BGer 5P.102/2004 |
BGer 5P.102/2004 vom 10.05.2004 |
Tribunale federale
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{T 0/2}
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5P.102/2004 /grl
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Urteil vom 10. Mai 2004
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II. Zivilabteilung
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Besetzung
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Bundesrichter Raselli, Präsident,
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Bundesrichterin Escher, Bundesrichter Meyer,
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Gerichtsschreiber Gysel.
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Parteien
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A.________,
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Beschwerdeführer, vertreten durch Fürsprecher Elmar Perler,
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gegen
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E. und K.B.________,
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Beschwerdegegner, vertreten durch Rechtsanwalt
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Theo Studer,
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Kantonsgericht Freiburg (I. Appellationshof), Postfach 56, 1702 Freiburg.
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Gegenstand
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Art. 9 und 29 BV (Nachbarrecht),
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Staatsrechtliche Beschwerde gegen das Urteil des Kantonsgerichts Freiburg (I. Appellationshof) vom 9. Januar 2004.
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Sachverhalt:
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A.
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E. und K.B.________sind Eigentümer des Grundstücks Art. bbb des Grundbuchs X.________. Das im Süden angrenzende Grundstück Art. aaa steht im Eigentum von A.________. Entlang der Grenze befinden sich auf diesem Grundstück unter anderem sieben Tannen, eine Esche und eine Thuja sowie ein Gebüsch, die ihren Schatten auf das Grundstück Art. bbb werfen. Fünf der Bäume sind 22 Meter hoch, zwei 18 Meter und die restlichen zwei 15 Meter.
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B.
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Mit Urteil vom 20. Februar 2003 hiess der Gerichtspräsident des Seebezirks eine von E. und K.B.________gegen A.________ erhobene nachbarrechtliche Klage gut. Er verpflichtete A.________, auf eigene Kosten alle neun Bäume bis spätestens 30 Tage nach Eintritt der Rechtskraft des Urteils zu entfernen und innert der gleichen Frist das in der nordwestlichen Ecke seines Grundstücks stehende acht Meter hohe Gebüsch auf die gesetzliche Höhe von 120 cm zurückzuschneiden.
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Die von A.________ gegen diesen Entscheid eingereichte Berufung wies das Kantonsgericht Freiburg (I. Appellationshof) am 9. Januar 2004 ab.
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C.
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A.________ führt staatsrechtliche Beschwerde mit dem Rechtsbegehren, das kantonsgerichtliche Urteil aufzuheben.
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Durch Präsidialverfügung vom 30. März 2004 ist der Beschwerde antragsgemäss aufschiebende Wirkung zuerkannt worden.
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Zur Sache sind keine Vernehmlassungen eingeholt worden.
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Das Bundesgericht zieht in Erwägung:
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1.
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Das Kantonsgericht geht mit dem Gerichtspräsidenten des Seebezirks davon aus, dass das Entfernen der Bäume nicht (mehr) auf Grund des in Art. 688 ZGB vorbehaltenen kantonalen Rechts (Art. 232 ff. des Freiburger EG zum ZGB) angeordnet werden könne, weil sie vor mehr als zehn Jahren angepflanzt worden seien. Unter Berufung auf BGE 126 III 452 ff. hält es jedoch wie der erstinstanzliche Richter dafür, Schattenwurf und Vermoosung, die von den Bäumen und dem Gebüsch ausgingen, stellten übermässige Einwirkungen im Sinne von Art. 684 ZGB dar. Dem vom Beschwerdeführer erhobenen Einwand der Unverhältnismässigkeit hat die kantonale Appellationsinstanz entgegnet, das Stutzen auf eine bestimmte Höhe wäre wohl kaum im Interesse des Beschwerdeführers und entspreche den Ästhetikvorstellungen an einen an sich ausgewachsenen Baum nicht und das Entfernen nur einzelner Bäume falle deshalb ausser Betracht, weil nach Oberförster Bucher die Standfestigkeit der anderen nicht mehr gewährleistet wäre und somit eine unzumutbare Gefahr für das Nachbargrundstück geschaffen würde.
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2.
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Der Beschwerdeführer, der die Ausführungen des Kantonsgerichts zum Ausmass der von der Baumgruppe verursachten Immissionen nicht (mehr) beanstandet, wirft der kantonalen Instanz in zweierlei Hinsicht eine Missachtung seines Anspruchs auf rechtliches Gehör (Art. 29 Abs. 2 BV) und einen Verstoss gegen das Willkürverbot (Art. 9 BV) vor.
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2.1 Einerseits werden diese Rügen bezüglich der Erwägungen zu einem allfälligen Kappen der Bäume erhoben. Richtigerweise setzt sich der Beschwerdeführer mit beiden zu dieser Frage angeführten, voneinander unabhängigen Begründungen auseinander (dazu BGE 121 IV 94 E. 1b S. 95; 113 Ia 94 E. 1a/bb S. 95 f.).
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2.1.1 Ob die Erklärung des Kantonsgerichts, es läge wohl kaum im Interesse des Beschwerdeführers, die Bäume nur auf eine bestimmte Höhe zurückzuschneiden, vor der Verfassung standhält, ist fraglich. Feststellungen darüber, was im Interesse einer Partei liegt, setzen nämlich voraus, dass diese sich zum betreffenden Punkt hat äussern können. Die Frage braucht indessen nicht weiter verfolgt zu werden, da auf jeden Fall die alternative Begründung für das Absehen von der Anordnung eines Kappens der Bäume weder willkürlich ist noch sonst wie gegen die Verfassung verstösst.
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2.1.2 Der Beschwerdeführer macht geltend, die Feststellung, das Stutzen der Bäume auf eine bestimmte Höhe würde nicht den Ästhetikvorstellungen entsprechen, sei apodiktisch und vom Kantonsgericht nicht begründet worden und dieses habe ihn zu dieser Problematik gar nicht angehört.
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Aus dem Protokoll der erstinstanzlichen Hauptverhandlung vom 16. Dezember 2002 (Seite 3, 4. Abschnitt) geht hervor, dass die Beschwerdegegner schon damals die Möglichkeit eines Stutzens bzw. Kappens einzelner Bäume erwähnten. Sie führten aus, sie hätten die Mutter des Beschwerdeführers auf die Bäume angesprochen und den Vorschlag gemacht, dass ein Teil der Bepflanzung entfernt und ein Teil gekürzt werde; der Vorschlag sei jedoch stets abgelehnt worden; als die Bepflanzung noch tiefer gewesen sei, wären sie mit einem Kappen noch einverstanden gewesen, und sie hätten im Jahre 1999 mit A.________s Gärtner darüber diskutiert. Nach dem Verhandlungsprotokoll hat sich der Beschwerdeführer zu dieser Thematik nicht geäussert. Angesichts der Interessenlage hätte er dazu jedoch durchaus Veranlassung gehabt, macht er doch heute dem Sinne nach geltend, es sei unverhältnismässig, die Bäume zu fällen, statt sie bloss zu kappen. Ebenso wenig findet sich in der Berufung an das Kantonsgericht etwas zu diesem Punkt. Wenn die zweite Instanz die - im Interesse des Beschwerdeführers liegende - Frage von sich aus und ohne Rücksprache mit den Parteien trotzdem aufgegriffen hat, hat sie sich unter den dargelegten Umständen keine Gehörsverletzung zuschulden kommen lassen.
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Dem Kantonsgericht kann sodann auch nicht vorgeworfen werden, es sei der sich aus dem Anspruch auf rechtliches Gehör ergebenden Pflicht, seinen Entscheid zu begründen, nicht nachgekommen. Es geht bei dieser Pflicht darum, dass der Betroffene sich über die Tragweite des Entscheids ein Bild machen und ihn in voller Kenntnis der Sache gegebenenfalls bei der oberen Instanz anfechten kann (BGE 129 I 232 E. 3.2 S. 236 mit Hinweisen). Die Feststellung, das Stutzen auf eine bestimmte Höhe würde den Ästhetikvorstellungen an einen an sich ausgewachsenen Baum nicht entsprechen, ist wohl knapp, aber als Begründung ausreichend. Die Erscheinung eines ausgewachsenen hochstämmigen Nadel- oder Laubbaumes, der (bzw. dessen Krone) auf einer bestimmten Höhe gekappt und - in der Horizontalen - regelmässig auf dieser Höhe unter der Schere gehalten würde, lässt sich ohne Schwierigkeiten vorstellen. Hierfür braucht es keine näheren Ausführungen. Dass eine solche Erscheinung dem sich am Ideal- bzw. Normalbild eines ausgewachsenen Baumes orientierenden ästhetischen Gefühl widerspricht, bedarf ebenfalls keiner weiteren Erörterungen.
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2.1.3 Einen Verstoss gegen das Willkürverbot wirft der Beschwerdeführer dem Kantonsgericht deshalb vor, weil es sich offensichtlich nicht damit befasst habe, dass die Konzession an die Vorstellungen der Ästhetik durch seine überwiegenden Interessen am beschränkten Bestand der Bepflanzung massiv überlagert werde. Dieses Vorbringen genügt den nach Art. 90 Abs. 1 lit. b OG für die Begründung einer Willkürbeschwerde geltenden Anforderungen nicht. Darnach ist klar und detailliert aufzuzeigen, inwiefern der kantonale Entscheid qualifiziert unrichtig sein soll (dazu BGE 127 I 38 E. 3c S. 43 mit Hinweisen; vgl. auch BGE 129 I 185 E. 1.6 S. 189 mit weiteren Hinweisen). Es ist auf Grund der Ausführungen des Beschwerdeführers nicht ersichtlich, inwiefern die kantonale Instanz gegensätzliche Interessen in krasser Weise falsch gewürdigt haben soll. Auf die Beschwerde ist in diesem Punkt deshalb nicht einzutreten.
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2.2 Der Beschwerdeführer beanstandet andererseits die kantonsgerichtliche Feststellung, das Fällen nur einzelner Bäume würde die Standfestigkeit der anderen beeinträchtigen und zu einer unzumutbaren Gefahr für das Nachbargrundstück führen. Auch darin erblickt er sowohl eine Missachtung des Anspruchs auf rechtliches Gehör als auch Willkür.
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2.2.1 Entgegen dem zur Begründung der Rüge der Gehörsverletzung Vorgebrachten trifft es nicht zu, dass die Frage der Auswirkung des Fällens einzelner Bäume auf die Standfestigkeit der anderen im Prozess nicht thematisiert worden wäre. Der erstinstanzliche Richter prüfte, ob statt des Fällens aller Bäume die Beseitigung nur einzelner genügen würde, um der übermässigen Beschattung des Grundstücks der Beschwerdegegner zu begegnen. Dabei gelangte er zum Schluss, das Fällen einzelner Rottannen würde die Standfestigkeit der übrigen Tannen beeinträchtigen und bei starkem Wind und Sturm eine unzumutbare Gefahr für die ganze Nachbarschaft schaffen (Urteil vom 20. Februar 2003, S. 8 E. 6d). In seiner Berufung an das Kantonsgericht beanstandete der Beschwerdeführer wohl, dass der Gerichtspräsident nicht geprüft habe, ob der nach Recht und Billigkeit vorzunehmende Interessenausgleich zwischen den Parteien nicht gebieten würde, bloss so viele Bäume beseitigen zu lassen wie für eine wesentliche Verbesserung der Situation der Beschwerdegegner erforderlich. Er fügte bei, dass das bestimmt der Fall wäre, wenn die Tannen 7 und 8 entfernt würden. Indessen unterliess es der Beschwerdeführer, die Gefahr zu thematisieren, von der der erstinstanzliche Richter im Falle des Entfernens nur eines Teils der Bäume ausgegangen war. So stellte er denn auch keine entsprechenden Beweisanträge, obwohl er in Anbetracht des bezirksgerichtlichen Urteils dazu allen Grund gehabt hätte. Seine Ausführungen in der staatsrechtlichen Beschwerde zu diesem Punkt sind somit neu. Auf Grund des Novenverbots (dazu BGE 119 II 6 E. 4a S. 7 mit Hinweis) kann darauf von vornherein nicht eingetreten werden, wodurch der Rüge der Gehörsverletzung der Boden entzogen ist.
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2.3 Die Vorbringen zur Rüge, die kantonsgerichtliche Annahme einer Gefährdung für die Standfestigkeit der verbleibenden Bäume im Falle eines zahlenmässig beschränkten Entfernens der Pflanzungen sei willkürlich, erschöpfen sich in einer rein appellatorischen und damit unzulässigen Kritik (vgl. Art. 90 Abs. 1 lit. b OG). Der Beschwerdeführer begnügt sich im Wesentlichen mit einer blossen Gegenüberstellung der vorliegenden Verhältnisse mit dem Sachverhalt und dem kantonalen Entscheid, die BGE 126 III 452 ff. zu Grunde gelegen hatten. Den gesetzlichen Anforderungen an die Begründung einer Willkürbeschwerde genügt namentlich auch nicht, was er zu den vom Kantonsgericht angerufenen Erklärungen von Oberförster C.________ vorbringt. In diesem Punkt ist auf die Beschwerde demnach ebenfalls nicht einzutreten.
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3.
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Die Beschwerde ist nach dem Gesagten abzuweisen, soweit darauf einzutreten ist. Bei diesem Ausgang ist die Gerichtsgebühr dem Beschwerdeführer aufzuerlegen (Art. 156 Abs. 1 OG). Zur Sache ist keine Vernehmlassung eingeholt worden. Mit dem, was die Beschwerdegegner - hauptsächlich unter Hinweis auf das von ihnen unaufgefordert zur Sache Ausgeführte - zum Gesuch um Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung vortragen, ist ihnen kein (notwendiger) Aufwand erwachsen, der eine Entschädigung zu rechtfertigen vermöchte.
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Demnach erkennt das Bundesgericht:
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1.
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Die staatsrechtliche Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist.
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2.
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Die Gerichtsgebühr von Fr. 2'000.-- wird dem Beschwerdeführer auferlegt.
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3.
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Den Beschwerdegegnern wird keine Parteientschädigung zugesprochen.
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4.
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Dieses Urteil wird den Parteien und dem Kantonsgericht Freiburg (I. Appellationshof) schriftlich mitgeteilt.
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Lausanne, 10. Mai 2004
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Im Namen der II. Zivilabteilung
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des Schweizerischen Bundesgerichts
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Der Präsident: Der Gerichtsschreiber:
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