BGer H 383/2001
 
BGer H 383/2001 vom 13.09.2002
[AZA 7]
H 383/01 Bh
III. Kammer
Präsident Borella, Bundesrichter Meyer und Kernen;
Gerichtsschreiberin Riedi Hunold
Urteil vom 13. September 2002
in Sachen
A.________, 1957, Beschwerdeführerin,
gegen
Ausgleichskasse des Kantons Zürich, Röntgenstrasse 17, 8005 Zürich, Beschwerdegegnerin,
und
Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich, Winterthur
A.- A.________ ist seit 1. Oktober 1993 der Ausgleichskasse des Kantons Zürich (nachfolgend: Ausgleichskasse) als Selbstständigerwerbende angeschlossen. Die kantonalen Steuerbehörden meldeten am 30. November 1998 ein auf zwölf Monate aufgerechnetes Einkommen der ersten beiden Geschäftsjahre von Fr. 109'145.- und ein im Betrieb investiertes Kapital von Fr. 21'000.-. Mit Verfügungen vom 7. März 2000 setzte die Ausgleichskasse gestützt auf das mit Steuermeldung vom 31. Dezember 1999 mitgeteilte Einkommen von Fr. 309'048.- für 1995 und von Fr. 323'014.- für 1996 sowie das im Betrieb investierte Kapital von Fr. 128'000.- die Beiträge der Jahre 1995 bis 1997 neu fest.
B.- Die hiegegen erhobene Beschwerde wies das Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich mit Entscheid vom 18. Oktober 2001 ab.
C.- A.________ lässt Verwaltungsgerichtsbeschwerde führen mit dem Antrag, ihre Beiträge für 1995 bis 1997 seien auf Grund des Einkommens der Jahre 1993 und 1994 festzusetzen.
Die Ausgleichskasse und das Bundesamt für Sozialversicherung (nachfolgend: BSV) verzichten auf eine Vernehmlassung.
Das Eidg. Versicherungsgericht zieht in Erwägung:
1.- Da es sich bei der angefochtenen Verfügung nicht um die Bewilligung oder Verweigerung von Versicherungsleistungen handelt, hat das Eidgenössische Versicherungsgericht nur zu prüfen, ob das vorinstanzliche Gericht Bundesrecht verletzt hat, einschliesslich Überschreitung oder Missbrauch des Ermessens, oder ob der rechtserhebliche Sachverhalt offensichtlich unrichtig, unvollständig oder unter Verletzung wesentlicher Verfahrensbestimmungen festgestellt worden ist (Art. 132 in Verbindung mit Art. 104 lit. a und b sowie Art. 105 Abs. 2 OG).
2.- Die Vorinstanz hat die Bestimmungen und Grundsätze über die Festsetzung der Beiträge Selbstständigerwerbender zutreffend dargelegt. Es betrifft dies insbesondere die Beitrags- und Bemessungsperiode im ordentlichen Verfahren (Art. 22 AHVV in der bis 31. Dezember 2000 geltenden Fassung; AS 2000 1441), die Beitragsfestsetzung bei Aufnahme einer selbstständigen Erwerbstätigkeit (Art. 25 Abs. 1 und 3 AHVV in der bis 31. Dezember 2000 geltenden Fassung; AS 2000 1441; ZAK 1992 S. 474 Erw. 2b, 1988 S. 511 Erw. 2c und d, je mit Hinweisen) und bei Abweichen des Erwerbseinkommens des ersten Geschäftsjahres von dem der folgenden Jahre (Art. 25 Abs. 4 AHVV sowohl in der von 1. Januar 1988 bis
31. Dezember 1994 sowie in der von 1. Januar 1995 bis
31. Dezember 2000 geltenden Fassung; AS 1994 2162, AS 2000 1441; BGE 120 V 161; AHI 1995 S. 3; SVR 1994 AHV Nr. 16 S. 39, je mit Hinweisen) sowie die Verbindlichkeit des von den kantonalen Steuerbehörden ermittelten Einkommens und Eigenkapitals (Art. 23 Abs. 1 und 4 AHVV in der bis 31. Dezember 2000 geltenden Fassung; AS 2000 1441; AHI 1997 S. 25 Erw. 2b mit Hinweisen). Darauf wird verwiesen.
3.- a) Die Beschwerdeführerin stellt sich auf den Standpunkt, dass in ihrem Fall keine Ausdehnung des ausserordentlichen Bemessungsverfahrens zu erfolgen habe. Denn alt Art. 25 Abs. 4 AHVV sei eine Norm mit Ausnahmecharakter, weshalb möglichst rasch zum ordentlichen Verfahren zu wechseln sei. Dem habe der Verordnungsgeber Rechnung getragen, indem er die ab 1. Januar 1995 geltende Fassung restriktiver formuliert habe. Somit liege eine neue ratio legis vor, weshalb die bisherigen übergangsrechtlichen Regeln nicht unbesehen übernommen werden dürften. Dies gelte umso mehr, als sie im Gegensatz zu geltenden verwaltungsrechtlichen Grundsätzen stünden (unechte Rückwirkung, lex mitior). Gemäss BGE 126 V 136 seien die Richtlinien des intertemporalen Rechts nicht stereotyp anzuwenden, sondern bestimmten sich primär nach den allgemein anerkannten Auslegungsregeln. Da es Sinn und Zweck der neuen Ausnahmebestimmung sei, den Kreis der als stossend zu qualifizierenden Fälle einzuengen, solle diese Norm intertemporalrechtlich möglichst schnell wirksam werden.
Vorliegend gehe es zudem auch um einen nicht abgeschlossenen Dauersachverhalt und somit um eine unechte Rückwirkung.
Das Vorgehen der Vorinstanz, den Sachverhalt zeitlich zu gewichten, sei rechtlich unhaltbar, da es ansonsten bei nicht abgeschlossenen Dauersachverhalten gar nie zu einer unechten Rückwirkung käme. Im Übrigen stelle gerade die vom BSV in AHI 1995 S. 3 ff. dargelegte Anwendung eine rechtsungleiche Behandlung dar, indem willkürlich darauf abgestellt werde, ob das erste Geschäftsjahr überjährig oder unterjährig gefolgt von einem ganzjährigen zweiten Geschäftsjahr abgeschlossen werde.
b) Das Eidgenössische Versicherungsgericht hat sich in seinem Urteil A. vom 4. September 2001, H 283/00, letztmals ausführlich mit der intertemporalrechtlichen Anwendung von alt Art. 25 Abs. 4 AHVV auseinandergesetzt. Es hat dabei seine Rechtsprechung zu der auf 1. Januar 1988 in Kraft getretenen Fassung (AHI 1995 S. 3 ff. mit Hinweisen), welche auch für die ab 1. Januar 1995 in Kraft getretene Geltung hat, bestätigt. Verwaltung und Gericht haben ihrem Handeln jene Rechtssätze zugrunde zu legen, die zur Zeit des für die Rechtsfolge massgebenden Sachverhalts in Kraft waren; dieser Grundsatz wird gegebenenfalls eingeschränkt durch spezielles intertemporales Recht. Einerseits sind dabei die Grundsätze bezüglich Vor- und Rückwirkung zu beachten; andererseits wird das alte Recht mit seiner Aufhebung nicht einfach unanwendbar, sondern bleibt weiterhin massgeblich für Tatbestände, die sich vor der Aufhebung erfüllt haben, und es kann auch auf sich später eingetretene Fakten nachwirken, sofern die später eingetretenen Tatbestandselemente gegenüber den früher sich verwirklichten in den Hintergrund treten. Unter Bezugnahme auf BGE 126 V 136 Erw. 4b hat das Eidgenössische Versicherungsgericht festgehalten, dass bei zusammengesetzten Tatbeständen, d.h. bei Rechtsnormen, welche den Eintritt der in ihr vorgesehenen Rechtsfolge von der Verwirklichung mehrerer subsumtionsrelevanter, im Verlaufe einer bestimmten Zeitspanne eintretender Sachverhaltselemente abhängig machen, für die intertemporalrechtliche Anwendbarkeit massgeblich ist, unter der Herrschaft welcher Norm sich der Sachverhaltskomplex schwergewichtig oder überwiegend ereignet hat. Bei alt Art. 25 Abs. 4 AHVV handelt es sich um einen solchen zusammengesetzten Tatbestand, weshalb aus übergangsrechtlicher Sicht massgebend ist, unter welchem Recht sich der für die Rechtsfolge (Beitragsfestsetzung im ausserordentlichen Bemessungsverfahren bis zur übernächsten ordentlichen Beitragsperiode) massgebliche Sachverhalt (über 25 % Abweichung des Einkommens des ersten Geschäftsjahres von den beiden nächsten Geschäftsjahren) verwirklicht hat (Urteil A. vom 4. September 2001, H 283/00 mit Hinweisen). Nach ständiger Rechtsprechung ist alt Art. 25 Abs. 4 AHVV aus Gründen der rechtsgleichen Behandlung stets dann - und diesfalls ausnahmslos - anzuwenden, wenn die Voraussetzungen der Norm erfüllt sind. Daran ändert auch der Ausnahmecharakter der Norm nichts; denn dem Umstand, dass - je nach Interessenlage - das Bedürfnis nach Beibehaltung oder Preisgabe des ausserordentlichen Bemessungsverfahrens besteht, kann nicht dadurch begegnet werden, dass im Einzelfall nach Billigkeitsgesichtspunkten in die vom Verordnungsgeber im Rahmen seines weiten Gestaltungsspielraumes getroffene Regelung des Nebeneinanders der beiden Beitragsbemessungsverfahren normberichtigend eingegriffen wird (AHI 1994 S. 144 Erw. 8 mit Hinweisen; vgl. auch Urteil S.
vom 4. Oktober 2001, H 334/00).
c) Die von der Beschwerdeführerin vorgebrachten Einwände vermögen nichts an dieser konstanten Rechtsprechung zu ändern. Insbesondere spricht weder der Ausnahmecharakter von alt Art. 25 Abs. 4 AHVV noch die angeblich neue ratio legis gegen diese Übergangsregelung. Letztere verstösst auch nicht gegen verwaltungsrechtliche Grundsätze. Zudem liegt entgegen der Ansicht der Versicherten kein Dauersachverhalt vor, sondern der massgebliche Sachverhalt ist vielmehr auf die Jahre 1993 bis 1995 beschränkt.
4.- Vorinstanz und Verwaltung haben somit zu Recht Art. 25 Abs. 4 AHVV in der von 1. Januar 1988 bis 31. Dezember 1994 geltenden Fassung angewendet und gestützt darauf das ausserordentliche Bemessungsverfahren bis zur übernächsten ordentlichen Beitragsperiode mit dem Vorjahr 1997 weitergeführt. Denn von den drei ersten Geschäftsjahren liegen zwei unter der Herrschaft des alten Rechts und das auf zwölf Monate umgerechnete Einkommen des ersten Geschäftsjahres weicht offensichtlich um mehr als 25 % vom Durchschnitt der beiden folgenden Jahre ab. Nachdem die Verfügungen vom 7. März 2000 im Übrigen nicht beanstandet werden und sich auch aus den Akten keine Hinweise ergeben, wonach diese unzutreffend wären, verletzt der vorinstanzliche Entscheid Bundesrecht nicht.
5.- Da es nicht um die Bewilligung oder Verweigerung von Versicherungsleistungen, sondern um eine Beitragsstreitigkeit geht, ist das Verfahren kostenpflichtig (Art. 134 OG e contrario). Die unterliegende Beschwerdeführerin hat demnach die Gerichtskosten zu tragen (Art. 135 in Verbindung mit Art. 156 Abs. 1 OG).
Demnach erkennt das Eidg. Versicherungsgericht:
I. Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird abgewiesen.
II. Die Gerichtskosten von Fr. 4000.- werden der Beschwerdeführerin auferlegt und mit dem geleisteten Kostenvorschuss verrechnet.
III. Dieses Urteil wird den Parteien, dem Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich und dem Bundesamt für Sozialversicherung zugestellt.
Luzern, 13. September 2002
Im Namen des
Eidgenössischen Versicherungsgerichts
Der Präsident der III. Kammer:
Die Gerichtsschreiberin: