BGE 139 V 50 |
8. Auszug aus dem Urteil der II. sozialrechtlichen Abteilung i.S. Bundesamt für Sozialversicherungen gegen SUVA (Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten) |
9C_298/2012 vom 17. Dezember 2012 |
Regeste |
Art. 5 Abs. 2 AHVG; Art. 6 Abs. 2 lit. b und Art. 7 lit. p AHVV; Art. 29 Abs. 3bis MVG; massgebender Lohn bei Taggeldern der Militärversicherung. |
Sachverhalt |
A. Bei der Schweizerischen Unfallversicherungsanstalt (SUVA), Abteilung Militärversicherung, wurde am 20. August 2008 durch die Revisionsstelle der Ausgleichskassen eine Arbeitgeberkontrolle für die Periode vom 1. Januar 2004 bis 31. Dezember 2007 durchgeführt. Dabei stellte sich heraus, dass bei den direkt an die Versicherten ausbezahlten Taggeldleistungen die Nettovergütungen abgerechnet worden waren.
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Die Eidgenössische Ausgleichskasse (EAK) verfügte am 4. Juni 2009, die ab 1. Januar 2008 direkt an die Versicherten ausbezahlten Militärversicherungstaggelder seien "netto für brutto aufzurechnen". Es seien die paritätischen AHV/IV/EO/ALV-Beiträge zu erheben und abzurechnen. Auf eine rückwirkende Korrektur ab 1. Januar 2006 werde verzichtet. Einspracheweise machte die SUVA geltend, hierfür fehle es an einer gesetzlichen Grundlage. In einer weiteren Eingabe vom 4. September 2009 gab die SUVA ein Rechtsgutachten zu den Akten. Mit Entscheid vom 31. März 2010 wies die EAK die Einsprache ab.
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B. Die von der SUVA, Abteilung Militärversicherung, hiegegen erhobene Beschwerde hiess das Verwaltungsgericht des Kantons Bern mit Entscheid vom 28. Februar 2012 gut und hob den Einspracheentscheid auf. (...)
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C. Das Bundesamt für Sozialversicherungen (BSV) führt Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten mit dem Antrag auf Aufhebung des kantonalen Entscheides.
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Während die SUVA, Abteilung Militärversicherung, auf Abweisung der Beschwerde schliesst, beantragt die EAK deren Gutheissung.
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(Auszug)
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Aus den Erwägungen: |
Erwägung 2 |
Als massgebender Lohn gemäss Art. 5 Abs. 2 AHVG gilt jedes Entgelt für in unselbstständiger Stellung auf bestimmte oder unbestimmte Zeit geleistete Arbeit (Satz 1). Er umfasst auch Teuerungs- und andere Lohnzulagen, Provisionen, Gratifikationen, Naturalleistungen, Ferien- und Feiertagsentschädigungen und ähnliche Bezüge, ferner Trinkgelder, soweit diese einen wesentlichen Bestandteil des Arbeitsentgeltes darstellen (Satz 2). Mit anderen Worten gehören zum massgebenden Lohn begrifflich sämtliche Bezüge der Arbeitnehmerin und des Arbeitnehmers, die wirtschaftlich mit dem Arbeitsverhältnis zusammenhängen, gleichgültig, ob dieses Verhältnis fortbesteht oder gelöst worden ist und ob die Leistungen geschuldet werden oder freiwillig erfolgen. Als beitragspflichtiges Einkommen aus unselbstständiger Erwerbstätigkeit gilt somit nicht nur unmittelbares Entgelt für geleistete Arbeit, sondern grundsätzlich jede Entschädigung oder Zuwendung, die sonst wie aus dem Arbeitsverhältnis bezogen wird, soweit sie nicht kraft ausdrücklicher gesetzlicher Vorschrift von der Beitragspflicht ausgenommen ist (BGE 133 V 556 E. 4 S. 558, BGE 133 V 153 E. 3.1 S. 156 f.; BGE 131 V 444 E. 1.1 S. 446; vgl. auch UELI KIESER, Alters- und Hinterlassenenversicherung, in: Soziale Sicherheit, SBVR Bd. XIV, 2. Aufl. 2007, S. 1249 f. Rz. 136; derselbe, Rechtsprechung des Bundesgerichts zum Sozialversicherungsrecht, Alters- und Hinterlassenenversicherung, 2. Aufl. 2005 [nachfolgend: AHVG], N. 92 zu Art. 5 AHVG; SCARTAZZINI/HÜRZELER, Bundessozialversicherungsrecht, 4. Aufl. 2012, S. 162 f. Rz. 141).
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2.3 Die zum massgebenden Lohn gehörenden Bestandteile werden in Art. 7 AHVV beispielhaft näher aufgeführt (BGE 133 V 346 E. 4 S. 347). Gemäss Art. 7 lit. p AHVV gehören Leistungen des Arbeitgebers, die in der Übernahme des Arbeitnehmerbeitrages für die Alters-, Hinterlassenen- und Invalidenversicherung, die Erwerbsersatzordnung und die Arbeitslosenversicherung sowie der Steuern bestehen, zum massgebenden Lohn; ausgenommen ist die Übernahme der Arbeitnehmerbeiträge auf Naturalleistungen und Globallöhnen (vgl. auch Rz. 2080 f. WML).
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Erwägung 4 |
4.2 Entgegen dem angefochtenen Entscheid ergibt sich nicht etwa bereits aus dem Wortlaut der Verordnungsbestimmung des Art. 7 lit. p AHVV, dass die Arbeitnehmerbeiträge nicht in deren Anwendungsbereich fallen. Die von der Vorinstanz hiefür angeführte Begründung, es liege keine Übernahme vor, weil der Arbeitnehmer die Beiträge gestützt auf Art. 29 Abs. 3bis MVG gar nicht schulde, greift, wie das BSV zu Recht geltend macht, zu kurz, weil sie das Beitragssystem der AHV - insbesondere den Paritätsgrundsatz - ausser Acht lässt:
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4.3 Mit der Einführung des Art. 7 lit. p AHVV sollte - wie sich den damaligen Erläuterungen des Verordnungsgebers zu den ab 1979 geltenden neuen Vorschriften auf dem Gebiet der Beiträge (ZAK 1978 S. 378 ff.) entnehmen lässt - dem Umstand Rechnung getragen werden, dass es vermehrt vorkam, dass der Arbeitgeber gewisse Leistungen, die der Arbeitnehmer schuldete, wie beispielsweise die bundesrechtlich geschuldeten Arbeitnehmerbeiträge für die AHV/IV/EO/ALV, selber trug. Es wurde deshalb vorgesehen, dass unter anderem die vom Arbeitgeber übernommenen Arbeitnehmeranteile an AHV/IV/EO/ALV-Beiträgen fortan dem massgebenden Lohn zugerechnet werden (ZAK 1978 S. 378 f.).
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Auch dieser Hintergrund legt die Vermutung nahe, dass die auf den 1. Januar 2006 erfolgte Gesetzesänderung, gemäss welcher die Beiträge statt wie bisher je hälftig vom Versicherten und von der Militärversicherung nun in vollem Umfang von der Militärversicherung getragen werden (Art. 29 Abs. 3bis MVG), so zu verstehen ist, dass nun auch der Arbeitnehmerbeitrag zulasten der Militärversicherung geht.
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4.5 Bestätigt wird diese Auslegung durch die Materialien zu den auf den 1. Januar 2006 revidierten Bestimmungen des MVG (Botschaft vom 22. Dezember 2004 zum Entlastungsprogramm 2004 für den Bundeshaushalt, BBl 2005 S. 759 ff.). Darin wird ausgeführt, der Leistungsansatz für künftige Leistungen werde von 95 auf 80 % herabgesetzt und entspreche damit dem Leistungsansatz in der obligatorischen Unfallversicherung (Taggeld und Invalidenrente) und in der Invalidenversicherung (Taggeld). Damit die Versicherten eine mit der obligatorischen Unfallversicherung vergleichbare Entschädigung ausbezahlt erhielten, übernehme die Militärversicherung künftig auch die Beiträge der Arbeitnehmer (BBl 2005 S. 807 Ziff. 2.1.7 und S. 860 Ziff. 2.4.1.5 zu Art. 29 Abs. 3bis MVG; AGNES LEU, Unterstellung und Beiträge der Bezüger und Bezügerinnen von Taggeldern, in: Arbeitsunfähigkeit und Taggeld, Schaffhauser/Kieser [Hrsg.], 2010, S. 145 ff., 183 f.). Die Reduktion des Leistungsansatzes von 95 auf 80 % entspreche einer Leistungskürzung von rund 16 %, werde aber mit der Übernahme des Arbeitnehmeranteils durch die Militärversicherung etwas reduziert (vgl. auch BBl 2005 S. 807 Ziff. 2.1.7). Mit anderen Worten bezieht sich die Passage der bundesrätlichen Botschaft, wonach eine mit der UV vergleichbare Entschädigung ausbezahlt werden solle (BBl 2005 S. 807 Ziff. 2.1.7), auf den massgebenden Satz des versicherten Verdienstes (Senkung von 95 % auf 80 %), welche Frage losgelöst von der hier interessierenden Beitragspflicht (von welcher Taggelder der Unfallversicherung gestützt auf Art. 6 Abs. 2 lit. b AHVV befreit sind) zu beantworten war.
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Die Behauptung der SUVA, der Verordnungsgeber habe mit der neu eingeführten Bestimmung vom allgemeinen Prinzip der Beitragsparität abweichen wollen, findet mithin auch in den Materialien, in welchen unmissverständlich von (ohnehin zulasten des Arbeitgebers gehendem) Arbeitgeberbeitrag und vom Arbeitgeber übernommenem Arbeitnehmerbeitrag die Rede ist, keine Stütze. Im Übrigen trifft es zwar zu, dass in der Militärversicherung verschiedene Besonderheiten bei der Beitragsbemessung gelten (vgl. dazu den Überblick bei LEU, a.a.O., S. 185 f.); allein daraus lässt sich indessen für die hier zu beantwortende Frage nichts ableiten.
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4.6 Dass sich die "Beiträge in vollem Umfang" aus Arbeitgeber- und Arbeitnehmerbeitrag zusammensetzen, ergibt sich auch aus einer weiteren Bestimmung: Art. 19 Abs. 1 der Verordnung vom 10. November 1993 über die Militärversicherung (MVV; SR 833.11) sieht vor, dass die Militärversicherung im Falle, dass das Taggeld dem Arbeitgeber zu Gunsten der versicherten Person ausbezahlt wird (Art. 29 Abs. 2 MVG), zusammen mit dem Taggeld die darauf entfallenden Arbeitgeber- und Arbeitnehmerbeiträge an die AHV, IV, EO und ALV entrichtet und der Arbeitgeber mit seiner Ausgleichskasse abrechnet. Art. 19 Abs. 2 MVV statuiert für den Fall der ausnahmsweisen direkten Ausrichtung an die versicherte Person, dass die Militärversicherung die Arbeitgeber- und Arbeitnehmerbeiträge der EAK entrichtet und mit ihr darüber abrechnet. Mit anderen Worten gilt die Militärversicherung in dieser Konstellation als Arbeitgeberin für die ausgerichteten Taggelder (vgl. auch Wegleitung des BSV über den Bezug der Beiträge [WBB] in der AHV, IV und EO [Stand am 1. Januar 2010] Rz. 1016 in Verbindung mit Art. 6 Abs. 2 lit. b AHVV http://www.bsv.admin.ch/vollzug/documents/index/category:22/lang:deu).
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4.9 Zusammenfassend ergibt sich, dass gestützt auf Art. 7 lit. p AHVV die AHV/IV/EO/ALV-Arbeitnehmerbeiträge, welche die SUVA, Abteilung Militärversicherung, als Arbeitgeberin auf den von ihr direkt an die Versicherten ausgerichteten Militärversicherungstaggeldern übernommen hat, massgebenden Lohn darstellen. Für die Beitragsbemessung sind die ausgerichteten Taggelder deshalb durch Aufrechnung der übernommenen AHV/IV/EO/ALV-Arbeitnehmerbeiträge in Bruttowerte umzurechnen.
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