BGE 140 V 470 |
60. Auszug aus dem Urteil der II. sozialrechtlichen Abteilung i.S. Pensionskasse Appenzell Ausserrhoden gegen A. (Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten) |
9C_351/2014 vom 21. Oktober 2014 |
Regeste |
Art. 26 Abs. 1 BVG; Art. 28 Abs. 1 lit. b und Art. 29 Abs. 1 IVG; aArt. 29 Abs. 1 lit. b und aArt. 48 Abs. 2 IVG (in Kraft gestanden bis 31. Dezember 2007); Beginn des Anspruchs auf eine Invalidenrente der (obligatorischen) beruflichen Vorsorge. |
Sachverhalt |
A. A. war bei der Pensionskasse für das Staatspersonal und die Lehrer von Appenzell Ausserrhoden (heute: Pensionskasse Appenzell Ausserrhoden) berufsvorsorgeversichert. Nach Auftreten gesundheitlicher Probleme löste der Kanton das Arbeitsverhältnis auf Ende April 2008 auf. Nachdem er bis im Februar 2009 Krankentaggelder in der Höhe von 80 % des Lohnes bezogen hatte, meldete sich A. im März 2009 bei der Invalidenversicherung zum Leistungsbezug an. Mit Verfügungen vom 5. Februar und 16. März 2010 sprach ihm die IV-Stelle des Kantons X. eine ganze Rente ab 1. September 2009 zu. Die Pensionskasse Appenzell Ausserrhoden anerkannte eine Leistungspflicht. Im Schreiben vom 2. Dezember 2010 hielt sie fest, es bestehe Anspruch auf eine ganze Invalidenrente mit Wirkung ab 1. September 2009, und legte die Berechnungsgrundlagen dar. Damit war A. nicht einverstanden, der unter anderem die Nachzahlung einer IV-Übergangsrente nach altem Recht beantragte. Mit Schreiben vom 10. Januar 2011 bestätigte die Pensionskasse Appenzell Ausserrhoden Anspruchsbeginn und Höhe der Rente.
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B. Am 21. April 2011 liess A. Klage beim Obergericht Appenzell Ausserrhoden einreichen mit dem hauptsächlichen Rechtsbegehren, die Pensionskasse Appenzell Ausserrhoden sei zu verpflichten, Leistungen auf der Basis der Verordnung vom 21. Juni 1999 über die Pensionskasse von Appenzell Ausserrhoden und zudem eine IV-Überbrückungsrente ab 1. Februar bis 1. September 2009 auszurichten. Nach Klageantwort der Pensionskasse und einem zweiten Schriftenwechsel wies das Obergericht mit Entscheid vom 20. März 2013 das Rechtsmittel im Sinne der Erwägungen ab, soweit es darauf eintrat.
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A. ersucht um Abweisung der Beschwerde. Das Bundesamt für Sozialversicherungen (BSV) hat auf eine Vernehmlassung verzichtet.
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Das Bundesgericht heisst die Beschwerde gut.
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Aus den Erwägungen: |
1 Versicherte, die im Sinne der Eidg. Invalidenversicherung (IV) infolge von Krankheit oder Unfall ganz oder teilweise dauerhaft erwerbsunfähig sind und die bei Eintritt der Arbeitsunfähigkeit, deren Ursache zur Invalidität geführt hat, in der Pensionskasse versichert waren, gelten als invalid. Sie haben Anspruch auf eine Invalidenrente.
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2 Der Anspruch auf eine Invalidenrente entsteht grundsätzlich mit dem Rentenbeginn bei der IV, frühestens jedoch nach Ablauf der arbeitsvertraglichen Lohnfortzahlung oder von Taggeldleistungen, sofern diese mindestens 80 Prozent der entgangenen Jahresbesoldung betragen und die Taggeldversicherung vom Arbeitgeber mindestens zur Hälfte mitfinanziert wurde.
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3-5 (...).
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Diese Bestimmungen sind nach den Regeln der Gesetzesauslegung zu interpretieren (BGE 139 V 234 E. 5.1 S. 238 mit Hinweisen).
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3.1 Art. 32 Abs. 1 PKV/AR verweist auf den Begriff der Invalidität im Sinne der Invalidenversicherung; gleichzeitig übernimmt er den Wortlaut von Art. 23 lit. a BVG, wonach Anspruch auf Invalidenleistungen Personen haben, die im Sinne der IV zu mindestens 40 Prozent invalid sind und "bei Eintritt der Arbeitsunfähigkeit, deren Ursache zur Invalidität geführt hat, versichert waren". Aus dieser uneingeschränkten Verweisung hat die Vorinstanz gefolgert, die Regelung betreffend die Entstehung und den Aufschub des Anspruchs auf eine Invalidenrente in Abs. 2 sei im gleichen Sinne zu verstehen wie im Bereich des Obligatoriums nach BVG. Massgebend seien somit Art. 26 Abs. 1 und 2 BVG und die dazu ergangene Rechtsprechung. Dem ist von den Parteien nicht widersprochen worden (vgl. auch Protokoll der Sitzung des Kantonsrates von Appenzell Ausserrhoden vom 30. Oktober 2006, Trakt. 105, S. 1032 unten). Hingegen gehen die Meinungen darüber auseinander, welche Folgerungen daraus zu ziehen sind.
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Erwägung 3.3 |
Seit 1. Januar 2008 gilt demgegenüber: Anspruch auf eine Rente haben Versicherte, die u.a. während eines Jahres ohne wesentlichen Unterbruch durchschnittlich mindestens zu 40 Prozent arbeitsunfähig (Art. 6 ATSG) gewesen sind (Art. 28 Abs. 1 lit. b IVG). Der Rentenanspruch entsteht frühestens nach Ablauf von sechs Monaten nach Geltendmachung des Leistungsanspruchs nach Artikel 29 Absatz 1 ATSG, jedoch frühestens im Monat, der auf die Vollendung des 18. Altersjahres folgt. Die Rente wird vom Beginn des Monats an ausbezahlt, in dem der Rentenanspruch entsteht (Art. 29 Abs. 1 und 3 IVG).
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3.3.3 In der Lehre wird überwiegend die Auffassung vertreten, dass mit Inkrafttreten der 5. IV-Revision neu der Anspruch auf Invalidenleistungen nach Art. 26 Abs. 1 BVG frühestens nach Ablauf von sechs Monaten seit der Anmeldung bei der Invalidenversicherung beginnt (HANS-ULRICH STAUFFER, Berufliche Vorsorge, 2. Aufl. 2012, S. 337 Rz. 921; MARTA MOZAR, Verspätete Anmeldung, Schweizer Personalvorsorge [SPV] 6/2008 S. 83; MEYER/REICHMUTH, Bundesgesetz über die Invalidenversicherung, 3. Aufl. 2014, S. 409; a.M. HÜRZELER, a.a.O., N. 26 zu Art. 26 BVG).
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3.4 Nach dem Gesagten ist Art. 32 Abs. 2 PKV/AR über die Pensionskasse von Appenzell Ausserrhoden in dem Sinne zu verstehen, dass der Anspruch auf eine Invalidenrente mit dem Beginn der Rente der Invalidenversicherung nach Art. 29 Abs. 1 IVG entsteht, d.h. (seit 1. Januar 2008) frühestens sechs Monate seit der Anmeldung bei der IV zum Rentenbezug. Dies ist im vorliegenden Fall der 1. September 2009. Der angefochtene Entscheid verletzt somit Bundesrecht, soweit er für die Zeit vom 26. Februar bis 31. August 2009 den Anspruch auf eine Invalidenrente im Grundsatz bejaht.
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