BGE 143 V 434 |
46. Auszug aus dem Urteil der II. sozialrechtlichen Abteilung i.S. A. gegen BVK Personalvorsorge des Kantons Zürich (Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten) |
9C_321/2017 vom 20. November 2017 |
Regeste |
Art. 23 ff. BVG; Voraussetzungen der Anpassung oder Aufhebung von Invalidenleistungen der beruflichen Vorsorge. |
Sachverhalt |
A.a Der 1958 geborene A. war bis zum 30. Juni 2001 beim Kanton Zürich angestellt und deswegen bei der Versicherungskasse für das Staatspersonal ("Beamtenversicherungskasse"; heute: BVK Personalvorsorge des Kantons Zürich; nachfolgend: BVK) für die berufliche Vorsorge versichert.
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A.b A. erlitt im Oktober 2000 einen Unfall. Er bezieht mit Wirkung seit Oktober 2001 eine ganze Rente der Invalidenversicherung (Verfügung vom 19. Juli 2002). Diese wurde in zwei Revisionsverfahren 2003 und 2006 bestätigt. Im Rahmen eines weiteren Revisionsverfahrens holte die IV-Stelle des Kantons Zürich beim Medizinischen Zentrum Römerhof (MZR) ein interdisziplinäres Gutachten ein, das am 2. Mai 2012 erstattet wurde. Mit Verfügung vom 17. Dezember 2012 zog die IV-Stelle die Verfügung vom 19. Juli 2002 in Wiedererwägung und stellte die Rentenleistungen mit Wirkung ab Februar 2013 ein. Das Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich wies die dagegen erhobene Beschwerde ab (Entscheid vom 31. Oktober 2013). Mit Urteil 9C_33/2014 vom 26. März 2014 hob das Bundesgericht den Entscheid vom 31. Oktober 2013 und die Verfügung vom 17. Dezember 2012 auf. Es verneinte die Voraussetzungen für eine Rentenaufhebung, weil die ursprüngliche Rentenzusprache (Verfügung vom 19. Juli 2002) nicht zweifellos unrichtig im Sinne einer Wiedererwägung war und eine materielle Revision des Anspruchs mangels Veränderung des Sachverhalts (insbesondere des Gesundheitszustandes) nicht in Betracht fiel.
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A.c Unter Hinweis auf die Verfügung der IV-Stelle vom 19. Juli 2002 und deren Bestätigung vom 24. Oktober 2006 anerkannte die BVK mit Schreiben vom 22. Mai 2007 einen Anspruch des Versicherten auf eine ganze Invalidenrente ab 1. Oktober 2001 (unter Vorbehalt der Kürzung wegen Überentschädigung). Am 28. Januar 2013 teilte sie A. - unter Berufung auf die Verfügung der IV-Stelle vom 17. Dezember 2012 - mit, dass sie ihrerseits die Rente auf Ende Februar 2013 aufhebe. Daran hielt sie mit Schreiben vom 28. Juli 2014 fest.
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B. Mit Klage vom 24. November 2015 beantragte A., die BVK sei zu verpflichten, ihm über den 28. Februar 2013 hinaus eine ganze Invalidenrente und eine Kinderrente für seinen Sohn (bis zum Abschluss der Ausbildung, längstens bis zur Vollendung des 25. Altersjahres) gemäss Statuten und BVG zu entrichten, nebst Zins zu 5 % p.a. auf den ausstehenden Leistungen ab jeweiligem Fälligkeitstag, frühestens ab Klageerhebung. Das Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich wies die Klage mit Entscheid vom 8. März 2017 ab.
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C. A. lässt mit Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten die Aufhebung des Entscheids vom 8. März 2017 beantragen und die vorinstanzlich gestellten Rechtsbegehren erneuern. (...)
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Das Bundesgericht heisst die Beschwerde teilweise gut.
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(Auszug)
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Aus den Erwägungen: |
Erwägung 2 |
2.2 Ein Entscheid der IV-Stelle oder - im Beschwerdefall - des kantonalen Sozialversicherungsgerichts (Art. 57 ATSG) resp. des Bundesgerichts ist für eine Einrichtung der beruflichen Vorsorge verbindlich, sofern sie in das invalidenversicherungsrechtliche Verfahren einbezogen wurde, die konkrete Fragestellung für die Beurteilung des Rentenanspruchs gegenüber der Invalidenversicherung entscheidend war und die invalidenversicherungsrechtliche Betrachtungsweise aufgrund einer gesamthaften Prüfung der Akten nicht als offensichtlich unhaltbar erscheint. Diese Bindungswirkung findet ihre positivrechtliche Grundlage in den Art. 23, 24 Abs. 1 und 26 Abs. 1 BVG, welche an die Regelung des IVG anknüpfen oder diese übernehmen (BGE 133 V 67 E. 4.3.2 S. 69; Urteil 9C_656/2014 vom 16. Dezember 2015 E. 5.2).
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Mit Bezug auf die weitergehende berufliche Vorsorge steht es den Vorsorgeeinrichtungen im Rahmen von Art. 6 und 49 Abs. 2 BVG sowie der verfassungsmässigen Schranken (wie Rechtsgleichheit, Willkürverbot und Verhältnismässigkeit) frei, den Invaliditätsbegriff und/oder das versicherte Risiko abweichend von Art. 23 BVG zu definieren (SZS 1997 S. 557, B 40/93 E. 4a; BGE 120 V 106 E. 3c S. 108 f. mit Hinweisen). Während sie im Rahmen der obligatorischen beruflichen Vorsorge jedenfalls die Mindestvorschrift des Art. 23 BVG zu beachten haben (Art. 6 BVG), gilt diese Bestimmung einschliesslich der hierzu ergangenen Rechtsprechung im überobligatorischen Bereich nur, soweit die Reglemente oder Statuten bezüglich des massgebenden Invaliditätsbegriffs oder versicherten Risikos nichts Abweichendes vorsehen (BGE 136 V 65 E. 3.2 S. 69 mit Hinweisen).
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2.3 Eine versicherte Person hat nur so lange Anspruch auf Invalidenleistungen der beruflichen Vorsorge, als die Voraussetzungen für ihre Ausrichtung erfüllt sind. Sowohl bei der obligatorischen Vorsorge, bei der die Änderung oder Aufhebung einer Rente den gleichen materiellen Voraussetzungen unterstellt ist wie die Revision oder Wiedererwägung einer Rente der Invalidenversicherung (BGE 133 V 67 E. 4.3.1 S. 68), als auch in der weitergehenden Vorsorge muss der Leistungsanspruch grundsätzlich angepasst werden, wenn er den gegenwärtigen tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen objektiv nicht oder nicht mehr entspricht (BGE 141 V 127 E. 5.2 S. 133; BGE 138 V 409). Auch wenn eine Vorsorgeeinrichtung sich grundsätzlich an die Entscheidungen der Invalidenversicherung hält, ist es aus Gründen der Gleichbehandlung der Versicherten rechtens, wenn sie ihre Leistungen anpasst, wenn sich im Nachhinein herausstellt, dass diese aufgrund von offensichtlich unhaltbaren Kriterien gewährt worden sind. Ebenso wenig wie eine Vorsorgeeinrichtung an einen Entscheid der Invalidenversicherung gebunden ist, wenn dieser offensichtlich unhaltbar ist, besteht eine Bindungswirkung, wenn sie die offensichtliche Fehlerhaftigkeit des Entscheides, auf welchen sie sich abgestützt hatte, erst nachträglich erkennt. Dabei hat sich die Vorsorgeeinrichtung bei ihrem Entscheid an die verfassungsmässigen Schranken (wie Rechtsgleichheit, Willkürverbot und Verhältnismässigkeit; BGE 140 V 348 E. 2.1 S. 350) zu halten (BGE 141 V 405 E. 3.6 S. 412; BGE 138 V 409 E. 3.2 S. 415 f.; Urteil 9C_604/2014 vom 31. März 2015 E. 3.1).
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Erwägung 3 |
Weiter steht ausser Frage, dass die BVK eine Erwerbsinvalidenrente gemäss § 21 Statuten über Jahre - spätestens (vgl. § 19 Statuten) vom 1. Oktober 2003 bis Ende Februar 2013 - vorbehaltlos ausrichtete. Streitig und zu prüfen ist, ob es für die Aufhebung der Rente aus beruflicher Vorsorge eines Rückkommenstitels im invalidenversicherungsrechtlichen Sinne bedarf, oder ob sie voraussetzungslos zulässig ist, sofern nur die Anspruchsvoraussetzungen nicht (mehr) erfüllt sind. In diesem Zusammenhang ist die Frage nach der Bindung der BVK an die rechtskräftigen Verfügungen der IV-Stelle resp. an das Urteil 9C_33/2014 vom 26. März 2014 nicht von entscheidender Bedeutung, wie sich aus dem Folgenden ergibt; sie kann daher offenbleiben.
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Erwägung 3.3 |
Erwägung 3.4 |
3.4.2 Das kantonale Gericht und die BVK scheinen aus E. 2.2 des Urteils 9C_889/2009 vom 2. Februar 2010 (SVR 2010 BVG Nr. 34 S. 129) abzuleiten, dass eine Vorsorgeeinrichtung - zumindest bei fehlender Bindung an die Entscheidungen der Organe der Invalidenversicherung - die bisher ausgerichtete (und nicht gerichtlich überprüfte) Rente jederzeit voraussetzungslos aufheben kann. Ob sich solches der genannten Rechtsprechung entnehmen lässt, kann offenbleiben: Diesbezüglich wurde das Urteil 9C_889/2009 zwischenzeitlich durch den in Fünferbesetzung ergangenen und amtlich publizierten BGE 138 V 409 überholt. Darin entschied das Bundesgericht, dass eine Vorsorgeeinrichtung - selbst wenn sie einen im Vergleich zum BVG resp. IVG weiteren Invaliditätsbegriff verwendet und nicht an die Entscheidungen der Organe der Invalidenversicherung gebunden ist (BGE 138 V 409 E. 4.2 und 5.1 S. 417) - auch im Rahmen der weitergehenden Vorsorge die bisher ausgerichtete Rente mangels anderslautender reglementarischer resp. statutarischer Anordnung nach den invalidenversicherungsrechtlichen Regeln anzupassen hat (BGE 138 V 409 E. 3.2 S. 415; vgl. auch E. 3.3 S. 416, wonach sich der Zeitpunkt der Anpassung ebenfalls nach den invalidenversicherungsrechtlichen Vorgaben richtet). Diese Rechtsprechung wurde mit BGE 141 V 405 (vgl. oben E. 2.3) bestätigt; sie gilt auch für die Beurteilung des hier umstrittenen Anspruchs.
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3.5 Nach dem Gesagten war die Aufhebung der Invalidenrente aus beruflicher Vorsorge unzulässig. Damit ist auch der Anspruch auf eine akzessorische Invalidenkinderrente für den Sohn des Beschwerdeführers nach Massgabe von § 26 (i.V.m. § 33-35) Statuten resp. Art. 44 Reglement 2013 und 2016 zu bejahen. Vorbehalten bleibt die Rentenkürzung infolge Überentschädigung (Art. 34a Abs. 1 und 2 BVG; § 57 Statuten; Art. 71 Reglement 2013; Art. 72 Reglement 2016). Da es in concreto nur um den Anspruch an sich, nicht aber um dessen konkrete Höhe geht, erübrigen sich diesbezügliche Weiterungen.
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