BGer 2A.688/2004
 
BGer 2A.688/2004 vom 27.04.2005
Tribunale federale
{T 0/2}
2A.688/2004 /zga
Urteil vom 27. April 2005
II. Öffentlichrechtliche Abteilung
Besetzung
Bundesrichter Merkli, Präsident,
Bundesrichter Betschart, Hungerbühler,
Gerichtsschreiber Klopfenstein.
Parteien
1. AX.________,
2. BX.________,
3. CX.________,
4. DX.________,
5. EX.________, alle ebenda,
Beschwerdeführer,
alle vertreten durch Rechtsanwalt Christoph Fuchs,
gegen
Regierungsrat des Kantons Schaffhausen, Beckenstube 7, Postfach, 8201 Schaffhausen,
Obergericht des Kantons Schaffhausen, Postfach 568, 8201 Schaffhausen.
Gegenstand
Nichtverlängerung der Aufenthaltsbewilligung,
Verwaltungsgerichtsbeschwerde gegen
den Entscheid des Obergerichts des Kantons Schaffhausen vom 22. Oktober 2004.
Sachverhalt:
A.
Der aus dem heutigen Mazedonien stammende AX.________ (geb. 1958) reiste erstmals 1982 in die Schweiz ein und arbeitete bis 1993 hier als Saisonnier. Ende 1993 erhielten er und seine Ehefrau BX.________ (geb. 1965), die ihm im Rahmen des Familiennachzugs gefolgt war, eine Aufenthaltsbewilligung. Das Ehepaar hat vier Kinder, die alle in der Schweiz geboren wurden: CX.________ (1995), DX.________ (1996), EX.________ (1998) und FX.________ (2000).
In den Jahren 1997 bis 2001 wurde AX.________ von den Strafbehörden des Kantons Schaffhausen wegen verschiedener Delikte (Erwerbstätigkeit ohne Bewilligung; Widerhandlungen gegen die AHV-Gesetzgebung, Ungehorsam im Betreibungsverfahren, Nichtabgabe entzogener Kontrollschilder und Fahrzeugausweise) vor allem zu Bussen verurteilt, welche in der Folge teilweise wegen Nichtbezahlung in Haft umgewandelt wurden. Am 19. Juni 2001 verurteilte ihn das Untersuchungsrichteramt Schaffhausen sodann zu sieben Tagen Haft wegen Nichtbefolgens der Aufgebote des Betreibungsamtes. Am 29. August 2001 büsste das Untersuchungsrichteramt wegen desselben Delikts auch BX.________.
B.
Mit Verfügung vom 2. November 2001 verwarnte das Ausländeramt des Kantons Schaffhausen die Eheleute X.________ wegen ihres bisherigen Verhaltens und wies sie an, sich künftig klaglos zu verhalten und behördlichen Aufforderungen nachzukommen, ansonsten sie damit zu rechnen hätten, dass ihre Aufenthaltsbewilligungen nicht mehr verlängert würden. Zusätzlich wurde den Eheleuten die Auflage gemacht, den nächsten Verlängerungsgesuchen für die Aufenthaltsbewilligung je einen Auszug aus dem Zentralstrafregister und aus dem Betreibungsregister beizulegen.
Am 19. August 2002 und am 20. Februar 2003 wurde AX.________ erneut wegen Betreibungsdelikten (Nichtbefolgen der Aufgebote des Betreibungsamtes zur Anwesenheit bei der Vornahme von Pfändungen) mit je fünf Tagen Haft bestraft.
Nachdem AX.________ und BX.________ in der Folge den Auflagen des Ausländeramts trotz erneuter Ermahnung nicht nachgekommen und mit weiteren Betreibungen konfrontiert worden waren, wies das Ausländeramt mit Verfügung vom 22. Juli 2003 die Gesuche der Familie X.________ um Verlängerung der am 11. Juni 2003 abgelaufenen Aufenthaltsbewilligungen ab und wies sie an, den Kanton Schaffhausen bis zum 31. August 2003 zu verlassen. Das Ausländeramt erwog im Wesentlichen, im aktuellen Betreibungsregisterauszug von AX.________ seien 40 Betreibungen über die Gesamtsumme von fast Fr. 100'000.-- sowie 60 Verlustscheine über Fr. 103'500.-- verzeichnet. Die Familie sei hoch verschuldet, und die Gesamtsumme der Schulden sei in den letzten Jahren stetig gestiegen. Eine Verwarnung habe offensichtlich keinen Eindruck gemacht. AX.________ gehe seit längerer Zeit nicht mehr einem geregelten Vollerwerb nach und seine Ehefrau sei ebenfalls nicht erwerbstätig. Die Betroffenen seien nicht in der Lage, sich genügend zu integrieren und sich den Verhältnissen im Gastland anzupassen, weshalb ihre Aufenthaltsbewilligungen nicht mehr verlängert würden.
C.
Ein gegen diese Verfügung erhobener Rekurs der Familie X.________ an den Regierungsrat des Kantons Schaffhausen blieb ohne Erfolg (vgl. den Beschluss vom 10. Februar 2004), und mit Entscheid vom 22. Oktober 2004 wies das Obergericht des Kantons Schaffhausen eine gegen diesen Beschluss erhobene Beschwerde ab.
D.
AX.________, BX.________, CX.________, DX.________, EX.________ und FX.________ führen mit gemeinsamer Eingabe vom 29. November 2004 Verwaltungsgerichtsbeschwerde beim Bundesgericht mit den Anträgen, den Entscheid des Obergerichts des Kantons Schaffhausen vom 22. Oktober 2004 aufzuheben und das Obergericht bzw. das Ausländeramt anzuweisen, den Beschwerdeführern die Aufenthaltsbewilligung zu verlängern. Gleichzeitig wird um unentgeltliche Rechtspflege und Verbeiständung ersucht.
Der Regierungsrat des Kantons Schaffhausen beantragt, die Beschwerde abzuweisen. Das Obergericht des Kantons Schaffhausen hat sich vernehmen lassen, ohne einen ausdrücklichen Antrag zu stellen. Das Bundesamt für Migration beantragt, auf die Beschwerde nicht einzutreten.
Das Bundesgericht zieht in Erwägung:
1.
Nach Art. 100 Abs. 1 lit. b Ziff. 3 OG ist die Verwaltungsgerichtsbeschwerde auf dem Gebiet der Fremdenpolizei ausgeschlossen gegen die Erteilung oder Verweigerung von Bewilligungen, auf die das Bundesrecht keinen Anspruch einräumt. Gemäss Art. 4 des Bundesgesetzes vom 26. März 1931 über Aufenthalt und Niederlassung der Ausländer (ANAG; SR 142.20) entscheidet die zuständige Behörde, im Rahmen der gesetzlichen Vorschriften und der Verträge mit dem Ausland, nach freiem Ermessen über die Bewilligung von Aufenthalt und Niederlassung. Damit besteht kein Anspruch auf Erteilung einer Bewilligung, es sei denn, der Ausländer oder seine in der Schweiz lebenden Angehörigen könnten sich hierfür auf eine Sondernorm des Bundesrechts oder eines Staatsvertrags berufen (BGE 130 II 281 E. 2.1 S. 284; 128 II 145 E. 1.1.1 S. 148 mit Hinweisen).
2.
2.1 Keine Ansprüche lassen sich vorliegend aus dem innerstaatlichen Gesetzesrecht ableiten. Die Beschwerdeführer verfügten bisher lediglich über eine Aufenthaltsbewilligung, auf deren Verlängerung sie keinen Anspruch hatten (vgl. BGE 119 Ib 91 E. 1d S. 95). Ein den Weg der Verwaltungsgerichtsbeschwerde eröffnender Rechtsanspruch im Sinne von Art. 100 Abs. 1 lit. b Ziff. 3 OG könnte sich, wovon auch die Beschwerdeschrift ausgeht, einzig aus dem Recht auf Achtung des Privatlebens (Art. 8 EMRK, Art. 13 BV) ergeben. Der Anspruch auf Achtung des Familienlebens kann hier nicht zum Zuge kommen, da die Familie durch die Pflicht zur (gemeinsamen) Ausreise in das Heimatland nicht getrennt wird (BGE 126 II 377 E. 2b/cc S. 383).
2.2 Aus dem Anspruch auf Achtung des Privatlebens kann nach der Rechtsprechung des Bundesgerichts ein Recht auf Verbleib im Land nur unter ganz besonderen Umständen abgeleitet werden. Eine lange Anwesenheit in der Schweiz und die damit verbundene normale Integration genügen für sich allein nicht; erforderlich sind vielmehr besonders intensive private Beziehungen beruflicher oder gesellschaftlicher Natur zum Gastland (BGE 126 II 377 E. 2c S. 384 ff., mit Hinweisen, 120 Ib 16 E. 3b S. 22). Eine Rolle kann bei der Würdigung der Verhältnisse auch spielen, ob der Betroffene bzw. die betroffene Familie überhaupt noch über eine namhafte Beziehung zu einem anderen Staat verfügt (BGE 130 II 281 E. 3.3 S. 288 f.).
2.3 AX.________ weilte in den Jahren 1982 bis 1993 als Saisonnier jeweils vorübergehend in der Schweiz. Ende 1993 erhielten er und seine Ehefrau eine Aufenthaltsbewilligung (vgl. vorne "A.-"). Bis zum Zeitpunkt der Nichtverlängerung dieser Bewilligung dauerte der Aufenthalt der Eheleute somit zehn Jahre. Die Beschwerdeführer können sich damit nicht auf eine besonders lange Anwesenheitsdauer in der Schweiz berufen. Die Eltern AX.________ und BX.________ sind als Erwachsene in die Schweiz gekommen und mit den Verhältnissen ihres Heimatlandes insoweit noch vertraut. Die in der Schweiz zwischen 1995 und 2000 geborenen vier Kinder sind in einem Alter, in dem sie sich an die Umsiedlung in ein anderes Land bzw. in das Heimatland ihrer Eltern noch anpassen können. Wenn die im Rahmen des Familiennachzuges vom Heimatland in die Schweiz für Kinder dieses Alters entstehenden Schwierigkeiten als überwindbar betrachtet werden, muss dies auch für den umgekehrten Fall gelten.
Die Beschwerdeführer sind sodann auch nicht in einem aussergewöhnlich intensivem Mass in die Schweiz integriert. Die Schwierigkeiten des Ehemannes als selbständiger Unternehmer, welche zur Verschuldung der Familie führten, und die weitgehend damit zusammenhängende Reihe von Gesetzesverstössen zeugen vielmehr von einer wenig geglückten beruflichen Eingliederung. Die privaten Beziehungen der Familie zum gesellschaftlichen Umfeld halten sich im Rahmen des Normalen. Nach der - für das Bundesgericht grundsätzlich verbindlichen (Art. 105 Abs. 2 OG) - Feststellung der Vorinstanz kann von einer "erfolgreichen Integration" nicht gesprochen werden (S. 18 des angefochtenen Entscheides). Jedenfalls sind keine aussergewöhnlich intensive Bindungen zur Schweiz ersichtlich, welche unter dem Gesichtswinkel des Anspruches auf Achtung des Privatlebens ein festes Anwesenheitsrecht in der Schweiz zu begründen vermöchten. Im Gegensatz zu dem in BGE 130 II 281 beurteilten Fall, wo der - sich seit 20 Jahren in der Schweiz aufhaltende - Betroffene als Angehöriger einer nirgendwo verankerten ethnischen Minderheit zu keinem anderen Staat eine namhafte Beziehung hatte, erscheint vorliegend eine Rückkehr der Beschwerdeführer in ihr Heimatland nicht ausserhalb des Zumutbaren. Gemäss Feststellung im angefochtenen Urteil, die durch die Vorbringen in der Beschwerdeschrift nicht widerlegt wird, können die Beschwerdeführer, auch wenn sie sich als "Staatenlose" bezeichnen, jederzeit nach Mazedonien zurückkehren und als aus diesem Gebiet stammende Bürger des ehemaligen Jugoslawiens dort ihren definitiven Aufenthalt regeln (vgl. S. 15 des angefochtenen Entscheides). Dass sie der albanischen Bevölkerungsgruppe Mazedoniens angehören, ändert nichts.
Aus dem Gesagten folgt, dass die Beschwerdeführer nicht in einem derart intensiven Mass in der Schweiz verankert und entsprechend zwingend auf einen Verbleib in diesem Land angewiesen sind, dass sie schon aus diesem Grund, unabhängig von den gesetzlichen Voraussetzungen oder von sonstigen speziellen Verfassungs- oder Konventionsgarantien, unter dem Titel des Rechtes auf Achtung des Privatlebens einen Anspruch auf ein festes Anwesenheitsrecht in der Schweiz geltend machen können.
2.4 Was die Beschwerdeführer in sachverhaltsmässiger und rechtlicher Hinsicht im Einzelnen gegen die Nichtverlängerung ihrer Aufenthaltsbewilligungen einwenden (Relativierung des bisherigen Fehlverhaltens, Aussicht auf Schuldensanierung, sprachliche und berufliche Schwierigkeiten bei einer Rückkehr ins Heimatland, Verhältnisse in Mazedonien, Möglichkeit der erleichterten Einbürgerung usw. ), betrifft Fragen, welche die kantonalen Behörden im Rahmen ihrer Ermessensbetätigung nach Art. 4 ANAG zu prüfen hatten. Mangels eines Rechtsanspruches auf Verlängerung dieser Bewilligung steht der Weg der eidgenössischen Verwaltungsgerichtsbeschwerde gegen den kantonalen Entscheid, wie dargelegt, nicht offen. Anders verhielte es sich, wenn die Beschwerdeführer aufgrund einer erteilten Niederlassungsbewilligung einen Rechtsanspruch auf Verbleib im Land hätten und sie damit nur bei Vorliegen von Ausweisungsgründen (vgl. Art. 10 und 17 ANAG) und unter dem Vorbehalt der Verhältnismässigkeit zur Ausreise verpflichtet werden könnten. Da jedoch die Beschwerdeführer bisher lediglich im Besitze einer Aufenthaltsbewilligung waren, deren Verlängerung gemäss Art. 4 ANAG abschliessend im Ermessen des zuständigen Kantons steht (soweit - wie hier - keine übergeordneten Garantien zum Zuge kommen), besteht für das Rechtsmittel der Verwaltungsgerichtsbeschwerde aufgrund von Art. 100 Abs. 1 lit. b Ziff. 3 OG kein Raum.
2.5 Bei dieser Sach- und Rechtslage steht den Beschwerdeführern, soweit sie die Verweigerung der Bewilligungsverlängerung in der Sache anfechten wollen, mangels eines rechtlich geschützten Interesses (Art. 88 OG) auch der Weg der staatsrechtlichen Beschwerde nicht offen (Urteil 2A.20/2002 vom 13. Mai 2002, E. 1.5). Verfahrensrügen, die auch bei fehlender Legitimation in der Sache mit staatsrechtlicher Beschwerde erhoben werden könnten ("Star-Praxis", BGE 114 Ia 307 E. 3c S. 312 f.; 127 II 161 E. 3b S. 167, mit weiteren Hinweisen), werden nicht vorgebracht.
3.
Auf die Verwaltungsgerichtsbeschwerde ist daher nicht einzutreten.
Mit diesem Entscheid in der Hauptsache wird das - superprovisorisch gutgeheissene - Gesuch um aufschiebende Wirkung hinfällig.
Dem Ausgang des Verfahrens entsprechend würden die unterliegenden Beschwerdeführer kostenpflichtig (Art. 156 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 153 und 153a OG). Sie ersuchen indessen um unentgeltliche Rechtspflege und Verbeiständung. Da sie bedürftig sind und ihr Rechtsbegehren (aufgrund der bisherigen Rechtsprechung) nicht zum Vornherein aussichtslos war (Art. 152 OG), ist diesem Gesuch zu entsprechen.
Demnach erkennt das Bundesgericht:
1.
Auf die Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird nicht eingetreten.
2.
Das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege und Verbeiständung wird gutgeheissen:
2.1 Es werden keine Kosten erhoben.
2.2 Rechtsanwalt Christoph Fuchs wird als amtlicher Vertreter der Beschwerdeführer bestellt, und es wird ihm für das bundesgerichtliche Verfahren aus der Bundesgerichtskasse ein Honorar von Fr. 2'000.-- ausgerichtet.
3.
Dieses Urteil wird den Beschwerdeführern, dem Regierungsrat und dem Obergericht des Kantons Schaffhausen sowie dem Bundesamt für Migration schriftlich mitgeteilt.
Lausanne, 27. April 2005
Im Namen der II. öffentlichrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts
Der Präsident: Der Gerichtsschreiber: