BVerwGE 80, 313 - Verfahren und Rechtsschutz bei Asylfolgeantrag |
Hat die Ausländerbehörde nach Stellung eines von ihr für unbeachtlich gehaltenen Folgeantrags eine Abschiebungsandrohung erlassen, kann der Ausländer die Weiterleitung des Folgeantrags an das Bundesamt nur durch Anfechtungsklage gegen die Abschiebungsandrohung erreichen. |
Ist die Abschiebungsandrohung unwirksam geworden, weil die aufschiebende Wirkung der hiergegen erhobenen Klage wegen eines bestehenden Abschiebungshindernisses angeordnet worden ist, oder hat die Ausländerbehörde sie aus diesem Grunde aufgehoben, kann die Klage mit dem Antrag fortgeführt werden, die Ausländerbehörde zur Weiterleitung zu verpflichten. |
Ein Folgeantrag ist nicht schon dann an das Bundesamt weiterzuleiten, wenn wegen eines Abschiebungshindernisses eine Abschiebungsandrohung nicht erlassen bzw. von der Ausländerbehörde wiederaufgehoben wird oder eine gegen die Abschiebungsandrohung gerichtete Klage bzw. ein Antrag auf Anordnung ihrer aufschiebenden Wirkung wegen des Abschiebungshindernisses erfolgreich war. |
Diejenige Ausländerbehörde, bei der der Ausländer seinen ersten Asylantrag gestellt hat, bleibt nach einem Aufenthaltswechsel des Ausländers für die Behandlung eines Folgeantrags grundsätzlich jedenfalls dann örtlich zuständig, wenn der Folgeantrag vor der Abschiebung oder der freiwilligen Ausreise des Ausländers gestellt worden ist. |
AsylVfG § 8 Abs. 1 Satz 1 und 2, § 8 Abs. 5, § 10, § 14 Abs. 1; VwVfG § 3 Abs. 3 |
Urteil |
des 9. Senats vom 25. Oktober 1988 |
- BVerwG 9 C 2.88 - |
I. Verwaltungsgericht Berlin |
II. Oberverwaltungsgericht Berlin |
Der Kläger, ein Palästinenser aus dem Libanon, beantragte erstmals im Jahre 1974 in der Bundesrepublik Deutschland Asyl. Nach rechtskräftiger Ablehnung dieses Asylgesuchs reiste er in den Libanon aus, kehrte aber später in die Bundesrepublik zurück und stellte erneut einen Asylantrag, den das Bundesamt wiederum ablehnte. Die dagegen erhobene Klage wies das Verwaltungsgericht durch rechtskräftiges Urteil vom 22. April 1986 ab.
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Nach Abschluß dieses Verfahrens ordnete das Landeseinwohneramt Berlin die Abschiebung des Klägers an. Der Kläger stellte unter dem 13. Oktober 1986 aus der Abschiebehaft in Frankfurt einen an den Landrat des Main-Taunus-Kreises gerichteten Asylfolgeantrag, den dieser an das Landeseinwohneramt Berlin weiterleitete, das dem Kläger durch Bescheid vom 10. November 1986 wegen Unbeachtlichkeit des Folgeantrags die Abschiebung androhte. Auf Antrag des Klägers hat das Verwaltungsgericht Berlin die aufschiebende Wirkung seiner gegen die Abschiebungsandrohung erhobenen Klage angeordnet, weil nach einer Weisung des Senators für Inneres Abschiebungen nach dem Libanon nicht mehr durchgeführt würden. Im Verfahren zur Hauptsache hat das beklagte Land daraufhin die Abschiebungsandrohung aufgehoben; insoweit haben die Beteiligten den Rechtsstreit überstimmend für erledigt erklärt. Den weitergehenden Klageantrag auf Verpflichtung des Beklagten zur Weiterleitung des Asylantrags an das Bundesamt hat das Verwaltungsgericht mit der Begründung zurückgewiesen, das Landeseinwohneramt habe den Asylfolgeantrag vom 13. Oktober 1986 zu Recht als unbeachtlich angesehen.
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Berufung und Revision des Klägers hatten keinen Erfolg.
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Aus den Gründen: |
Das Berufungsgericht hat dem auf Verpflichtung des beklagten Landes gerichteten Begehren des Klägers, den von ihm am 13. Oktober 1986 gestellten Asylfolgeantrag zur Entscheidung an das Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge weiterzuleiten, mit Recht nicht entsprochen.
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Die auf diese Verfahrenshandlung (vgl. Urteil vom 15. Dezember 1987 - BVerwGE 78, 332 [336]) gerichtete Klage ist allerdings - wie auch die Vorinstanzen angenommen haben - zulässig. Aufgrund der Vorschriften der §§ 10 Abs. 3 und 10 Abs. 5 AsylVfG, die den allgemeinen Regeln der Verwaltungsgerichtsordnung, insbesondere der Vorschrift des § 44a VwGO, vorgehen, ist über die Frage, ob die Ausländerbehörde einen nach § 8 Abs. 1 Satz 1 AsylVfG bei ihr gestellten Asylfolgeantrag (§ 14 Abs. 1 AsylVfG) an das Bundesamt aufgrund der Vorschrift des § 8 Abs. 5 AsylVfG weiterleiten muß, zum einen in einem selbständigen Zwischenverfahren zu entscheiden. Zum anderen ergibt sich aus dem Wortlaut des § 10 Abs. 3 AsylVfG und der insoweit eindeutigen Entstehungsgeschichte (vgl. BT-Drucks 9/1630, S. 25), daß dies, sofern - wie hier - (zunächst) eine Abschiebungsandrohung ergangen ist, nur im Rahmen einer gegen die Abschiebungsandrohung gerichteten Anfechtungsklage geschehen kann (vgl. Urteil vom 26. März 1985 - BVerwG 9 C 47.84 - Buchholz 402.25 § 10 AsylVfG Nr. 1). Die auf eine Empfehlung des Bundesrats (BR-Drucks 172/1/82) zurückgehende Vorschrift des § 10 Abs. 5 AsylVfG, die der Sache nach auch eine Klage auf Weiterleitung des Asylantrags zuläßt, ist auf die Fälle beschränkt, in denen die Ausländerbehörde vom Erlaß einer Abschiebungsandrohung absieht. Erläßt sie hingegen eine Abschiebungsandrohung, kann der Ausländer seinem vermeintlichen Anspruch auf Weiterleitung des Folgeantrags nur dadurch Geltung verschaffen, daß er die Abschiebungsandrohung angreift, durch deren Erlaß die Ausländerbehörde gleichzeitig zum Ausdruck gebracht hat, sie werde den Asylfolgeantrag nicht weiterleiten. In dem Begehren des Ausländers auf Aufhebung der Abschiebungsandrohung liegt in diesem Fall - sozusagen verdeckt - gleichzeitig auch das Begehren auf Weiterleitung des Asylfolgeantrags. Mit der Entscheidung über das Aufhebungsbegehren wird zugleich über den Weiterleitungsanspruch entschieden. Der Kläger hat daher im vorliegenden Fall zunächst zutreffend Anfechtungsklage gegen die Abschiebungsandrohung vom 10. November 1986 unter anderem auch mit der Begründung erhoben, diese habe nicht ergehen dürfen, weil der von ihm gestellte Folgeantrag nach § 14 AsylVfG beachtlich sei.
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Ist - wie im vorliegenden Fall - die Abschiebungsandrohung nach § 10 Abs. 4 AsylVfG unwirksam geworden, weil einem nach § 10 Abs. 3 AsylVfG gestellten Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung wegen eines bestehenden Abschiebungshindernisses entsprochen wurde und hat die Ausländerbehörde - wie hier - zudem ihre Abschiebungsandrohung während des Anfechtungsprozesses aus diesen Gründen selbst wiederaufgehoben, ohne den Folgeantrag weiterzuleiten oder eine diesbezügliche Verpflichtung anzuerkennen, kann die erhobene Klage nicht mehr mit dem Antrag auf Aufhebung der Abschiebungsandrohung fortgeführt werden, weil es an einem Anfechtungsgegenstand fehlt. Der Rechtsstreit ist insoweit erledigt. Nicht erledigt ist hingegen der bisher nur "verdeckt" anhängig gewesene Anspruch auf Weiterleitung des Asylfolgeantrags. Dieses Begehren gewinnt nunmehr, ähnlich wie im Falle des § 10 Abs. 5 AsylVfG, selbständige Bedeutung. Der Kläger muß den Rechtsstreit mit dem Antrag fortführen, die Ausländerbehörde zu verpflichten, den Folgeantrag an das Bundesamt weiterzuleiten. Das ist hier in zutreffender Weise geschehen. Eine Klageänderung liegt darin nicht.
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Wie die Vorinstanzen zu Recht angenommen haben, ist die demnach zulässige Klage jedoch unbegründet.
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Die Vorinstanzen sind in dieser Hinsicht zunächst zutreffend davon ausgegangen, daß das Landeseinwohneramt Berlin die zur Behandlung des vom Kläger gestellten Folgeantrags örtlich zuständige Ausländerbehörde ist, so daß dahinstehen kann, welche Rechtsfolge sich ergeben hätte, wenn der Landrat des Main-Taunus-Kreises, an den der Kläger den Folgeantrag gerichtet hatte, örtlich zuständig gewesen wäre. Die Vorschrift des § 8 Abs. 1 Satz 2 AsylVfG, nach der für die Entgegennahme eines Asylantrags diejenige Ausländerbehörde zuständig ist, in deren Bezirk sich der Ausländer aufhält, greift nämlich im vorliegenden Fall nicht ein. Zwar muß davon ausgegangen werden, daß sich der Kläger bei Stellung seines Folgeantrags am 13. Oktober 1986 nicht mehr in Berlin aufhielt. Er war zum Zwecke seiner Abschiebung zum Frankfurter Flughafen verbracht worden und befand sich nach Verweigerung der Weiterreise in Frankfurt/Main in Abschiebehaft. Unter diesen Umständen kann von einer bloß vorübergehenden Abwesenheit von Berlin nicht gesprochen werden. Indessen ist die Vorschrift des § 8 Abs. 1 Satz 2 AsylVfG regelmäßig auf Folgeanträge nach einem Aufenthaltswechsel des Ausländers jedenfalls dann nicht anwendbar, wenn sie noch vor der Ausreise oder Abschiebung gestellt werden. § 8 Abs. 1 Satz 2 AsylVfG ist - wie auch Satz 3 dieser Vorschrift (Asylbegehren bei der Grenzbehörde) zeigt - auf Erstanträge zugeschnitten, die nach der Einreise gestellt werden. Der Ausländer soll in die Lage versetzt werden, sein Asylbegehren ohne Suche nach einer zuständigen Behörde möglichst rasch äußern zu können, nämlich dort, wo er sich nach seiner Einreise befindet. Gleichzeitig soll damit erreicht werden, daß auch seine - regelungsbedürftige - aufenthaltsrechtliche Situation den Ausländerbehörden frühzeitig bekannt wird (vgl. BT-Drucks 9/875 S. 15 und 9/1630 S. 18). All dies trifft auf einen Folgeantrag, den der Ausländer vor seiner freiwilligen Ausreise oder Abschiebung stellt, nicht zu. Der Folgeantragsteller weiß, welche Ausländerbehörde die für ihn maßgebende ist. Dieser andererseits ist seine aufenthaltsrechtliche Situation seit langem bekannt.
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Der Folgeantrag eröffnet zudem kein neues Verfahren, sondern bewirkt bei Vorliegen der gesetzlichen Voraussetzungen ein Wiederaufgreifen des alten Verfahrens, das insoweit fortgeführt wird, wie die Gründe für das Wiederaufgreifen reichen. Ein hinreichender Grund dafür, daß die bisher zuständige Ausländerbehörde in einem solchen Fall nicht weiterhin für den Ausländer zuständig bleiben sollte, ist nicht erkennbar. Der mit der Regelung des § 8 Abs. 1 Satz 2 AsylVfG verfolgte Zweck würde vielmehr in sein Gegenteil verkehrt, wenn sich nunmehr eine andere Ausländerbehörde nach Aktenübersendung in den ihr unbekannten Asylfall einarbeiten sollte. Deshalb bleibt die einmal zuständig gewordene Ausländerbehörde während der gesamten Dauer des Asylverfahrens grundsätzlich die örtlich zuständige Behörde. Unter Dauer des Asylverfahrens ist dabei das gesamte Verfahren einschließlich seiner aufenthaltsrechtlichen Abwicklung nach rechtsbeständiger Ablehnung des Asylantrags zu verstehen, wie durch die aufgrund des Art. 1 Nr. 15 des Gesetzes vom 6. Januar 1987 (BGBl. I S. 89) erfolgte Änderung des § 26 AsylVfG klargestellt worden Ist (vgl. BT-Drucks 10/1164 S. 8). Diejenige Ausländerbehörde, bei der der Ausländer seinen ersten Asylantrag gestellt hat, bleibt damit auch bei einem Aufenthaltswechsel des Ausländers jedenfalls für solche Folgeanträge örtlich zuständig, die vor der Abschiebung oder der freiwilligen Ausreise gestellt werden.
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Eine Ausnahme hiervon ist nur dann gegeben, wenn die Ausländerbehörde ihre örtliche Zuständigkeit an eine andere Ausländerbehörde abgibt. Das ist dann der Fall, wenn sie dem Ausländer zum weiteren Verbleib während des Asylverfahrens entweder einen Aufenthalt im Bezirk einer anderen Ausländerbehörde - z.B. zum Zwecke der Familienzusammenführung - gestattet oder ihn aus bestimmten Gründen in den Bezirk einer anderen Ausländerbehörde einweist und sich der Ausländer aufgrund der Gestattung oder in Vollzug der Einweisungsentscheidung an den neuen Aufenthaltsort begibt (vgl. Urteil vom 5. Juni 1984 - BVerwGE 69, 295 [302]). Diese Voraussetzung liegt hier nicht vor. Der Kläger wurde zum Zwecke seiner Entfernung aus der Bundesrepublik Deutschland zum Frankfurter Flughafen gebracht, nicht jedoch, um ihm im Bezirk einer hessischen Ausländerbehörde einen weiteren Aufenthalt zu ermöglichen.
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Hiervon abgesehen, müßte im Hinblick darauf, daß die hessische Ausländerbehörde den Asylfolgeantrag des Klägers zur Bearbeitung an das Landeseinwohneramt Berlin übersandt hat, aufgrund des § 3 Abs. 3 VwVfG auch dann von dessen Zuständigkeit zur Behandlung dieses Antrags ausgegangen werden, wenn in der Tat ein Wechsel der örtlichen Zuständigkeit eingetreten sein sollte.
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Das demnach örtlich zuständige Landeseinwohneramt Berlin ist jedoch nicht verpflichtet, den Folgeantrag vom 13. Oktober 1986 an das Bundesamt weiterzuleiten.
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Der Senat teilt zunächst die Auffassung der Vorinstanzen, daß aufgrund der Vorschrift des § 8 Abs. 5 AsylVfG allein bei Beachtlichkeit des Folgeantrags eine Verpflichtung zu dessen Weiterleitung an das Bundesamt besteht. Er vermag sich der in der obergerichtlichen Rechtsprechung teilweise vertretenen Rechtsauffassung nicht anzuschließen, ein Asylfolgeantrag müsse ohne Rücksicht auf seine Beachtlichkeit, also auch dann, wenn die Voraussetzungen des § 14 Abs. 1 AsylVfG nicht vorliegen, stets dann dem Bundesamt zugeleitet werden, wenn - wie hier - wegen eines bestehenden Abschiebungshindernisses die aufschiebende Wirkung einer gegen die Abschiebungsandrohung erhobenen Klage angeordnet worden ist mit der Folge der Unwirksamkeit der ausländerbehördlichen Maßnahme (§ 10 Abs. 4 Satz 2 AsylVfG) oder wenn - was hier ebenfalls geschehen ist - die Ausländerbehörde eine von ihr erlassene Abschiebungsandrohung wegen eines Abschiebungshindernisses selbst wiederaufhebt. Diese Ansicht wird dem Zweck nicht gerecht, den das Asylverfahrensgesetz mit der Unterscheidung zwischen beachtlichen und unbeachtlichen Asylfolgeanträgen und der deshalb notwendigen Beachtlichkeitsprüfung verfolgt. Dieser Zweck ist ein doppelter:
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Zum einen sollen durch die Anknüpfung der Beachtlichkeit an die in § 51 Abs. 1 bis 3 VwVfG aufgestellten gesetzlichen Voraussetzungen für ein Wiederaufgreifen des Verfahrens primär strengere Zulässigkeitsvoraussetzungen für eine Sachprüfung des Folgeantrags eingeführt werden (vgl. Urteil vom 15. Dezember 1987 - BVerwGE 69, 295 [335]), die bereits in einem frühen Stadium des Verfahrens durch die Ausländerbehörde zu prüfen sind. Das Bundesamt soll mit unbeachtlichen Folgeanträgen von vornherein nicht belastet werden, um es "nun nicht seinerseits zu überschwemmen und in seiner sonstigen Tätigkeit zu behindern" (vgl. Stenografische Berichte des Deutschen Bundestags, 9. Wahlperiode, 101. Sitzung, S. 6098). Neben diesem asylrechtlichen Zweck hat die Beachtlichkeitsprüfung zum andern eine aufenthaltsrechtliche Funktion: Sie soll der Ausländerbehörde zugleich Klarheit verschaffen, ob die Grundvoraussetzung für eine Abschiebungsmaßnahme nach § 10 Abs. 2 AsylVfG gegeben ist.
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Dementsprechend hat die Unbeachtlichkeit eines Folgeantrags zwei Rechtsfolgen. Auf asylrechtlichem Gebiet (im engeren Sinne) führt sie dazu, daß der Antrag nicht an das Bundesamt weitergeleitet werden muß (§ 8 Abs. 5 AsylVfG). Auf aufenthaltsrechtlichem Gebiet führt sie zur grundsätzlichen Verpflichtung des Ausländers zum unverzüglichen Verlassen des Bundesgebiets (§ 10 Abs. 1 AsylVfG), die ihrerseits unerläßliche Grundlage für den Erlaß einer Abschiebungsandrohung ist (§ 10 Abs. 2 AsylVfG). Die erste Rechtsfolge kann jedoch entsprechend ihrem Zweck, das Bundesamt nicht mit aussichtslosen Folgeanträgen zu belasten, nicht dadurch entfallen, daß die zweite Rechtsfolge deshalb nicht eintritt, weil die bei Unbeachtlichkeit des Folgeantrags grundsätzlich gegebene Ausreiseverpflichtung im Einzelfall ausnahmsweise wegen bestehender Abschiebungshindernisse nicht zum Tragen kommen kann. Es ist deshalb für die Frage nach der Verpflichtung zur Weiterleitung des Folgeantrags ohne rechtliche Bedeutung, daß die Ausländerbehörde in Konsequenz dieser materiellen Rechtslage in verfahrensrechtlicher Hinsicht keine Abschiebungsandrohung erläßt oder eine bereits ergangene Abschiebungsandrohung selbst wiederaufhebt. Nichts anderes kann gelten, wenn diese verfahrensrechtlichen Konsequenzen erst im Verwaltungsstreitverfahren gezogen werden und das Gericht auf eine Anfechtungsklage hin (§ 10 Abs. 3 Satz 2 AsylVfG) eine Abschiebungsandrohung allein mit der Begründung aufhebt, es liege ein Ausweisungs- oder Abschiebungshindernis vor. Dadurch wird korrigierend lediglich in aufenthaltsrechtlicher Hinsicht der Zustand hergestellt, den die Ausländerbehörde bei richtiger Beurteilung der Rechtslage durch ein Absehen von einer Maßnahme nach § 10 Abs. 2 AsylVfG selbst hätte herbeiführen müssen. Die Rechtskraft einer solchen gerichtlichen Entscheidung wirkt nur nach Maßgabe der sie tragenden Urteilsgründe und bindet die Ausländerbehörde nur insoweit, wie die Abschiebungsandrohung mißbilligt worden ist. Sie ist also für die Frage der Weiterleitung des Folgeantrags ohne Bedeutung. Lediglich dann, wenn die Abschiebungsandrohung - auch - mit der tragenden Begründung aufgehoben wird, der Folgeantrag sei beachtlich, steht zwischen Ausländer und Ausländerbehörde rechtskräftig fest, daß eine Verpflichtung zur Weiterleitung des Folgeantrags besteht, und zwar nach der Vorschrift des § 8 Abs. 5 Satz 1 AsylVfG.
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Entsprechend ist die Rechtslage, wenn einem Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO gegen die Abschiebungsandrohung (§ 10 Abs. 3 Satz 3 AsylVfG) allein wegen eines bestehenden Abschiebungshindernisses entsprochen wird. Dies führt lediglich zur Unwirksamkeit der Abschiebungsandrohung (§ 10 Abs. 4 Satz 2 AsylVfG), jedoch nicht dazu, daß auch ein unbeachtlicher Folgeantrag an das Bundesamt weitergeleitet werden müßte. Aus der in § 8 Abs. 5 Satz 2 AsylVfG getroffenen Regelung, nach der die Vorschrift des § 10 Abs. 4 Satz 1 AsylVfG unberührt bleibt, läßt sich dies nicht herleiten. § 10 Abs. 4 Satz 1 AsylVfG, der vorsieht, daß der Asylantrag unverzüglich dem Bundesamt zuzuleiten ist, wenn "dem Antrag nach § 80 Abs. 5 der Verwaltungsgerichtsordnung entsprochen wird", unterscheidet zwar nach seinem Wortlaut nicht nach den für die Anordnung der aufschiebenden Wirkung maßgebenden Gründen und erfaßt damit wörtlich genommen auch solche Fälle, in denen die Anordnung der aufschiebenden Wirkung wegen eines bestehenden Abschiebungshindernisses angeordnet worden ist. Bei der Auslegung eines nicht eindeutigen Inhalts einer Vorschrift ist jedoch nicht am Wortlaut zu haften, sondern unter Berücksichtigung des inneren Zusammenhangs, in dem eine Vorschrift steht, zu prüfen, ob nach Sinn und Zweck der gesetzlichen Regelung der Wortlaut des Gesetzes wirklich das zum Ausdruck bringt, was zum Ausdruck hat gebracht werden sollen (vgl. BGHZ 2, 176 [184]). Hiernach kann die nach § 8 Abs. 5 Satz 2 AsylVfG unberührt bleibende Vorschrift des 10 Abs. 4 Satz 1 AsylVfG nicht als Ausnahme von dem in § 8 Abs. 5 Satz 1 AsylVfG enthaltenen Grundsatz verstanden werden, daß nur für beachtliche Folgeanträge eine Verpflichtung zur Weiterleitung besteht, weil dies dem dargelegten Gesetzeszweck, das Bundesamt nicht mit von vornherein aussichtslosen Folgeanträgen zu belasten, grundlegend widerstreiten wurde. Ihr Sinn ist vielmehr ein ganz anderer: Bei einem Streit über die Beachtlichkeit eines Folgeantrags soll die Ausländerbehörde einen Richterspruch nicht erst dann - nach § 8 Abs. 5 Satz 1 AsylVfG - befolgen müssen, wenn aufgrund einer erfolgreichen Anfechtungsklage gegen die Abschiebungsandrohung die Beachtlichkeit des Folgeantrags und damit die Verpflichtung zur Weiterleitung rechtskräftig feststeht; sie soll hierzu vielmehr schon dann gehalten sein, wenn das Gericht bereits im Eilverfahren nach § 80 Abs. 5 VwGO zu der Erkenntnis gelangt, der Folgeantrag sei beachtlich. Das setzt voraus, daß die aufschiebende Wirkung mit dieser Begründung angeordnet worden ist. Nur in diesem Falle hat die dem Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO stattgebende Entscheidung die Wirkung einer einstweiligen Anordnung und führt zur unverzüglichen Weiterleitung des Folgeantrags an das Bundesamt.
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