BGE 141 V 416 |
46. Auszug aus dem Urteil der II. sozialrechtlichen Abteilung i.S. PensFlex - Sammelstiftung für die ausserobligatorische berufliche Vorsorge gegen Zentralschweizer BVG- und Stiftungsaufsicht (ZBSA) (Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten) |
9C_486/2014 vom 21. Mai 2015 |
Regeste |
Art. 1e BVV 2; Geltung der Grundsätze der beruflichen Vorsorge auch für Vorsorgeeinrichtungen mit freier Wahl der Anlagestrategien im rein überobligatorischen Bereich. |
Auch Vorsorgelösungen mit frei gewählter Anlagestrategie haben die Angemessenheit der Vorsorge einzuhalten. Verlangt die Aufsichtsbehörde eine entsprechende Vorabprüfung jeder einzelnen Strategie durch den Experten, ist dies weder unangemessen noch sonst wie bundesrechtswidrig (E. 6.5). |
Sachverhalt |
A. Die PensFlex - Sammelstiftung für die ausserobligatorische berufliche Vorsorge (nachfolgend: Sammelstiftung) bietet ihren Versicherten Vorsorgelösungen mit grundsätzlich frei wählbarer, der individuellen Risikofähigkeit angepasster Anlagestrategie an. Sie untersteht der Zentralschweizer BVG- und Stiftungsaufsicht (ZBSA). Am 16. Januar 2012 fand zwischen Vertretern der ZBSA, der Sammelstiftung und der kantonalen Steuerverwaltung eine unter anderem die Angemessenheitsprüfung der Anlagestrategien betreffende Besprechung und im Anschluss daran ein schriftlicher Austausch zwischen der Sammelstiftung und der ZBSA statt. Auf Ersuchen der Sammelstiftung stellte die ZBSA mit Verfügung vom 1. Mai 2012 fest, die von der Sammelstiftung im Rahmen von Art. 1e der Verordnung vom 18. April 1984 über die berufliche Alters-, Hinterlassenen- und Invalidenvorsorge (BVV 2; SR 831.441.1) angebotenen individuellen Anlagestrategien seien vorgängig durch den Experten für berufliche Vorsorge auf deren Angemessenheit hin zu überprüfen.
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B. Die dagegen erhobene Beschwerde der Sammelstiftung wies das Bundesverwaltungsgericht mit Entscheid vom 7. Mai 2014 ab.
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C. Die Sammelstiftung erhebt Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten und beantragt, der angefochtene Entscheid sowie die Verfügung der ZBSA vom 1. Mai 2012 seien aufzuheben. Es sei festzustellen, dass die Bestätigungen ihrer Experten für berufliche Vorsorge die gesetzlichen Bedingungen für die jährlichen Kontrollen der Revisionsstelle bzw. für die periodischen Kontrollen des Experten erfüllten. Eventualiter sei die Sache an das Bundesverwaltungsgericht zurückzuweisen.
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Die ZBSA schliesst auf Abweisung der Beschwerde, soweit darauf einzutreten sei. Das Bundesamt für Sozialversicherungen (BSV) beantragt sinngemäss ebenfalls die Abweisung der Beschwerde.
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Die Sammelstiftung ersucht am 30. Oktober 2014 um Fristerstreckung zur Einreichung einer Replik, die ihr am 31. Oktober 2014 gewährt wird. Am 13. November 2014 reicht die Sammelstiftung ihre Rechtsschrift und am 19. November 2014 eine weitere Eingabe ein.
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Das Bundesgericht weist die Beschwerde ab.
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Aus den Erwägungen: |
Erwägung 2 |
2.2 Ob die Voraussetzungen für ein aufsichtsrechtliches Einschreiten erfüllt und die angeordneten Massnahmen angebracht sind, überprüft das Bundesgericht als Rechtsfrage ohne Einschränkung der Kognition frei (Art. 95 lit. a BGG). Hingegen ist die Feststellung der Verhältnisse, welche den aufsichtsbehördlichen Anordnungen zugrunde liegen, tatsächlicher Natur und vom Bundesgericht lediglich auf ihre offensichtliche Unrichtigkeit hin zu prüfen (Art. 97 Abs. 1 und Art. 105 Abs. 1 BGG; BGE 140 V 348 E. 2.3 S. 351 mit weiteren Verweisen).
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Nachdem die Beschwerdegegnerin zu Recht festgestellt habe, die beiden Experten-Bestätigungen vom 24. Mai 2012 genügten den rechtlichen Vorgaben nicht, sei sie verpflichtet gewesen, eine aufsichtsrechtliche Massnahme zu ergreifen. Die in der Feststellungsverfügung vom 1. Mai 2012 in Aussicht gestellte Zulassung der umstrittenen Reglementsbestimmung unter der Voraussetzung, es werde jede einzelne Anlagestrategie individuell vom Experten bestätigt, sei notwendig, angemessen und verhältnismässig. Nur eine individuelle Prüfung jeder einzelnen Anlagestrategie gewährleiste, dass die - steuerlich begünstigte - berufliche Vorsorge nicht zur Erzielung von Vermögenserträgen eingesetzt werde, die nicht oder nicht allein der Fortsetzung der gewohnten Lebenshaltung dienten. Schliesslich unterscheide sich die Beschwerdeführerin von den "übrigen Stiftungen und Sammeleinrichtungen" dadurch, dass sie für jeden einzelnen Versicherten ein individuelles Konto führe und individuelle Wertschwankungsreserven zuschreibe. Eine Verletzung des Gleichbehandlungsgebotes sei nicht ersichtlich, ebenso wenig eine Gehörsverletzung.
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4. Die Rüge des fehlerhaft festgestellten Sachverhalts bedarf einer qualifizierten Begründung. Es reicht nicht aus, in allgemeiner Form Kritik zu üben, einen von den tatsächlichen Feststellungen der Vorinstanz abweichenden Sachverhalt zu behaupten oder seine eigene Beweiswürdigung zu erläutern (Urteile 9C_735/2010 vom 21. Oktober 2010 E. 3 und 9C_688/2007 vom 22. Januar 2008 E. 2.3). Die Rüge und ihre qualifizierte Begründung müssen in der Beschwerdeschrift selber enthalten sein. Der blosse Verweis auf Ausführungen in anderen Rechtsschriften oder auf die Akten genügt nicht (Urteile 8C_260/2010 vom 12. Januar 2011 E. 2.2.2 und 4A_28/2007 vom 30. Mai 2007 E. 1.3, nicht publ. in: BGE 133 III 421). Soweit die Beschwerde diesen Anforderungen nicht genügt und sich auf Sachverhalte bezieht, die für die allein strittige Frage nach der Intensität der Angemessenheitskontrolle nicht entscheidrelevant sind, ist darauf nicht weiter einzugehen.
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Erwägung 5 |
5.2 Vorsorgelösungen nach Art. 1e BVV 2 müssen des Weiteren die Grundsätze der Angemessenheit, der Kollektivität, der Gleichbehandlung, der Planmässigkeit sowie das Versicherungsprinzip einhalten (Art. 1 Abs. 3 BVG; Urteil 2C_309/2007 vom 11. Dezember 2007 E. 3.1 mit Hinweisen). Es entspricht zwar einem generellen Trend in der beruflichen Vorsorge, Überlegungen eines individuellen Äquivalenzprinzips zu Lasten der Errungenschaften einer Solidargemeinschaft stärker zu gewichten (STAUFFER, a.a.O., Rz. 2060; beabsichtigte Ergänzung des FZG, vgl. vorangehende E. 5.1). Eine Vorsorgelösung, welche von allem Anfang an keine Kollektivität und Solidarität beabsichtigt, dient indes nicht der beruflichen Vorsorge, sondern der (individuellen) Selbstvorsorge. Diese ist nicht ausgeschlossen, sie kann aber nicht über eine Einrichtung der 2. Säule erfolgen (BGE 120 Ib 199 E. 4b S. 205). Auch die 1. BVG-Revision hat nichts daran geändert, dass die Flexibilisierung im Bereich der zweiten Säule nur so weit gehen kann, als nicht an den kollektiven Grundsätzen des Systems gerüttelt wird (vgl. Machbarkeitsstudie zur freien Pensionskassenwahl, in: Beiträge zur Sozialen Sicherheit, Forschungsbericht 10/05, Ziff. 6.2.9 S. 164). In Nachachtung des Kollektivitätsprinzips darf eine Vorsorgeeinrichtung insbesondere nicht derart viele Strategien anbieten, dass daraus praktisch eine Individualisierung der Vorsorgeguthaben der einzelnen Versicherten (eine Strategie "ad personam") resultiert. Das BSV geht davon aus, bei Sammelstiftungen sei ein Angebot von fünf bis höchstens zehn Strategien pro Vorsorgewerk mit Art. 1e BVV 2 zu vereinbaren (Mitteilungen des BSV über die berufliche Vorsorge Nr. 125 vom 14. Dezember 2011, Rz. 813 S. 12).
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Welche Zahl von Strategien - pro Vorsorgeplan oder Vorsorgewerk - noch gesetzmässig ist, braucht hier nicht abschliessend geklärt zu werden. Auch wenn der Bundesrat darauf verzichtet hat, die zulässigen Strategien in Art. 1e BVV 2 ziffernmässig festzulegen, darf die Verordnungsbestimmung jedenfalls nicht durch exzessive Auslegung ausgehöhlt und auf diesem Weg der Grundsatz der Kollektivität ausser Kraft gesetzt werden. Sammelstiftungen mit einer grossen Zahl angeschlossener Vorsorgewerke ist es somit - nicht anders als "normalen" Vorsorgeeinrichtungen - verwehrt, ein derart grosses Angebot vorzusehen, dass die Kollektivität nurmehr theoretisch möglich, aber praktisch nicht mehr realistisch ist (vgl. hiezu auch die zitierten Mitteilungen über die berufliche Vorsorge Nr. 125, Rz. 813: "Die Umsetzung [...] darf nicht so ausgestaltet werden, dass sie zu einer gänzlichen Individualisierung führen würde, also jegliche kollektiven Aspekte der Vorsorge abschaffen würde"). Selbst wenn die Aufnahme mehrerer Versicherten in dasselbe Kollektiv theoretisch offenstünde, ist bei hunderten oder gar tausenden möglicher Strategien weitgehend unrealistisch, dass mehrere Versicherte dieselbe Strategie wählen. Wie die Vorinstanz zutreffend erwog, wird damit das Feld der Kollektivität vollständig verlassen. Weil sich die Anfechtungsobjekt bildende (Feststellungs-)Verfügung vom 1. Mai 2012 indes auf die Frage beschränkte, ob für jede einzelne der individuell wählbaren Anlagestrategien eine Vorabkontrolle der Angemessenheit mit einer Performanceprognose vorzunehmen ist oder nicht, ist auf entsprechende Folgen nicht weiter einzugehen und eine endgültige Beurteilung erübrigt sich.
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Erwägung 6 |
6.2 Eine günstige Performance der gewählten Strategie kann bei Vorsorgelösungen mit Wahlmöglichkeit der Anlagestrategie nach Art. 1e BVV 2 ausnahmsweise bewirken, dass die Vorsorgeleistungen höher als gemäss Plan ausfallen. Das Angemessenheitsprinzip gebietet indes bei längerfristig guter Performance Anpassungen auf der Leistungsseite, um zu gewährleisten, dass die gesetzlichen Angemessenheitsgrenzen von Art. 1 BVV 2 wieder regelmässig eingehalten werden (vgl. Botschaft, a.a.O., 1799 f. Ziff. 1.4). Dies gilt selbstredend auch für eine Vorsorgeeinrichtung, welche im Rahmen der zweiten Säule gestützt auf Art. 1e BVV 2 (maximal) individualisierte Anlagestrategien anbietet. Zwar schreibt Art. 1 Abs. 3 BVV 2 die Angemessenheit lediglich des Berechnungsmodells und nicht der Berechnung im Einzelfall vor. Die Angemessenheit ist somit nicht unbedingt im individuellen Fall bei nachträglicher Prüfung ("a posteriori") einzuhalten. Vielmehr muss ein Vorsorgeplan von vornherein so konzipiert werden, dass die zu erwartenden Leistungen die gesetzlichen Bedingungen erfüllen. Dies gilt nicht nur für den konkreten Plan, sondern auch für allfällige Kombinationen verschiedener Pläne. Konkret erfolgt eine theoretische Berechnung des Leistungsziels anhand einer modellmässigen, auf fachlich anerkannten Grundsätzen basierenden Betrachtung (vgl. Mitteilungen des BSV über die berufliche Vorsorge Nr. 86 vom 31. Oktober 2005 S. 3 [Antworten zu den Fragen 4 und 5]).
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6.4 Ungenügend ist sodann die Beschränkung der Prüfung auf die "aggressivste" Strategie mit dem höchsten Aktienanteil. Wie das BSV in seiner Vernehmlassung zutreffend ausführte, kann nicht generell gesagt werden, dass Aktien im Vergleich zu Investitionen in Obligationen, Immobilien oder andere Werte unter allen Umständen eine höhere Performance ausweisen. Ob dies der Fall ist, hängt vielmehr von einer Vielzahl makro- und mikroökonomischer Faktoren ab, welche die starre 2%-Grenze der Beschwerdeführerin nicht abzubilden vermag. Dass die Prognose über eine zu erwartende Performance stets mit einer gewissen Unsicherheit behaftet ist, liegt in der Natur der Sache. Entgegen den Vorbringen der Beschwerdeführerin ist dies aber kein Grund, der gegen die Angemessenheitsprüfung jeder einzelnen Strategie spräche. Auch ausserhalb der beruflichen Vorsorge werden Vermögensanlagen mit vergleichbaren Anlagestrategien angeboten, welche für die prognostische Beurteilung der Angemessenheit einer Anlagestrategie der zweiten Säule herangezogen werden können (Botschaft, a.a.O., 1800 Ziff. 1.4). Zu Recht hat die Beschwerdegegnerin darauf hingewiesen, dass duFrchaus wissenschaftlich anerkannte Renditeerwartungsmodelle bestehen, welche eine realistischere Abschätzung der Performance erwarten lassen als die in der Beschwerde postulierte "reale hypothetische Anlageperformance" von 2 %, die nicht zuletzt ebenfalls auf einer prognostischen Beurteilung beruht. Eine lege artis, d.h. gestützt auf wissenschaftlich anerkannte Modelle durchgeführte Performanceprognose gehört sodann zu den Informationen, welche die versicherte Person bereits bei der Wahl der Strategie benötigt und auf die im Übrigen auch die Beschwerdeführerin selbst angewiesen ist, damit sie ihrer reglementarischen Pflicht nachkommen kann, die Versicherten individuell über die Chancen und Gefahren der gewünschten Anlagestrategien zu informieren (Ziff. 2.2 Anlagereglement). Eine Prognose über die Entwicklung der vier Grundstrategien reicht hiezu ebenso wenig aus wie die schematische Unterstellung einer Anlageperformance von 2 %.
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6.5 Wie weit im (nicht zuletzt auch steuerlich) privilegierten Rahmen der 2. Säule individuelle Spekulation zulässig sein soll und in welchem Rahmen es sich rechtfertigt, maximal individualisierte Vorsorgelösungen unter das Dach der beruflichen Vorsorge zu stellen, bleibe dahingestellt (vgl. E. 5.3). Individuelle Anlagemöglichkeiten entsprechen jedenfalls einem Bedürfnis und sind gesetzgeberisch gewollt. Die Flexibilität bei der Wahl von Anlagestrategien wird mit der angestrebten Änderung des Freizügigkeitsgesetzes hinsichtlich der Ansprüche der Versicherten bei selbst gewählter Anlagestrategie (E. 5.1 hievor) weiter steigen. Auch solche Vorsorgelösungen haben, wie dargelegt (vorangehende E. 5.2), die Grundsätze der beruflichen Vorsorge, insbesondere die Angemessenheit der Vorsorge, stets einzuhalten. Wenn die Vorinstanz die von der Beschwerdegegnerin verlangte Vorabprüfung jeder einzeln Strategie durch den Experten (in Nachachtung seiner gesetzlichen Pflichten gemäss Art. 52e BVG [seit 1. Januar 2012; bis 31. Dezember 2011: aArt. 53 Abs. 2 BVG]) geschützt hat, ist dies weder unangemessen noch sonst wie bundesrechtswidrig. Lediglich der Vollständigkeit halber sei darauf hingewiesen, dass die Beschwerdegegnerin im Rahmen ihrer Aufsichtsbefugnisse nicht nur die Zulassung des Reglements unter der Voraussetzung einer individuellen Bestätigung jeder einzelnen Strategie durch den Experten hätte verlangen dürfen, sondern durchaus auch - wesentlich einschneidender - die Durchsetzung einer Reglementsänderung in Betracht gekommen wäre. Die Beschwerde ist abzuweisen.
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