BGE 135 V 261 |
32. Auszug aus dem Urteil der II. sozialrechtlichen Abteilung i.S. Gesundheitsnetz Wallis (GNW) gegen Comunitas Vorsorgestiftung (Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten) |
9C_1019/2008 vom 10. Juni 2009 |
Regeste |
Art. 53e Abs. 5 und 6 BVG. |
Sachverhalt |
A. Die Mitarbeiter der Walliser Spitäler waren bis 1984 bei der im Jahre 1966 gegründeten Pensionskasse des Schweizerischen Gemeindeverbands, ab 13. Januar 1988 Stiftung "Comunitas Pensionskasse des Schweizerischen Gemeindeverbandes", heute "Comunitas Vorsorgestiftung", (im Folgenden: Comunitas) berufsvorsorgeversichert. Am 22. Oktober 1984 vereinbarten die Comunitas und die Spitäler, dass die ab 1. Januar 1985 neu angestellten Mitarbeiter bei der Stiftung Pregehval (jetzt: Presv) versichert werden. Die vorher angestellten Mitarbeiter blieben bei der Comunitas versichert. Mit Dekret über das Gesundheitsnetz Wallis vom 4. September 2003 wurde das Gesundheitsnetz Wallis (im Folgenden: GNW) als öffentlich-rechtliche Persönlichkeit geschaffen, welche die einzelnen Spitäler zu einer Einheit zusammenschloss. Nachdem die Comunitas auf 1. Januar 2004 eine Prämienanpassung angekündigt hatte, prüfte das GNW, alle seine Mitarbeiter bei der Presv zu versichern. Nach einiger Korrespondenz zwischen dem GNW und der Comunitas kündigte diese am 28. Juni 2004 die bestehenden Anschlussverträge per 31. Dezember 2004.
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B. Nachdem über die Modalitäten der Auflösung keine Einigung zustande gekommen war, erhob die Comunitas am 3. Mai 2006 beim Kantonsgericht des Kantons Wallis Klage gegen das GNW mit dem Antrag, die Beklagte sei zu verurteilen, der Klägerin Fr. ... zuzüglich Zins zu 5 % seit 1. Februar 2005 zu bezahlen. Mit Urteil vom 5. November 2008 erkannte das Kantonsgericht:
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"Das Gesundheitsnetz Wallis bezahlt der Comunitas als Einmalbeitrag zur Finanzierung des künftigen Teuerungsausgleichs von 2,22 % im Jahresdurchschnitt auf den laufenden Renten den hierfür nach den versicherungstechnischen Grundlagen der Comunitas benötigten Betrag, zuzüglich Zins zu 5 % seit dem 1. Februar 2005; im Mehrbetrag wird die Klage abgewiesen."
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Das GNW wurde zudem zur Bezahlung der Gerichtskosten und einer Parteientschädigung an die Comunitas verpflichtet.
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C. Das GNW erhebt Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten an das Bundesgericht mit dem Antrag, das angefochtene Urteil sei aufzuheben und die Klage abzuweisen; eventualiter sei die Sache zum neuen Entscheid an die Vorinstanz zurückzuweisen.
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Die Comunitas stellt den Antrag, die Beschwerde sei abzuweisen, soweit darauf einzutreten sei. Das Bundesamt für Sozialversicherungen (BSV) hat keine Stellungnahme eingereicht.
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Die Beschwerde wird gutgeheissen.
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Aus den Erwägungen: |
Erwägung 4 |
4.2 Nach Wortlaut und Systematik von Art. 53e BVG besteht in Bezug auf das Schicksal der Rentenbezüger bei Vertragsauflösung eine differenzierte Regelung je nachdem, wer den Anschlussvertrag kündigt (JÜRG BRECHBÜHL, Umsetzungsprobleme im Einzelfall, in: Die 1. BVG-Revision, 2005, S. 43 ff., 50 f.; STAUFFER, Berufliche Vorsorge, 2005, S. 480 ff. Rz. 1282 ff.): Löst der Arbeitgeber den Anschlussvertrag auf, so gilt in erster Linie die Regelung, welche der Anschlussvertrag für diesen Fall vorsieht. In zweiter Linie haben sich die bisherige und die neue Vorsorgeeinrichtung über den Verbleib der Rentenbezüger bei der bisherigen oder den Wechsel zur neuen Vorsorgeeinrichtung zu einigen. Kommt auch eine solche Einigung nicht zustande, so verbleiben in dritter Linie die Rentner bei der bisherigen Vorsorgeeinrichtung (Abs. 4). Löst hingegen die Vorsorgeeinrichtung den Anschlussvertrag mit dem Arbeitgeber auf, so haben sich in erster Linie die bisherige und die neue Vorsorgeeinrichtung zu einigen. Kommt keine Vereinbarung zustande, so verbleiben in zweiter Linie die Rentenbezüger bei der bisherigen Vorsorgeeinrichtung (Abs. 5). In beiden Fällen gilt: Verbleiben die Rentenbezüger bei der bisherigen Vorsorgeeinrichtung, so bleibt der Anschlussvertrag mit Bezug auf die Rentenbezüger weiter bestehen (Abs. 6 Satz 1). Anders als im Falle der Kündigung durch den Arbeitgeber (Abs. 4) kann also die Vorsorgeeinrichtung, wenn sie selber kündigt (Abs. 5), nicht die Anwendbarkeit derjenigen Regelung herbeiführen, welche der Anschlussvertrag für diesen Fall enthält; es gibt nur zwei Möglichkeiten, nämlich entweder die Einigung der beiden Vorsorgeeinrichtungen oder der Verbleib bei der bisherigen Vorsorgeeinrichtung. Aufgrund dieser Systematik kann sich die Bestimmung in Abs. 6 Satz 1, wonach der Anschlussvertrag mit der bisherigen Vorsorgeeinrichtung in Bezug auf die Rentenbezüger weiter bestehen bleibt, nur auf diejenigen Bestimmungen des Anschlussvertrags beziehen, welche die gegenseitigen Rechte und Pflichten während der Geltungsdauer dieses Vertrags regeln, aber nicht auf diejenigen Bestimmungen, welche die Rechtsfolgen einer Auflösung des Vertrags regeln; diese Bestimmungen sind nur (gemäss Abs. 4) im Fall einer Kündigung durch den Arbeitgeber anwendbar.
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zu Problemen führe, da die neue Vorsorgeeinrichtung in der Regel ein höheres als das vorhandene Deckungskapital verlange (Protokoll der Kommission für soziale Sicherheit und Gesundheit des Nationalrats [SGK-N], Subkommission BVG, vom 3. September 2001, S. 28-30). Zur Lösung dieses Problems standen zwei Varianten zur Diskussion: Nach der einen, ursprünglich vom BSV vorgeschlagenen, sollte, wenn die Rentner in der bisherigen Vorsorgeeinrichtung verbleiben und somit Aktive und Rentner getrennt werden, die Vorsorgeeinrichtung für die Absicherung der finanziellen Belastungen verantwortlich sein, was allerdings vorfinanziert werden müsste. Nach der anderen sollte der Anschlussvertrag in Bezug auf die Rentner weiterlaufen und die Kosten dann finanziert werden, wenn sie anfallen. Dazu wurde die Formulierung vorgeschlagen: "Verbleiben die Rentner bei der bisherigen Vorsorgeeinrichtung, so bleibt der Anschlussvertrag mit Bezug auf die Rentner weiterhin bestehen" (entspricht heute Abs. 6 Satz 1). So müsse der Arbeitgeber den Anschlussvertrag weiterhin einhalten und könne die Rentner nicht einfach "abhängen" (Protokoll SGK-N, Subkommission BVG, vom 1. Oktober 2001, S. 13 ff., 44 ff.). Die Kommission einigte sich auf die zweite Lösung; auch der Vertreter des BSV schloss sich dem an und führte dazu aus, damit sei nur eine Teilauflösung des Anschlussvertrags möglich. In Bezug auf Rentner müsse der bisherige Anschlussvertrag weiterlaufen. Das bisherige Vorsorgewerk sowie der Arbeitgeber behielten ihre Verpflichtungen gegenüber den Rentnern im gleichen Ausmasse, wie wenn die Aktiven bei der bisherigen Vorsorgeeinrichtung bleiben würden (a.a.O., S. 52). Somit beschloss die Subkommission, in Art. 53c des Entwurfs (entspricht dem heutigen Art. 53d) einen neuen Abs. 3bis einzufügen, welcher dem heutigen Art. 53e Abs. 4 Satz 1, ohne den letzten Relativsatz, sowie Abs. 6 BVG entsprach. Ferner wurde ein neuer Art. 53d vorgeschlagen, welcher etwa den heutigen Abs. 1-3 und 8 von Art. 53e BVG entsprach. Die Gesamtkommission folgte diskussionslos dem Vorschlag der Subkommission (Protokoll SGK-N vom 30. Januar/1. Februar 2002, S. 59), der auch im Nationalrat ohne Diskussion angenommen wurde (AB 2002 N 553 f.).
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4.3.3 In der Differenzbereinigung wurde die Bestimmung von der nationalrätlichen Subkommission unter Beizug von Experten nochmals überprüft. Dabei wurde auch der vorher nicht geregelte Fall diskutiert, dass die Vorsorgeeinrichtung den Anschlussvertrag kündigt. Dafür schlug ein Experte die Lösung vor, die dem heutigen Abs. 5 von Art. 53e BVG entspricht. Im Unterschied zum Fall der Kündigung durch den Arbeitgeber (Abs. 4) wurde hier kein Vorbehalt der anschlussvertraglichen Regelung aufgenommen. Damit sollten ausdrücklich anderslautende vertragliche Regelungen ausgeschlossen werden; die zwingende Regelung des BVG (Verbleib bei der bisherigen Vorsorgeeinrichtung) sollte vorgehen, wenn sich die Vorsorgeeinrichtungen nicht einigen können; damit sollte vermieden werden, dass die Rentenbezüger die Leidtragenden sind, wenn die Vorsorgeeinrichtung den Vertrag kündigt, weil z.B. der Arbeitgeber die Beiträge nicht mehr bezahlt. Für diesen Fall (Zahlungsunfähigkeit des Arbeitgebers) wurde dann eine Gesetzesdelegation an den Bundesrat vorgesehen (heutiger Abs. 7 von Art. 53e BVG; Protokoll SGK-N, Subkommission BVG, vom 6. März 2003, S. 18 ff.). In dieser Form wurde der Vorschlag vom Nationalrat (AB 2003 N 629) und in der Folge auch vom Ständerat (AB 2003 S 452) angenommen.
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Erwägung 5 |
5.2 Die Beschwerdegegnerin gründet ihren Anspruch auf Art. 9 Ziff. 4 der bisherigen Anschlussverträge bzw. auf Art. 11 Abs. 2 ihrer Reglemente. Art. 9 der Anschlussvereinbarungen trägt den Titel "Auflösung der Anschlussvereinbarung". Nach Abs. 1 kann der Anschlussvertrag vom Arbeitgeber oder von der Vorsorgeeinrichtung gekündigt werden. Die Kündigung des Anschlusses zieht den Austritt sämtlicher bei der Comunitas versicherten Personen nach sich (Abs. 2). Die gesamte Austrittsleistung entspricht dem Total der für alle versicherten Personen individuell berechneten Guthaben (Abs. 3). Abs. 4 lautet sodann (gleichlautend mit Art. 11 der Reglemente):
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"Alle bereits ausgelösten Leistungen der rentenberechtigten Personen werden an die neue Vorsorgeeinrichtung übertragen. Ist dies nicht möglich, verpflichtet sich der austretende Arbeitgeber, der COMUNITAS den Barwert der künftigen Teuerungszulagen zu vergüten. Dieser Barwert ergibt sich aus der Differenz zwischen dem Rentenbarwert zum technischen Zins und dem Rentenbarwert zum Zins Null."
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Art. 9 des Anschlussvertrags regelt somit nach seinem Wortlaut und Sinn die Rechtsfolgen einer Vertragskündigung. Er sieht in diesem Fall grundsätzlich den Austritt der Versicherten und die Übertragung des Austritts- bzw. Deckungskapitals vor. Wenn dies bezüglich der Rentenbezüger nicht möglich ist, bleiben diese zwar in der Vorsorgeeinrichtung, aber der Vertragsinhalt wird geändert: Anstatt wie bisher die laufenden vertraglichen Pflichten zu erfüllen, muss der Arbeitgeber im Sinne einer einmaligen und endgültigen finanziellen Auseinandersetzung der Vorsorgeeinrichtung diejenigen Mittel vergüten, die zur Sicherstellung künftiger Teuerungszulagen erforderlich sind.
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5.4 Der Beschwerdeführer wird stattdessen weiterhin in Bezug auf die Rentenbezüger seine anschlussvertraglichen Pflichten zu erfüllen haben und der Beschwerdegegnerin diejenigen Leistungen aus dem Anschlussvertrag schulden, welche allenfalls darin zur Finanzierung der laufenden Leistungen der Rentenbezüger vorgesehen sind. Dies bedeutet, dass er die Leistungen, die er gemäss Anschlussvertrag allenfalls für die Finanzierung von Teuerungszulagen zu leisten hat, auch in Zukunft jeweils erbringen muss, aber gerade nicht im Zeitpunkt der Auflösung des Anschlussvertrags auf einmal bezahlen muss. Er macht geltend, er habe im Vorfeld des hängigen Prozesses angeboten, der Beschwerdegegnerin jährlich die effektive Erhöhung der Renten zu finanzieren, was die Beschwerdegegnerin jedoch abgelehnt habe. Die Beschwerdegegnerin bestätigt diese Darstellung. Derartige jährliche Leistungen sind nicht eingeklagt worden und bilden nicht Gegenstand des vorliegenden Verfahrens. Es braucht daher nicht beurteilt zu werden, ob die Anschlussverträge tatsächlich eine Verpflichtung des Arbeitgebers zur Finanzierung von Teuerungszulagen auf laufenden Renten enthalten bzw. ob die Teuerungsanpassungen nach dem Reglement der Beschwerdegegnerin umlagefinanziert sind, wie die Vorinstanz angenommen hat. Ebensowenig ist im vorliegenden Verfahren zu entscheiden, ob ein nicht vorfinanzierter Teuerungsausgleich zu einer Unterdeckung und einem entsprechenden Abzug bei dem von der Beschwerdegegnerin an die neue Vorsorgeeinrichtung überwiesenen Deckungskapital (Art. 53d Abs. 3 BVG; Art. 19 FZG [SR 831. 42]) geführt hätte, wie die Vorinstanz weiter erwogen hat. Immerhin ist zu bemerken, dass eine Unterdeckung nur entsteht, soweit das notwendige Vorsorgekapital nicht gedeckt ist (Anhang Verordnung vom 18. April 1984 über die berufliche Alters-, Hinterlassenen- und Invalidenvorsorge [BVV 2; SR 831.441.1]), worunter der Barwert einer Teuerungsanpassung, welche nur nach Massgabe der finanziellen Möglichkeiten entrichtet wird (Art. 36 Abs. 2 BVG), grundsätzlich nicht gehört; denn eine solche Teuerungsanpassung wird primär aus den freien Mittel finanziert (Botschaft des Bundesrates vom 1. März 2000 zur 1. BVG-Revision, BBl 2000 2693 Ziff. 4.1 zu Art. 36 Abs. 2 BVG), welche definitionsgemäss nicht zum Deckungskapital gehören.
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