BGer C 25/2004 |
BGer C 25/2004 vom 30.08.2004 |
Eidgenössisches Versicherungsgericht
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Tribunale federale delle assicurazioni
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Tribunal federal d'assicuranzas
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Sozialversicherungsabteilung
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des Bundesgerichts
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Prozess
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{T 7}
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C 25/04
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Urteil vom 30. August 2004
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IV. Kammer
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Besetzung
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Präsident Ferrari, Bundesrichter Meyer und Ursprung; Gerichtsschreiber Hadorn
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Parteien
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R.________, Beschwerdeführer, vertreten durch Rechtsanwalt Dr. Markus Wick, Bachmattweg 1, 5070 Frick,
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gegen
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Öffentliche Arbeitslosenkasse Basel-Stadt, Hochstrasse 37, 4053 Basel, Beschwerdegegnerin
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Vorinstanz
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Sozialversicherungsgericht Basel-Stadt, Basel
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(Entscheid vom 16. Dezember 2003)
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Sachverhalt:
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A.
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Mit Verfügung vom 16. April 2002 verneinte die Öffentliche Arbeitslosenkasse Basel-Stadt den Anspruch des R.________ (geb. 1962) auf Insolvenzentschädigung aus dem Konkurs der Firma Y.________ AG (vormals K.________ AG), weil er bis Mitte Mai 2001 einziges Verwaltungsratsmitglied gewesen sei.
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B.
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Die dagegen erhobene Beschwerde wies das Sozialversicherungsgericht Basel-Stadt mit Entscheid vom 16. Dezember 2003 ab.
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C.
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R.________ lässt Verwaltungsgerichtsbeschwerde führen und beantragen, es sei ihm für September bis Dezember 2001 Insolvenzentschädigung von insgesamt Fr. 32'500.- zuzusprechen. Eventuell sei die Sache zu neuer Beurteilung an die Verwaltung zurückzuweisen. Ausserdem ersucht er um Gewährung der unentgeltlichen Verbeiständung.
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Die Arbeitslosenkasse und das Staatssekretariat für Wirtschaft (seco) verzichten auf eine Vernehmlassung.
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Das Eidg. Versicherungsgericht zieht in Erwägung:
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1.
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Das kantonale Sozialversicherungsgericht hat die gesetzlichen Voraussetzungen für den Anspruch auf Insolvenzentschädigung (Art. 51 Abs. 1 und Art. 52 Abs. 1 AVIG) und zum Ausschluss arbeitgeberähnlicher Personen von dieser Leistung (Art. 51 Abs. 2 AVIG) sowie die dazu ergangene Rechtsprechung (vgl. BGE 123 V 236 Erw. 7) richtig dargelegt. Ferner trifft zu, dass das ATSG materiellrechtlich nicht anwendbar ist. Darauf wird verwiesen.
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2.
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Streitig und zu prüfen ist der Anspruch auf Insolvenzentschädigung für die vier Monate September bis Dezember 2001.
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2.1 Die Vorinstanz erwog, der Versicherte sei bis 8. Mai 2001 Mitglied im Verwaltungsrat der Firma Y.________ AG (früher K.________ AG), gewesen. Ab diesem Tag sei B.________ neu in das genannte Gremium eingetreten. Über die Firma sei am 21. Januar 2002 der Konkurs eröffnet worden. In der Periode vom Austritt aus dem Verwaltungsrat bis zum Konkurs habe der Beschwerdeführer ungeachtet seines formellen Ausscheidens weiterhin die Geschäftstätigkeit wie eine arbeitgeberähnliche Person beeinflusst. Zwar habe sich beweismässig nicht erhärten lassen, dass er Hauptaktionär geblieben sei. Indessen gebe es genügend anderweitige Hinweise auf seine beherrschende Stellung: Sein Aufgabenfeld sei ab 1. Juni 2001 weit umfassender umschrieben worden als in seinem früheren Vertrag. Er habe nicht nur die operativen Tätigkeiten weitgehend in seinen Händen behalten, sondern auch Bereiche betreut, welche "in jedem Unternehmen in der obersten Führungsetage anzusiedeln" seien. B.________ sei entgegen dem Handelsregistereintrag in Wirklichkeit nur als Berater, nicht aber als Führungsperson aufgetreten. Auch die Verlegung des Firmensitzes in den Kanton Graubünden, wo der Beschwerdeführer wohne und Beziehungen habe, weise auf sein andauerndes massgebliches Mitwirken hin. Im Weiteren versagte die Vorinstanz dem Beschwerdeführer den Anspruch auf Insolvenzentschädigung auch mit dem Hinweis auf BGE 126 V 134, nach welcher Rechtsprechung der Ausschluss von der erwähnten Leistung auch für Zeiten nach dem Ausscheiden aus dem Verwaltungsrat in Betracht falle, wenn die finanziellen Schwierigkeiten, die schliesslich zum Konkurs führten, schon vorher bestanden hätten und das Arbeitsverhältnis weitergedauert habe. Vorliegend seien die finanziellen Probleme der Firma bereits zu einer Zeit aufgetreten, als der Beschwerdeführer noch Verwaltungsrat gewesen sei.
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2.2 Der Versicherte bestreitet, nach dem Austritt aus dem Verwaltungsrat weiterhin arbeitgeberähnliche Befugnisse ausgeübt zu haben. Vielmehr sei B.________ für die wichtigen Entscheidungen zuständig gewesen. Selbst wenn sodann bereits früher finanzielle Probleme aufgetreten seien, habe realistische Aussicht auf eine Sanierung bestanden. Der Konkurs sei nicht eine direkte und zwingende Folge der vorausgegangenen Geldschwierigkeiten gewesen.
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2.3 Der Beschwerdeführer schied am 4. Mai 2001 aus dem Verwaltungsrat der AG aus. Ab 1. Juni 2001 war er mit neuem Arbeitsvertrag als Angestellter in der selben Firma tätig, bis diese am 21. Januar 2002 in Konkurs fiel. Wie die Vorinstanz zutreffend festgehalten hat, bestanden bereits vor Juni 2001 finanzielle Schwierigkeiten. Dies räumte der Beschwerdeführer in der mündlichen Anhörung vor dem kantonalen Gericht selber ein. Er sprach von mehrmaligen Liquidationsengpässen mit Lieferanten, weshalb jemand gesucht worden sei, der das Finanzielle in den Griff bekommt. Seit Januar 2001 hat sich der Beschwerdeführer, damals noch einziger Verwaltungsrat, nach eigenen Angaben keinen Lohn mehr ausbezahlt. Dementsprechend hatte er für sich selbst ursprünglich Insolvenzentschädigung ab diesem Monat beantragt. Entgegen den Vorbringen in der Verwaltungsgerichtsbeschwerde ist dies ein Indiz dafür, dass der Betrieb in Schwierigkeiten steckte. Niemand verzichtet ohne triftige Gründe monatelang auf seinen Lohn. Selbst wenn der Beschwerdeführer an eine Sanierung geglaubt haben mag, ändert sich nichts daran, dass die Firma während seines Verwaltungsratsmandates in erhebliche finanzielle Probleme geriet. Auch der Zeuge B.________ erwähnte Probleme mit den Finanzen seit September 2000. Leider habe sich kein Investor finden lassen. Er habe versucht, die Firma zu sanieren. Sodann gab der Zeuge an, eine Revision sei nicht möglich gewesen, weil die notwendigen Daten nicht aufzufinden waren.
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2.4 Auf Grund dieser Angaben ist erstellt, dass die Firma bereits zu einer Zeit in finanzielle Schwierigkeiten geriet, als der Beschwerdeführer noch die alleinige Verantwortung für den Geschäftsgang hatte. Er hat ferner dafür einzustehen, wenn keine Buchhaltung geführt worden ist. Dass sich kein Investor finden liess, deutet ebenfalls auf grosse finanzielle Schwierigkeiten hin. Diese Probleme blieben nach dem Ausscheiden aus dem Verwaltungsrat bestehen und führten zuletzt in den Konkurs. Es liegt demnach ein Fall im Sinne von BGE 126 V 134 vor, haben doch die finanziellen Schwierigkeiten schon vor dem Ausscheiden des Versicherten aus der arbeitgeberähnlichen Stellung bestanden und zuletzt zum Konkurs geführt, wobei das Arbeitsverhältnis weitergedauert hat. Die kurze anstellungslose Zeit zwischen dem Austritt aus dem Verwaltungsrat am 4. Mai 2001 und dem Wiedereinstieg als Angestellter am 1. Juni 2001 vermag diesen Konnex nicht zu unterbrechen. Im Lichte von BGE 126 V 134 kann der Versicherte daher keine Insolvenzentschädigung beziehen. Entgegen der Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird im genannten Urteil nicht gesagt, dass der Konkurs eine "direkte und zwingende Folge" der vor dem Austritt aus dem Verwaltungsrat eingetretenen finanziellen Schwierigkeiten sein muss. Vielmehr genügt, dass diese Probleme schliesslich zum Konkurs geführt haben, schon vorher bestanden und das Arbeitsverhältnis weitergedauert hat (vgl. BGE 126 V 138 Erw. 5c). Diese Voraussetzungen sind hier erfüllt. Damit braucht nicht mehr geprüft zu werden, ob der Beschwerdeführer nach dem Rücktritt aus dem Verwaltungsrat effektiv weiterhin arbeitgeberähnliche Befugnisse ausgeübt hat.
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3.
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Das Verfahren ist kostenlos (Art. 134 OG). Die unentgeltliche Verbeiständung kann dem unterliegenden Beschwerdeführer gewährt werden, da die entsprechenden Voraussetzungen (BGE 125 V 202 Erw. 4b) erfüllt sind. Der Versicherte wird jedoch auf Art. 152 Abs. 3 OG hingewiesen, wonach er dem Gericht Ersatz zu leisten haben wird, falls er dereinst dazu im Stand sein sollte.
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Demnach erkennt das Eidg. Versicherungsgericht:
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1.
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Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird abgewiesen.
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2.
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Es werden keine Gerichtskosten erhoben.
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3.
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Zufolge Gewährung der unentgeltlichen Verbeiständung wird Advokat Dr. Markus Wick, Basel, für das Verfahren vor dem Eidgenössischen Versicherungsgericht aus der Gerichtskasse eine Entschädigung von Fr. 2500.- (inkl. Mehrwertsteuer) ausgerichtet.
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4.
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Dieses Urteil wird den Parteien, dem Sozialversicherungsgericht Basel-Stadt und dem Staatssekretariat für Wirtschaft zugestellt.
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Luzern, 30. August 2004
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Im Namen des Eidgenössischen Versicherungsgerichts
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Der Präsident der IV. Kammer: Der Gerichtsschreiber:
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i.V.
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