BGE 139 V 263 |
36. Auszug aus dem Urteil der II. sozialrechtlichen Abteilung i.S. Schweizerische Ausgleichskasse SAK gegen M. (Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten) |
9C_662/2012 vom 19. Juni 2013 |
Regeste |
Art. 18 Abs. 3 AHVG; Abkommen zwischen der Schweizerischen Eidgenossenschaft und der Föderativen Volksrepublik Jugoslawien über Sozialversicherung. |
Sachverhalt |
A. Der 1977 geborene M. ist kosovarischer Staatsangehöriger und wohnt in Kosovo. Von Mai 2003 bis Januar 2005 hatte er im Hotel X. gearbeitet und obligatorische Beiträge an die schweizerische Alters-, Hinterlassenen- und Invalidenversicherung (AHV/IV) geleistet. Mit einem vom 18. Mai 2008 datierten Antragsformular (Eingang: 3. Juni 2010) ersuchte er die Schweizerische Ausgleichskasse (nachfolgend: SAK) um Rückvergütung der AHV-Beiträge. Diese verfügte am 16. August 2010 einen Rückvergütungsbetrag von Fr. 2'409.-. In der Folge beantragte M. einspracheweise die Neuberechnung des Rückvergütungsbetrags, eventualiter wolle er seine Altersrente abwarten. Mit Einspracheentscheid vom 28. Juli 2011 hielt die SAK fest, dass M. von der ihm mit Schreiben vom 22. Juni 2011 eröffneten Möglichkeit der Rückgängigmachung der Rückvergütung - durch Rückerstattung des Rückvergütungsbetrags an die SAK - keinen Gebrauch gemacht habe. Ferner sei der Rückvergütungsbetrag ordnungsgemäss und nach den einschlägigen Gesetzesbestimmungen berechnet worden.
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B. Das Bundesverwaltungsgericht hiess die dagegen erhobene Beschwerde mit dem sinngemässen Antrag auf Aufhebung des angefochtenen Entscheides sowie Neuberechnung des Rückvergütungsbetrags und eventualiter auf Ausrichtung einer monatlichen Altersrente teilweise gut, hob den Einspracheentscheid vom 28. Juli 2011 auf und wies das Gesuch von M. um Rückvergütung der AHV-Beiträge ab (Entscheid vom 4. Juli 2012). In der Begründung führte es aus, dass das zwischen der Schweiz und dem ehemaligen Jugoslawien abgeschlossene Sozialversicherungsabkommen auf kosovarische Staatsangehörige weiter anwendbar sei und daher kein Rückvergütungsanspruch bestehe, wobei der Beschwerdeführer auf die Möglichkeit hingewiesen wurde, nach Erreichen des Rentenalters bei der SAK die Ausrichtung einer Altersrente zu beantragen.
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C. Die SAK erhebt Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten und beantragt, der Entscheid vom 4. Juli 2012 sei aufzuheben und der Einspracheentscheid vom 28. Juli 2011 zu bestätigen.
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Das Bundesamt für Sozialversicherungen (BSV) schliesst auf Gutheissung der Beschwerde. M. und das Bundesverwaltungsgericht verzichten auf eine Vernehmlassung.
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D. In Bezug auf die Rechtsfrage, ob das zwischen der Schweiz und dem ehemaligen Jugoslawien abgeschlossene Sozialversicherungsabkommen nach dem 1. April 2010 weiterhin auf kosovarische Staatsangehörige anzuwenden ist, ist zwischen den sozialrechtlichen Abteilungen das Verfahren gemäss Art. 23 Abs. 2 BGG durchgeführt worden.
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Das Bundesgericht heisst die Beschwerde gut.
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Aus den Erwägungen: |
Erwägung 2 |
Art. 2 Abs. 1 RV-AHV normiert, dass die Beiträge zurückgefordert werden können, sobald die Person aller Voraussicht nach endgültig aus der Versicherung ausgeschieden ist und sowohl sie selber als auch die Ehefrau oder der Ehemann und ihre noch nicht 25-jährigen Kinder nicht mehr in der Schweiz wohnen.
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Am 17. Februar 2008 erklärte sich die serbische Provinz Kosovo für unabhängig. Der Bundesrat hat den Kosovo am 27. Februar 2008 als unabhängigen Staat anerkannt. Damit entstand aus der Sicht der Schweiz ein eigenständiges Staatsgebilde (BGE 130 II 217 E. 5.3 Abs. 1 S. 222; SAMANTHA BESSON, Droit international public, 2011, S. 48; KÄLIN/EPINEY/CARONI/KÜNZLI, Völkerrecht, 3. Aufl. 2010, S. 150). Das Bundesgericht bezeichnete den Kosovo denn auch als souveränen Staat (Urteil 2C_738/2008 vom 15. April 2009 E. 3.3 Abs. 3). Am 22. Juli 2010 kam der Internationale Gerichtshof zum Schluss, dass die Unabhängigkeitserklärung des Kosovos kein Völkerrecht verletzt. Insbesondere stand die Resolution 1244 des UNO-Sicherheitsrates aus dem Jahr 1999 der Unabhängigkeitserklärung Kosovos nicht entgegen (International Court of Justice, Year 2010, 22 July, General List No. 141, Rz. 84 und 119). Kosovo ist mittlerweile (Stand: 16. März 2013) von 99 der insgesamt 193 UNO-Mitgliedsstaaten diplomatisch anerkannt, darunter 22 der 27 EU-Mitgliedsstaaten sowie die USA (http://www.kosova.org)."
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Erwägung 4 |
Erwägung 4.2 |
4.2.3 Die Wiener Konvention über die Staatennachfolge in völkerrechtliche Verträge von 1978 (nachfolgend: Wiener Konvention), die 1996 in Kraft getreten ist und regelt, was bei einer Staatennachfolge mit bereits bestehenden völkerrechtlichen Verträgen geschehen soll, hat die Schweiz, wie fast alle Länder Westeuropas, nicht ratifiziert (zur Zeit sind lediglich 37 Staaten Vertragspartei [abrufbar unter http://treaties.un.org unter Status of Treaties/Chapter XXIII]). Es wurden teilweise Regelungen kodifiziert, die vom Völkergewohnheitsrecht abweichen (BESSON, a.a.O., S. 55; KNUT IPSEN, Völkerrecht, 5. Aufl., München 2004, S. 153 Rz. 14; LUCIUS CAFLISCH, La pratique suisse en matière de droit international public 1992, SZIER 1993 S. 709), was die geringe Akzeptanz und mangelnde praktische Relevanz zu erklären vermag (ANDREAS ZIMMERMANN, Staatennachfolge in völkerrechtliche Verträge, Berlin 2000, S. 827). ANDREAS R. ZIEGLER (Einführung in das Völkerrecht, 2. Aufl. 2011, S. 253 Rz. 553 in fine) ist der Meinung, dass die Ausarbeitung der Konvention sehr stark unter dem Eindruck der Entkolonialisierung erfolgt sei, weshalb sie vor allem von vielen Industriestaaten eher kritisch betrachtet werde. Die Schweiz bemängelte denn auch, dass die Wiener Konvention für den Tatbestand der Zergliederung (Dismembration) und der Sezession (Art. 34 der Wiener Konvention) anders als für denjenigen der Entkolonialisierung (Art. 16 der Wiener Konvention) eine automatische Weitergeltung der bilateralen Verträge statuiert. Ein solcher Automatismus finde keinen Halt im Völkergewohnheitsrecht (vgl. zu den diesbezüglichen Elementen HANS KELSEN, Ecrits français de droit international, 2001, S. 68 ff.). Jedenfalls lasse sich weder vor 1978 noch danach eine (entsprechende) einheitliche Staatenpraxis ausmachen (LUCIUS CAFLISCH, La pratique suisse en matière de droit international public 1991, SZIER 1992 S. 580 oben Ziff. 3 Abs. 2; vgl. auch PHILIPPE CAHIER, Quelques aspects de la Convention de 1978 sur la succession d'Etats en matière de traités, in: Mélanges Georges Perrin, Dutoit/Grisel [Hrsg.], 1984, S. 76).
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Zwar hat das Bundesgericht in BGE 105 Ib 286 E. 1c S. 290, in welchem Fall es um die Anwendbarkeit des Auslieferungsvertrags zwischen der Schweiz und Grossbritannien von 1880 auf Südafrika ging, den (zweiten) Kodifikationsentwurf der Wiener Konvention aus dem Jahre 1974 (noch) als massgebende Rechtsquelle herangezogen (zur Entstehung der Wiener Konvention vgl. ZIMMERMANN, a.a.O., S. 194 ff.). Daran kann jedoch - zumindest hier - schon deshalb nicht angeknüpft werden, weil die fragliche Rechtsprechung im Verhältnis zu einer ehemaligen Kolonie Grossbritanniens erging, welche Tatbestandsregelung im Teil III der Wiener Konvention (Art. 16 ff.), wie soeben ausgeführt, als unproblematisch(er), da weitgehend mit der ausgeübten Praxis übereinstimmend (vgl. ZIMMERMANN, a.a.O., S. 232 f.), angesehen wurde.
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4.3 Dem Begriff der Staatennachfolge ist eine doppelte Bedeutung immanent. Auf der einen Seite beschreibt er eine rein tatsächliche Situation, die den Wechsel der Gebietshoheit betrifft. Je nach Typus der territorialen Staatennachfolge - u.a. Zergliederung (Dismembration), Sezession, Zession, Fusion oder Inkorporation (vgl. dazu statt vieler KÄLIN/EPINEY/CARONI/KÜNZLI, a.a.O., S. 47 oben; BRIGITTE STERN, La succession d'Etats, in: Recueil des cours de l'Académie de droit international de La Haye, Bd. 262, Den Haag 1996, S. 89 oben; ULRICH FASTENRATH, Das Recht der Staatensukzession, in: Das Recht der Staatensukzession, Berichte der Deutschen Gesellschaft für Völkerrecht, Bd. 35, 1996, S. 14) - wird von einer vollständigen oder partiellen Staatennachfolge gesprochen. Eine vollständige Staatennachfolge liegt im Fall des vollständigen Untergangs des Vorgängerstaates vor, indem dieser unter Verlust seiner Völkerrechtssubjektivität Teil eines anderen Staates wird oder in mehreren Nachfolgestaaten aufgeht; so bei der Dismembration, Fusion, Inkorporation oder Annexion. Bei einer partiellen Staatennachfolge, wie in den Fällen des Übergangs nur eines Gebietsteils bzw. der Loslösung einer Kolonie oder des Unabhängigwerdens eines vormals abhängigen Gebiets, besteht der Vorgängerstaat weiter fort (IPSEN, a.a.O., S. 345 Rz. 5; MÜLLER/WILDHABER, Praxis des Völkerrechts, 3. Aufl. 2001, S. 251; FRANK HORN, Conception et principes de la citoyenneté dans les démocraties occidentales modernes, in: Nationalité et succession d'Etats, Collection Science et technique de la démocratie, Europarat [Hrsg.], 1998, S. 76 f. Nr. 21 unten). Auf der anderen Seite umfasst der Begriff der Staatennachfolge eine rechtliche Spezifizierung, mit dem die Übertragung sämtlicher Rechte und Pflichten des Vorgängerstaats auf den Nachfolgestaat zum Ausdruck gebracht wird. Sie kann durchaus mit der Situation eines Erben verglichen werden. Dass tatsächliche (rein territoriale) und rechtliche Nachfolge zusammenfallen, ist nicht zwingend. Aus diesem Grund ist zwischen Nachfolgerstaat (Etat successeur) und Fortsetzerstaat (Etat continuateur) zu unterscheiden. Dieser letztere Ausdruck bezeichnet einen Staat, der automatisch an die Stelle des Vorgängerstaates tritt, sich als dessen natürlicher Nachfolger präsentiert, ohne dass es einer Anerkennung bedarf. Ein Fortsetzerstaat übernimmt vorbehaltlos und von allein alle Rechte und Pflichten des Vorgängerstaats. Insoweit besteht Identität zwischen "zwei" Staaten. Demgegenüber bilden Nachfolgerstaaten neue unabhängige Völkerrechtspersönlichkeiten und können - über den territorialen Aspekt hinaus - keine Identität mit ihren jeweiligen Vorgängerstaaten beanspruchen (vgl. zum Ganzen BESSON, a.a.O., S. 56; DAILLIER/FORTEAU/PELLET, Droit international public, 8. Aufl., Paris 2009, S. 602 N. 352; STERN, a.a.O., S. 88-103; LUCIUS CAFLISCH, La pratique suisse en matière de droit international public 1995, SZIER 1996 S. 618 f.).
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Anzumerken bleibt, dass die Stellung eines Fortsetzerstaats nur beanspruchen kann, wer über die entsprechende Gutheissung von Drittstaaten verfügt. Im Verhältnis zur ehemaligen Sowjetunion bestanden keine rechtshindernden Umstände, Russland als Fortsetzerstaat zu betrachten. Serbien-Montenegro (vgl. E. 5.4 Abs. 1) dagegen wurde ein entsprechender Anspruch hinsichtlich der Föderativen Volksrepublik Jugoslawien verweigert (BESSON, a.a.O., S. 56; DAILLIER/FORTEAU/PELLET, a.a.O., S. 588 N. 344 lit. b; IPSEN, a.a.O., S. 70 ff. Rz. 18 und 19; ZIMMERMANN, a.a.O., S. 303 ff., insbesondere S. 334 und 380 ff., insbesondere S. 421; PHOTINI PAZARTZIS, La succession d'Etats aux traités multilatéraux, Paris 2002, S. 46 und 54-60; MICHAEL SILAGI, Staatsuntergang und Staatennachfolge mit besonderer Berücksichtigung des Endes der DDR, Frankfurt/M. 1996, S. 72 f.; andere Sichtweise CHRISTINE KREUZER, Staatsangehörigkeit und Staatensukzession, Die Bedeutung der Staatensukzession für die staatsangehörigkeitsrechtlichen Regelungen in den Staaten der ehemaligen Sowjetunion, Jugoslawiens und der Tschechoslowakei, Berlin 1998, S. 75 f. unten Ziff. 2).
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Beim Prinzip der Kontinuität wird davon ausgegangen, dass alle Verträge automatisch auf den neuen Staat übergehen, der ohne weiteres an sie gebunden ist. Es wird vor allem auf bestimmte Vertragsarten, namentlich Menschenrechts- und Grenzverträge, angewendet. Beim Prinzip der Kontinuität ad interim übernimmt der neue Staat die Verträge des Vorgängerstaates zwar automatisch, diese gelten jedoch nur so lange weiter, bis der Nachfolgerstaat oder sein Vertragspartner erklärt, den Vertrag nicht weiterführen zu wollen. Beim Prinzip der tabula rasa beginnt der neue Staat seine Existenz vertragslos; er ist nicht an die Verträge des Vorgängerstaates gebunden, kann aber ausdrücklich oder durch konkludentes Verhalten kundtun, sie übernehmen zu wollen (KÄLIN/EPINEY/CARONI/KÜNZLI, a.a.O., S. 47-53; BESSON, a.a.O., S. 58-60; ZIEGLER, a.a.O., S. 252-256; vgl. auch THEODOR SCHWEISFURTH, Das Recht der Staatensukzession, Die Staatenpraxis der Nachfolge in völkerrechtliche Verträge, Staatsvermögen, Staatsschulden und Archive in den Teilungsfällen Sowjetunion, Tschechoslowakei und Jugoslawien, in: Das Recht der Staatensukzession, Berichte der Deutschen Gesellschaft für Völkerrecht, Bd. 35, 1996, S. 229 f.; STERN, a.a.O., S. 235 f.; PAZARTZIS, a.a.O., S. 35-39; DAILLIER/FORTEAU/PELLET, a.a.O., S. 602 f.; zu den Grenz- und Menschenrechtsverträgen detailreich ZIMMERMANN, a.a.O., S. 451 ff., insbesondere S. 484, und 543 ff., insbesondere S. 572).
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Von den einzelnen Prinzipien wird nicht tel quel Gebrauch gemacht. Je nach betroffenen Sachgebieten (vgl. beispielsweise die Menschenrechts- und Grenzverträge) und je nach betroffenem (Dritt-)Staat und dessen völkerrechtlichen Verpflichtungen (vgl. E. 4.2.3) kommen sie in unterschiedlicher Art und Weise zur Anwendung (KÄLIN/EPINEY/CARONI/KÜNZLI, a.a.O., S. 47 unten; vgl. im Einzelnen SCHWEISFURTH, a.a.O., S. 89 ff.; zur Praxis von Drittstaaten ausführlich ZIMMERMANN, a.a.O., ab S. 314 ff.).
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Erwägung 5 |
5.2 In BGE 105 Ib 286 E. 1c S. 291 (in Bezug auf die Anwendbarkeit des Auslieferungsvertrags zwischen der Schweiz und Grossbritannien von 1880 auf Südafrika) hat das Bundesgericht festgehalten, es könne nicht auf eine gewohnheitsrechtliche Regel geschlossen werden, wonach Verträge, die ein Gebietsvorgänger abgeschlossen hat, ohne weiteres im Verhältnis zwischen einem neu entstandenen Staat und der Gegenpartei des Gebietsvorgängers Gültigkeit behalten. Ein bilateraler Vertrag behalte seine Gültigkeit nur, wenn der neue Staat und die Gegenpartei übereinkommen, den Vertrag aufrechtzuerhalten; dies könne ausdrücklich oder durch konkludentes Handeln erfolgen. In Bestätigung dieser Rechtsprechung führte das Bundesgericht in BGE 111 Ib 52 E. 2a S. 53 (in Bezug auf die Anwendbarkeit des Auslieferungsvertrags zwischen der Schweiz und Serbien von 1887 auf die Föderative Volksrepublik Jugoslawien) aus: "La succession d'un Etat partie à un traité d'extradition ne va pas de soi, du moment qu'un tel acte international postule une certaine harmonisation de la poursuite pénale entre les Etats qui y sont parties. Aussi le Tribunal fédéral a-t-il toujours refusé de présumer que les engagements résultant d'un traité soient repris par un Etat substitué à un autre dans la communauté internationale, en l'absence d'une déclaration expresse de cet Etat ou d'actes concluants (...). Il a admis, a contrario, qu'un traité conservait sa validité si, dans les rapports entre la Suisse et l'Etat successeur, ce traité a été renouvelé expressément ou tacitement, par actes concluants" (ebenso BGE 120 Ib 120 E. 1b S. 123 in Bezug auf die Anwendbarkeit des Auslieferungsvertrags zwischen der Schweiz und Serbien [übergegangen auf die Föderative Volksrepublik Jugoslawien] von 1887 auf Slowenien; BGE 120 Ib 189 E. 2b S. 190 in Bezug auf die Anwendbarkeit des Auslieferungsvertrags zwischen der Schweiz und Grossbritannien von 1880 auf Malta [u.a. mit Hinweis auf Art. 24 Ziff. 1 der Wiener Konvention, der in Verbindung mit dem Tatbestand der Entkolonialisierung (vgl. E. 4.2.3) steht]; vgl. auch Urteil P.1007/1980 vom 27. März 1981 E. 1b, nicht publiziert in: BGE 107 Ib 68, in Bezug auf die Anwendbarkeit des Auslieferungsvertrags zwischen der Schweiz und Grossbritannien von 1880 auf Sri Lanka, das keine entsprechende Erklärung abgegeben hatte, weshalb der Vertrag nicht anwendbar war). In BGE 123 II 511 E. 5d S. 518, in welchem die Auslieferung eines Staatsangehörigen von Kasachstan, einem Nachfolgerstaat der aufgelösten Sowjetunion, zu beurteilen war, fügte das Bundesgericht an: "En tant qu'Etat successeur de l'ancienne URSS, la République du Kazakhstan est libre d'exprimer ou non son consentement à être liée par les traités auxquels l'Etat dont elle est issue est partie. L'expression de ce consentement peut prendre la forme d'une simple déclaration de succession. Celle-ci constitue un mode de participation au traité de même valeur que la ratification ou l'adhésion, à ceci près qu'une telle déclaration produit un effet rétroactif à la date de l'accession à l'indépendance de l'Etat successeur."
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In gleichem Sinn war die Schweiz in Bezug auf das Abkommen über Abmachungen im Agrarbereich zwischen ihr und der Tschechischen und Slowakischen Föderativen Republik (CSFR) vorgegangen. Beide Nachfolgerstaaten - die Tschechische und die Slowakische Republik (IPSEN, a.a.O., S. 72 Rz. 19; KREUZER, a.a.O., S. 76) - hatten in Schreiben an die Schweiz vom 8. Dezember 1992 bekannt gemacht, dass sie die Absicht hätten, das Abkommen zu übernehmen. Die Schweiz nahm in einer Antwort vom 17. Dezember 1992 die Schreiben zur Kenntnis und erklärte sich damit einverstanden, das Abkommen ab dem 1. Januar 1993 - bis zum endgültigen Entscheid - auf provisorischer Basis anzuwenden (AS 1993 3112 und 3116; SCHWEISFURTH, a.a.O., S. 98 Mitte; ZIMMERMANN, a.a.O., S. 347 und 363).
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Am 3. Juni 2006 proklamierte Montenegro seine Unabhängigkeit. Durch Notenaustausch vom 29. Juni/10. Juli 2007 bestätigten die Schweiz und Montenegro die beiderseitige Weitergeltung des Sozialversicherungsabkommens (AS 2008 1737). Mit Blick auf das (verbliebene) Staatsgebiet der Republik Serbien ergab sich keine Änderung (vgl. E. 3). Diese trat an die Stelle der Bundesrepublik Jugoslawien resp. nahm deren Platz ein. So war es der neue Staat Montenegro, der als Nachfolgerstaat neu ein Gesuch um Aufnahme in die UNO zu stellen hatte (BESSON, a.a.O., S. 57; LUCIUS CAFLISCH, La pratique suisse en matière de droit international public 2002, SZIER 2003 S. 471).
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In neuen Abkommen mit den Republiken Kroatien (1996), Slowenien (1997) und Mazedonien (1999) über Soziale Sicherheit hat die Schweiz Vereinbarungen getroffen, derer zufolge das Sozialversicherungsabkommen ex nunc ausser Kraft getreten ist (SR 0.831. 109.291.1 [Art. 40], 0.831.109.691.1 [Art. 39] und 0.831.109.520.1 [Art. 41]). Auch in Bezug auf die Republiken Serbien und Montenegro sollen neu ausgehandelte bilaterale Abkommen das alte Sozialversicherungsabkommen ablösen. Eine innerstaatliche Genehmigung steht jedoch noch aus (Medienmitteilung des BSV vom 11. Oktober 2010 [abrufbar unter http://www.bsv.admin.ch unter Aktuell/Medieninformationen]; Liste der Sozialversicherungsabkommen [abrufbar unter http://www.bsv.admin.ch unter Themen/Internationales/Abkommen]).
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Erwägung 6 |
6.2 Wie das Bundesverwaltungsgericht in seinem Grundsatzentscheid C-4828/2010 vom 7. März 2011 E. 4.3.1-4.3.3 S. 12 f., auf das im hier angefochtenen Entscheid vollumfänglich verwiesen wurde, dargelegt hat, ersuchte der Kosovo im Nachgang zur Anerkennung mit diplomatischer Note vom 21. Oktober 2009 darum, das bisher mit Serbien geltende schweizerisch-jugoslawische Sozialversicherungsabkommen weiterzuführen. In Beantwortung dieser Note erklärte der Bundesrat seinerseits mit diplomatischer Note vom 18. Dezember 2009 an den Kosovo, dass die Schweiz das Abkommen und die Verwaltungsvereinbarung, welche seit dessen Unabhängigkeit zunächst auf informeller Basis weitergeführt worden seien, mit dem Kosovo nicht mehr weiterführen wolle. Demzufolge werde die Schweiz dieses Abkommen mit Wirkung ab 1. Januar 2010 nicht mehr weiterführen, die konkrete Umsetzung erfolge aber in analoger Anwendung der entsprechenden Kündigungsvorschriften ("However, Switzerland is ready to apply the respective provisions of denunciation by analogy") erst auf den 31. März 2010. Auf diesen Notenaustausch hat Kosovo in der Folge nicht mehr reagiert. Die Direktion für Völkerrecht veröffentlichte im Auftrag des Bundesrates (vgl. Beschluss des Bundesrates vom 16. Dezember 2009) am 23. März 2010 die "Beendigung der Anwendung" des Sozialversicherungsabkommens und der Verwaltungsvereinbarung auf Kosovo mit Wirkung ab 1. April 2010 (AS 2010 1203). Bereits am 29. Januar 2010 hatte das BSV im IV-Rundschreiben Nr. 290 über die Nichtweiteranwendung des Sozialversicherungsabkommens ab 1. April 2010 orientiert. Zu den Auswirkungen wurde festgehalten, dass vor dem 31. März 2010 mit Verfügung zugesprochene Renten weiterhin an Staatsangehörige des Kosovos mit Wohnsitz innerhalb und ausserhalb der Schweiz ausgerichtet würden, mit Ausnahme der Viertelsrenten, die nicht exportiert werden könnten. Nach diesem Zeitpunkt zugesprochene Renten würden nur noch bei Wohnsitz in der Schweiz gewährt und nicht mehr ins Ausland exportiert. Für alle bis zum 31. März 2010 noch hängigen, nicht verfügten Fälle würden dieselben Rechtsgrundlagen gelten wie für Staatsangehörige aus Nichtvertragsstaaten.
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Gemäss weiterer vorinstanzlicher Darlegung im erwähnten Grundsatzentscheid begründete der Bundesrat seine Haltung damit, dass sich die Zusammenarbeit mit den kosovarischen Behörden, die für die Umsetzung eines Sozialversicherungsabkommens unabdingbar sei, als schwierig erwiesen habe. Der Staat befinde sich im Aufbau und verfüge noch nicht über ein funktionierendes Sozialversicherungssystem. Das alte Abkommen entspreche zudem nicht mehr der geltenden schweizerischen und kosovarischen Gesetzgebung und genüge den neuen Anforderungen der Schweiz an die zwischenstaatliche Zusammenarbeit auf dem Gebiet der Betrugsbekämpfung nicht (vgl. Antwort des Bundesrates vom 4. Juni 2010 auf die Motion Rennwald - Erneuerung des Sozialversicherungsabkommens mit Kosovo - [10.3039]; abrufbar unter http://www.parlament.ch unter Dokumentation/Curia Vista).
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6.3 Das BSV präzisierte in seiner Vernehmlassung zum vorliegenden Verfahren, dass die Note Kosovos vom 21. Oktober 2009 nicht der erste Schritt in der Frage, welche bilateralen Abkommen weitergeführt werden sollen, gewesen sei. Vielmehr handle es sich dabei um einen späten Gegenvorschlag auf Vorschläge der Schweiz, die diese schon im Juni 2008 gegenüber Kosovo gemacht habe. Der Vorschlag der Schweiz habe ursprünglich darin bestanden, sämtliche Abkommen, die mit der Republik Serbien in Kraft standen, auch im Verhältnis mit Kosovo weiterzuführen, darunter neben dem Sozialversicherungsabkommen ein Handels- und Wirtschaftsabkommen, ein Doppelbesteuerungs- sowie ein Investitionsschutzabkommen. Demgegenüber sei Kosovo gemäss einer Antwort vom 21. Oktober 2009 nur bereit gewesen, das Sozialversicherungsabkommen sowie zwei unbedeutende ältere Vereinbarungen zu übernehmen. Angesichts dieses Ungleichgewichts sowie der bereits langen Dauer der Versuche, zu einer Einigung zu kommen, habe der Bundesrat am 16. Dezember 2009 beschlossen, grundsätzlich auf eine Übernahme der mit der Republik Serbien bestehenden Abkommen ins Verhältnis mit Kosovo zu verzichten, und den Behörden Kosovos stattdessen vorgeschlagen, Verhandlungen zum Abschluss neuer Abkommen mit der Schweiz aufzunehmen. Dies sei Kosovo mit diplomatischer Note vom 18. Dezember 2009 mitgeteilt worden.
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Der Umstand, dass die Schweiz das Sozialversicherungsabkommen vorläufig weiter anwendete, vermag nicht zu einem anderen Ergebnis zu führen. Die Republik Kosovo war sich jederzeit bewusst, dass es zur definitiven Übernahme einer Einigung mit der Schweiz bedurfte (vgl. E. 6.2 und 6.3). Sie war sich somit über die bedingte Weitergeltung im Klaren. Mit dem endgültigen Entscheid der Schweiz, keine zwischen ihr und der Republik Serbien bestehenden Abkommen auf die Republik Kosovo zu übertragen, wurde ausschliesslich der Schwebezustand und nicht das Sozialversicherungsabkommen selber beendet. Die im Falle einer ordentlichen Vertragskündigung geltenden Verfahrensvorschriften, sei es diejenige gemäss Art. 25 Abs. 1 des Sozialversicherungsabkommens (vgl. E. 4.2.1) oder diejenige gemäss Wiener Übereinkommen (Art. 65 VRK, wonach die Beendigung zu notifizieren ist [Abs. 1] und die Vertragspartei innerhalb einer Frist, die in der Regel nicht weniger als drei Monate seit Empfang der Notifikation beträgt, Einsprache erheben kann [Abs. 2]), waren daher nicht weiter zu beachten. Soweit die Schweiz trotzdem "the respective provisions of denunciation" analog heranzog, ist darauf hinzuweisen, dass eine analoge - und somit nicht unmittelbare - Anwendung eine integrale und strikte Übertragung der entsprechenden Verfahrensnormen von vornherein ausschliesst. Abgesehen davon ist auslegungsbedürftig, ob mit der zitierten englischen Passage die im Wiener Übereinkommen statuierte Kündigungsregelung (Art. 65 VRK) oder diejenige des Sozialversicherungsabkommens (Art. 25 Abs. 1) gemeint ist. Das Bundesverwaltungsgericht befand im bereits erwähnten Grundsatzurteil (C-4828/2010 E. 6.2 Abs. 1 in initio), ohne seine Auffassung jedoch zu begründen, dass sich die fragliche Wendung auf die im Wiener Übereinkommen vorgesehene Regelung beziehe. Die Frage kann offenbleiben. So oder anders statuieren beide Regelwerke eine (mindestens) dreimonatige Frist, welche die Schweiz - in sinngemässer Anwendung - eingehalten hat (vgl. E. 6.2 Abs. 1 supra). Dass das BSV die Nichtweiteranwendung des Sozialversicherungsabkommens ab 1. April 2010 schon Ende Januar 2010, also vor Ablauf der Dreimonatsfrist publiziert hat, bleibt angesichts der herrschenden Rechtslage ohne Bewandtnis. Die Verbindlichkeit der Dreimonatsfrist wurde dadurch nicht berührt.
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Im Übrigen wird mit der pragmatischen Weiteranwendung deutlich, dass Verträge nicht nur eine pränatale, sondern auch eine postmortale Existenz haben können. Erstere ist in Art. 25 VRK als vorläufige Anwendung eines noch nicht in Kraft getretenen Vertrages geregelt (vgl. auch E. 7.1 Abs. 3). Demgegenüber steht hier die Anwendung eines nicht mehr in Kraft befindlichen Vertrages zur Diskussion. Spiegelbildlich wäre daher für die vorliegende Konstellation der Begriff "nachherige" Anwendung zu gebrauchen. Dabei spricht die Dogmatik für eine sinngemässe Übertragung von Art. 25 VRK, nach dessen Abs. 2 der Schwebezustand einseitig durch Notifikation - ohne Weiterungen - beendet werden darf (SCHWEISFURTH, a.a.O., S. 223 oben).
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Erwägung 7 |
Art. 166 Abs. 1 BV stipuliert, dass sich die Bundesversammlung an der Gestaltung der Aussenpolitik beteiligt und die Pflege der Beziehung zum Ausland beaufsichtigt. Sie genehmigt die völkerrechtlichen Verträge; ausgenommen sind die Verträge, für deren Abschluss auf Grund von Gesetz oder völkerrechtlichem Vertrag der Bundesrat zuständig ist (Abs. 2).
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Ist die Bundesversammlung für die Genehmigung eines völkerrechtlichen Vertrages zuständig, so kann der Bundesrat die vorläufige Anwendung beschliessen oder vereinbaren, wenn die Wahrung wichtiger Interessen der Schweiz und eine besondere Dringlichkeit es gebieten. Die vorläufige Anwendung endet, wenn der Bundesrat nicht binnen sechs Monaten ab Beginn der vorläufigen Anwendung der Bundesversammlung den Entwurf des Bundesbeschlusses über die Genehmigung des betreffenden Vertrags unterbreitet. Der Bundesrat notifiziert den Vertragspartnern das Ende der vorläufigen Anwendung (Art. 7b des Regierungs- und Verwaltungsorganisationsgesetzes vom 21. März 1997 [RVOG; SR 172.010]).
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7.2 Soweit es im Zusammenhang mit der vorliegenden Frage nach der Weitergeltung des Sozialversicherungsabkommens überhaupt der Mitwirkung der Bundesversammlung bedarf (vgl. CAFLISCH, SZIER 2009 S. 583), ist festzuhalten, dass es im Verhältnis zur Republik Kosovo mangels übereinstimmender Willensäusserungen nicht zu einer Vertragsübernahme gekommen ist. Es liegt in der alleinigen Kompetenz des Bundesrates, Vertragsverhandlungen aufzunehmen und völkerrechtliche Verträge abzuschliessen. Die Bundesversammlung kann zwar mit Motionen (vgl. E. 6.2 in fine), Postulaten und Initiativen den Bundesrat anhalten und auffordern, den Abschluss bestimmter Verträge an die Hand zu nehmen, doch kann sie ihn nicht verpflichten, bestimmte aussenpolitische Handlungen vorzunehmen, da diese in den dem Bundesrat vorbehaltenen Bereich der Führung der Aussenpolitik fallen (THÜRER/TRUONG/SCHWENDIMANN, in: Die schweizerische Bundesverfassung, Kommentar, Bernhard Ehrenzeller [Hrsg.], 2. Aufl. 2008, N. 11 zu Art. 184 BV; HÄFELIN/HALLER/KELLER, Schweizerisches Bundesstaatsrecht, 8. Aufl. 2012, S. 617 Rz. 1899; BIAGGINI/GÄCHTER/KIENER, Staatsrecht, 2011, S. 315 Rz. 140; PIERRE TSCHANNEN, Staatsrecht der schweizerischen Eidgenossenschaft, 3. Aufl. 2011, S. 601 Rz. 7 f.). Dies führt zur Schlussfolgerung, dass es in der alleinigen Zuständigkeit des Bundesrats lag, auf die Weiterführung des Sozialversicherungsabkommens im Verhältnis zur Republik Kosovo zu verzichten.
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Erwägung 9 |
9.1 Das Bundesverwaltungsgericht hat in seinem Grundsatzentscheid BVGE 2010/41 E. 6.4.2 S. 14 ff., auf das im bereits erwähnten Urteil C-4828/2010 vom 7. März 2011 (vgl. E. 6.2) verwiesen wird, festgestellt, dass Personen aus dem Kosovo neben der Staatsangehörigkeit des Kosovos auch die serbische Staatsangehörigkeit besitzen. Die neue serbische Verfassung, in Kraft seit 8. November 2006, schliesse die Unabhängigkeit Kosovos ausdrücklich aus. Unter diesen Umständen würden die Angehörigen von Kosovo grundsätzlich von den serbischen Behörden als serbische Staatsangehörige betrachtet. Nachdem die serbische Regierung Kosovo nicht als unabhängigen Staat anerkenne, habe die serbische Staatsangehörigkeit nicht geendet. Auf der anderen Seite lasse Kosovo die mehrfache Staatsangehörigkeit zu.
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Es kann hier offenbleiben, inwieweit die Rechtsprechung gemäss BGE 119 V 1 über die AHV hinaus auch in den anderen Zweigen der Sozialversicherung Gültigkeit hat, wie BGE 120 V 421 E. 2b S. 422 unten, jedoch ohne weitere Begründung, impliziert. An dieser Stelle braucht auch nicht beantwortet zu werden, ob an der Rechtsprechung gemäss BGE 119 V 1 überhaupt festzuhalten ist, zumal sie vor allem (auch) aus praktischen Gründen erfolgte (E. 2c S. 5) und ihre zeitgemässe Anwendung wegen der veränderten äusseren und rechtlichen Verhältnisse - ausgedehnterer Personenverkehr und Abschluss eines Freizügigkeitsabkommens zwischen der EU und der Schweiz - fraglich ist.
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Erwägung 10 |
Bei einem Gebietswechsel ergeben sich Wirkungen auf die Staatsangehörigkeit der Bewohner zumindest zweier Staaten. Dadurch wird er zu einer Angelegenheit des Völkerrechts und von dessen Regeln; die Frage nach der Staatsangehörigkeit hört auf, ausschliesslich eine Angelegenheit des nationalen Rechts zu sein (DAHM/DELBRÜCK/WOLFRUM, Völkerrecht, Bd. I/2, 2. Aufl., Berlin 2002, S. 58 f. unten; Rapport de la Commission de Venise, Incidences de la succession d'Etat sur la nationalité, Collection Science et technique de la démocratie, Europarat [Hrsg.], n° 23, 1998, S. 25 f. N. 26).
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Steht der Übergang des Gebiets in Übereinstimmung mit dem Völkerrecht, ist der Vorgängerstaat verpflichtet, seine Staatsangehörigkeit den im Gebiet befindlichen Personen zu entziehen resp. auf die Staatsangehörigen zu verzichten, die der Gebietsnachfolger für sich beansprucht (KREUZER, a.a.O., S. 50 unten und S. 54 Ziff. 3; HAILBRONNER, a.a.O., S. 80 Rz. 51; DAHM/DELBRÜCK/WOLFRUM, a.a.O., S. 67 Ziff. IV; vgl. auch Rapport de la Commission de Venise, a.a.O., S. 52 N. 104; Art. 25 des ILC-Entwurfs [siehe E. 11 Abs. 2 hienach]). Gleichermassen hat das deutsche Bundesverfassungsgericht in seinem sogenannten Teso-Beschluss allgemeinem Völkerrecht entnommen, dass ein Staat bei der Festlegung des Kreises seiner Staatsangehörigen bestimmten, sich u.a. aus der Existenz und der Personalhoheit anderer Staaten ergebenden Grenzen unterliegt (BVerfGE 77, 137 [abrufbar unter http://www.servat.unibe.ch unter Verfassungsrecht, Bundesverfassungsgericht]).
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Sowohl der von der Völkerrechtskommission (engl. International Law Commission; ILC) - ein Nebenorgan der UNO, in welchem 34 unabhängige Rechtsexperten, die die wichtigsten Rechtssysteme der Welt repräsentieren, Einsitz haben - an ihrer 51. Tagung (1999) verabschiedete, 26 Artikel umfassende Deklarationsentwurf zu den Regeln über die Staatsangehörigkeit natürlicher Personen im Fall der Staatennachfolge (Draft Articles on Nationality of Natural Persons in relation to the Succession of States with commentaries, abrufbar unter http://www.un.org/law/ilc unter Research Guide, Annual Reports; vgl. auch die an die UNO gerichtete Stellungnahme der Schweiz zum Entwurf der ILC vom 30. Oktober resp. 27. November 1997, veröffentlicht in SZIER 1998 S. 662 oben) als auch die weniger dicht gehaltene Draft Declaration on the Consequences of State Succession for the Nationality of Natural Persons vom 14. September 1996 der European Commission for Democracy Law (Venice Commission) des Europarates (kurz: Draft Declaration, abrufbar unter http://hub.coe.int/de/what-we-do/democracy/venice-commission unter Dokumente, Topics, Nationality, CDL-NAT [1996]) - ebenfalls vorwiegend ein Expertengremium, das den Europarat in Verfassungsfragen berät - bestätigen im Wesentlichen die dargelegte Staatenpraxis. Der ILC-Entwurf basiert auf dem Grundsatz, dass jeder von einer Staatennachfolge Betroffene einen Anspruch auf die Staatsangehörigkeit von zumindest einem der beteiligten Staaten besitzt (Art. 1). Die Draft Declaration ist insbesondere darum bemüht, Staatenlosigkeit zu vermeiden (Ziff. IV). In Art. 5 des ILC-Entwurfs wird die Vermutung aufgestellt, dass derjenige, der seinen gewöhnlichen Aufenthalt in dem Gebiet eines beteiligten Staates hat, dessen Staatsangehörigkeit erhält; im gleichen Sinne ist Ziff. III/8.a der Draft Declaration gehalten. Der Wille des Einzelnen findet in Art. 11 des ILC-Entwurfs bzw. in Ziff. V/13.a der Draft Declaration Berücksichtigung. Weitere Bestimmungen des ILC-Entwurfs betreffen u.a. die Einheit der Familie und die Staatsangehörigkeit von Kindern. Art. 15 verbietet die Diskriminierung und Art. 16 willkürliche Entscheidungen. Art. 17 enthält verfahrensrechtliche Vorgaben. Im Rahmen eines zweiten Teils orientiert sich der Entwurf der ILC an den Wiener Konventionen von 1978 (vgl. E. 4.2.3) und 1983 (Wiener Konvention über die Staatennachfolge in Vermögen, Archive und Schulden von Staaten) und hat für die verschiedenen Tatbestände der Staatennachfolge Regeln aufgestellt, die bei der Anwendung der allgemeinen Bestimmungen des ersten Teils (Art. 1-18) beachtet werden sollen.
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Erwägung 12 |
Dessen ungeachtet ist das Vorliegen einer kosovarisch-serbischen Doppelbürgerschaft nicht ausgeschlossen, zumal auch das serbische Staatsangehörigkeitsgesetz das Innehaben einer doppelten Staatsbürgerschaft erlaubt (vgl. Art. 23 des serbischen Staatsangehörigkeitsgesetzes in der geänderten Fassung aus dem Jahre 2007). Eine solche ist aber nicht nur überzeugend zu behaupten, sondern auch rechtsgenüglich zu belegen (vgl. dazu Mitteilungen des BSV an die AHV-Ausgleichskassen und EL-Durchführungsstellen Nr. 326 vom 20. Februar 2013; vgl. auch LUCIUS CAFLISCH, La pratique suisse en matière de droit international public 2000, SZIER 2001 S. 623 f. Ziff. 10). Nachdem hier eine kosovarisch-serbische Doppelbürgerschaft von vornherein nicht Thema ist, wie die nachfolgende E. 14 zeigt, kann offenbleiben, ob und inwieweit sie - unabhängig von der Rechtsprechung zum anwendbaren Recht im Falle einer doppelten Staatsangehörigkeit (vgl. E. 9.2) - überhaupt weiterhilft. Art. 5 in Verbindung mit Art. 1 des serbischen Staatsangehörigkeitsgesetzes stipuliert nämlich, dass ein serbischer Staatsangehöriger, der die Staatsbürgerschaft eines fremden Staates besitzt, als Serbe betrachtet wird, wenn er sich auf Territorium der Republik Serbien befindet.
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Als Ergebnis resultiert, dass der Beschwerdegegner einen Anspruch auf Rückvergütung der eigenen AHV-Beiträge hat. Indem die SAK am 16. August 2010 einen Rückvergütungsbetrag von Fr. 2'409.- gesprochen hat, hat sie in grundsätzlicher Hinsicht korrekt gehandelt. Mit Einspracheentscheid vom 28. Juli 2011 hat sie an der Rückvergütung - auch in masslicher Hinsicht - festgehalten. Die dagegen beim Bundesverwaltungsgericht eingereichte Beschwerde hat hauptsächlich den Umfang der Rückvergütung zum Inhalt. Darüber hat die Vorinstanz, weil sie zu Unrecht einen Rückvergütungsanspruch verneint hat, nicht befunden. Um dem Beschwerdegegner den ordentlichen Instanzenweg nicht zu verkürzen, ist die Sache zu neuer Entscheidung an das Bundesverwaltungsgericht zurückzuweisen.
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