur dort, wo der Schuldner im Anschluss an die Pfändungsankündigung oder vor der Konkursandrohung eine der in Art. 81 Abs. 2 SchKG vorgesehenen Einreden erhebt, hält der angefochtene Gerichtsentscheid nicht stand. Immerhin mag dem kantonalen Gericht eingeräumt werden, dass die im vorliegenden Fall gebotene Verfahrensweise zumindest aus der einschlägigen sozialversicherungsrechtlichen Rechtsprechung (BGE 109 V 46; ZAK 1989 S. 519) nicht unmittelbar hervorgeht. Offenbar hatte das Eidg. Versicherungsgericht bislang nie Anlass, auf das besagte Kreisschreiben zurückzugreifen; dies, weil der belangte Schuldner gemäss Art. 30bis KUVG beschwerdeweise stets an das Versicherungsgericht seines Wohnsitzkantons - mithin in aller Regel das Gericht des Betreibungskantons (Art. 46 Abs. 1 SchKG) - gelangen kann (vgl. Art. 200 AHVV), in welchem Fall für die Einwendungen gemäss Art. 81 Abs. 2 SchKG von vornherein kein Raum mehr besteht.
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b) Nach dem Gesagten ist Dispositiv-Ziff. 2 des angefochtenen Gerichtsentscheides aufzuheben. - Indes kann es hier mit einem kassatorischen Entscheid nicht sein Bewenden haben. Die Beschwerdeführerin hatte in der Verfügung vom 4. September 1991 den Rechtsvorschlag für den Gesamtbetrag von Fr. 471.25 aufgehoben, während ihre Forderung - gemäss ihrem Antrag - vom kantonalen Gericht mit Fr. 459.20 geschützt wurde. In diesem Umfange hätte die Vorinstanz die Aufhebung des Rechtsvorschlages durch die Beschwerdeführerin bestätigen sollen, was vom Eidg. Versicherungsgericht in Beachtung der in BGE 107 III 60 und E. 2b hievor dargelegten Grundsätze reformatorisch nachzuholen ist.
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Damit geht die paradox anmutende Nebenfolge einher, dass sich vorliegendenfalls die Frage des Vorgehens gemäss Kreisschreiben Nr. 26 überhaupt nicht mehr stellen wird. Denn die Forderung der Beschwerdeführerin beruht nunmehr auf einem vollstreckbaren Urteil einer Behörde des Bundes (vgl. Art. 81 Abs. 1 SchKG), weshalb dem Betriebenen die Einreden gemäss Art. 81 Abs. 2 SchKG nicht (mehr) zustehen. Die Beschwerdeführerin wird in der Lage sein, die Fortsetzung der von ihr angehobenen Betreibung zu verlangen, ohne irgendwelche Einreden des Schuldners im Sinne von Art. 81 SchKG gewärtigen zu müssen.
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Demnach erkennt das Eidg. Versicherungsgericht:
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I. In Gutheissung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird Dispositiv-Ziff. 2 des Entscheides des Verwaltungsgerichts des Kantons Luzern vom 14. April 1992 aufgehoben.
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