BGer 2A.727/2004 |
BGer 2A.727/2004 vom 08.03.2005 |
Tribunale federale
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{T 0/2}
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2A.727/2004/sza
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Urteil vom 8. März 2005
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II. Öffentlichrechtliche Abteilung
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Besetzung
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Bundesrichter Merkli, Präsident,
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Bundesrichter Hungerbühler, Müller,
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Gerichtsschreiber Hatzinger.
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Parteien
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A.________,
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Beschwerdeführer,
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vertreten durch Rechtsanwalt Christian Geosits,
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gegen
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Departement für Justiz und Sicherheit des Kantons Thurgau, Regierungsgebäude, 8510 Frauenfeld,
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Verwaltungsgericht des Kantons Thurgau, Frauenfelderstrasse 16, 8570 Weinfelden.
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Gegenstand
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Familiennachzug,
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Verwaltungsgerichtsbeschwerde gegen den Entscheid des Verwaltungsgerichts des Kantons Thurgau vom
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8. September 2004.
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Sachverhalt:
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A.
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A.________ (geb. 1969) ist türkischer Staatsangehöriger. Er liess sich am 9. August 2002 in der Türkei von seiner türkischen Ehefrau scheiden; das Sorgerecht für das gemeinsame Kind wurde dem Vater übertragen, auf gegenseitigen Unterhalt verzichtet.
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Am 24. August 2002 reiste A.________ mit einem Visum für einen Aufenthalt von 30 Tagen in die Schweiz ein. Etwa eine Woche später lernte er in Zürich die Schweizer Bürgerin B.________ (geb. 1953) kennen. Am 10. Dezember 2002 heirateten die beiden. In der Folge ersuchte er am 3. Januar 2003 um eine Aufenthaltsbewilligung zum Verbleib bei seiner Ehefrau; gleichentags stellte diese ein Gesuch um Nachzug ihres Ehemannes. Nach verschiedenen Abklärungen, unter anderem einer getrennten Befragung der Eheleute A.________-B.________, lehnte das Ausländeramt des Kantons Thurgau mit Verfügung vom 12. August 2003 das Gesuch um Aufenthaltsbewilligung ab, da eine Gefälligkeitsehe vorliege. Den hiergegen eingereichten Rekurs wies das Departement für Justiz und Sicherheit des Kantons Thurgau am 8. März 2004 ab.
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B.
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Das Verwaltungsgericht des Kantons Thurgau wies am 8. September 2004 (versandt: 10. November 2004) die Beschwerde, die A.________ gegen den Rekursentscheid geführt hatte, ebenfalls ab. Es schloss wegen des zeitlichen Ablaufs der Ereignisse, des Altersunterschieds und der drohenden Wegweisung sowie weiterer Umstände auf eine Scheinehe.
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C.
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Gegen dieses Urteil hat A.________ am 13. Dezember 2004 beim Bundesgericht Verwaltungsgerichtsbeschwerde eingereicht. Er beantragt, den angefochtenen Entscheid aufzuheben und ihm eine Aufenthaltsbewilligung zu erteilen.
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Der Abteilungspräsident hat der Beschwerde am 13. Januar 2005 antragsgemäss aufschiebende Wirkung zuerkannt.
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Das Verwaltungsgericht, das Departement für Justiz und Sicherheit und das Bundesamt für Migration beantragen, die Beschwerde abzuweisen. Die Vorinstanz reichte am 28. Januar 2005 weitere Unterlagen ein. Am 24. Februar 2005 verlangte der Beschwerdeführer teilweise Einsicht in die Akten.
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Das Bundesgericht zieht in Erwägung:
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1.
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1.1 Auf dem Gebiet der Fremdenpolizei ist die Verwaltungsgerichtsbeschwerde unzulässig gegen die Erteilung oder Verweigerung von Bewilligungen, auf die das Bundesrecht keinen Anspruch einräumt (Art. 100 Abs. 1 lit. b Ziff. 3 OG). Die zuständige Behörde entscheidet, im Rahmen der gesetzlichen Vorschriften und der Verträge mit dem Ausland, nach freiem Ermessen über die Bewilligung von Aufenthalt und Niederlassung (Art. 4 des Bundesgesetzes vom 26. März 1931 über Aufenthalt und Niederlassung der Ausländer [ANAG; SR 142.20]). Damit besteht grundsätzlich kein Anspruch auf Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung, ausser wenn sich der Ausländer auf eine Sondernorm des Bundesrechts oder eines Staatsvertrags berufen kann (BGE 128 II 145 E. 1.1.1 S. 148 mit Hinweisen).
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Der ausländische Ehegatte eines Schweizer Bürgers hat Anspruch auf Erteilung und Verlängerung der Aufenthaltsbewilligung (Art. 7 Abs. 1 Satz 1 ANAG). Für die Eintretensfrage ist lediglich entscheidend, dass formell eine Ehe besteht. Die Frage, ob die weiteren Voraussetzungen des Anspruchs erfüllt sind oder ob wegen einer Scheinehe eine Ausnahme vorliegt, ist materieller Natur (BGE 126 II 265 E. 1b S. 266 mit Hinweisen). Der Beschwerdeführer ist mit einer Schweizerin verheiratet. Auf die Beschwerde ist somit einzutreten.
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1.2 Mit der Verwaltungsgerichtsbeschwerde kann vorliegend die Verletzung von Bundesrecht, einschliesslich einer Überschreitung oder eines Missbrauchs des Ermessens, sowie die unrichtige oder unvollständige Feststellung des rechtserheblichen Sachverhalts (Art. 104 lit. a und b OG), nicht aber die Unangemessenheit des angefochtenen Entscheids (vgl. Art. 104 lit. c OG) gerügt werden. Hat - wie hier - eine richterliche Behörde als Vorinstanz entschieden, ist das Bundesgericht an deren Sachverhaltsfeststellung gebunden, sofern diese nicht offensichtlich unrichtig, unvollständig oder unter Verletzung wesentlicher Verfahrensbestimmungen erfolgt ist (Art. 105 Abs. 2 OG). Damit wird die Möglichkeit, vor Bundesgericht neue Tatsachen und Beweismittel einzureichen, weitgehend eingeschränkt. Es sind praxisgemäss nur solche neuen Tatsachen und Beweismittel zulässig, welche die Vorinstanz von Amtes wegen hätte berücksichtigen müssen und deren Nichtbeachtung eine Verletzung wesentlicher Verfahrensvorschriften darstellt (BGE 128 II 145 E. 1.2.1 S. 150; 125 II 217 E. 3a S. 221).
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Das Verwaltungsgericht reichte mit der Vernehmlassung zwei Befragungsprotokolle vom 4. November und 6. Dezember 2004 bzw. ein Schreiben vom 2. August 2004 sowie am 28. Januar 2005 nochmals ein Schreiben vom 24. Januar 2005 ein. Diese Unterlagen beziehen sich auch auf die angebliche Scheinehe der Eheleute A.________-B.________; sie bildeten indessen nicht Bestandteil der kantonalen Akten und sind daher im vorliegenden Verfahren nicht zu berücksichtigen. Insofern kann darauf verzichtet werden, dem Beschwerdeführer die beantragte Einsicht in diese Akten zu gewähren, ohne den Anspruch auf das rechtliche Gehör zu verletzen. Der Beschwerdeführer hat sich diesbezüglich an die kantonale Behörde zu wenden. Im Übrigen besteht kein Anlass für einen zweiten Schriftenwechsel, der im Verfahren der Verwaltungsgerichtsbeschwerde nur ausnahmsweise stattfindet (Art. 110 Abs. 4 OG).
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2.
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2.1 Nach Art. 7 Abs. 2 ANAG hat der ausländische Ehegatte eines Schweizer Bürgers keinen Anspruch auf Erteilung der Aufenthaltsbewilligung, die ihm nach Art. 7 Abs. 1 ANAG grundsätzlich zusteht, wenn die Ehe eingegangen wurde, um die Vorschriften über Aufenthalt und Niederlassung von Ausländern zu umgehen. Davon wird die sogenannte Scheinehe bzw. Ausländerrechtsehe erfasst, bei der die Ehegatten von vornherein keine echte eheliche Gemeinschaft beabsichtigen (vgl. BGE 128 II 145 E. 2.1 S. 151 mit Hinweis).
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2.2 Dass Ehegatten mit der Heirat nicht eine eheliche Lebensgemeinschaft begründen, sondern die Bestimmungen über Aufenthalt und Niederlassung von Ausländern umgehen wollen, entzieht sich in der Regel dem direkten Beweis und kann insofern nur durch Indizien nachgewiesen werden. Ein mögliches Indiz ist die drohende Wegweisung des Ausländers, weil dieser ohne Heirat keine Aufenthaltsbewilligung erhalten hätte oder sie ihm nicht verlängert worden wäre. Für eine Scheinehe können auch die Umstände und die kurze Dauer der Bekanntschaft sowie der Altersunterschied sprechen. Dass eine wirkliche Lebensgemeinschaft gewollt war, ist umgekehrt nicht schon aus dem Zusammenleben der Ehegatten für eine gewisse Zeit und intimen Beziehungen abzuleiten, ein solches Verhalten kann auch nur vorgespielt sein, um die Behörden zu täuschen (BGE 122 II 289 E. 2b S. 295 mit Hinweisen; Urteile 2A.161/2004 vom 19. Juli 2004, E. 2.2; 2A.88/2004 vom 11. Juni 2004, E. 2.1). Für die Anwendbarkeit von Art. 7 Abs. 2 ANAG genügt es freilich nicht, dass die Ehe geschlossen wurde, um dem ausländischen Ehegatten den Aufenthalt in der Schweiz zu ermöglichen; vielmehr ist erforderlich, dass die eheliche Gemeinschaft nicht wirklich gewollt war; mit anderen Worten kommt es auf die Motive der Heirat nicht an, sofern der Wille für eine Lebensgemeinschaft vorhanden ist (BGE 121 II 97 E. 2b S. 102; Urteil 2A.123/2004 vom 19. Juli 2004, E. 2.2 mit Hinweisen).
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3.
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3.1 Das Verwaltungsgericht hat aufgrund der Sachverhaltsfeststellungen, die für das Bundesgericht verbindlich und grundsätzlich unbestritten sind, zu Recht eine Scheinehe bejaht; es konnte sich dafür auf mehrere Indizien stützen:
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3.1.1 Der Beschwerdeführer reiste drei Wochen nach der Scheidung von seiner türkischen Ehefrau mit einem für 30 Tage gültigen Visum in die Schweiz ein; eine Woche nach der Einreise lernte er seine heutige schweizerische Ehefrau in einem Restaurant am Zürcher Hauptbahnhof kennen und zweieinhalb Monate später beantragten die beiden beim Zivilstandsamt bereits die Eheschliessung, die dann auch einen Monat nach dem Antrag erfolgte. Eine solche kurze Bekanntschaftsdauer der Ehepartner stellt bereits ein starkes Indiz für eine Ausländerrechtsehe dar (Urteil 2A.123/2004 vom 19. Juli 2004, E. 3.1). Es ist nicht zu beanstanden, wenn das Verwaltungsgericht in dieser kurzen zeitlichen Abfolge der Geschehnisse und der drohenden Wegweisung des Beschwerdeführers nach Ablauf der Visumsfrist Indizien für eine Scheinehe gesehen hat.
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3.1.2 Ein weiteres Indiz ist der beträchtliche Altersunterschied zwischen den Ehegatten, ist der Beschwerdeführer doch 16 Jahre jünger als seine Ehefrau. Zwar mögen auch solche Ehen tatsächlich gelebt werden; sie bilden aber generell die Ausnahme. Deshalb stellt ein derartiger Altersunterschied - wenn auch nicht für sich allein, doch zusammen mit anderen Anzeichen - ein Indiz für eine Scheinehe dar (Urteil 2A.123/2004 vom 19. Juli 2004, E. 3.1 mit Hinweis). Solche weiteren Anzeichen sind das erste Treffen am Zürcher Hauptbahnhof, wo die Telefonnummern ausgetauscht wurden, obwohl der Beschwerdeführer kaum deutsch sprechen konnte und sein Schwager übersetzte; hinzu tritt der Entschluss zur Ehe nach lediglich zweieinhalb Monaten trotz anhaltender sprachlicher Verständigungsprobleme. Im Übrigen kann auch als Indiz gelten, dass der Beschwerdeführer an der Befragung keine genauen Angaben zum Restaurant, wo die Hochzeitsfeier stattfand, machen konnte, obgleich die Eheleute nach Aussagen der Ehefrau zu jenem Zeitpunkt in derselben Liegenschaft wohnten.
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3.2 Was der Beschwerdeführer dagegen vorbringt, überzeugt nicht:
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Das Verwaltungsgericht hat den Altersunterschied nicht übergewichtet, sondern ihn als ein Indiz von mehreren für eine Scheinehe betrachtet. Der Beschwerdeführer räumt selber ein, eine Zeitspanne von dreieinhalb Monaten sei nicht besonders lang, um den Entschluss zur Heirat zu fassen. Die Ehegatten hatten sich aber bereits zweieinhalb Monate nach der Bekanntschaft entschlossen zu heiraten, als sie Mitte November 2002 an das Zivilstandsamt gelangten. Entgegen dem Beschwerdeführer ist aufgrund der Indizien eine Ausländerrechtsehe anzunehmen: Dafür sprechen nicht nur der Altersunterschied, die Trauung nach kurzer Bekanntschaftszeit und die drohende Wegweisung; hinzu kommen auch die Umstände der Bekanntschaft, die gesamte zeitliche Abfolge der Ereignisse und trotz weitgehender Übereinstimmung in der Befragung gewisse Inkohärenzen: Die Ehegatten kennen Anzahl und Namen der Geschwister des andern nicht; sie wissen auch nicht, seit wann sie im gleichen Haushalt leben. Unabhängig von diesen Divergenzen hat das Verwaltungsgericht die Befragung indessen nicht als (allein) entscheidend angesehen. Dies gilt auch für die Angaben des Beschwerdeführers zum Rückflugschein, so dass sich insofern eine Rückweisung an die Vorinstanz zur weiteren Abklärung nicht rechtfertigt.
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3.3 Wenn das Verwaltungsgericht aus den genannten Indizien auf eine Scheinehe geschlossen hat, die dem Beschwerdeführer - übrigens nach einem bekannten Verhaltensmuster - ein Aufenthaltsrecht in der Schweiz verschaffen soll, ist nichts hiergegen einzuwenden; dabei kommt es nur auf die Sicht des Beschwerdeführers an; dass seine Schweizer Ehefrau allenfalls eine echte Lebensgemeinschaft beabsichtigt hat, steht Art. 7 Abs. 2 ANAG nicht entgegen (vgl. Urteile 2A.123/2004 vom 19. Juli 2004, E. 2.2 mit Hinweis; 2A.346/2004 vom 10. Dezember 2004, E. 3.3 mit Hinweisen).
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4.
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Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde ist somit unbegründet und deshalb abzuweisen. Bei diesem Verfahrensausgang sind die Kosten dem unterliegenden Beschwerdeführer aufzuerlegen (Art. 153, 153a, 156 Abs. 1 OG). Parteientschädigungen sind nicht geschuldet (Art. 159 OG).
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Demnach erkennt das Bundesgericht:
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1.
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Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird abgewiesen.
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2.
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Die Gerichtsgebühr von Fr. 1'500.-- wird dem Beschwerdeführer auferlegt.
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3.
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Dieses Urteil wird dem Beschwerdeführer, dem Departement für Justiz und Sicherheit und dem Verwaltungsgericht des Kantons Thurgau sowie dem Bundesamt für Migration schriftlich mitgeteilt.
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Lausanne, 8. März 2005
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Im Namen der II. öffentlichrechtlichen Abteilung
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des Schweizerischen Bundesgerichts
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Der Präsident: Der Gerichtsschreiber:
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