EuGH Rs. C-226/97, Slg. 1998, S. I-3711 - Lemmens
 
Urteil
des Gerichtshofes
vom 16. Juni 1998
In der Rechtssache
-- C-226/97 --
betreffend ein dem Gerichtshof nach Artikel 177 EG-Vertrag von der Arrondissementsrechtbank Maastricht (Niederlande) in dem bei dieser anhängigen Strafverfahren gegen
Johannes Martinus Lemmens
vorgelegtes Ersuchen um Vorabentscheidung über die Auslegung der Richtlinie 83/189/EWG des Rates vom 28. März 1983 über ein Informationsverfahren auf dem Gebiet der Normen und technischen Vorschriften (ABl. L 109, S. 8)
erläßt
Der Gerichtshof unter Mitwirkung des Präsidenten der Dritten und der Fünften Kammer C. Gulmann (Berichterstatter) in Wahrnehmung der Aufgaben des Präsidenten, der Kammerpräsidenten H. Ragnemalm, M. Wathelet, R. Schintgen sowie der Richter G. F. Mancini, P. J. G. Kapteyn, J. L. Murray, D. A. O. Edward, J.-P. Puissochet, P. Jann und L. Sevón, Generalanwalt: N. Fennelly Kanzler: D. Louterman-Hubeau, Hauptverwaltungsrätin
unter Berücksichtigung der schriftlichen Erklärungen
der niederländischen Regierung, vertreten durch J. G. Lammers, stellvertretender Rechtsberater im Ministerium für Auswärtige Angelegenheiten, als Bevollmächtigten, der Regierung des Vereinigten Königreichs, vertreten durch J. E. Collins, Assistant Treasury Solicitor, als Bevollmächtigten, und Barrister N. Green, der Kommission der Europäischen Gemeinschaften, vertreten durch B. J. Drijber, Juristischer Dienst, und M. Schotter, zum Juristischen Dienst der Kommission abgeordneter nationaler Beamter, als Bevollmächtigte, aufgrund des Sitzungsberichts, nach Anhörung der mündlichen Ausführungen der niederländischen Regierung, vertreten durch M. Fierstra, stellvertretender Rechtsberater im Ministerium für Auswärtige Angelegenheiten, als Bevollmächtigten, der französischen Regierung, vertreten durch R. Loosli-Surrans, Chargé de mission, in der Direktion für Rechtsfragen des Ministeriums für Auswärtige Angelegenheiten, als Bevollmächtigte, und der Kommission, vertreten durch B. J. Drijber, in der Sitzung vom 16. Dezember 1997,
nach Anhörung der Schlußanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom 12. Februar 1998 folgendes
 
Urteil
1. Die Arrondissementsrechtbank Maastricht hat mit Beschluß vom 13. Juni 1997, beim Gerichtshof eingegangen am 18. Juni 1997, gemäß Artikel 177 EG-Vertrag zwei Fragen nach der Auslegung der Richtlinie 83/189/EWG des Rates vom 28. März 1983 über ein Informationsverfahren auf dem Gebiet der Normen und technischen Vorschriften (ABl. L 109, S. 8; im folgenden: Richtlinie) zur Vorabentscheidung vorgelegt.
2. Diese Fragen stellen sich im Rahmen eines Strafverfahrens gegen den Angeklagten Lemmens, der beschuldigt wird, ein Kraftfahrzeug unter Alkoholeinfluß gefahren zu haben.
3. Gemäß Artikel 8 Absatz 2 Buchstabe a der Wegenverkeerswet 1994 (Straßenverkehrsgesetz, Staatsblad 1995, 475) ist es verboten, nach dem Genuß von alkoholischen Getränken ein Kraftfahrzeug zu fahren oder fahren zu lassen, wenn sich bei einer Untersuchung des Atems ein Alkoholgehalt von mehr als 220 Mikrogramm Alkohol je Liter ausgeatmeter Luft ergibt.
4. Artikel 163 Absätze 1 und 2 desselben Gesetzes bestimmt folgendes:
    "1. Hat der Polizeibeamte Anlaß zu der Annahme, daß der Fahrer eines Kraftfahrzeugs gegen Artikel 8 verstoßen hat, kann er ihn auffordern, sich einer Untersuchung im Sinne von Artikel 8 Absatz 2 Buchstabe a zu unterziehen.
    2. Der Fahrer, gegen den eine Aufforderung nach Absatz 1 ergeht, hat in ein Meßgerät zu blasen und allen Anweisungen des Polizeibeamten Folge zu leisten, die dieser ihm zur ordnungsgemäßen Durchführung der Untersuchung erteilt."
5. Nach Artikel 163 Absatz 10 kann der Justizminister durch Rechtsverordnung die übrigen Modalitäten für die Anwendung dieser Vorschriften festlegen.
6. Artikel 3 des wiederholt geänderten Besluit alcoholonderzoeken (Verordnung über Alkoholuntersuchungen) vom 24. September 1987 (Staatsblad 1987, 432) bestimmt, daß für die Durchführung der Atemuntersuchung ein Alkoholmeter zu verwenden ist, dessen Typ vom Justizminister vorgeschrieben und der zuvor von einer von demselben Minister bezeichneten Kontrolleinrichtung geprüft und anerkannt worden ist. Artikel 5 des Besluit bestimmt außerdem, daß der Justizminister die von den Alkoholmetern zu erfüllenden Bedingungen und die Vorschriften für die Untersuchungen festlegt, denen die Alkoholmeter zu unterziehen sind.
7. Die Vorschriften im Sinne des Artikels 5 des Besluit alcoholonderzoeken von 1987 wurden mit der mehrfach geänderten Regeling ademanalyse (Regelung über die Atemuntersuchung, Nederlandse Staatscourant 1987, 187) vom 25. September 1987 festgelegt. Nach Artikel 2 Absatz 1 dieser Regelung setzt die Verwendung eines Alkoholmeters durch die Polizei bei Alkoholuntersuchungen voraus, daß dessen Typ aufgrund einer von einer Kontrolleinrichtung gemäß Punkt 4. 3 des Anhangs 1 der Regelung durchgeführten Untersuchung anerkannt ist; nach Artikel 3 Absatz 1 der Regelung muß das Alkoholmeter außerdem eine von der Kontrolleinrichtung gemäß Punkt 4. 4 oder 4. 5 des genannten Anhangs durchgeführten Untersuchung bestanden haben.
8. Anhang 1 des Besluit alcoholonderzoeken von 1987 enthält die Kriterien, denen die Alkoholmeter entsprechen müssen, insbesondere in bezug auf die Qualität, die Leistung, die Untersuchungen und die Untersuchungsmethoden sowie im Hinblick auf die Verfahren zur Bewertung der Konformität.
9. In der ursprünglichen Fassung der Richtlinie, die zu dem Zeitpunkt galt, als die beiden Vorschriften von 1987 erlassen wurden, ist in den Artikeln 8 und 9 zum einen bestimmt, daß die Mitgliedstaaten der Kommission jeden Entwurf einer technischen Vorschrift übermitteln, der in den Anwendungsbereich der Richtlinie fällt, und zum anderen, daß sie die Verabschiedung dieser Entwürfe um drei Monate hinausschieben, ausgenommen in dringlichen Fällen im Sinne des Artikels 9 Absatz 3. Unter bestimmten, in Artikel 9 Absätze 1 und 2 festgelegten Voraussetzungen verlängert sich diese Frist um drei oder neun Monate.
10. Der Gerichtshof hat im Urteil vom 30. April 1996 in der Rechtssache C-194/94 (CIA Security International, Slg. 1996, I-2201, Randnr. 54) die Richtlinie dahin ausgelegt, daß der Verstoß gegen die in den Artikeln 8 und 9 festgelegte Mitteilungspflicht zur Unanwendbarkeit der betreffenden technischen Vorschriften führt, so daß sie einzelnen nicht entgegengehalten werden können. Demzufolge hat er für Recht erkannt, daß die beiden Artikel von einzelnen vor dem nationalen Gericht geltend gemacht werden können, das die Anwendung einer nationalen technischen Vorschrift, die nicht gemäß der Richtlinie mitgeteilt wurde, ablehnen muß.
11. Im Anschluß an dieses Urteil hat die niederländische Regierung ein Verzeichnis der nationalen Vorschriften erstellt, die der Kommission nach Maßgabe der Richtlinie möglicherweise hätten mitgeteilt werden müssen; hierzu zählten der Besluit alcoholonderzoeken von 1987 und die Regeling ademanalyse von 1987. Außerdem teilte die niederländische Regierung der Kommission im Rahmen einer "Nachholaktion" den Besluit alcoholonderzoeken von 1997 und die Regeling ademanalyse von 1997 mit, die mit den beiden Vorschriften von 1987 übereinstimmen.
12. Nach dem Vorlagebeschluß erklärte der Angeklagte im Strafverfahren: "Ich habe der Presse entnommen, daß es Probleme mit dem Blasgerät gibt. Ich berufe mich darauf, daß dieses Gerät in Brüssel nicht angemeldet ist, und frage mich, welche Folgen dies in meiner Sache haben kann."
13. Das vorlegende Gericht hat das Verfahren ausgesetzt und dem Gerichtshof folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorgelegt:
    1. Kann von einem Angeklagten, dem in einer Strafsache vorgeworfen wird, gegen Artikel 8 Absatz 2 Buchstabe a der Wegenverkeerswet 1994 verstoßen zu haben, oder in seinem Namen mit Erfolg geltend gemacht werden, daß die Regeling ademanalyse in ihrer geänderten Fassung, die nähere Vorschriften über die Anforderungen, die Atemuntersuchungsgeräte erfüllen müssen, und die Untersuchungen, denen sie zu unterziehen sind, enthält  wobei diese Regelung für die in Artikel 8 Absatz 2 Buchstabe a der Wegenverkeerswet 1994 genannte Untersuchung gemäß Artikel 65 der Invoeringswet Wegenverkeerswet 1994 auf Artikel 163 der Wegenverkeerswet 1994 in Verbindung mit Artikel 5 des Besluit alcoholonderzoeken in seiner geänderten Fassung beruht , nicht anzuwenden ist, da in bezug auf diese Regelung die nach Artikel 8 der Richtlinie 83/189/EWG vorgeschriebene Mitteilung an die Europäische Kommission nicht erfolgt ist?
    2. Hat der Richter in einer Strafsache der oben genannten Art diese Regelung aufgrund des Fehlens der Mitteilung von Amts wegen außer Anwendung zu lassen?
15. Der Begriff "technische Vorschrift" wird in Artikel 1 Absatz 5 der Richtlinie definiert als "[t]echnische Spezifikationen einschließlich der einschlägigen Verwaltungsvorschriften, deren Beachtung de jure oder de facto für die Vermarktung oder Verwendung in einem Mitgliedstaat oder in einem großen Teil dieses Staates verbindlich ist, ausgenommen die von den örtlichen Behörden festgelegten technischen Spezifikationen." Nach Artikel 1 Absatz 1 der Richtlinie ist eine "technische Spezifikation" eine "Spezifikation, die in einem Schriftstück enthalten ist, das Merkmale eines Erzeugnisses vorschreibt, wie Qualitätsstufen, Gebrauchstauglichkeit, Sicherheit oder Abmessungen, einschließlich der Festlegungen über Terminologie, Bildzeichen, Prüfung und Prüfverfahren, Verpackung, Kennzeichnung oder Beschriftung."
16. Wenn die Regeling ademanalyse von 1987 auch die von den Alkoholmetern zu erfüllenden Kriterien nennt und die Polizei verpflichtet ist, anerkannte Geräte zu verwenden, um das tatsächliche Vorliegen eines Verstoßes zu beweisen, so fällt die Regelung dennoch nach Ansicht der niederländischen und der französischen Regierung aus zwei Gründen nicht in den Anwendungsbereich der Richtlinie.
17. Zum einen macht die niederländische Regierung geltend, die Regeling ademanalyse von 1987 betreffe das Strafrecht; dieses liege außerhalb des Bereichs des Gemeinschaftsrechts.
18. Nach Ansicht der französischen Regierung findet die Richtlinie keine Anwendung auf Produkte, die  wie diejenigen des Ausgangsverfahrens  zur Verwendung im Rahmen der Ausübung von Hoheitsgewalt und insbesondere der Strafverfolgung der Mitgliedstaaten bestimmt seien.
19. Diese Auffassungen sind abzulehnen. Zwar fallen das Strafrecht und das Strafprozeßrecht grundsätzlich in die Zuständigkeit der Mitgliedstaaten; daraus kann jedoch nicht geschlossen werden, daß dieser Rechtsbereich nicht vom Gemeinschaftsrecht berührt würde (vgl. in diesem Sinne die Urteile vom 2. Februar 1989 in der Rechtssache 186/87, Cowan, Slg. 1989, 195, Randnr. 19, und vom 11. November 1981 in der Rechtssache 203/80, Casati, Slg. 1981, 2595, Randnr. 27).
20. Im vorliegenden Fall läßt sich der Richtlinie nichts dafür entnehmen, daß solche technischen Vorschriften im Sinne des Artikels 1, die in den Bereich des Strafrechts fallen, von der Verpflichtung zur Mitteilung ausgeschlossen sind, und daß sich ihr Anwendungsbereich auf Produkte beschränkt, die nicht zur Verwendung im Rahmen der Ausübung von Hoheitsgewalt bestimmt sind. Der Gerichtshof hat bereits in seinem Urteil vom 20. März 1997 in der Rechtssache C-13/96 (Bic Benelux, Slg. 1997, I-1753, Randnr. 19) festgestellt, daß eine Richtlinie auf technische Vorschriften unabhängig von den Gründen Anwendung findet, die für ihren Erlaß maßgeblich waren.
21. Zum anderen erklärt die niederländische Regierung, daß die fraglichen Vorschriften nicht für Personen gälten, die Alkoholmeter herstellten oder vertrieben, sondern nur für eine bestimmte Art von Käufern, d.h. für die Polizei. Auf dem nicht betroffenen Teil des Marktes für Alkoholmeter könnten die Geräte, die mit der Regeling ademanalyse von 1987 nicht vereinbar seien, unbeschränkt gehandelt und verwendet werden.
22. Außerdem wendeten sich die in der Regeling ademanalyse von 1987 enthaltenen Anweisungen an Polizeibeamte; sie hätten zum Zweck, die Zuverlässigkeit derAlkoholmeter insofern zu gewährleisten, als sie den Beweis für die Trunkenheit eines Fahrers lieferten, gäben jedoch nicht an, welche Bedingungen beim Verkauf der Alkoholmeter erfüllt sein müßten.
23. Die französische Regierung trägt ganz entsprechend vor, technische Vorschriften im Sinne der Richtlinie seien nur solche, die sich auf Produkte des täglichen Bedarfs bezögen.
24. Diesen Auffassungen kann nicht gefolgt werden. Freilich kann es Vorschriften geben, die für ein Produkt technische Spezifikationen dann vorsehen, wenn es für eine bestimmte Gruppe von Benutzern bestimmt ist, die dem besonderen Ziel dieser Gruppe entsprechen und die nicht als technische Vorschriften im Sinne der Richtlinie aufgefaßt werden können, weil ihr Zusammenhang mit der Herstellung und dem Vertrieb des Produkts hierfür zu gering ist. So verhält es sich hier jedoch nicht.
25. Selbst wenn es nämlich in den Niederlanden einen Markt für mit der Regeling ademanalyse von 1987 nicht konforme Alkoholmeter geben sollte, müßte diese Vorschrift trotzdem von denjenigen beachtet werden, die diese Geräte an die Polizei verkaufen, die für diese Geräte auf dem niederländischen Markt einen sehr bedeutenden Abnehmer darstellt.
26. Daher enthält die Regeling ademanalyse von 1987 technische Vorschriften, die der Kommission gemäß Artikel 8 der Richtlinie vor ihrem Erlaß hätten mitgeteilt werden müssen.
27. Mit seiner ersten Frage begehrt das nationale Gericht Aufschluß über die Frage, ob die Mißachtung der in Artikel 8 der Richtlinie festgelegten Verpflichtung, eine technische Vorschrift über Alkoholmeter mitzuteilen, zur Folge hat, daß einem Angeklagten, dem Trunkenheit am Steuer vorgeworfen wird, der mit einem nach dieser Vorschrift zugelassenen Alkoholmeter gewonnene Beweis nicht entgegengehalten werden kann.
28. Nach Ansicht der Kommission und der Regierungen, die vor dem Gerichtshof Erklärungen abgegeben haben, ist diese Frage zu verneinen.
29. Die niederländische Regierung trägt vor allem vor, der Angeklagte habe kein schutzwürdiges Interesse an einer Nichtanwendbarkeit der technischen Vorschrift. Die Richtlinie bezwecke die Gewährleistung des freien Warenverkehrs, so daß allein diejenigen, die Waren herstellten oder einführten, ein unmittelbares Interesse daran hätten, daß die in der Regeling ademanalyse von 1987 enthaltenen technischen Vorschriften anhand der Richtlinie kontrolliert würden.
30. Nach Ansicht der Regierung des Vereinigten Königreichs folgt aus dem Urteil CIA Security International, daß nur die nicht mitgeteilte technische Vorschrift als solche dem einzelnen nicht entgegengehalten werden könne. Die Richtlinie bezwecke nur die Beseitigung von Handelshindernissen und habe nicht zum Ziel, die Verwendung eines Produkts, das unter Beachtung einer nicht mitgeteilten technischen Vorschrift verkauft werde, rechtswidrig werden zu lassen.
31. Die Kommission und die französische Regierung sind der Auffassung, daß die Voraussetzungen für die unmittelbare Anwendung des Artikels 8 der Richtlinie und die Sanktion der Nichtbeachtung dieser Vorschrift  d.h. die Unwirksamkeit der nicht mitgeteilten Regelung gegenüber dem Bürger  vom Gemeinschaftsrecht zwar zwingend vorgesehen seien, daß es jedoch Sache des nationalen Rechts sei, den Inhalt und die konkreten Folgen dieser Sanktion zu bestimmen; dabei dürften zum einen die Bedingungen, unter denen ein Bürger einen Verstoß gegen das Gemeinschaftsrecht geltend machen könne, nicht weniger günstig sein als diejenigen, die er im Fall eines vergleichbaren Verstoßes gegen das nationale Recht zu beachten hätte, und zum anderen müsse die Wirksamkeit des Gemeinschaftsrechts gewahrt bleiben. Die Kommission ist daher der Ansicht, daß das Gemeinschaftsrecht der Anwendung eines nationalen Rechtsgrundsatzes nicht entgegenstehe, wonach die Nichtbeachtung der Verpflichtung zur Mitteilung technischer Vorschriften die Anwendbarkeit der Rechtsvorschriften über Trunkenheit am Steuer nicht ausschließe, wenn der Angeklagte die Nichtbeachtung einer ähnlichen nationalen Rechtspflicht auch nicht geltend machen könne.
32. Der Gerichtshof hat in Randnummer 40 des Urteils CIA Security International festgestellt, daß die Richtlinie durch eine vorbeugende Kontrolle den freien Warenverkehr schützen solle, der zu den Grundlagen der Gemeinschaft gehöre. Diese Kontrolle sei insofern sinnvoll, als unter die Richtlinie fallende technische Vorschriften möglicherweise Beschränkungen des Warenaustauschs zwischen Mitgliedstaaten darstellten, die nur zugelassen werden könnten, wenn sie notwendig seien, um zwingenden Erfordernissen zu genügen, mit denen ein im allgemeinen Interesse liegendes Ziel verfolgt werde.
33. In den Randnummern 48 und 54 desselben Urteils hat der Gerichtshof ausgeführt, daß die Mitteilungspflicht ein wichtiges Mittel zur Verwirklichung dieser gemeinschaftlichen Kontrolle darstelle; die Wirksamkeit dieser Kontrolle sei um so größer, wenn die Richtlinie dahin ausgelegt werde, daß der Verstoß gegen die Mitteilungspflicht einen wesentlichen Verfahrensfehler darstelle, der zur Unanwendbarkeit der fraglichen technischen Vorschriften auf einzelne führen könne.
34. In einem Strafverfahren wie im Ausgangsverfahren sind auf den Angeklagten zum einen die Vorschriften anzuwenden, die Trunkenheit am Steuer verbieten und unter Strafe stellen, zum anderen diejenigen, die einen Fahrer verpflichten, in ein Gerät zur Bestimmung des Alkoholgehalts zu blasen, wobei das Ergebnis dieser Untersuchung im Strafverfahren Beweis liefert. Diese Vorschriften sind andere als diejenigen, die dem Bürger nicht entgegengehalten werden können, weil sie der Kommission nicht gemäß der Richtlinie mitgeteilt wurden.
35. Werden technische Vorschriften nicht mitgeteilt, stellt dies zwar einen Verfahrensfehler bei ihrem Erlaß dar, so daß sie nicht anwendbar sind, soweit sie die Verwendung oder den Vertrieb eines mit diesen Vorschriften nicht konformen Produkts behindern; aber diese Unterlassung hat nicht zur Folge, daß jede Verwendung eines Produkts rechtswidrig ist, das mit den nicht mitgeteilten Vorschriften konform ist.
36. Die behördliche Verwendung des Produkts kann also in einem Fall wie dem vorliegenden nicht zu einer Beschränkung des Handels führen, die hätte vermieden werden können, wenn das Mitteilungsverfahren eingehalten worden wäre.
37. Auf die erste Frage ist also zu antworten, daß die Mißachtung der in Artikel 8 der Richtlinie festgelegten Verpflichtung, eine technische Vorschrift über Alkoholmeter mitzuteilen, nicht zur Folge hat, daß einem Angeklagten, dem Trunkenheit am Steuer vorgeworfen wird, der mit einem nach dieser Vorschrift zugelassenen Alkoholmeter gewonnene Beweis nicht entgegengehalten werden kann.
38. In Anbetracht der Antwort auf die erste Frage erübrigt sich die Antwort auf die zweite Frage.
 
Kosten
39. Die Auslagen der niederländischen und der französischen Regierung, der Regierung des Vereinigten Königreichs und die der Kommission, die vor dem Gerichtshof Erklärungen abgegeben haben, sind nicht erstattungsfähig. Für die Parteien des Ausgangsverfahrens ist das Verfahren ein Zwischenstreit in dem bei dem vorlegenden Gericht anhängigen Rechtsstreit; die Kostenentscheidung ist daher Sache dieses Gerichts.
Aus diesen Gründen hat der Gerichtshof auf die ihm von der Arrondissementsrechtbank Maastricht am 13. Juni 1997 vorgelegten Fragen für Recht erkannt:
Die Mißachtung der in Artikel 8 der Richtlinie 83/189/EWG des Rates vom 28. März 1983 über ein Informationsverfahren auf dem Gebiet der Normen und technischen Vorschriften festgelegten Verpflichtung, eine technische Vorschrift über Alkoholmeter mitzuteilen, hat nicht zur Folge, daß einem Angeklagten, dem Trunkenheit am Steuer vorgeworfen wird, der mit einem nach dieser Vorschrift zugelassenen Alkoholmeter gewonnene Beweis nicht entgegengehalten werden kann.
Gulmann, Ragnemalm, Wathelet, Schintgen, Mancini, Kapteyn, Murray, Edward, Puissochet, Jann, Sevon
Verkündet in öffentlicher Sitzung in Luxemburg am 16. Juni 1998.
R. Grass (Der Kanzler), G. C. Rodriguez Iglesias (Der Präsident)