BVerwGE 24, 12 - Reklameverbot bei Kraftdroschken
Das Reklameverbot bei Kraftdroschken erstreckt sich auch auf die Anbringung eines Pappschildes mit der Telefonnummer des Unternehmers im Rückfenster der Kraftdroschke.
GG Art. 12 Abs. 1; Personenbeförderungsgesetz 1961 § 47; BOKraft § 20
 
Urteil
des VII. Senats vom 25. März 1966
-- BVerwG VII C 57.65 --
I. Verwaltungsgericht Freiburg
II. Verwaltungsgerichtshof Mannheim
 
Aus den Gründen:
Die Polizeibehörde hat zutreffend die Anbringung von Schildern mit der Telefonnummer auf der Innenseite des Rückfensters der Kraftdroschken beanstandet. Dies ergibt sich aus § 20 der Verordnung über den Betrieb von Kraftfahrunternehmen im Personenverkehr in der Fassung der Bekanntmachung vom 7. Juli 1960 (BGBl.1 S. 553) -- BOKraft --. Während Absatz 1 dieser Vorschrift nur Omnibusse betrifft, ist in Absatz 2 bestimmt, daß der Name und der Betriebssitz des Droschkenunternehmers sowie das amtliche Kennzeichen des Fahrzeuges im Innern an einer für den Fahrgast gut sichtbaren Stelle angeschrieben werden müssen. Weiterhin enthält § 20 Abs. 3 und 4 BOKraft folgende Regelung:
    "(3) Die Angaben müssen eindeutig und gut lesbar sein. Ihre Wirkung darf durch andere Aufschriften und dergleichen, auch durch Reklame, nicht beeinträchtigt werden.
    (4) Die Außenflächen von Personenwagen dürfen für Reklamezwecke nicht verwendet werden."
Aus dem Aufbau des § 20 BOKraft ergibt sich, daß die Absätze 1 bis 3 in einem näheren gedanklichen Zusammenhang insofern stehen, als für Omnibusse die Anschrift auf der Außenfläche, für Droschken im Wagen-innern vorgeschrieben ist und zugleich durch Absatz 3 sichergestellt wird, daß diese Angaben bei Omnibussen von jedem Verkehrsteilnehmer, bei Kraftdroschken von jedem Fahrgast, der sie benutzt, ohne Schwierigkeiten gelesen und damit die Identität des Kraftfahrzeuges festgestellt werden kann. Demgegenüber enthält § 20 Abs. 4 BOKraft die Regelung eines anderen Sachverhalts. Diese Vorschrift dient nicht der Feststellung der Identität des Unternehmers. Vielmehr beruht das Verbot von Reklame auf der Außenfläche der Kraftdroschken auf der Zweckbestimmung der Kraftdroschken selbst, wie sie sich aus § 47 des Personenbeförderungsgesetzes vom 21. März 1961 (BGBl.I S. 241) -- PBefG -- ergibt. Nach dieser Vorschrift kommt es für den Begriff der Kraftdroschken maßgeblich darauf an, daß diese auf öffentlichen Straßen oder Plätzen bereitzustellen sind. Ergänzend ist § 49 Abs. 4 PBefG heranzuziehen, wonach ein Bereitstellen von Mietwagen, durch das ein droschkenähnlicher Verkehr erreicht wird, verboten ist. Für das Wesen des Kraftdroschkenverkehrs ist es unerheblich, ob der Fahrgast einen öffentlichen Halteplatz aufsucht, um dort eine Droschke zu besteigen, oder ob er das Telefon benutzt und sich eine Droschke bestellt. Durch die Regelung im Personenbeförderungsgesetz sind die Kraftdroschkenunternehmer einesteils privilegiert, andererseits unterliegen sie erhöhten Anforderungen, insbesondere im Hinblick auf die Betriebssicherheit. Soweit ein Staatsbürger in näherer Verbindung mit einem bestimmten Droschkenunternehmer steht und gerade dessen Dienst in Anspruch zu nehmen wünscht, ist er daran nicht gehindert. Der Regelfall ist dies jedoch nicht. Vielmehr konnte der Gesetzgeber davon ausgehen, daß die betreffenden Staatsbürger jedem Droschkenunternehmer das gleiche Vertrauen entgegenbringen, weil die Dienstleistungen der einzelnen Unternehmer infolge der eingehenden gesetzlichen Regelung als gleichwertig anzusehen sind. Die Gleichwertigkeit auf dem Halteplatz könnte durch die Zulassung von Reklame dem Staatsbürger, der eine Kraftdroschke benutzen will, fraglich erscheinen. Die Gefahr, daß einzelne Unternehmen aus Konkurrenzgründen unter Verstoß gegen Preisregelung und Sicherheitsvorschriften günstigere Leistungen erbringen, wäre nicht von der Hand zu weisen. Diesem Gesichtspunkt dient die Regelung in § 20 Abs. 4 BOKraft. Das Berufungsgericht hat sie als die "Anonymität" der Kraftdroschken bezeichnet. Infolge der vielfältigen, die Sicherheit und Zuverlässigkeit des Droschkenverkehrs gewährleistenden Bestimmungen soll der Staatsbürger darauf vertrauen können, daß er jede auf dem Halteplatz bereitgestellte Droschke -- was Sicherheit und Höhe des Entgelts betrifft -- in gleicher Weise in Anspruch nehmen kann. Dies wäre in Frage gestellt, wenn Reklame an den Außenflächen der Kraftdroschken zulässig wäre. Die Reklame müßte, um einen Fahrgast anzulocken, darauf abstellen, daß die Leistungen des betreffenden Droschkenunternehmers besonders günstig sind. Daher überschreitet die nach § 65 Abs. 3 Nr. 5 PBefG 1961 fortgeltende Verordnung über den Betrieb von Kraftfahrunternehmen im Personenverkehr als eine Regelung der Berufsausübung nicht die Grenzen, die nach Art. 12 Abs. 1 Satz 2 GG bestehen. Gegenüber dieser Vorschrift tritt Art. 2 GG zurück. Im übrigen ist auch nicht erkennbar, inwiefern ein Droschkenunternehmer in der freien Entfaltung seiner Persönlichkeit gehindert sein soll, wenn er nicht ein Pappschild auf der Innenseite des Rückfensters seiner Kraftdroschke anbringen kann.
Aus dem Zweck des § 20 Abs. 4 BOKraft ergibt sich, daß jede auf der Außenfläche des Kraftwagens sichtbare Reklame untersagt ist. Jede Bezeichnung, die auf das Droschkenunternehmen hinweist und die Aufmerksamkeit solcher Personen auf sich zu ziehen geeignet und bestimmt ist, die als Kunden künftig in Betracht kommen, dient der Reklame. Auch einprägsame Zahlen können solche Bezeichnungen darstellen. Die Anbringung der Telefonnummer kommt zudem, der technischen Entwicklung folgend, der Neigung der Kunden entgegen, sich eine Kraftdroschke telefonisch zu bestellen. Die Auffassung, daß es sich lediglich um eine Ergänzung der Anschrift handelt, geht fehl. Dem berechtigten Interesse des Fahrgastes, auch ohne Nachforschung Name und Anschrift des Unternehmers erfahren zu können, dient das in Absatz 2 ausgesprochene Gebot. Der Sinn der Regelung besteht darin, daß die Kraftdroschke nicht mit einer nach außen zu erkennenden Reklame ausgestattet werden darf. Die "Außenfläche" wird auch dann für Reklame benutzt, wenn sie durchsichtig ist und ein Schild auf der Innenseite angebracht wird. Anderenfalls könnten im Zuge des technischen Fortschritts Kraftdroschkenunternehmer eines Tages auch Wände aus Glas verwenden und auf der Innenseite werbende Aufschriften anbringen. Mit dem Sinngehalt des Reklameverbots ist die von dem Kläger vertretene einschränkende Auslegung nicht vereinbar. Das Grundgesetz verbietet es nicht, eine Vorschrift ihrem Sinn und Zweck entsprechend weit auszulegen, wenn die betreffende Regelung die Grundrechte nicht antastet. Dies ist aber, wie schon ausgeführt, nicht der Fall.