BGer 5C.145/2000
 
BGer 5C.145/2000 vom 24.07.2000
[AZA 0]
5C.145/2000/bnm
II. Z I V I L A B T E I L U N G ********************************
24. Juli 2000
Es wirken mit: Bundesrichter Reeb, Präsident der II. Zivilabteilung,
Bundesrichter Bianchi, Ersatzrichter Riemer sowie
Gerichtsschreiber Zbinden.
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In Sachen
Z.________, Berufungsklägerin, vertreten durch Fürsprecherin Esther Weigl-Eichenberger, Tüelenweg 927, 5727 Oberkulm,
gegen
Obergericht des Kantons Aargau, 2. Zivilkammer,
betreffend
Aufhebung der Vormundschaft, hat sich ergeben:
A.- Z.________ wurde mit Urteil des Bezirksgerichts Lenzburg/AG vom 30. Oktober 1986 wegen Verschwendung und Misswirtschaft im Sinne von Art. 370 ZGB entmündigt; ausschlaggebend waren dabei ihre in einem krassen Missverhältnis zu ihrer wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit stehenden Ausgaben (insbes. im Zusammenhang mit Autokäufen) einerseits, und der Mangel an zureichendem Verstand in wirtschaftlichen Angelegenheiten anderseits.
B.- Mit einem Gesuch, welches am 1. September 1998 beim Bezirksamt Lenzburg einging, beantragte Z.________ die Aufhebung der Vormundschaft. Dieses Gesuch wurde mit Urteil des Bezirksgerichts Lenzburg vom 2. September 1999 abgewiesen.
Die hiergegen erhobene kantonale Berufung wies das Obergericht des Kantons Aargau mit Entscheid vom 27. April 2000 ab.
C.- Gegen diesen Entscheid hat Z.________ eidgenössische Berufung eingereicht mit dem Antrag, das obergerichtliche Urteil sowie die Vormundschaft aufzuheben.
Es wurden keine Gegenbemerkungen eingeholt.
Das Bundesgericht zieht in Erwägung:
1.- Gemäss Art. 433 Abs. 2 ZGB ist eine Vormundschaft aufzuheben, sobald ein Grund zur Bevormundung nicht mehr besteht, wobei gemäss Art. 437 ZGB der Bevormundete selbst die Aufhebung einer aufgrund von Art. 370 ZGB ausgesprochenen Bevormundung nur dann beantragen darf, wenn er seit mindestens einem Jahr im Hinblick auf den Entmündigungsgrund nicht mehr zu Beschwerden Anlass gegeben hat. Für eine Aufhebung der Vormundschaft im Sinne von Art. 370 ZGB auf Begehren des Bevormundeten müssen mithin zwei Voraussetzungen erfüllt sein: Zunächst muss der seinerzeitige Entmündigungsgrund weggefallen sein; als zweites ist erforderlich, dass sich der Bevormundete während mindestens einem Jahr bewährt hat (Riemer, Grundriss des Vormundschaftsrechts, 2. Aufl. Bern 1997, § 4 N. 190, 192, 194; Deschenaux/Steinauer, Personnes physiques et tutelle, 3. Aufl. Bern 1995, Rz. 1033; Geiser, Basler Kommentar, N. 6 zu Art. 433 ZGB, N. 3 und 5 zu Art. 437 ZGB; vgl. Egger, Zürcher Kommentar, N. 3 zu Art. 433 ZGB, N. 5 zu Art. 437 ZGB).
2.- Die Vorinstanz hat in tatsächlicher Hinsicht im Wesentlichen festgestellt, die Berufungsklägerin tätige, neben unsinnigen Ausgaben für mehrere Katzen, Luxusausgaben, namentlich im Zusammenhang mit Autos, und nehme dabei in Kauf, dass ihr für die notwendigsten Dinge nichts oder kaum mehr etwas übrig bleibe, ohne aber materielle Unterstützung bei der öffentlichen Hand zu beantragen; so würden ihr beispielsweise nur noch Fr. 100.-- pro Woche für das Essen der Familie und nichts mehr zur Bezahlung der Krankenkassenprämien übrigbleiben; dementsprechend bestelle sie mangels Zahlungsfähigkeit Kleider auf Kredit bei Versandhäusern. Es fehle mithin der Berufungsklägerin an der Fähigkeit, unter Berücksichtigung des vorhandenen Einkommens klar zwischen unsinnigen und notwendigen bzw. sinnvollen Ausgaben zu unterscheiden.
Diese für das Bundesgericht verbindlichen tatsächlichen Feststellungen (Art. 63 Abs. 2 OG) lassen angesichts der geschilderten Rechtslage keine Zweifel darüber aufkommen, dass der Entmündigungsgrund gemäss Art. 370 ZGB nach wie vor besteht; eine Aufhebung der Vormundschaft ist demnach nicht gerechtfertigt.
3.- Hiegegen vermögen die Ausführungen der Berufungsklägerin nicht aufzukommen, soweit sie überhaupt relevant sind und es sich dabei nicht um unzulässige Kritik an den tatsächlichen Feststellungen der Vorinstanz handelt (Art. 55 Abs. 1 lit. c OG). Was das Zweitauto Nissan Terreno betrifft, hat die Vorinstanz nicht verkannt, dass dieses durch die Schwiegereltern bzw. die Schwiegermutter der Berufungsklägerin finanziert wurde; sie hat jedoch die im Vergleich zu einem Durchschnittswagen erheblich höheren Kosten für Benzin, Versicherungen usw. hervorgehoben, worauf die Berufungsklägerin ebenso wenig eingeht wie auf ihre übertriebene Katzenhaltung (vgl. hiezu auch das Urteil der II. Zivilabteilung des Bundesgerichts vom 10. April 1951 in ZVW 7/1952 Nr. 10 S. 29).
Als unzulässig erweisen sich die Darlegungen der Berufungsklägerin zu den Betreibungsregisterauszügen, zumal sie sich damit gegen die Beweiswürdigung der Vorinstanz richtet (BGE 115 II 484 E. 2a S. 486), die mit staatsrechtlicher Beschwerde wegen Verletzung von Art. 9 BV hätte angefochten werden müssen. Was eine allfällig nicht befriedigende Zusammenarbeit zwischen der Berufungsklägerin und ihrem gegenwärtigen Vormund betrifft, so wäre dies kein Grund für die Aufhebung der Vormundschaft; soweit die Schwierigkeiten nicht von der Berufungsklägerin zu vertreten sind, würde dies allenfalls Anlass geben, den amtierenden Vormund durch einen andern zu ersetzen. Dass der Berufungsklägerin wegen der Vormundschaft Schwierigkeiten bei der Suche nach einer Arbeitsstelle erwachsen, mag zwar durchaus zutreffen; doch kann auch deswegen die Vormundschaft nicht aufgehoben werden. Derartige Probleme sind vielmehr - wie die Vorinstanz zu Recht hervorgehoben hat - durch bessere Kommunikation und Zusammenarbeit zwischen der Berufungsklägerin, ihrem Vormund und einem potentiellen Arbeitgeber zu lösen.
4.- Unter diesen Umständen ist die Berufung abzuweisen, soweit darauf eingetreten werden kann, und das vorinstanzliche Urteil ist zu bestätigen. Damit hat die Berufungsklägerin grundsätzlich die Kosten des bundesgerichtlichen Verfahrens zu tragen (Art. 156 Abs. 1 OG).
Da die Berufungsklägerin als bedürftig gilt und sich das Berufungsverfahren nicht von vornherein als aussichtslos erwiesen hat, ist ihr auch hiefür die unentgeltliche Rechtspflege zu gewähren (Art. 152 Abs. 1 OG; Fürsprecherin Esther Weigl-Eichenberger, Tüelenweg 927, 5727 Oberkulm/AG) wird der Berufungsklägerin als unentgeltlicher Rechtsbeistand beigegeben und aus der Bundesgerichtskasse entschädigt. Die Kosten des bundesgerichtlichen Verfahrens werden angesichts der unentgeltlichen Rechtspflege einstweilen auf die Bundesgerichtskasse genommen.
Demnach erkennt das Bundesgericht:
1.-Die Berufung wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist, und das Urteil des Obergerichts des Kantons Aargau,
2. Zivilkammer, vom 27. April 2000 wird bestätigt.
2.-Das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege wird gutgeheissen; der Berufungsklägerin wird für das bundesgerichtliche Verfahren Fürsprecherin Esther Weigl-Eichenberger, Tüelenweg 927, 5727 Oberkulm, als Rechtsbeistand beigegeben.
3.-Die Gerichtsgebühr von Fr. 500.-- wird der Berufungsklägerin auferlegt, einstweilen aber auf die Bundesgerichtskasse genommen.
4.-Fürsprecherin Esther Weigl-Eichenberger wird mit Fr. 1'500.-- aus der Bundesgerichtskasse entschädigt.
5.-Dieses Urteil wird der Berufungsklägerin und dem Obergericht des Kantons Aargau, 2. Zivilkammer, schriftlich mitgeteilt.
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Lausanne, 24. Juli 2000
Im Namen der II. Zivilabteilung des
SCHWEIZERISCHEN BUNDESGERICHTS
Der Präsident: Der Gerichtsschreiber: