BGE 144 V 166 |
21. Auszug aus dem Urteil der II. sozialrechtlichen Abteilung i.S. A. gegen Pensionskasse B. (Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten) |
9C_595/2017 vom 27. Juni 2018 |
Regeste |
Art. 34a Abs. 1 BVG; Art. 24 Abs. 1 lit. d BVV 2; Überentschädigung. |
Sachverhalt |
A. Die 1972 geborene A. bezieht infolge eines im März 1999 erlittenen Verkehrsunfalles eine ganze Rente der Invalidenversicherung seit dem 1. März 2000 (Verfügungen vom 8. März 2002; Invaliditätsgrad 90 %). Die Pensionskasse B. (nachfolgend: Pensionskasse) richtete eine ganze Invalidenrente aus beruflicher Vorsorge von jährlich Fr. 22'872.- seit dem 1. April 2002 resp. von Fr. 23'448.- seit dem 1. Januar 2007 aus. Die Unfallversicherung erbrachte seit dem 1. Januar 2006 eine Komplementärrente (Invaliditätsgrad 88 %). Nach dem Unfall arbeitete A. in stark reduziertem Pensum und veränderter Funktion weiterhin bei der bisherigen Arbeitgeberin.
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Mit Schreiben vom 18. Juli 2007 nahm die Pensionskasse erstmals eine Überentschädigungsberechnung vor. Dabei berücksichtigte sie u.a. einen entgangenen Verdienst von jährlich Fr. 91'000.- und eine Resterwerbsfähigkeit von 12 % resp. ein Einkommen von Fr. 10'920.-; den koordinierten Rentenanspruch legte sie auf jährlich Fr. 8'604.- (monatlich Fr. 717.-) fest. Auf dieser Grundlage schlossen A. und die Pensionskasse am 24. Oktober 2008 eine Vereinbarung über die "Rentenrückerstattung aus Überversicherung". Danach sollte eine Rückerstattung von Fr. 69'000.- erfolgen, zu tilgen durch Einstellung der monatlichen Rentenzahlungen von Fr. 717.-, voraussichtlich bis zum 30. November 2016.
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Das Arbeitsverhältnis mit der bisherigen Arbeitgeberin wurde auf den 31. Dezember 2008 aufgelöst. Über eine Neuberechnung der Überentschädigung ab 1. Januar 2009 und entsprechende Anpassung der Vereinbarung vom 24. Oktober 2008 fanden A. und die Pensionskasse keine Einigung.
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B. Mit Klage vom 18. Dezember 2015 beantragte A., die Pensionskasse sei zu verpflichten, rückwirkend per 1. Januar 2009 eine neue Überentschädigungsberechnung vorzunehmen und gestützt darauf die Rente aus beruflicher Vorsorge auf jährlich Fr. 15'414.- festzusetzen. Das Kantonsgericht Freiburg wies die Klage mit Entscheid vom 5. Juli 2017 ab.
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C. A. lässt mit Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten beantragen, unter Aufhebung des Entscheids vom 5. Juli 2017 sei die Pensionskasse zu verpflichten, ihr eine Invalidenrente von jährlich Fr. 15'414.- ab 1. Januar 2009 zu bezahlen; eventualiter sei die Sache mit der Feststellung, dass ihr ab 1. Januar 2009 kein Erwerbs- oder Ersatzeinkommen anzurechnen sei, zu neuer Überentschädigungsberechnung an das kantonale Gericht zurückzuweisen.
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Die Pensionskasse schliesst auf Abweisung der Beschwerde, soweit darauf einzutreten sei. Das Bundesamt für Sozialversicherungen verzichtet auf eine Vernehmlassung.
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Das Bundesgericht heisst die Beschwerde teilweise gut.
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Aus den Erwägungen: |
Erwägung 3 |
3.1 Laut vorinstanzlicher Feststellung sind die Parteien hinsichtlich der interessierenden Invalidenrente übereinstimmend von einer Leistung der obligatorischen beruflichen Vorsorge ausgegangen. Dass diese Feststellung offensichtlich unrichtig sei oder auf einer Rechtsverletzung beruhen soll, wird nicht geltend gemacht. Sie bleibt für das Bundesgericht verbindlich (nicht publ. E. 1.2). Die Parteien berufen sich denn auch nicht auf allfällige Mehrleistungen im Sinne von Art. 49 Abs. 2 in initio BVG.
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Erwägung 3.2 |
Die Vorsorgeeinrichtung kann bei der Kürzung von Invalidenleistungen (vor Erreichen des ordentlichen Rentenalters) insbesondere das weiterhin erzielte oder zumutbarerweise noch erzielbare Erwerbs- oder Ersatzeinkommen anrechnen (Art. 24 Abs. 1 lit. d BVV 2 i.V.m. Art. 34a Abs. 5 lit. a BVG; ebenso Art. 24 Abs. 2 Satz 2 BVV 2 i.V.m. Art. 34a Abs. 1 BVG, je in den bis Ende 2016 geltenden Fassungen).
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Von der vermuteten Kongruenz des Invalideneinkommens mit dem zumutbarerweise noch erzielbarem Erwerbseinkommen ist insbesondere dann abzuweichen, wenn - seitens der versicherten Person nachzuweisende - persönliche Umstände und die tatsächliche Lage auf dem im Einzelfall relevanten Arbeitsmarkt die Verwertung der (invalidenversicherungsrechtlich festgestellten) Restarbeitsfähigkeit erschweren resp. verunmöglichen (BGE 137 V 20 E. 2.2 S. 23; BGE 134 V 64 E. 4.2 und 4.3 S. 70 ff.; Urteil 9C_495/2017 vom 16. April 2018 E. 3.3.1).
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Erfährt ein einzelner Berechnungsfaktor eine wesentliche, d.h. an sich eine Leistungsanpassung von mindestens 10 % bewirkende Änderung, prüft die Vorsorgeeinrichtung (resp. das Berufsvorsorgegericht) in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht allseitig und ohne Bindung an früher ermittelte Faktoren, ob und in welchem Umfange eine Überentschädigung vorliegt. Dies kann zu einer (Über-)Kompensation des geänderten Berechnungsfaktors führen (BGE 143 V 91 E. 4.2 S. 94 f.).
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Erwägung 4 |
Im Vergleich zu dieser - auch im Oktober 2008 gegebenen - Situation bedeutet der auf Ende 2008 erfolgte Verlust der Arbeitsstelle klar eine rechtserhebliche Veränderung des Sachverhalts, genauer: des Invalideneinkommens und damit eines Berechnungsfaktors der Überentschädigung (Anpassung der Pensionskassenleistungen um jährlich mindestens Fr. 860.40). Daran ändert nichts, dass die Versicherte bereits im September 2008 über die damals bevorstehende Beendigung des Arbeitsverhältnisses informiert war, wie die Vorinstanz (ebenfalls verbindlich) festgestellt hat.
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4.2 Die Vorinstanz hat ferner erwogen, das Vorbringen, wonach eine Resterwerbsfähigkeit von 10 % grundsätzlich nicht verwertbar sei, vermöge die gesetzliche Vermutung der Zumutbarkeit eines Resterwerbs nicht umzustossen. Sodann fehlten Belege für erfolglose Stellenbemühungen, weshalb (neu) ein hypothetisches Erwerbseinkommen anzurechnen sei. Zu dessen Höhe hat sie sich nicht geäussert.
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Die Vorinstanz und die Parteien gehen nicht von einer grösseren als 10%igen Arbeitsfähigkeit der Versicherten aus. Aus den Akten ergibt sich kein von der Invalidenversicherung festgesetztes Invalideneinkommen, das für ein hypothetisches Einkommen ab dem 1. Januar 2009 herangezogen werden könnte. So oder anders stellt sich aber die Frage nach der Anrechenbarkeit eines hypothetischen Einkommens, wenn - wie die Beschwerdeführerin weiterhin geltend macht - die Restarbeitsfähigkeit aufgrund ihres geringen Umfangs grundsätzlich als nicht verwertbar zu betrachten ist.
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Erwägung 4.3 |
4.3.2 In der Invalidenversicherung ist bei der Bestimmung des Invalideneinkommens nicht von realitätsfremden Einsatzmöglichkeiten auszugehen (vgl. SVR 2016 IV Nr. 58 S. 190, 8C_910/2015 E. 4.2.1). Eine sehr hohe Arbeitsunfähigkeit führt indessen regelmässig zu einem Invaliditätsgrad von mindestens 70 % (vgl. Art. 16 ATSG) und folglich zu einem Anspruch auf eine ganze Rente (Art. 28 Abs. 2 IVG). Beträgt die Erwerbsfähigkeit höchstens 30 %, ist die Frage nach der Verwertbarkeit einer geringen Restarbeitsfähigkeit ohne praktische Bedeutung.
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4.3.6 Nach dem Gesagten rechtfertigt sich, für die Überentschädigungsberechnung nach Art. 34a Abs. 1 BVG zumindest bei einer Restarbeitsfähigkeit von lediglich 10 % grundsätzlich von deren Unverwertbarkeit auszugehen. Daher kann in der Regel kein entsprechendes hypothetisches Einkommen angerechnet werden. Mit Blick auf das einkommensrelevante Wechselspiel zwischen Invalidenversicherung und beruflicher Vorsorge (vermutete Kongruenz der Vergleichseinkommen; E. 3.2.2) gilt dies umso mehr, als 10 %-Stellen erfahrungsgemäss kaum je ausgeschrieben werden und solche Nischentätigkeiten bilden, die - auch wenn sie beispielsweise in der Reinigungsbranche verbreitet(er) sind - auf Mund-zu-Mund-Empfehlung resp. -Vermittlung beruhen und in diesem Sinn "Insidern" vorbehalten sind.
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Weder die Weiterbeschäftigung bei der früheren Arbeitgeberin noch die blosse Tatsache, dass die Versicherte 2010 eine Anstellung finden konnte (bei der sie rund einen Viertel des früheren Invalideneinkommens erzielte), gibt Anlass, um ausnahmsweise von der Verwertbarkeit der Restarbeitsfähigkeit auszugehen und ab Januar 2009 ein hypothetisches Einkommen anzurechnen. Das Dahinfallen des - beim ehemaligen Arbeitgeber erzielten - Invalideneinkommens zieht eine umfassende Neuberechnung der Überentschädigung und des koordinierten Rentenanspruchs nach sich (vgl. E. 4.1 vorne). Diese wird die Vorinstanz nachzuholen haben, wobei sie gleichzeitig über die Höhe des mutmasslich entgangenen Verdienstes befinden wird, zumal sich die Parteien (auch) darüber nicht einig sind.
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Ob und inwieweit die neuerliche Erzielung eines tatsächlichen Einkommens ab 2010, gegen dessen Anrechnung die Beschwerdeführerin an und für sich nicht opponiert, wiederum zu einer Neuberechnung führt, hängt von den Pensionskassenleistungen ab Januar 2009 ab. Diese stellen massgebliche Vergleichsgrösse für die Erheblichkeit dar (vgl. E. 3.3), was die Vorinstanz zu übersehen scheint.
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