BGer 6S.386/2004
 
BGer 6S.386/2004 vom 27.01.2005
Tribunale federale
{T 0/2}
6S.386/2004 /pai
Urteil vom 27. Januar 2005
Kassationshof
Besetzung
Bundesrichter Schneider, Präsident,
Bundesrichter Wiprächtiger, Kolly,
Gerichtsschreiber Näf.
Parteien
X.________,
Beschwerdeführer, vertreten durch Rechtsanwalt Hans Peter Wahl,
gegen
Staatsanwaltschaft des Kantons Zürich, Postfach, 8023 Zürich.
Gegenstand
Widerhandlungen gegen das Betäubungsmittelgesetz (Anstalten-Treffen, Art. 19 Ziff. 1 Abs. 6 BetmG),
Nichtigkeitsbeschwerde gegen das Urteil des Obergerichts des Kantons Zürich, II. Strafkammer, vom 25. August 2004.
Sachverhalt:
A.
X.________ und Y.________ übergaben Anfang September 2002 in Zürich einen Bargeldbetrag von Fr. 11'000.-- an zwei Personen. Diese sollten 100 kg einer zur Streckung von Betäubungsmitteln geeigneten Substanz (bestehend aus einem Gemisch von Paracetamol und Coffein) bei einer bestimmten Person in Rotterdam abholen und bezahlen, das Streckmittel in die Schweiz transportieren und es ihnen hier übergeben. X.________ und Y.________ hatten die Absicht, das Streckmittel im Raum Zürich portionenweise an Betäubungsmittelhändler zu verkaufen. Dazu kam es aber nicht. Die Transporteure wurden noch vor ihrer Abreise nach Rotterdam in der Schweiz verhaftet, und das Bargeld wurde beschlagnahmt.
Ende November 2002 erwarben X.________ und Y.________ zusammen mit einer weiteren Person in Holland 57 kg einer zur Streckung von Betäubungsmitteln geeigneten Substanz (bestehend aus einem Gemisch von Paracetamol und Coffein). Sie transportierten das Streckmittel in die Schweiz und versteckten es auf dem Dachboden des Hauses, in dem sie wohnten. Sie hatten die Absicht, das Streckmittel im Raum Zürich an Betäubungsmittelhändler zu verkaufen. Dazu kam es aber nicht. Das Streckmittel wurde von der Polizei sichergestellt.
B.
Das Obergericht des Kantons Zürich, II. Strafkammer, sprach X.________ am 25. August 2004 der mehrfachen qualifizierten Widerhandlung gegen das Betäubungsmittelgesetz im Sinne von Art. 19 Ziff. 1 Abs. 6 i.V.m. Art. 19 Ziff. 1 Abs. 2 und Art. 19 Ziff. 2 lit. a BetmG (Anstalten-Treffen zur Verarbeitung einer grossen Menge von Betäubungsmitteln) schuldig. Es verurteilte ihn zu drei Jahren Gefängnis unter Anrechnung von 486 Tagen erstandener Untersuchungs- und Sicherheitshaft beziehungsweise vorzeitigem Strafvollzug, als Zusatzstrafe zum Strafbefehl der Bezirksanwaltschaft II für den Kanton Zürich vom 9. Dezember 2002, und verwies ihn für die Dauer von acht Jahren des Landes.
C.
X.________ führt eidgenössische Nichtigkeitsbeschwerde mit dem Antrag, das Urteil des Obergerichts aufzuheben. Er ersucht um Gewährung der unentgeltlichen Rechtspflege.
D.
Das Obergericht hat auf eine Stellungnahme zur Beschwerde verzichtet.
Die Staatsanwaltschaft hat sich nicht vernehmen lassen.
Das Bundesgericht zieht in Erwägung:
1.
1.1 Nach der Auffassung der Vorinstanz erfüllte der Beschwerdeführer dadurch, dass er Streckmittel in Kenntnis ihres Verwendungszwecks erwerben wollte beziehungsweise erwarb und lagerte, um sie Gewinn bringend an interessierte Betäubungsmittelhändler zu verkaufen, den Tatbestand des Anstalten-Treffens im Sinne von Art. 19 Ziff. 1 Abs. 6 BetmG zur Verarbeitung von Betäubungsmitteln gemäss Art. 19 Ziff. 1 Abs. 2 BetmG. Wohl sei auch bei Widerhandlungen gegen das Betäubungsmittelgesetz trotz der Vielzahl der in Art. 19 Ziff. 1 BetmG aufgelisteten Tatbestandsvarianten blosse Gehilfenschaft möglich. Diese falle aber gemäss BGE 115 IV 59 nur bei untergeordneten Tatbeiträgen in Betracht. Der Streckmittelhandel sei indessen keineswegs ein Tatbeitrag untergeordneter Art, liege doch seine Funktion darin, die Verkäuflichkeit des Betäubungsmittelprodukts erst zu ermöglichen, da Betäubungsmittelprodukte nie in reiner Form in Verkehr gebracht würden. Durch Art. 19 Ziff. 1 Abs. 6 BetmG würden Vorbereitungshandlungen, welche bei den meisten Delikten straflos seien, als selbständige Straftaten ausgestaltet, wozu die Schweiz auch auf Grund von Staatsverträgen verpflichtet sei. Am Drogenhandel, der durch eine eigentliche Arbeitsteilung gekennzeichnet sei, seien viele Personen auf verschiedenen Stufen in unterschiedlichen Funktionen beteiligt. Art. 19 Ziff. 1 BetmG erfasse daher in verschiedenen Tatbestandsvarianten Verhaltensweisen, die bei anderen Delikten höchstens als Gehilfenschaft zu qualifizieren wären, als selbständige Straftaten. Wie sich unter anderem aus Art. 19 Ziff. 1 Abs. 7 BetmG betreffend die Finanzierung und die Vermittlung der Finanzierung des Betäubungsmittelhandels ergebe, sei es nicht erforderlich, dass der Täter überhaupt mit Betäubungsmitteln in Kontakt komme. Beim Streckmittelhandel könne es nicht darauf ankommen, ob der Streckmittelhändler selbst oder aber eine Drittperson die Vermischung mit Betäubungsmitteln vornehme. Aus BGE 112 IV 106 folge, dass im Sinne von Art. 19 Ziff. 1 Abs. 6 BetmG Anstalten zu Widerhandlungen gemäss Art. 19 Ziff. 1 Abs. 1 - 5 BetmG auch treffen könne, wer nicht die Absicht habe, selber eine Widerhandlung im Sinne von Art. 19 Ziff. 1 Abs. 1 - 5 BetmG auszuführen. Zur Erfüllung des Tatbestands des Anstalten-Treffens genüge die Absicht des Streckmittelhändlers, dass die Substanzen zum Strecken von Betäubungsmitteln - durch wen auch immer - dienen sollen. Diese Voraussetzung sei vorliegend gegeben. Der Beschwerdeführer habe daher den Tatbestand von Art. 19 Ziff. 1 Abs. 6 BetmG erfüllt (angefochtenes Urteil S. 8 - 11).
Die II. Strafkammer des Obergerichts des Kantons Zürich ist mit dem vorliegend angefochtenen Entscheid vom 25. August 2004 ausdrücklich von einem Urteil der I. Strafkammer des Obergerichts des Kantons Zürich vom 18. Februar 2004 abgewichen, durch welches ein Beschuldigter, der Streckmittel erworben, gelagert und an Dritte weitergegeben hatte, vom Vorwurf des Anstalten-Treffens im Sinne von Art. 19 Ziff. 1 Abs. 6 BetmG freigesprochen worden war (siehe angefochtenes Urteil S. 8). Der Kassationshof des Bundesgerichts hat die gegen den Entscheid der I. Strafkammer erhobene eidgenössische Nichtigkeitsbeschwerde der Staatsanwaltschaft am 27. September 2004 abgewiesen (BGE 130 IV 131).
1.2 Der Beschwerdeführer macht unter Berufung auf diesen Bundesgerichtsentscheid geltend, seine Verurteilung wegen Anstalten-Treffens im Sinne von Art. 19 Ziff. 1 Abs. 6 BetmG verstosse in Anbetracht des festgestellten und eingeklagten Sachverhalts gegen Bundesrecht.
Die Rüge ist begründet. An der in BGE 130 IV 131 vertretenen Auffassung ist festzuhalten.
2.
2.1 Im Sinne von Art. 19 Ziff. 1 Abs. 6 BetmG Anstalten treffen kann nur, wer nach seinem Plan eine Straftat gemäss Art. 19 Ziff. 1 Abs. 1 - 5 BetmG selber als Täter oder gemeinsam mit anderen Personen als Mittäter verüben will. Wer diesen Plan nicht hat, trifft keine Anstalten zu einer Tat, da er diese weder versucht noch vorbereitet. Er ist allenfalls Gehilfe des andern, zu dessen Tat er durch sein Verhalten beiträgt. Dieses Verständnis der Vorbereitungshandlung liegt auch Art. 260bis StGB ("Strafbare Vorbereitungshandlungen") zu Grunde, wonach bestraft wird, wer bestimmte Vorkehrungen trifft, deren Art und Umfang zeigen, dass er sich anschickt, eine der genannten strafbaren Handlungen auszuführen (siehe zum Ganzen BGE 130 IV 131 E. 2.2). Wer gleichsam die Tat eines andern vorbereitet, trifft nicht Anstalten zu einer Tat, sondern leistet Vorbereitungshilfe. Diese kann allenfalls als Gehilfenschaft zur Tat des andern strafrechtlich verfolgt werden. Dies setzt aber eine zumindest versuchte Haupttat des andern voraus. Die versuchte Gehilfenschaft ist als solche nicht strafbar (vgl. zitierten BGE, E. 2.4 und 2.5).
Wohl werden durch Art. 19 Ziff. 1 BetmG eine Vielzahl von Verhaltensweisen im Rahmen des arbeitsteiligen Betäubungsmittelhandels als selbständige Straftaten erfasst, insbesondere auch Verhaltensweisen, welche in anderen Bereichen allenfalls höchstens als Teilnahme, insbesondere als Gehilfenschaft, zu einer Straftat verfolgt werden können (siehe BGE 118 IV 397). Daraus folgt aber nicht, dass jedes Verhalten, dem im arbeitsteiligen Betäubungsmittelhandel eine gewisse Bedeutung zukommt, als selbständiges Betäubungsmitteldelikt strafbar sei. Massgebend ist allein, ob durch das Verhalten ein gesetzlicher Straftatbestand erfüllt wird. Das Betäubungsmittelgesetz enthält keinen - beispielsweise Art. 260quater StGB betreffend Gefährdung der öffentlichen Sicherheit mit Waffen (siehe dazu BGE 130 IV 20) entsprechenden - Straftatbestand, wonach etwa bestraft wird, wer Substanzen verkauft, abgibt oder vermittelt, die, wie er weiss oder annehmen muss, zur Streckung von Betäubungsmitteln dienen sollen. Vorbehalten bleibt im Übrigen eine Verurteilung des Streckmittelhändlers wegen Beteiligung oder Unterstützung einer kriminellen Organisation im Sinne von Art. 260ter StGB unter den in dieser Bestimmung genannten Voraussetzungen.
2.2 Der Beschwerdeführer hat Streckmittel in Kenntnis ihres Verwendungszwecks im einen Fall sich beschaffen wollen und im anderen Fall erworben und gelagert in der Absicht, sie Gewinn bringend zu veräussern. Darin erschöpft sich das inkriminierte Verhalten. Dem Beschwerdeführer wird nicht vorgeworfen, er habe die Handlungen in der Absicht vorgenommen, die Substanzen allein als Täter oder gemeinsam mit anderen Personen als Mittäter zum Strecken und damit zum Verarbeiten von Betäubungsmitteln zu verwenden. Die Verurteilung des Beschwerdeführers wegen Anstalten-Treffens zur Verarbeitung von Betäubungsmitteln (Art. 19 Ziff. 1 Abs. 6 i.V.m. Art. 19 Ziff. 1 Abs. 2 BetmG) in einem schweren Fall (Art. 19 Ziff. 2 lit. a BetmG) verstösst daher gegen Bundesrecht.
2.3 Der Beschwerdeführer nahm allerdings in Kauf, dass die potentiellen Erwerber beziehungsweise allenfalls deren Abnehmer die Substanzen zur Streckung von Betäubungsmitteln verwenden könnten. Eine Verurteilung des Beschwerdeführers wegen Gehilfenschaft (Art. 25 StGB) zum Verarbeiten von Betäubungsmitteln (siehe dazu BGE 130 IV 131 E. 2.4) beziehungsweise zum Anstalten-Treffen zum Verarbeiten von Betäubungsmitteln (vgl. zitierten BGE, E. 2.5) fällt jedoch schon deshalb ausser Betracht, weil es an entsprechenden - zumindest versuchten - Haupttaten fehlt. Die dem Beschwerdeführer allenfalls vorzuwerfende versuchte Gehilfenschaft ist nicht strafbar.
3.
Die eidgenössische Nichtigkeitsbeschwerde ist somit gutzuheissen, das Urteil des Obergerichts des Kantons Zürich, II. Strafkammer, vom 25. August 2004 aufzuheben und die Sache zur neuen Entscheidung an die Vorinstanz zurückzuweisen. Bei diesem Ausgang des Verfahrens werden keine Kosten erhoben und ist dem Vertreter des Beschwerdeführers eine Entschädigung aus der Bundesgerichtskasse auszurichten. Damit wird das Gesuch um Gewährung der unentgeltlichen Rechtspflege gegenstandslos.
Demnach erkennt das Bundesgericht:
1.
Die eidgenössische Nichtigkeitsbeschwerde wird gutgeheissen, das Urteil des Obergerichts des Kantons Zürich, II. Strafkammer, vom 25. August 2004 aufgehoben und die Sache zur neuen Entscheidung an die Vorinstanz zurückgewiesen.
2.
Das Gesuch um Gewährung der unentgeltlichen Rechtspflege wird als gegenstandslos geworden abgeschrieben.
3.
Es werden keine Kosten erhoben.
4.
Dem Vertreter des Beschwerdeführers, Rechtsanwalt Hans Peter Wahl, wird für das bundesgerichtliche Verfahren eine Entschädigung von Fr. 3'000.-- aus der Bundesgerichtskasse ausgerichtet.
5.
Dieses Urteil wird dem Beschwerdeführer, der Staatsanwaltschaft des Kantons Zürich und dem Obergericht des Kantons Zürich, II. Strafkammer, schriftlich mitgeteilt.
Lausanne, 27. Januar 2005
Im Namen des Kassationshofes
des Schweizerischen Bundesgerichts
Der Präsident: Der Gerichtsschreiber: