BGer I 447/1999 |
BGer I 447/1999 vom 21.09.2000 |
[AZA 7]
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I 447/99 Gi
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II. Kammer
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Bundesrichter Meyer, Ferrari und nebenamtlicher Richter Maeschi; Gerichtsschreiber Schäuble
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Urteil vom 21. September 2000
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in Sachen
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C.________, 1953, Beschwerdeführerin, vertreten durch die Beratungsstelle für Ausländer, Weinbergstrasse 147, Zürich,
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gegen
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IV-Stelle des Kantons Zug, Baarerstrasse 11, Zug, Beschwerdegegnerin,
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und
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Verwaltungsgericht des Kantons Zug, Zug
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Mit Verfügung vom 18. Januar 1999 lehnte die IV-Stelle des Kantons Zug einen Anspruch der 1953 geborenen C._______ auf Leistungen der Invalidenversicherung gestützt auf ein polydisziplinäres Gutachten der Medizinischen Abklärungsstelle Zentralschweiz (MEDAS) vom 20. November 1998 ab, weil keine Invalidität im Sinne des Gesetzes vorliege.
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Eine gegen diese Verfügung erhobene Beschwerde wies das Verwaltungsgericht des Kantons Zug mit Entscheid vom 29. Juli 1999 ab.
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C.________ lässt Verwaltungsgerichtsbeschwerde führen und beantragen, in Aufhebung des angefochtenen Entscheides sei ihr eine ganze Invalidenrente zu gewähren; eventuell sei eine für psychosomatische Beschwerden spezialisierte Klinik zu beauftragen, den Arbeitsfähigkeitsgrad festzustellen.
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- Die IV-Stelle schliesst auf Abweisung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde.
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Nachträglich lässt C.________ neue medizinische Unterlagen einreichen. Im Rahmen des in der Folge angeordneten zweiten Schriftenwechsels gibt das BSV die Ausführungen seines ärztlichen Dienstes wieder. Die Versicherte erhielt Gelegenheit, sich dazu zu äussern.
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Das Eidg. Versicherungsgericht zieht in Erwägung:
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1.- Die Vorinstanz hat die gesetzliche Bestimmung und die Grundsätze über den Invaliditätsbegriff (Art. 4 Abs. 1 IVG) zutreffend dargelegt. Darauf kann verwiesen werden.
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2.- a) Die ablehnende Verfügung der IV-Stelle und der vorinstanzliche Entscheid stützen sich auf ein polydisziplinäres Gutachten der MEDAS, welches am 20. November 1998 erstattet wurde und auf einem rheumatologischen, neurologischen und psychiatrischen Konsilium beruht.
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Dem Gutachten ist zu entnehmen, dass sich weder bei der allgemeinmedizinischen, rheumatologischen, neurologischen Untersuchung, noch mit bildgebenden Verfahren Befunde ergeben haben, welche die geklagten Beschwerden erklären könnten. Die 1995 computertomographisch festgestellte kleine mediane Diskushernie L5/S1 ohne Nervenwurzelkompression sei aufgrund der unauffälligen klinischen Befunde belanglos. Aus psychiatrischer Sicht müsse das Verhalten der Versicherten als Simulation interpretiert werden. Das Gutachten kommt zum Schluss, dass die Explorandin mangels ins Gewicht fallender pathologischer Befunde als voll arbeitsfähig zu betrachten sei. Sowohl alle bisherigen, wie auch andere Tätigkeiten seien ihr vollumfänglich zumutbar.
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b) Im Nachgang zur Verwaltungsgerichtsbeschwerde hat die Versicherte einen Bericht der Neurologischen Klinik des Universitätsspitals X.________ vom 5. August 1999 einreichen lassen, worin ein generalisiertes Schmerzsyndrom mit zervikozephaler Dominanz, eine anhaltende somatoforme Schmerzstörung mit dissoziativen, depressiven und phobischen Elementen sowie eine residuelle posttraumatische Belastungsstörung diagnostiziert werden. Auch nach Auffassung der Ärzte des Universitätsspitals X.________ finden sich sowohl aus rheumatologischer als auch aus neurologischer Sicht keine strukturellen Veränderungen, welche die Beschwerden der Patientin erklären könnten. Hingegen erweise sich die psychiatrische Beurteilung in der MEDAS-Abklärung als unhaltbar. Es handle sich um einen langjährigen Verlauf mit zunehmender Invalidisierung, Chronifizierung und nur sehr mässiger therapeutischer Beeinflussbarkeit. Das psychosoziale Umfeld habe sich inzwischen um die Patientin als überfordertes, für diese jedoch mit deutlichem sekundärem Krankheitsgewinn verbundenes Helfersystem etabliert.
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c) Angesichts der sich widersprechenden ärztlichen Auffassungen wurde die Sache im Rahmen eines zweiten Schriftenwechsels dem BSV zur Stellungnahme unterbreitet.
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Nach den Ausführungen des ärztlichen Dienstes des Bundesamtes fiel die Beschwerdeführerin während den Untersuchungen in der MEDAS durch ein groteskes, theatralisches Verhalten und eine starke Verdeutlichungstendenz auf. Sie zeigte eine erhebliche Diskrepanz bei den Bewegungseinschränkungen, indem bei Ablenkung die bei der Untersuchung angegebenen schmerzhaften Beeinträchtigungen nicht festgestellt werden konnten. Sodann werde im psychiatrischen Teil des Berichts der Neurologischen Klinik die Schilderung der Schmerzen als vage und unbestimmt bezeichnet, was laut ärztlichem Dienst des BSV Zweifel an der Echtheit des bestehenden Leidensdrucks aufkommen lasse. Gleiches gelte für die Angabe eines andauernden Schmerzes, der sich zu keiner Tageszeit bessert und bei dem auch Medikamente zu keiner Entlastung führen.
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Der ärztliche Dienst des BSV legt ferner dar, dass der Bericht der Neurologischen Klinik aufgrund des Ergebnisses des Kielholz-Depressionsinventars von einer mittelgradigen Depression ausgehe. Die Brauchbarkeit von Tests und Fragebögen bei der gutachterlichen Tätigkeit sei indes eher kritisch zu beurteilen. In Begutachtungssituationen bestehe oft eine verständliche Abwehrhaltung der Probanden gegenüber Fragebögen, weshalb diese skeptisch zu werten seien. Der ärztliche Dienst des Bundesamtes weist sodann darauf hin, dass der Bericht der Neurologischen Klinik zu einseitig auf die subjektiven Angaben der Versicherten eingehe, ohne deren Glaubwürdigkeit nachzuprüfen. Er schliesst mit der Feststellung, dass der Vorteil einer MEDAS-Begutachtung unter anderem darin bestehe, dass die versicherte Person in der Abklärungsstelle während längerer Zeit beobachtet werden könne. Im vorliegenden Fall wirke die Beurteilung der MEDAS überzeugender und es bestehe kein Grund, an der Meinung der in Gutachterfragen versierten MEDAS-Ärzte zu zweifeln.
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d) Diesen Ausführungen, mit welchen der ärztliche Dienst des BSV überzeugend darlegt, weshalb auf das Gutachten der MEDAS abzustellen ist, pflichtet das Eidgenössische Versicherungsgericht bei. Denn das vorliegend in Frage stehende polydisziplinäre Gutachten der spezialisierten und die Unabhängigkeit garantierenden Abklärungsstelle der Invalidenversicherung (vgl. BGE 123 V 178 f. Erw. 4b mit Hinweis) erfüllt sämtliche Kriterien, damit ihm volle Beweiskraft zuerkannt werden kann (vgl. BGE 125 V 352 Erw. 3a mit Hinweis). Der erwähnte Bericht der Neurologischen Klinik an den Hausarzt vom 5. August 1999 vermag hiegegen auch deshalb nicht aufzukommen, weil selbst laut dortiger psychiatrischer Untersuchung die "Beschreibung des Schmerzcharakters ... im Allgemeinen" bleibt; ebenso seien "die zeitlichen und intensitätsmässigen Variationen in der Schilderung inkonsistent". Es ist daher nicht nachvollziehbar, wie die Ärzte bei solchen Angaben zu den gestellten Diagnosen, ohne die geringsten Zweifel anzumelden, gelangen konnten. Soweit die Beschwerdeführerin eine psychosomatische Untersuchung in einer spezialisierten Klinik beantragt, ist darauf zu verzichten, da die MEDAS ein psychiatrisches Konsilium durchgeführt hat und ihre Schlussfolgerungen in überprüfbarer und überzeugender Weise begründet sind (vgl. BGE 124 V 94 Erw. 4b, 122 V 162 Erw. 1d mit Hinweis). Soweit die Beschwerdeführerin in formeller Hinsicht bemängelt, dass die psychiatrische Abklärung in der MEDAS in deutscher Sprache und nicht in ihrer serbischen Muttersprache durchgeführt worden sei, greift dieser Einwand ins Leere. Aus den Akten geht hervor, dass die fragliche Untersuchung in der Muttersprache der Versicherten stattfand und Wort für Wort von einer Dolmetscherin übersetzt wurde.
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Demnach erkennt das Eidg. Versicherungsgericht:
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I.Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird abgewiesen.
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II.Es werden keine Gerichtskosten erhoben.
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III. Dieses Urteil wird den Parteien, dem Verwaltungsgericht des Kantons Zug und dem Bundesamt für Sozialversicherung zugestellt.
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Luzern, 21. September 2000
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Im Namen des
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Eidgenössischen Versicherungsgerichts
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Der Vorsitzende der II. Kammer:
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Der Gerichtsschreiber:
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