BGer 2A.515/2004
 
BGer 2A.515/2004 vom 17.01.2005
Tribunale federale
{T 0/2}
2A.515/2004/kil
Urteil vom 17. Januar 2005
II. Öffentlichrechtliche Abteilung
Besetzung
Bundesrichter Merkli, Präsident,
Bundesrichter Hungerbühler, Müller,
Gerichtsschreiber Hatzinger.
Parteien
X.________,
Beschwerdeführer, vertreten durch Rechtsanwalt
lic. iur. Werner Greiner,
gegen
Regierungsrat des Kantons Zürich,
Kaspar Escher-Haus, 8090 Zürich,
Verwaltungsgericht des Kantons Zürich,
4. Abteilung, 4. Kammer, Postfach 1226, 8021 Zürich.
Gegenstand
Niederlassungsbewilligung (Familiennachzug),
Verwaltungsgerichtsbeschwerde gegen den Entscheid des Verwaltungsgerichts des Kantons Zürich,
4. Abteilung, 4. Kammer, vom 7. Juli 2004.
Das Bundesgericht stellt fest und zieht in Erwägung:
1.
X.________ (geb. 1966) stammt aus der Türkei und wurde am 5. Juni 2002 in Zürich erleichtert eingebürgert. Am 4. Dezember 2002 ersuchte er die Direktion für Soziales und Sicherheit des Kantons Zürich (Migrationsamt) darum, seinen Sohn Y.________ (geb. ... 1988) nachziehen zu können. Das Migrationsamt wies das Gesuch am 28. Februar 2003 ab. Ein Rekurs an den Regierungsrat des Kantons Zürich blieb erfolglos. Am 7. Juli 2004 (versandt: 20. Juli 2004) wies das Verwaltungsgericht des Kantons Zürich die bei ihm eingereichte Beschwerde seinerseits ab.
Mit Verwaltungsgerichtsbeschwerde vom 14. September 2004 beantragt X.________ vor Bundesgericht, der Entscheid des Verwaltungsgerichts sei aufzuheben und das Migrationsamt anzuweisen, seinem Sohn Y.________ die Einreise in den Kanton Zürich zu bewilligen und ihm eine Niederlassungsbewilligung zu erteilen. Die kantonalen Rechtsmittelinstanzen und das Bundesamt für Zuwanderung, Integration und Auswanderung (heute: Bundesamt für Migration) beantragen, die Beschwerde abzuweisen (soweit darauf einzutreten sei).
2.
Die Eingabe erweist sich als offensichtlich unbegründet und kann im vereinfachten Verfahren nach Art. 36a OG erledigt werden:
2.1 Ausländische ledige Kinder unter 18 Jahren von Schweizern haben in analoger Anwendung von Art. 17 Abs. 2 Satz 3 ANAG einen Anspruch auf Niederlassungsbewilligung (BGE 130 II 137 E. 2.1, mit Hinweisen). Ist die Beziehung zwischen Eltern und Kindern intakt und wird sie - wie hier - tatsächlich minimal gelebt, können diese sich für ihr Anwesenheitsrecht auch auf Art. 8 EMRK bzw. Art. 13 BV berufen (BGE 129 II 249 E. 1.2 S. 252, mit Hinweisen). Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde ist somit zulässig (vgl. Art. 100 Abs. 1 lit. b Ziff. 3 OG).
2.2 Nach ständiger Praxis setzt das Nachzugsrecht gemäss Art. 17 Abs. 2 ANAG bzw. Art. 8 EMRK und Art. 13 BV bei geschiedenen Eltern voraus, dass das Kind zu dem Elternteil, der in der Schweiz lebt, die vorrangige familiäre Beziehung unterhält. Abgesehen vom nachträglichen Nachzug gemeinsamer Kinder von zusammen lebenden Eltern (BGE 129 II 11 E. 3.1 S. 14, mit Hinweis) widerspricht eine jahrelange Trennung, die erst kurz vor dem Erreichen des 18. Altersjahres behoben werden soll, dem Gesetzeszweck. Eine Ausnahme kann grundsätzlich nur gelten, wenn die Familiengemeinschaft in der Schweiz aus guten Gründen, insbesondere wegen einer Änderung der Betreuungsverhältnisse, erst nach Jahren hergestellt wird (BGE 130 II 137 E. 2.2 S. 142; 129 II 249 E. 2.1 S. 252 f., je mit Hinweisen).
Mit anderen Worten ist die Verweigerung einer Bewilligung im Rahmen von Art. 17 Abs. 2 ANAG zulässig, wenn die Betroffenen die Familientrennung ursprünglich selbst freiwillig herbeigeführt haben, für die Änderung der bisherigen Betreuungsverhältnisse keine überwiegenden familiären Interessen sprechen, ein Wechsel sich nicht als zwingend notwendig erweist und die Fortführung und die Pflege der familiären Beziehungen im bisherigen Rahmen behördlich nicht vereitelt werden (BGE 129 II 249 E. 2.1 S. 253, mit Hinweisen).
Art. 13 BV bzw. Art. 8 EMRK räumen demjenigen Elternteil grundsätzlich kein Nachzugsrecht ein, der freiwillig ins Ausland gezogen ist und ein weniger enges Verhältnis zum Kind hat als der Elternteil oder die Verwandten, die für dieses sorgen, und der seine bisherige Beziehung zum Kind weiterhin pflegen kann. Ein Nachzugsrecht bedingt vielmehr, dass das Kind zum hier lebenden Elternteil die vorrangige familiäre Beziehung unterhält und sich der Nachzug als notwendig erweist (BGE 129 II 249 E. 2.4 S. 256; 125 II 633 E. 3a S. 640).
2.3 Der Beschwerdeführer ist noch vor Geburt seines Sohnes (... 1988) am 6. Juni 1988 in die Schweiz eingereist; er hat zu keinem Zeitpunkt mit ihm zusammengelebt und ihn im Alter von sechs Jahren erstmals gesehen. Die Mutter, von welcher sich der Beschwerdeführer 1992 scheiden liess, und die Grosseltern väterlicherseits haben den Sohn in der Türkei aufgezogen. Damit besteht keine vorrangige Beziehung zu dem in der Schweiz wohnhaften Beschwerdeführer, der sich hier ein eigenes Leben aufgebaut hat und nach der Scheidung nacheinander zwei neue Ehen eingegangen ist, ohne offenbar je den Nachzug des Sohnes erwogen zu haben. Dass ein türkisches Amtsgericht ihm das Sorgerecht übertragen hat, stellt zwar im Hinblick auf den geplanten Familiennachzug grundsätzlich einen sinnvollen Schritt dar, kann aber die Schweizer Behörden nicht dazu verpflichten, den Nachzug ohne weiteres zu gewähren (vgl. BGE 124 II 361 E. 3a S. 366; Urteil 2A.414/2001 vom 5. Februar 2002, E. 4c).
2.3.1 Der Beschwerdeführer legt keine stichhaltigen Gründe dar, die es gebieten würden, die Betreuungsverhältnisse zu verändern; solche Gründe sind praxisgemäss auch nicht leichthin anzunehmen. An den Nachweis der fehlenden Betreuungsmöglichkeit in der Heimat sind umso höhere Anforderungen zu stellen, je älter das Kind ist bzw. je grösser sich die ihm in der Schweiz drohenden Integrationsschwierigkeiten erweisen (BGE 129 II 11 E. 3.3.2 S. 16, mit Hinweisen). Die nicht weiter belegten Einwände, die Grosseltern könnten wegen persönlicher Schwierigkeiten den Sohn des Beschwerdeführers nicht mehr betreuen, genügen hierfür nicht. Dabei handelt es sich um Probleme, die der emigrierende Elternteil, der sein Kind - trotz der voraussehbaren zeitlichen Schranken der Lösung - während Jahren der Obhut der Grosseltern bzw. des andern Elternteils anvertraut, letztlich von Anfang an in Kauf nimmt (BGE 129 II 11 E. 3.4 S. 17). Der Sohn ist ausschliesslich im heimatlichen Umfeld verankert und hat dort seine vorrangigen Beziehungen. Ein Nachzug in die Schweiz wäre für ihn mit einer weitgehenden Entwurzelung sprachlicher und kultureller Natur verbunden, was für einen Verbleib im Heimatland spricht.
2.3.2 Dass der Sohn des Beschwerdeführers für seine weitere Ausbildung alleine in eine Grossstadt in der Türkei umziehen müsste und deshalb hier "nach einer Sprachschule die Ausbildung im Rahmen des Familienverbandes weiterführen" solle, rechtfertigt (für sich allein) einen Familiennachzug nicht. Die Schweiz betreibt in Bezug auf die Niederlassung und den Aufenthalt von Ausländern in konventionsrechtlich zulässiger Weise eine restriktive Politik (vgl. BGE 130 II 281 E. 3.1 S. 285; 126 II 335 E. 3a S. 342). Es ist aus integrationspolitischer Sicht im Übrigen nicht erwünscht, dass Jugendliche im Wesentlichen allein im Hinblick auf eine künftige selbständige Anwesenheit als Erwachsene und auf die Erwerbsaufnahme hin, das heisst, um ihnen bessere Zukunftsaussichten zu verschaffen, kurz vor Erreichen der Altersgrenze in die Schweiz geholt werden. Dabei darf für die materielle Beurteilung mitberücksichtigt werden, dass das nachzuziehende Kind im Zeitpunkt des Urteils des Verwaltungsgerichts knapp 16 Jahre alt gewesen ist (vgl. BGE 129 II 11 E. 3.3.2 S. 16; 126 II 329 E. 3b S. 333; 124 II 361 E. 4b S. 370).
3.
3.1 Der angefochtene Entscheid verletzt kein Bundesrecht. Für alles Weitere kann auf die zutreffenden Ausführungen im Urteil des Verwaltungsgerichts und im detaillierten Beschluss des Regierungsrats verwiesen werden (Art. 36a Abs. 3 OG).
3.2 Der unterliegende Beschwerdeführer hat die Kosten des bundesgerichtlichen Verfahrens zu tragen (Art. 156 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 153 und 153a OG). Parteientschädigungen sind nicht geschuldet (Art. 159 Abs. 2 OG).
Demnach erkennt das Bundesgericht
im Verfahren nach Art. 36a OG:
1.
Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird abgewiesen.
2.
Die Gerichtsgebühr von Fr. 2'000.-- wird dem Beschwerdeführer auferlegt.
3.
Dieses Urteil wird dem Beschwerdeführer, dem Regierungsrat und dem Verwaltungsgericht, 4. Abteilung, 4. Kammer, des Kantons Zürich sowie dem Bundesamt für Migration schriftlich mitgeteilt.
Lausanne, 17. Januar 2005
Im Namen der II. öffentlichrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts
Der Präsident: Der Gerichtsschreiber: