BGer 8G.148/2003 |
BGer 8G.148/2003 vom 12.01.2004 |
Tribunale federale
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{T 0/2}
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8G.148/2003 /gnd
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Urteil vom 12. Januar 2004
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Anklagekammer
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Besetzung
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Bundesrichter Karlen, Präsident,
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Bundesrichter Fonjallaz, Vizepräsident,
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Bundesrichter Marazzi,
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Gerichtsschreiber Monn.
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Parteien
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Schweizerische Bundesanwaltschaft, 3003 Bern,
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Gesuchstellerin,
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gegen
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X.________,
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Gesuchsgegner, vertreten durch Fürsprecher Georg Friedli.
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Gegenstand
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Verlängerung der Untersuchungshaft (Art. 51 Abs. 2 BStP).
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Die Kammer zieht in Erwägung:
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1.
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Die Schweizerische Bundesanwaltschaft eröffnete am 24. Juli 2003 ein gerichtspolizeiliches Ermittlungsverfahren gegen X.________ und Unbekannt wegen des Verdachts auf bandenmässige Geldwäscherei gemäss Art. 305bis Ziff. 2 lit. b StGB. Der Beschuldigte wird verdächtigt, als Hauptaktionär und CEO einer Privatbank für Drogenkartelle tätig und in dubiose Geldgeschäfte - z.B. mit mehreren Millionen argentinischen Pesos - verwickelt gewesen zu sein.
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Am 11. Dezember 2003 erliess die Bundesanwaltschaft in Anwendung von Art. 44 ff. BStP gegen den Beschuldigten wegen Kollusionsgefahr einen Haftbefehl. Noch am selben Tag wurde er an seinem Domizil angehalten, und es wurden Hausdurchsuchungen an seinem Wohnsitz, seinem Feriendomizil und in seiner Bank durchgeführt. Anlässlich der ersten Einvernahme am 12. Dezember 2003 eröffnete die Bundesanwaltschaft X.________ die Haft. Am gleichen Tag stellte die Bundesanwaltschaft beim Haftgericht III Bern-Mittelland Antrag auf Bestätigung der Untersuchungshaft. Der Antrag wurde gutgeheissen.
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Mit Eingabe vom 24. Dezember 2003 stellt die Bundesanwaltschaft bei der Anklagekammer des Bundesgerichts gestützt auf Art. 51 Abs. 2 BStP das Gesuch, die Untersuchungshaft sei angemessen, mindestens jedoch bis Ende Januar 2004, zu verlängern.
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Die Anklagekammer lud den Beschuldigten am 31. Dezember 2003 ein, bis zum 7. Januar 2004 zum Gesuch der Bundesanwaltschaft Stellung zu nehmen.
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X.________ beantragt mit Eingabe vom 7. Januar 2004, der Antrag auf Haftverlängerung sei abzuweisen und er per sofort aus der Untersuchungshaft zu entlassen. Eventualiter sei er unter Anordnung von Ersatzmassnahmen per sofort aus der Untersuchungshaft zu entlassen. Subeventualiter sei er spätestens per 14. Januar 2004 aus der Untersuchungshaft zu entlassen.
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2.
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Das Gesuch um Verlängerung der Untersuchungshaft muss am letzten Tag der 14-tägigen Frist von Art. 51 Abs. 2 BStP bei einer schweizerischen Poststelle aufgegeben werden (Urteil der Anklagekammer 8G.25/2002 vom 4. April 2002 E. 2; vgl. Bänziger/Leimgruber, Das neue Engagement des Bundes in der Strafverfolgung, Bern 2001, N 213 zu Art. 51 BStP). Die Bundesanwaltschaft hat das Gesuch am 24. Dezember 2003 der Post übergeben und damit die Frist gewahrt.
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3.
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Gemäss Art. 51 Abs. 2 und 3 BStP hat die Bundesanwaltschaft, die einen Beschuldigten im gerichtspolizeilichen Ermittlungsverfahren wegen Kollusionsgefahr in Untersuchungshaft genommen hat und beabsichtigt, die Haft länger als 14 Tage aufrechtzuerhalten, vor Ablauf dieser Frist bei der Anklagekammer um Haftverlängerung nachzusuchen. Die Verlängerung kann nur bewilligt werden, wenn die in Art. 44 Ziff. 2 BStP genannten Voraussetzungen für die Anordnung der Haft weiterhin erfüllt sind. Erforderlich ist daher, dass der Beschuldigte eines Verbrechens oder Vergehens dringend verdächtigt ist und ausserdem bestimmte Umstände den Verdacht begründen, dass er Spuren der Tat vernichten oder Zeugen oder Mitbeschuldigte zu falschen Aussagen verleiten oder sonst den Zweck der Untersuchung gefährden werde. Die bloss theoretische Möglichkeit, dass er in Freiheit kolludieren könnte, genügt grundsätzlich nicht, um die Fortsetzung der Untersuchungshaft zu rechtfertigen. Es müssen vielmehr konkrete Indizien für eine solche Gefahr sprechen (Urteil der Anklagekammer 8G.25/2002 vom 4. April 2002 E. 4a; BGE 117 Ia 257 E. 4c).
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4.
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In Bezug auf die Frage des Tatverdachts ist davon auszugehen, dass der Gesuchsgegner nicht geständig ist. Dies ändert jedoch nichts daran, dass ein Verdacht auf strafbare Handlungen besteht. So fragte der Gesuchsgegner anlässlich eines abgehörten Telefongesprächs mit einem Mitarbeiter der UBS diesen am 9. Dezember 2003, ob er bei ihm zwei Millionen Euro in Noten einzahlen könne. Der Bankangestellte wies ihn darauf hin, dass er die Herkunft der Banknoten "plausibel" belegen müsse. Der Gesuchsgegner entgegnete darauf, "okay, gut, ja ich muss schauen, was ich da für Dokumente herzaubern kann". In der Folge versuchte er vor der Bundesanwaltschaft am 12. Dezember 2003 zu erklären, wie seine Äusserung gegenüber dem Bankangestellten zu verstehen sei. Seine Behauptung, die er vor der Anklagekammer wiederholt, es sei um Geld gegangen, das er aus einem möglichen Verkauf seines Ferienhauses lösen könnte, überzeugt jedoch nicht. Wer sein Haus verkauft und das dabei erhaltene Geld bei einer Bank anlegen will, muss keine Dokumente "herzaubern". Dazu kommen die Aussagen verschiedener Personen, die die Gesuchstellerin einlässlich zitiert hat und auf die hier verwiesen werden kann (vgl. Gesuch S. 3/4). Ihnen ist zu entnehmen, dass gewisse Vorgänge in der Bank des Gesuchsgegners selbst für dessen Mitarbeiter merkwürdig waren. Der Gesuchsgegner hat denn auch immerhin anerkannt, dass er oder seine Bank von Dritten missbraucht worden sein könnten (Gesuch S. 4). Der Umstand, dass sich die Gesuchstellerin auf diese neueren Aussagen abstützt, ist nicht zu beanstanden, und von einer "unerlaubten fishing expedition" (Stellungnahme S. 5) kann nicht gesprochen werden. Gesamthaft gesehen besteht ein hinreichender Tatverdacht, der die Verlängerung der Untersuchungshaft rechtfertigt.
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5.
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In Bezug auf die Kollusionsgefahr ist davon auszugehen, dass über verschiedene Umstände - z.B. das Geschäft mit den argentinischen Pesos und die vom Gesuchsgegner bei der UBS angekündigte Einzahlung von zwei Millionen Euro in Noten - noch keine Klarheit herrscht und dazu weitere Ermittlungen nötig sind. Zudem müssen die bereits beschlagnahmten Unterlagen, die umfangreich und komplex seien, gesichtet und ausgewertet werden. Auch in diesem Punkt kann auf die Ausführungen der Gesuchstellerin verwiesen werden (vgl. Gesuch S. 5). Der Gesuchsgegner, der im Falle einer Verurteilung mit einer empfindlichen Strafe zu rechnen hat, ist in keinem Punkt geständig. Solange die noch notwendigen Ermittlungen nicht durchgeführt sind, besteht offensichtlich die erhebliche und konkrete Gefahr, dass er in Freiheit versuchen könnte, den Zweck der Ermittlungen zu vereiteln.
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Was der Gesuchsgegner dagegen vorbringt, dringt nicht durch. Die Gesuchstellerin macht geltend, die Rolle eines ehemaligen Kollegen des Gesuchsgegners in Singapur sei noch nicht geklärt (Gesuch S. 5). Ob diese Abklärungen "noch Monate dauern" könnten, wie der Gesuchsgegner behauptet (Stellungnahme S. 9), ist für den Ausgang des vorliegenden Verfahrens, in dem es nur um eine Haftverlängerung bis Ende Januar 2004 geht, unerheblich. Die Gesuchstellerin macht weiter geltend, die noch nicht abgeschlossene Sichtung und Auswertung der beschlagnahmten Unterlagen sei zeitintensiv und vor deren Abschluss bestehe die Gefahr, dass sich der Gesuchsgegner in Freiheit mit anderen Personen absprechen könnte (Gesuch S. 5). Der Gesuchsgegner macht zwar geltend, die Untersuchung sei bereits weit fortgeschritten (Stellungnahme S. 9), aber er behauptet selber nicht, dass die Sichtung und Auswertung des unbestrittenermassen umfangreichen und komplexen Materials bereits abgeschlossen wäre. Es ist offensichtlich, dass unter diesen Umständen weiterhin Kollusionsgefahr besteht.
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6.
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Eine Verlängerung der Untersuchungshaft ist auch verhältnismässig. Die Umstände, dass der Gesuchsgegner sich um eine Arbeitsstelle bewerben und seine Liegenschaften verkaufen will (Stellungnahme S. 11), vermögen an der Verhältnismässigkeit der Untersuchungshaft offensichtlich nichts zu ändern. In Bezug auf den Verkauf seiner Anteile an der Bank weist er vor allem auf die Gefahr hin, dass seine Verhaftung publik werden könnte (vgl. Stellungnahme S. 11/12). Diese Frage hat jedoch nichts damit zu tun, ob die Untersuchungshaft verhältnismässig ist oder nicht. Dasselbe gilt für das Vorbringen, die Liquidation seiner Bank tangiere öffentliche Interessen (vgl. Stellungnahme S. 12).
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Ersatzmassnahmen kommen offensichtlich nicht in Betracht. Eine mit Auflagen verbundene Hinterlegung seines Passes (Stellungnahme S. 13) vermöchte die Gefahr einer Kollusion nicht zu bannen.
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Schliesslich stellt sich die Frage, für welche Dauer die Untersuchungshaft verlängert werden soll. Auch wenn die Ausführungen der Gesuchstellerin über die Komplexität der Angelegenheit etwas knapp ausgefallen sind (vgl. Gesuch S. 5), rechtfertigt es sich, die Haft antragsgemäss bis Ende Januar 2004 zu verlängern. Nachdem seit der Verhaftung des Gesuchsgegners jedoch mittlerweile rund ein Monat vergangen ist, ist die Gesuchstellerin ausdrücklich darauf hinzuweisen, dass die noch durchzuführenden Ermittlungen besonders beförderlich getätigt werden müssen.
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Demnach erkennt die Kammer:
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1.
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Das Gesuch wird gutgeheissen und die gestützt auf Art. 44 Ziff. 2 BStP verfügte Untersuchungshaft bis Samstag, 31. Januar 2004, verlängert.
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2.
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Es werden keine Kosten erhoben.
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3.
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Dieses Urteil wird den Parteien schriftlich (Dispositiv vorab per Fax) mitgeteilt.
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Lausanne, 12. Januar 2004
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Im Namen der Anklagekammer
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des Schweizerischen Bundesgerichts
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Der Präsident: Der Gerichtsschreiber:
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