BGer 1P.579/2000 |
BGer 1P.579/2000 vom 03.11.2000 |
[AZA 0/2]
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1P.579/2000/bmt
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I. OEFFENTLICHRECHTLICHE ABTEILUNG
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3. November 2000
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Es wirken mit: Bundesrichter Aemisegger, Präsident der
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I. öffentlichrechtlichen Abteilung, Bundesrichter Nay,
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Ersatzrichterin Pont Veuthey und Gerichtsschreiber Störi.
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In Sachen
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K.________, Beschwerdeführer, vertreten durch Rechtsanwalt Raphael Mullis, Bahnhofstrasse 6, Postfach, Kloten,
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gegen
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G.________, Beschwerdegegnerin, vertreten durch Rechtsanwalt Dr. Ruedi Lang, Obere Zäune 14, Postfach 408, Zürich, Staatsanwaltschaft des Kantons Zürich, Kassationsgericht des Kantons Zürich,
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betreffend
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Strafverfahren, hat sich ergeben:
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A.- Mit Anklage vom 29. August 1995 warf die Bezirksanwaltschaft Zürich K.________ vor, zwischen 1994 und 1995 die 1984 geborene Tochter seiner Freundin, G.________, wiederholt sexuell missbraucht zu haben.
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Das Bezirksgericht Zürich verurteilte K.________ am 15. März 1996 wegen mehrfacher sexueller Handlungen mit einem Kind (Art. 187 Ziff. 1 StGB), mehrfacher sexueller Nötigung (Art. 189 Abs. 1 StGB) und mehrfacher Vergewaltigung (Art. 190 Abs. 1 StGB) zu 4 Jahren Zuchthaus und ordnete eine ambulante Behandlung während des Strafvollzuges an.
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Ausserdem verpflichtete es ihn, G.________ Fr. 20'000.-- Genugtuung sowie den Selbstbehalt ihrer Therapiekosten zu bezahlen.
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Das Obergericht des Kantons Zürich verurteilte K.________ am 7. November 1996 im Appellationsverfahren wegen mehrfacher sexueller Handlungen mit einem Kind zu drei Jahren Gefängnis und sprach ihn von den weiteren Delikten frei. Im Übrigen bestätigte es das erstinstanzliche Urteil.
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Das Kassationsgericht des Kantons Zürich hiess am 15. November 1997 die von K.________ gegen das obergerichtliche Urteil erhobene Nichtigkeitsbeschwerde in Bezug auf die Verweigerung des Strafaufschubes zwecks ambulanter Behandlung gut.
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Der Kassationshof des Bundesgerichts hiess am 8. Juni 1998 die Nichtigkeitsbeschwerden der Staatsanwaltschaft und von G.________ gut und hob das Urteil des Obergerichts vom 7. November 1996 auf.
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Am 8. November 1999 verurteilte das Obergericht K.________ wegen mehrfacher sexueller Handlungen mit einem Kind, mehrfacher sexueller Nötigung und mehrfacher Vergewaltigung zu 3 1/2 Jahren Zuchthaus und ordnete eine vollzugsbegleitende ambulante Massnahme nach Art. 43 Ziff. 1 Abs. 1 StGB an.
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Am 2. August 2000 wies das Kassationsgericht die von K.________ gegen das obergerichtliche Urteil erhobene Nichtigkeitsbeschwerde ab.
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B.- Mit staatsrechtlicher Beschwerde vom 15. September 2000 beantragt K.________, das Urteil des Kassationsgerichts vom 2. August 2000 aufzuheben und die Sache zur Neubeurteilung ans Obergericht zurückzuweisen. Weiter ersucht er um unentgeltliche Rechtspflege und Verbeiständung. Zur Begründung führt er im Wesentlichen an, der drohende Vollzug der Zuchthausstrafe würde mit dem Resozialisierungsgedanken in krassem Widerspruch stehen, da er sich ein stabiles soziales Umfeld erarbeitet habe. Es sei stossend, dass das Kassationsgericht bei seinem Entscheid auf das Gutachten von Dr. Kiesewetter abstelle, welcher ihn lediglich an einer 3 1/2-stündigen Sitzung begutachtet habe, und das Gutachten von Dr. Madritsch, welcher in den vergangenen Jahren rund 75 Sitzungen mit ihm abgehalten habe, ausser Acht lasse.
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Verfehlt sei das Argument des Kassationsgerichts, im Gutachten Madritsch fehle eine Begründung, weshalb ein sofortiger Vollzug die Erfolgsaussichten der Therapie erheblich unterlaufen würde. Es sei Sache des Gerichts, die medizinischen Erkenntnisse des Gutachtens zu interpretieren.
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Dr. Madritsch schreibe deutlich, dass zwischen ihm und dem Beschwerdeführer ein positives therapeutisches Bündnis entstanden sei und ein Strafvollzug fatale Folgen für den Therapieerfolg hätte. Die Beweiswürdigung des Kassationsgerichts sei "in einer das rechtliche Gehör verletzenden Weise willkürlich".
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C.- Das Kassationsgericht und die Staatsanwaltschaft verzichten auf Vernehmlassung. G.________ beantragt, die Beschwerde abzuweisen und ersucht um unentgeltliche Verbeiständung.
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Das Bundesgericht zieht in Erwägung:
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1.- a) Beim angefochtenen Urteil des Kassationsgerichtes handelt es sich um einen letztinstanzlichen kantonalen Endentscheid (Art. 86 Abs. 1 OG). Der Beschwerdeführer ist durch die strafrechtliche Verurteilung in seinen rechtlich geschützten Interessen berührt (Art. 88 OG), weshalb er befugt ist, die Verletzung von verfassungsmässigen Rechten geltend zu machen.
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b) Die übrigen Sachurteilsvoraussetzungen sind erfüllt, sodass auf die Beschwerde grundsätzlich einzutreten wäre, wenn sie die gesetzlichen Anforderungen von Art. 90 Abs. 1 lit. b OG erfüllen würde. Danach prüft das Bundesgericht im Verfahren der staatsrechtlichen Beschwerde nur in der Beschwerdeschrift erhobene, detailliert begründete und soweit möglich belegte Rügen. Der Beschwerdeführer muss den wesentlichen Sachverhalt darlegen, die als verletzt gerügten Verfassungsbestimmungen nennen und überdies dartun, inwiefern diese verletzt sein sollen (Art. 90 Abs. 1 lit. b OG; BGE 126 I 81 E. 1; 125 I 492 E. 1b; 122 I 70 E. 1c).
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c) Diesen Anforderungen genügt die Beschwerde nicht. Den Willkürvorwurf begründet der Beschwerdeführer im Wesentlichen bloss damit, dass das Kassationsgericht auf das Gutachten Kiesewetter abstelle und das Gutachten Madritsch ausser Acht lasse, obwohl ersterer ihn bloss 3 1/2 Stunden gesehen, letzterer ihn jedoch während 75 Sitzungen behandelt habe. Dass ein Gericht bei der Beurteilung, ob eine Massnahme im Gefängnis ambulant durchgeführt werden kann oder nicht, eher auf die Meinung eines unabhängigen Experten als auf diejenige des behandelnden Arztes abstellt, auch wenn der letztere den Exploranden naturgemäss besser kennt, ist nachvollziehbar. Inwiefern ein Gericht schon allein deswegen in Willkür verfallen sein sollte, weil es dem unabhängigen Experten und nicht dem behandelnden Arzt folgt, legt der Beschwerdeführer nicht dar. Auf diese Rüge kann daher mangels einer den gesetzlichen Anforderungen entsprechenden Begründung nicht eingetreten werden. Vollends nicht nachzuvollziehen ist die vom Beschwerdeführer gleichzeitig erhobene Gehörsverweigerungsrüge, da der Beschwerde auch nicht ansatzweise zu entnehmen ist, inwiefern das Kassationsgericht das rechtliche Gehör des Beschwerdeführers verletzt haben soll. Soweit der Beschwerdeführer schliesslich geltend machen will, das Kassationsgericht hätte aufgrund des von den Gutachtern erhobenen medizinischen Befundes die Strafe zugunsten der Massnahme aufschieben müssen, kritisiert er die Anwendung von Art. 43 Ziff. 2 StGB. Das ist eine Rechtsfrage, die er dem Bundesgericht mit Nichtigkeitsbeschwerde hätte unterbreiten müssen (Art. 269 Abs. 1 BStP). Im Verfahren der staatsrechtlichen Beschwerde kann sie nicht vorgebracht werden (Art. 84 Abs. 2 OG).
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2.- Auf die Beschwerde ist somit nicht einzutreten. Bei diesem Ausgang des Verfahrens wird der Beschwerdeführer kostenpflichtig (Art. 156 Abs. 1 OG). Er hat zwar ein Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege gestellt, welches aber abzuweisen ist, da die Beschwerde aussichtslos war (Art. 152 OG).
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Da seine Bedürftigkeit ausgewiesen scheint, ist die obsiegende Beschwerdegegnerin aus der Bundesgerichtskasse angemessen zu entschädigen (Art. 152 Abs. 2 und 159 OG).
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Demnach erkennt das Bundesgericht
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im Verfahren nach Art. 36a OG:
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1.- Auf die Beschwerde wird nicht eingetreten.
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2.- Das Gesuch des Beschwerdeführers um unentgeltliche Rechtspflege und Verbeiständung wird abgewiesen.
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3.- Die Gerichtsgebühr von Fr. 1'000.-- wird dem Beschwerdeführer auferlegt.
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4.- Der Beschwerdegegnerin wird für das bundesgerichtliche Verfahren eine Parteientschädigung von Fr. 1'500.-- aus der Gerichtskasse zugesprochen.
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5.- Dieses Urteil wird den Parteien, der Staatsanwaltschaft und dem Kassationsgericht des Kantons Zürich schriftlich mitgeteilt.
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______________
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Lausanne, 3. November 2000
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Im Namen der I. öffentlichrechtlichen Abteilung
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des SCHWEIZERISCHEN BUNDESGERICHTS
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Der Präsident: Der Gerichtsschreiber:
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