BGer 2A.486/2004
 
BGer 2A.486/2004 vom 16.09.2004
Tribunale federale
{T 0/2}
2A.486/2004 /leb
Urteil vom 16. September 2004
II. Öffentlichrechtliche Abteilung
Besetzung
Bundesrichter Wurzburger, Präsident,
Bundesrichter Müller, Bundesrichterin Yersin,
Gerichtsschreiber Fux.
Parteien
X.________,
Beschwerdeführer,
gegen
Amt für Migration des Kantons Luzern, Hallwilerweg 7, 6002 Luzern,
Verwaltungsgericht des Kantons Luzern, Verwaltungsrechtliche Abteilung, Obergrundstrasse 46, 6002 Luzern.
Gegenstand
Ausschaffungshaft (Ar. 13b ANAG),
Verwaltungsgerichtsbeschwerde gegen das Urteil
des Verwaltungsgerichts des Kantons Luzern
vom 19. Juli 2004.
Sachverhalt:
A.
X.________ (geb. 1978) reiste nach eigenen Angaben am 26. Oktober 2002 illegal in die Schweiz ein. Er behauptet, Staatsangehöriger der Demokratischen Republik Kongo zu sein. Nachdem er am 5. März 2003 bei der Empfangsstelle in Vallorbe um Asyl ersucht hatte, wurde er mit Verfügung des Bundesamts für Flüchtlinge vom 17. März 2003 dem Kanton Luzern zugewiesen. Mit Entscheid vom 3. April 2003 trat das Bundesamt auf das Asylgesuch nicht ein, verfügte die sofortige Wegweisung aus der Schweiz und beauftragte den Kanton Luzern mit deren Vollzug. Die Schweizerische Asylrekurskommission trat mit Urteil vom 17. September 2003 auf eine Beschwerde gegen den Asylentscheid wegen Nichtbezahlung des Kostenvorschusses nicht ein. Ebenso trat sie auf ein Revisionsgesuch vom 8. Juli 2004 nicht ein. In ihrem Urteil vom 16. Juli 2004 erwog die Asylrekurskommission, da es sich beim Entscheid vom 17. September 2003 um ein Prozessurteil gehandelt habe, könne dessen Revision nicht mit materiellen Gründen verlangt werden; solche Vorbringen seien grundsätzlich vom Bundesamt für Flüchtlinge im Rahmen eines Wiedererwägungsverfahrens zu prüfen. Dementsprechend überwies sie die Eingabe vom 8. Juli 2004 "zur weiteren Prüfung" an das Bundesamt für Flüchtlinge. Gleichzeitig ordnete sie an, dass an der von ihr am 12. Juli 2004 verfügten vorsorglichen Aussetzung des Wegweisungsvollzugs festzuhalten sei.
Am 16. Juli 2004 ordnete das Amt für Migration des Kantons Luzern gegen X.________ die Ausschaffungshaft für die Dauer von drei Monaten an (beginnend ab 15. Juli 2004). Der Haftrichter am Verwaltungsgericht des Kantons Luzern prüfte die Ausschaffungshaft und bewilligte sie mit Urteil vom 19. Juli 2004 bis zum 14. Oktober 2004.
Am 20. August 2004 hat das Bundesamt für Flüchtlinge das Wiedererwägungsgesuch von X.________ vom 8. Juli 2004 abgewiesen, den Asyl- und Wegweisungsentscheid vom 3. April 2003 für rechtskräftig und vollstreckbar erklärt und einem allfälligen Rekurs die aufschiebende Wirkung entzogen.
B.
X.________ hat gegen das Urteil des Haftrichters am 1. September 2004 Verwaltungsgerichtsbeschwerde an das Bundesgericht erhoben. Der Beschwerdeführer beantragt, die Haftverfügung vom 16. Juli 2004 sowie das angefochtene Urteil vom 19. Juli 2004 aufzuheben und ihn aus der Ausschaffungshaft zu entlassen. Er rügt eine Verletzung von Bundesrecht, weil der Haftrichter den Sachverhalt offensichtlich unrichtig festgestellt habe, weil im Zeitpunkt des Urteils aufgrund des hängigen Wiedererwägungsverfahrens kein rechtsverbindlicher Wegweisungsentscheid mehr bestanden habe, weil die Ausschaffungshaft unter dem Gesichtspunkt der Mitwirkungspflicht "offenkundig unverhältnismässig" sei und weil die Beweiswürdigung hinsichtlich des Gesundheitszustands des Beschwerdeführers offensichtlich willkürlich sei.
C.
Das Amt für Migration des Kantons Luzern sowie das Verwaltungsgericht des Kantons Luzern beantragen, die Beschwerde abzuweisen. Das Bundesamt für Flüchtlinge hat innert Frist keine Stellungnahme eingereicht. Der Beschwerdeführer hält in seiner Eingabe vom 13. September 2004 sinngemäss an seinen Rechtsbegehren fest.
Das Bundesgericht zieht in Erwägung:
1.
1.1 Der Beschwerdeführer ist im Asylverfahren aus der Schweiz weggewiesen worden. Der Haftrichter erwog zu Recht, der betreffende Entscheid des Bundesamts vom 3. April 2003 stelle einen Wegweisungsentscheid im Sinn von Art. 13b Abs. 1 ANAG (SR 142.20) dar. Daran vermag entgegen der Auffassung des Beschwerdeführers nichts zu ändern, dass im Zeitpunkt des angefochtenen Urteils noch ein Wiedererwägungsverfahren hängig war, in dessen Rahmen der Vollzug der Wegweisung "vorsorglich ausgesetzt" wurde.
1.2 Die angeordnete Haft dient der Sicherstellung des Wegweisungsvollzugs. Sie genügt sämtlichen gesetzlichen Anforderungen: Insbesondere ist der Haftgrund der Untertauchensgefahr von Art. 13b Abs. 1 lit. c ANAG erfüllt, und zwar sowohl nach der ursprünglichen (vgl. statt vieler BGE 130 II 56 E. 3 S. 58 f., mit Hinweisen) als auch nach der seit 1. April 2004 geltenden verschärften Fassung (Bundesgesetz vom 19. Dezember 2003 über das Entlastungsprogramm 2003; AS 2004 1633 ff.; siehe dazu das zur Publikation bestimmte Urteil 2A.342/2004 vom 15. Juli 2004, E. 3). Für die Gründe im Einzelnen, die vorliegend eine Untertauchensgefahr als gegeben erscheinen lassen, kann auf die Ausführungen im angefochtenen Entscheid (S. 3 f.) verwiesen werden (vgl. Art. 36a Abs. 3 OG). Da das Bundesamt für Flüchtlinge seinen Nichteintretensentscheid vom 3. April 2003 auf Art. 32 Abs. 2 lit. a AsylG (SR 142.31) gestützt hat, ist zudem auch der (neue) Haftgrund des Art. 13b Abs. 1 lit. d ANAG verwirklicht (vgl. dazu das erwähnte Urteil 2A.342/2004 vom 15. Juli 2004, E.3). Weiter ist die gesetzlich vorgesehene Haftdauer eingehalten (Art. 13b Abs. 2 ANAG) und sind die Behörden bis anhin dem Beschleunigungsgebot nachgekommen (Art. 13b Abs. 3 ANAG; vgl. dazu BGE 124 II 49 ff.). Anhaltspunkte dafür, dass der Vollzug der Wegweisung aus rechtlichen oder tatsächlichen Gründen undurchführbar wäre, sind weder ersichtlich noch werden solche vom Beschwerdeführer geltend gemacht (vgl. Art. 13c Abs. 5 lit. a ANAG; BGE 130 II 56 E. 4.1.3 S. 61, mit Hinweisen).
1.3 Der Beschwerdeführer macht geltend, die Ausschaffungshaft sei "offenkundig unverhältnismässig", weil ihm eine Mitwirkung beim Wegweisungsvollzug (Papierbeschaffung, Rückkehr) nicht zugemutet werden könne. Was er zur Begründung vorbringt (Flüchtlingseigenschaft, Rechtsanspruch auf Asyl in der Schweiz, Folterung bei einer Rückkehr in die Heimat), betrifft indessen asylrechtliche Aspekte, die zum Vornherein nicht Gegenstand des vorliegenden Haftprüfungsverfahrens sein können (BGE 130 II 56 E. 2 in fine S. 58, mit Hinweis).
Der Beschwerdeführer rügt ferner, der Haftrichter habe zu Unrecht angenommen, er, der Beschwerdeführer, habe einer Vorladung unentschuldigt keine Folge geleistet; weil der Haftrichter diese Auffassung ohne zu überprüfen von der Fremdenpolizeibehörde übernommen habe, entstünden "bereits erste Zweifel" an seiner Unparteilichkeit. Wie im angefochtenen Entscheid ausgeführt und durch die Akten belegt wird, hat der Beschwerdeführer wiederholt behördliche Vorladungen ignoriert oder ist zu spät erschienen; auch die fragliche Vorladung (vom 8. Oktober 2003) hat er missachtet und sich erst nach erneuter Vorladung im Nachhinein entschuldigt. Unter den gegebenen Umständen muss die Art der Prozessführung, namentlich der Vorwurf der Unparteilichkeit, als mutwillig bezeichnet werden.
Fehl geht schliesslich auch die Rüge des Beschwerdeführers, der Haftrichter habe seine "Fachkompetenz offensichtlich überschritten", weil er sich über den Gesundheitszustand des Beschwerdeführers geäussert habe. Von einem "gravierenden formellen Verfahrensfehler" oder einer "offenkundig willkürlichen Beweiswürdigung" kann keine Rede sein. Der Haftrichter hat sich an die gesetzlich vorgeschriebene Prüfungspflicht (vgl. Art. 13c Abs. 2 und Abs. 3 ANAG) gehalten, in deren Rahmen er sich auch zur Hafterstehungsfähigkeit des Beschwerdeführers zu äussern hatte. Dass er dabei nicht nur die ärztlichen Berichte berücksichtigte, sondern den persönlichen Eindruck, den er vom Beschwerdeführer an der mündlichen Verhandlung erhielt, in seine Beurteilung mit einbezog, ist nicht zu beanstanden (vgl. Andreas Zünd, Zwangsmassnahmen im Ausländerrecht: Verfahrensfragen und Rechtsschutz, in: AJP 7/1995 S. 854 ff., 857, 862;). Im Übrigen hat der Haftrichter, wie im ärztlichen Zeugnis vom 16. Juli 2004 empfohlen, das Amt für Migration des Kantons Luzern angehalten, zu veranlassen, dass der Beschwerdeführer durch den Gefängnispsychiater im Ausschaffungsgefängnis in Y.________ auf seine Hafterstehungsfähigkeit untersucht und dass die notwendige ärztliche Betreuung weiterhin gewährleistet werde. Es sei an dieser Stelle beigefügt, dass sich aus dem einverlangten, inzwischen erstatteten Arztbericht vom 22. Juli 2004 nichts ergibt, was auf fehlende Hafterstehungsfähigkeit des Beschwerdeführers schliessen liesse.
1.4 Der angefochtene Entscheid, auf dessen zutreffende und sorgfältige Begründung für alles Weitere verwiesen wird (vgl. Art. 36a Abs. 3 OG), verletzt kein Bundesrecht. Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde erweist sich als offensichtlich unbegründet und ist abzuweisen.
2.
Der Beschwerdeführer beantragt, ihm die Verfahrenskosten zu erlassen. Dem Gesuch kann schon deshalb nicht entsprochen werden, weil die Rechtsbegehren aussichtslos waren (vgl. Art. 152 Abs. 1 OG). Indessen sieht das Bundesgericht in Fällen der vorliegenden Art davon ab, eine Gerichtsgebühr zu erheben (vgl. Art. 154 und Art. 153a Abs. 1 OG), womit das Gesuch des Beschwerdeführers gegenstandslos wird. Da dieser im Verfahren vor Bundesgericht unterliegt, hat er keinen Anspruch auf Parteientschädigung (Art. 159 OG).
Das Amt für Migration des Kantons Luzern wird ersucht, dafür zu sorgen, dass dieses Urteil dem Beschwerdeführer korrekt eröffnet und nötigenfalls verständlich gemacht wird.
Demnach erkennt das Bundesgericht
im Verfahren nach Art. 36a OG:
1.
Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist.
2.
Es werden keine Kosten erhoben.
3.
Das Gesuch um Befreiung von der Bezahlung der Gerichtskosten wird als gegenstandslos erklärt.
4.
Dieses Urteil wird dem Beschwerdeführer, dem Amt für Migration und dem Verwaltungsgericht des Kanton Luzern sowie dem Bundesamt für Flüchtlinge schriftlich mitgeteilt.
Lausanne, 16. September 2004
Im Namen der II. öffentlichrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts
Der Präsident: Der Gerichtsschreiber: