BGer 6P.139/2002
 
BGer 6P.139/2002 vom 06.03.2003
Tribunale federale
{T 0/2}
6P.139/2002 /kra
Urteil vom 6. März 2003
Kassationshof
Bundesrichter Schneider, Präsident,
Bundesrichter Wiprächtiger, Karlen,
Gerichtsschreiber Weissenberger.
X.________,
Beschwerdeführer, vertreten durch Fürsprecher Marcel Grass, Effingerstrasse 16, Postfach 6417, 3001 Bern,
gegen
Generalprokurator des Kantons Bern, Postfach 7475, 3001 Bern,
Kassationshof des Kantons Bern, Postfach 7475, 3001 Bern.
Art. 32 Abs. 1 BV i.V.m. Art. 9 BV sowie Art. 6 Abs. 2 EMRK (Strafverfahren; Beweiswürdigung, Grundsatz "in dubio pro reo"),
Staatsrechtliche Beschwerde gegen das Urteil des Kassationshofs des Kantons Bern vom 12. August 2002.
Sachverhalt:
A.
Das Wirtschaftsstrafgericht des Kantons Bern verurteilte X.________ am 17. September 2001 wegen qualifizierter Veruntreuung in der Höhe von insgesamt über 3,3 Mio Franken zum Nachteil einer Vielzahl von Geschädigten sowie wegen Urkundenfälschung zu einer Zuchthausstrafe von 4 ¼ Jahren. In den übrigen Anklagepunkten (Urkundenfälschung und zwei Vorwürfe qualifizierter Veruntreuung) erfolgten Freisprüche.
B.
Mit Urteil vom 12. August 2002 stellte der Kassationshof des Kantons Bern fest, das Urteil des Wirtschaftsgerichts des Kantons Bern vom 17. September 2001 gegen X.________ sei insoweit rechtskräftig, als er damit von der Anschuldigung der mehrfachen qualifizierten Veruntreuung (angeblicher Tatzeitraum 1. bis 29. Januar 1996) freigesprochen sowie der mehrfachen qualifizierten Veruntreuung (Tatzeitraum 30. Januar 1996 bis 3. April 1998) in der Höhe von über 3,3 Mio Franken und der Urkundenfälschung durch Falschbeurkundung eines Kaufvertrages (Kaufpreis CHF 3'000.-- statt 9'000.--) schuldig gesprochen worden war. Ferner sprach der Kassationshof X.________ vom Vorwurf der Urkundenfälschung (angebliche Tatzeit 2. Mai 1997) betreffend eine Quittung über CHF 3 Mio frei. Hingegen sprach er ihn der qualifizierten Veruntreuung zum Nachteil seines Mündels schuldig. Gestützt darauf und auf die rechtskräftigen Schuldsprüche verurteilte der Kassationshof X.________ zu 4 ½ Jahren Zuchthaus und verbot ihm, während fünf Jahren den Beruf des Notars auszuüben.
C.
X.________ führt staatsrechtliche Beschwerde mit dem Antrag, das Urteil des Kassationshofes des Kantons Bern vom 12. August 2002 im Schuldspruch wegen qualifizierter Veruntreuung aufzuheben.
Die Staatsanwaltschaft des Kantons Bern beantragt, die Beschwerde abzuweisen, soweit darauf einzutreten sei. Im Übrigen verzichtet sie auf eine Stellungnahme (act. 8). Das Bundesgericht hat der staatsrechtlichen Beschwerde und der parallel dazu eingereichten Nichtigkeitsbeschwerde am 13. November 2002 die aufschiebende Wirkung zuerkannt (act. 9).
Das Bundesgericht zieht in Erwägung:
1.
Der Beschwerdeführer macht eine Verletzung des Grundsatzes "in dubio pro reo" als Beweislast- und Beweiswürdigungsregel geltend (Beschwerde, S. 4 ff.).
1.1 Nach Art. 90 Abs. 1 lit. b OG muss eine staatsrechtliche Beschwerde die wesentlichen Tatsachen und eine kurz gefasste Darlegung darüber enthalten, welche verfassungsmässigen Rechte bzw. welche Rechtssätze und inwiefern sie durch den angefochtenen Erlass oder Entscheid verletzt worden sind. Im Verfahren der staatsrechtlichen Beschwerde prüft das Bundesgericht nur klar und detailliert erhobene und, soweit möglich, belegte Rügen. Auf ungenügend begründete Rügen und bloss allgemein gehaltene, rein appellatorische Kritik am angefochtenen Entscheid tritt das Bundesgericht nicht ein. Den gesetzlichen Begründungsanforderungen wird nicht Genüge getan, wenn der Beschwerdeführer im Rahmen pauschaler Vorbringen einfach behauptet, der angefochtene Entscheid sei verfassungswidrig, und seine Sicht der Dinge derjenigen der letzten kantonalen Instanz gegenüberstellt; vielmehr muss in Auseinandersetzung mit der Begründung des angefochtenen Entscheids dargetan werden, inwiefern dieser gegen ein konkretes verfassungsmässiges Recht verstossen soll (grundlegend: BGE 110 Ia 1 E. 2a; 125 I 492 E. 1b S. 495, mit Hinweisen; vgl. ferner BGE 127 I 38 E. 3c und 4 S. 43 mit weiteren Hinweisen). Dabei genügt es nicht, wenn der angefochtene Entscheid sich nur in der Begründung als unhaltbar erweist; eine Aufhebung rechtfertigt sich erst, wenn er auch im Ergebnis verfassungswidrig ist (BGE 124 IV 86 E. 2a).
Wird der kantonalen Behörde vorgeworfen, ihre Rechtsanwendung verletze Art. 9 BV, so ist die Rechtsnorm, die qualifiziert unrichtig angewandt bzw. nicht angewandt worden sein soll, zu bezeichnen und anhand der angefochtenen Subsumtion im Einzelnen zu zeigen, inwiefern der Entscheid nicht nur in der Begründung sondern auch im Ergebnis offensichtlich unhaltbar ist, mit der tatsächlichen Situation in klarem und offensichtlichem Widerspruch steht, eine Norm oder einen unumstrittenen Rechtsgrundsatz krass verletzt oder in stossender Weise dem Gerechtigkeitsgedanken zuwiderläuft (grundlegend: BGE 110 Ia 1 E. 2a; 125 I 492 E. 1b S. 495, mit Hinweisen).
1.2 Die Beschwerdeschrift genügt diesen Begründungsanforderungen weitgehend nicht. Der Beschwerdeführer setzt sich mit der eingehenden und nachvollziehbaren Beweiswürdigung durch den Kassationshof (angefochtenes Urteil, S. 18 ff.) nicht wirklich auseinander. Vielmehr beschränkt er sich im Wesentlichen auf appellatorische Kritik am angefochtenen Urteil (z.B. Beschwerde, S. 9 f., 12 f.). Mit seiner Behauptung, er habe sich durch die von ihm zugestandenen Veruntreuungen nie selbst bereichert, weicht er von den Feststellungen des Kassationshofs (vgl. angefochtenes Urteil, S. 31) ab, ohne darauf einzugehen und darzulegen, inwiefern die Feststellung falsch sein soll. Ferner bringt er unzulässige neue Tatsachen vor (Beschwerde, S. 19 f.; zu neuen Tatsachen im Verfahren der staatsrechtlichen Beschwerde vgl. nur BGE 119 II 7 E. 4).
Soweit der Beschwerdeführer auf die vom Kassationshof gewürdigten einzelnen Beweiselemente überhaupt näher eingeht (vgl. punktuell die Seiten 10 f., 14-19), legt er nicht hinreichend dar, inwieweit die Beweiswürdigung auch im Ergebnis unhaltbar sein soll. Die Beweiswürdigung des Kassationshofes ist differenziert, eingehend, nachvollziehbar und stimmig. Willkür ist zu verneinen. Es kann hier auf die Erwägungen im angefochtenen Urteil verwiesen werden (Art. 36a Abs. 3 OG).
1.3 Im Übrigen verkennt der Beschwerdeführer die Tragweite des Grundsatzes "in dubio pro reo" als Beweislastregel (vgl. dazu BGE 127 I 38 E. 2a). Der Kassationshof hat ihn nicht mit der Begründung verurteilt, er habe seine Unschuld nicht nachgewiesen. Ebenso wenig lässt sich der Urteilsbegründung entnehmen, dass der Kassationshof von der falschen Meinung ausgegangen wäre, der Beschwerdeführer habe seine Unschuld zu beweisen, und dass er ihn verurteilte, weil ihm dieser Beweis misslang. Der Kassationshof hat vielmehr die erhobenen Beweise gewürdigt und angenommen, diese reichten für eine Verurteilung aus. Darin liegt keine Umkehr der Beweislast, sondern eine Beweiswürdigung, die - wie dargelegt wurde - unter dem Gesichtspunkt der Willkür verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden ist.
2.
Die Beschwerde ist daher abzuweisen, soweit darauf eingetreten werden kann.
Der Beschwerdeführer stellt ein Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege. Da seine Beschwerde von vornherein aussichtslos war, ist das Gesuch abzuweisen (Art. 152 Abs. 1 OG). Dementsprechend hat er die Kosten des Verfahrens vor Bundesgericht zu tragen (Art. 156 Abs. 1 OG). Angesichts seiner finanziellen Verhältnisse sind jedoch nur reduzierte Kosten zu erheben.
Demnach erkennt das Bundesgericht:
1.
Die staatsrechtliche Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist.
2.
Das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege wird abgewiesen.
3.
Die Gerichtsgebühr von Fr. 800.-- wird dem Beschwerdeführer auferlegt.
4.
Dieses Urteil wird dem Beschwerdeführer, dem Generalprokurator des Kantons Bern und dem Kassationshof des Kantons Bern schriftlich mitgeteilt.
Lausanne, 6. März 2003
Im Namen des Kassationshofes
des Schweizerischen Bundesgerichts
Der Präsident: Der Gerichtsschreiber: