BGer 8G.109/2003 |
BGer 8G.109/2003 vom 21.10.2003 |
Tribunale federale
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{T 0/2}
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8G.109/2003 /kra
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Beschluss vom 21. Oktober 2003
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Anklagekammer
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Besetzung
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Bundesrichter Marazzi,
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präsidierendes Mitglied der Anklagekammer,
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Bundesrichter Kolly, Bundesrichterin Escher,
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Gerichtsschreiber Monn.
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Parteien
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X.________,
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Beschwerdeführerin,
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gegen
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Schweizerische Bundesanwaltschaft, Taubenstrasse 16, 3003 Bern.
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Gegenstand
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Überwachung des Post- und Fernmeldeverkehrs.
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Die Kammer zieht in Erwägung:
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1.
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Im Speicher des Mobiltelefons eines mutmasslichen Terroristen einer Al-Qaida-Zelle, die für mehrere Attentate in Riad/Saudi Arabien verantwortlich sein soll, wurde die Nummer eines Mobiltelefons gefunden, die X.________ zugeordnet werden konnte. Im Juni 2003 beantragte die Schweizerische Bundesanwaltschaft beim Präsidenten der Anklagekammer des Bundesgerichts in Bezug auf die besagte Telefonnummer eine Teilnehmerüberwachung. Am 24. Juni 2003 wurde die Überwachung durch den Präsidenten genehmigt. Da sie keine relevanten Erkenntnisse zu Tage förderte, wurde sie am 22. Juli 2003 mit sofortiger Wirkung wieder aufgehoben.
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Am 11. August 2003 teilte die Bundesanwaltschaft X.________ gestützt auf Art. 10 des Bundesgesetzes über die Überwachung des Post- und Fernmeldeverkehrs (BÜPF; SR 780.1) schriftlich mit, in einem gegen Unbekannt geführten gerichtspolizeilichen Ermittlungsverfahren wegen Terroranschlägen in Riad sei eine rückwirkende Teilnehmeridentifikation betreffend ihre Mobiltelefonnummer angeordnet worden. Das Dossier könne bei der Bundesanwaltschaft in Bern eingesehen werden. Diese Akteneinsicht fand am 22. August 2003 statt.
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Mit Schreiben vom 11. September 2003 wendet sich X.________ an die Anklagekammer des Bundesgerichts. Da sie sich nicht vorstellen könne, wie sie mit dem Terroranschlag in Riad in Zusammenhang gebracht worden sei, müsse sie befürchten, dass es aufgrund von mangelhaften polizeilichen Ermittlungen und/oder leichtfertigen Entscheidungen zu der Überwachung gekommen sei. Sie ersuche um die Überprüfung des Vorganges und um detaillierte Angaben. Zudem möchte sie wissen, was mit den über sie gesammelten Informationen geschehen sei oder noch geschehen werde.
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Die Bundesanwaltschaft beantragt in ihrer Stellungnahme vom 25. September 2003, die Beschwerde sei unter Kostenfolge zu Lasten der Beschwerdeführerin abzuweisen. Auf die Entrichtung einer Entschädigung sei zu verzichten. Die Bundesanwaltschaft begründet ihre Massnahme und weist zudem ausdrücklich darauf hin, dass die die Beschwerdeführerin betreffenden Aufzeichnungen aus der Telefonüberwachung im Anschluss an dieses Verfahren vernichtet werden.
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X.________ hat sich am 11. Oktober 2003 zur Stellungnahme der Bundesanwaltschaft vernehmen lassen. Sie führt unter anderem aus, dass sie den Eingriff in ihre Privatsphäre nicht in Frage gestellt hätte, wenn ihr von Anfang an mitgeteilt worden wäre, dass die Nummer ihres Mobiltelefons bei einem Terroristen einer Al-Qaida-Zelle gespeichert gewesen sei. Der Vernehmlassung der Bundesanwaltschaft habe sie nun mehr Informationen entnehmen können, und sie sei sich bewusst geworden, dass sie zu ihrer Sicherheit die Nummer ihres Mobiltelefons ändern müsse. Sie beantrage, auf eine Kostenauflage zu verzichten.
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2.
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Die Eingabe der Beschwerdeführerin vom 11. Oktober 2003 ist sinngemäss als Rückzug der Beschwerde entgegenzunehmen. Die Beschwerdeführerin weiss nun, aus welchem Grund die Teilnehmeridentifikation angeordnet worden ist, und die Bundesanwaltschaft hat verbindlich erklärt, dass die Aufzeichnungen nach Abschluss dieses Verfahrens vernichtet werden, was ohnehin von Gesetzes wegen geschehen muss (Art. 8 Abs. 1 BÜPF). Damit ist die Beschwerde als durch Rückzug erledigt am Geschäftsverzeichnis des Bundesgerichts abzuschreiben.
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Eine Entschädigung hat die Beschwerdeführerin nicht verlangt. Der entsprechende Antrag der Bundesanwaltschaft ist folglich ebenfalls gegenstandslos.
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3.
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Die Beschwerdeführerin beklagt sich in ihrer Eingabe vom 11. Oktober 2003 über die Art, in der die Bundesanwaltschaft mit der Angelegenheit umgegangen sei. Sie hätte sich gewünscht, dass ihrer Angst und Sorge mehr Beachtung geschenkt worden wäre. Die Rüge ist insoweit berechtigt, als die nachträgliche Information der Beschwerdeführerin mangelhaft war. Sie hätte als am Strafverfahren nicht beteiligte Drittperson einen Anspruch darauf gehabt, umfassend und in für sie verständlicher Form über die Gründe informiert zu werden, die zu ihrer Überwachung führten, selbstverständlich unter Berücksichtigung aller sonstigen schutzwürdigen Interessen (zur Problematik allgemein Thomas Hansjakob, Kommentar zum Bundesgesetz und zur Verordnung über die Überwachung des Post- und Fernmeldeverkehrs, St. Gallen 2002, N. 20 f. zu Art. 10 BÜPF). Eine solche Information ist unterblieben.
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Dem formelhaften Schreiben der Bundesanwaltschaft vom 11. August 2003 an die Beschwerdeführerin war nur zu entnehmen, dass die Teilnehmeridentifikation "im gerichtspolizeilichen Ermittlungsverfahren gegen Unbekannt wegen Terroranschlag in Riad" angeordnet worden war. Es hätte sich nach Auffassung der Anklagekammer aufgedrängt, bereits in diesem Schreiben einen Hinweis darauf anzubringen, aus welchem Grund die Beschwerdeführerin in ein Ermittlungsverfahren wegen eines Terroranschlages geraten war. Ein Interesse daran, dass ein solcher Hinweis unterblieb, ist nicht ersichtlich. Es ist nachvollziehbar, dass die Beschwerdeführerin aufgrund des nichts sagenden Schreibens vom 11. August 2003 in Angst und Sorge geriet.
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Anlässlich der Akteneinsicht vom 22. August 2003 soll ihr, wie sie geltend macht, ein teilweise abgedecktes Genehmigungsersuchen der Bundesanwaltschaft an den Präsidenten der Anklagekammer vom 16. Juni 2003 vorgelegt worden sein. Es trifft zu, dass nur in dem abgedeckten Teil festgehalten wird, die Natelnummer der Beschwerdeführerin sei im Mobiltelefon eines "Drahtziehers der Attentate" aufgefunden worden. Dafür, dass die Beschwerdeführerin über diesen für sie wesentlichen Punkt nicht informiert wurde, spricht ihr Schreiben an die Bundesanwaltschaft vom 26. August 2003, in welchem sie die Frage aufwirft, welcher dringende Tatverdacht gegen sie bestanden und welcher Sachverhalt diesen Tatverdacht begründet habe. Daraufhin hat es die Bundesanwaltschaft in einem Schreiben vom 28. August 2003 an die Beschwerdeführerin abgelehnt, ihr weitere Auskünfte zu geben. Ein Interesse daran, dass die Beschwerdeführerin über den für sie entscheidenden Punkt nicht aufgeklärt wurde, ist nicht ersichtlich.
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Gesamthaft gesehen ist davon auszugehen, dass die Beschwerdeführerin über die Umstände, die zur Überwachung führten, nicht informiert worden ist. Die Bundesanwaltschaft wird aufgefordert, in zukünftigen Fällen für eine - soweit möglich - umfassende und klare Information der Betroffenen zu sorgen.
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4.
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Art. 10 BÜPF sagt nichts über die Kostentragung im Beschwerdeverfahren. Die Kosten sind folglich nach den allgemeinen Regeln zu verlegen. Bei Beschwerden gegen Amtshandlungen des Bundesanwalts würden die Kosten nur dann der Beschwerdeführerin auferlegt, wenn sie das Verfahren leichtfertig veranlasst hätte (Art. 105bis Abs. 2 in Verbindung mit Art. 219 Abs. 3 BStP). Diese Voraussetzung ist nach dem in E. 3 Gesagten nicht erfüllt. Auf eine Kostenauflage ist folglich entgegen dem Antrag der Bundesanwaltschaft zu verzichten.
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Demnach beschliesst die Kammer:
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1.
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Die Beschwerde wird als durch Rückzug erledigt am Geschäftsverzeichnis abgeschrieben.
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2.
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Es werden keine Kosten erhoben.
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3.
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Dieser Beschluss wird der Beschwerdeführerin und der Schweizerischen Bundesanwaltschaft schriftlich mitgeteilt.
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Lausanne, 21. Oktober 2003
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Im Namen der Anklagekammer
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des Schweizerischen Bundesgerichts
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Das präsidierende Mitglied: Der Gerichtsschreiber:
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