BGE 141 V 585 |
63. Auszug aus dem Urteil der I. sozialrechtlichen Abteilung i.S. A. gegen IV-Stelle des Kantons Zürich (Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten) |
8C_590/2015 vom 24. November 2015 |
Regeste |
Art. 4 IVG; Art. 87 Abs. 2 und 3 IVV; Art. 6-8, 17 Abs. 1 und Art. 53 Abs. 2 ATSG: Praxisänderung; Neuanmeldung. |
Sachverhalt |
A.a Die 1955 geborene A. absolvierte eine Ausbildung als Büroangestellte. Am 27. November 2006 wurde ihr im Universitätsspital B. im Bereich der linken Schilddrüse ein papilläres Mikrokarzinom operativ entfernt. Am 17. Dezember 2006 meldete sie sich bei der IV-Stelle des Kantons Zürich (nachfolgend: IV-Stelle) zum Leistungsbezug an. Mit Verfügung vom 2. August 2007 verneinte diese den Rentenanspruch, was das Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich mit Entscheid vom 30. April 2009 bestätigte. Die Beschwerde der Versicherten hiess das Bundesgericht teilweise gut, hob diesen Entscheid und die Verfügung der IV-Stelle auf und wies die Sache an diese zurück, damit sie, nach erfolgter Abklärung im Sinne der Erwägungen, über den Rentenanspruch neu verfüge. Im Übrigen wies es die Beschwerde ab (Urteil 8C_581/2009 vom 24. November 2009).
|
A.b Die IV-Stelle holte diverse Arztberichte und ein Gutachten der Gutachterstelle X. vom 1. Juli 2010 mit Ergänzungen vom 15. Februar und 17. Mai 2011 ein. Mit unangefochten in Rechtskraft erwachsener Verfügung vom 6. Juli 2011 verneinte sie den Rentenanspruch (Invaliditätsgrad 17 %). Vom 31. Oktober 2011 bis 4. April 2012 gewährte sie der Versicherten Arbeitsvermittlung, die erfolglos war.
|
A.c Am 25. Januar 2013 meldete sich die Versicherte bei der IV-Stelle erneut zum Leistungsbezug an. Diese holte diverse Arztberichte ein. Mit Verfügung vom 18. März 2014 verneinte sie den Rentenanspruch erneut.
|
B. Hiegegen erhob die Versicherte Beschwerde beim Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich. (...) Mit Entscheid vom 17. Juni 2015 wies die Vorinstanz die Beschwerde ab. (...)
|
C. Mit Beschwerde beantragt die Versicherte, in Aufhebung des kantonalen Entscheids sei die IV-Stelle zu verpflichten, ihr ab 28. Juli 2013 eine ganze Invalidenrente auszurichten; eventuell sei die Sache zwecks Einholung eines psychiatrischen Gutachtens an die Vorinstanz zurückzuweisen.
|
Ein Schriftenwechsel wurde nicht angeordnet.
|
(Auszug)
|
Aus den Erwägungen: |
Erwägung 5 |
5.2 Eine rechtskräftige Verfügung über eine Dauerleistung ist nur ausnahmsweise zu Ungunsten der versicherten Person an eine geänderte Gerichtspraxis anzupassen. Eine Ausnahme setzt zunächst voraus, dass die neue Praxis eine allgemeine Verbreitung erfährt. Zusätzlich müssen qualifizierende Elemente gegeben sein, welche die Nichtanwendung der neuen Praxis auf laufende Leistungen unter dem Aspekt der Rechtsgleichheit als stossend erscheinen liessen. Ein derartiges Element liegt vor, wenn die frühere Praxis nur noch auf einige wenige Personen Anwendung findet, so dass diese als privilegiert (oder diskriminiert) erscheinen, sowie wenn sich die damalige Leistungszusprechung aus der Sicht der neuen Praxis schlechterdings nicht mehr vertreten lässt (BGE 135 V 201 E. 6.4 S. 210 f.). Die Rechtsprechung durchbricht den Grundsatz, wonach eine Praxisänderung keine Änderung formell rechtskräftiger Verfügungen über eine Dauerleistung rechtfertigt, kaum je in Bezug auf Anpassungen zu Ungunsten der Versicherten. Wo eine derartige Herabsetzung vorgenommen wurde (BGE 112 V 387, bestätigt in BGE 115 V 308), betonte das Gericht, es handle sich - angesichts des der früheren Praxis zugrunde liegenden sachfremden Kriteriums - um eine Ausnahmesituation, welche eine besondere Lösung erfordere (BGE 115 V 308 E. 4b S. 316; vgl. auch BGE 121 V 157 E. 4b S. 162). Zu Gunsten der Versicherten liess das Gericht demgegenüber in einzelnen Fällen eine Anpassung unter weniger strengen Voraussetzungen zu (vgl. BGE 135 V 201 E. 6.1.3 mit Hinweisen auf: BGE 129 V 200 E. 1.2 S. 203 oben; BGE 120 V 128 E. 3c S. 132; BGE 107 V 153 E. 3 S. 157; SVR 2001 ALV Nr. 4 S. 9 und 10, C 222/99 E. 3b). Letztlich hat eine wertende Abwägung der betroffenen Interessen zu erfolgen (BGE 135 V 201 E. 6.4 S. 210; siehe auch MEYER/REICHMUTH, Rechtsprechung des Bundesgerichts zum IVG, 3. Aufl. 2014, N. 66 und 68 zu Art. 30-31 IVG; GÄCHTER/MEIER, Schmerzrechtsprechung 2.0, Jusletter 29. Juni 2015, S. 20 f. Rz. 99 ff.; GEORGES PESTALOZZI-SEGER, Behinderung und Recht, 3/15, S. 4).
|
Nach dem Gesagten stellt die neue Rechtsprechung zu den somatoformen Schmerzstörungen bzw. äquivalenten Beschwerdebildern für sich allein keinen Neuanmeldungs- bzw. Revisionsgrund dar (vgl. ebenso: GÄCHTER/MEIER, a.a.O., S. 21 Rz. 102-104; IV-Rundschreiben des Bundesamtes für Sozialversicherungen Nr. 334 vom 7. Juli 2015 S. 2 Ziff. 4b). Grund für eine Neuanmeldung - bei der die Revisionsregeln analog anwendbar sind (Art. 17 ATSG; BGE 134 V 131 E. 3 S. 132; BGE 117 V 198 E. 3a) - wäre somit allemal eine Änderung der tatsächlichen Verhältnisse (BGE 141 V 9 E. 2.3 S. 10; BGE 130 V 343 E. 3.5 S. 349), die hier aber gerade nicht vorliegt (nicht publ. E. 4). Ob ein rechtskräftig beurteilter, unveränderter Sachverhalt nach einer neuen Rechtsprechung rechtlich anders eingeordnet würde, spielt demgegenüber keine Rolle.
|