BGE 123 V 106 |
17. Auszug aus dem Urteil vom 10. Juni 1997 i.S. Z. gegen Kantonale Arbeitslosenkasse Uri und Obergericht des Kantons Uri |
Regeste |
Art. 51 Abs. 1 lit. a, Art. 53 und 58 AVIG. |
Wird später über den Arbeitgeber der Konkurs eröffnet, so lebt ein im Zeitpunkt der Nachlassstundung entstandener, aber nicht oder nicht rechtzeitig geltend gemachter und damit verwirkter Insolvenzentschädigungsanspruch nicht wieder auf. |
Aus den Erwägungen: |
2. a) Nach Art. 51 Abs. 1 lit. a AVIG (und zwar in der vor und nach dem 1. Januar 1992 bis heute unverändert geltenden Fassung) haben beitragspflichtige Arbeitnehmer von Arbeitgebern, die in der Schweiz der Zwangsvollstreckung unterliegen oder in der Schweiz Arbeitnehmer beschäftigen, Anspruch auf Insolvenzentschädigung, wenn gegen ihren Arbeitgeber der Konkurs eröffnet wird und ihnen in diesem Zeitpunkt Lohnforderungen zustehen. Wird über den Arbeitgeber der Konkurs eröffnet, so muss der Arbeitnehmer seinen Entschädigungsanspruch laut Art. 53 Abs. 1 AVIG spätestens 60 Tage nach der Veröffentlichung des Konkurses im Schweizerischen Handelsamtsblatt bei der öffentlichen Kasse stellen, die am Ort des Betreibungs- und Konkursamtes zuständig ist. Diese Frist hat Verwirkungscharakter, ist aber der Wiederherstellung zugänglich (ARV 1996 Nr. 13 S. 70 Erw. 1a und b).
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Nach Art. 58 AVIG in der bis 31. Dezember 1991 gültig gewesenen Fassung gilt bei einem Nachlassvertrag mit Vermögensabtretung das 5. Kapitel des AVIG über die Insolvenzentschädigung sinngemäss. Mit Wirkung ab 1. Januar 1992 hat Art. 58 AVIG folgende neue Fassung erhalten: "Bei einer Nachlassstundung oder einem richterlichen Konkursaufschub gilt dieses Kapitel sinngemäss".
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b) Vorliegend stellt sich die erstmals zu beurteilende Rechtsfrage nach dem Verhältnis von Art. 58 AVIG in der revidierten Fassung zu Art. 51 AVIG. Arbeitslosenkasse und kantonales Gericht gehen davon aus, die Erteilung eines richterlichen Konkursaufschubes oder einer Nachlassstundung einerseits, die Eröffnung des Konkurses (über den gleichen Arbeitgeber) anderseits würden im Sinne des Insolvenzentschädigungsrechts je verschiedene Versicherungsfälle auslösen. Demgegenüber vertritt der Beschwerdeführer den Standpunkt, ein und derselbe bei Gelegenheit einer Nachlassstundung zunächst nicht oder nicht fristgerecht erhobene Anspruch auf Insolvenzentschädigung könne nachträglich noch anlässlich der späteren Konkurseröffnung über die gleiche Arbeitgeberin geltend gemacht werden.
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Nach der Rechtsprechung zu altArt. 58 AVIG setzte die Anwendbarkeit dieser Bestimmung voraus, dass überhaupt ein Nachlassvertrag zustande gekommen ist (Erw. 3 des unveröffentlichten Urteils F. vom 25. April 1988). Gälte Art. 58 AVIG in der ursprünglichen Fassung immer noch, könnte dem Beschwerdeführer nicht entgegengehalten werden, sein Anspruch auf Insolvenzentschädigung sei Gegenstand des durch die Nachlassstundung vom 12. Januar 1994 ausgelösten Versicherungsfalles gewesen. Denn die Nachlassstundung allein liess nach altem Recht den Anspruch auf Insolvenzentschädigung nicht entstehen.
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Von dieser Rechtslage ging der Revisionsgesetzgeber bewusst ab, lässt sich doch der Botschaft dazu entnehmen:
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auch bei Lohnausfällen im Zusammenhang mit einem Nachlassvertrag zum Zuge
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kommen soll.
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Bisher herrschte allerdings eine gewisse Rechtsunsicherheit hinsichtlich
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der Frage, ob die drei zu entschädigenden Monate vom Datum der Genehmigung
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des Nachlassvertrages oder bereits vom Zeitpunkt der Bewilligung der
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Nachlassstundung an zurückzurechnen seien. Die neue Fassung entscheidet
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diese Streitfrage im Sinne der zweiten Lösung. Damit bildet das nachmalige
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Zustandekommen des Nachlassvertrages keine Anspruchsvoraussetzung mehr; der
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Anspruch entsteht bereits mit der Stundungsbewilligung." (BBl 1989 III
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400).
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Diese Regelungsabsicht hat im Gesetz gewordenen Text ihren Niederschlag gefunden, indem Art. 58 AVIG in der revidierten Fassung die Nachlassstundung alternativ auf die gleiche Stufe stellt wie den richterlichen Konkursaufschub und vom Nachlassvertrag (mit Vermögensabtretung) gar nicht mehr spricht. Bei dieser Rechtslage ist der vorinstanzliche Entscheid unangreifbar. Es steht aktenmässig fest, dass die vom Beschwerdeführer geltend gemachte Insolvenzentschädigung sich ausschliesslich auf Lohnmonate bezieht, die vor der Bewilligung der Nachlassstundung am 12. Januar 1994 liegen. Damit ergibt sich, dass sämtliche Lohnansprüche, welche der Beschwerdeführer vor der Nachlassstundung gegenüber seinem Arbeitgeber ausstehend hatte, Gegenstand dieser durch die Nachlassstundung eröffneten Anspruchsberechtigung darstellen. Da aus den Akten klar hervorgeht, dass die im Februar 1995, nach der erfolgten Konkurseröffnung, geltend gemachten Lohnansprüche mit den früheren identisch sind, also aus der Zeit vor der Nachlassstundung stammen, ist es rechtlich ausgeschlossen, diese gleichen Lohnansprüche zum Gegenstand der nun durch die Konkurseröffnung erschlossenen potentiellen Anspruchsberechtigung zu machen. Erwirbt sich hingegen der Arbeitnehmer durch fortgesetzte Arbeit im Rahmen des Anstellungsverhältnisses in der Zeit zwischen Nachlassstundung und Konkurseröffnung einen neuen Lohnanspruch, der ungedeckt bleibt, dann stellt die spätere Konkurseröffnung einen Versicherungsfall dar, welcher einen von der früheren Nachlassstundung verschiedenen Insolvenzentschädigungsanspruch begründet.
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